(Folgender Text ist eine Improvisation zum Thema ´Genese des christlichen Monotheismus´. Falls der eine oder andere die Muße für das Lesen aufbringt, würde mich interessieren, ob die sachliche Darstellung und einige darauf fußende Schlussfolgerungen vertretbar sind. Meine Prämisse lautet übrigens: Alle religiösen Ideen und mythischen Figuren leiten sich ausnahmslos von anderen, parallel bestehenden oder vorausgegangenen, Ideen und Figuren ab = synkretistisches Prinzip. Das in jedem Detail zu beweisen ist natürlich nicht immer einfach.)
Der erste in der Reihe monotheistischer Propheten ist Zarathustra, der Begründer des iranischen Zoroastrismus/Mazdaismus. Diese Gestalt ist (höchstwahrscheinlich) historisch, wenn auch nur vage datierbar, mutmaßlich um 600 v.u.Z.. Zarathustra ist der erste, der sich auf eine "Offenbarung" beruft. Man muss dazu wissen, dass in der vedischen Religion, deren Priester Zarathustra zunächst war, der schamanistische Gebrauch des Rauschtranks Soma üblich war, um Zugang zur ´göttlichen´ Sphäre zu erlangen. Die Götter selbst, allen voran Indra, pflegten Soma zu konsumieren. Zarathustra wird seine ´Offenbarung´ also sehr wahrscheinlich unter solchen Umständen erfahren haben.
Er realisiert als erster einen Monotheismus, indem er den vedischen Gott Ahura Mazda (Teil eines Pantheons) zum alleinigen (Schöpfer-)Gott erhebt. Das ist kein Zufall, da Z. ein Priester des Ahura Mazda ist. Andere vedische Götter degradiert er zu Heiligen (in etwa: Engeln) bzw. Dämonen als Zugeständnis an sein polytheistisch indoktriniertes Publikum. Es gab zwar monotheistische Ansätze schon in der babylonischen Marduk-Religion, aber ohne die Konsequenz des Mazdaismus. Echnatons System wiederum kann nicht als Monotheismus gelten, da es die Sonne in archaischer Weise als physisches Objekt verkultet, was nichts mit der Verehrung eines (relativ) transzendenten Gottes zu tun hat, wie sie für Monotheismen typisch ist.
(Mehr zum Zoroastrismus am Schluss)
Einige Jahrhunderte vor Zarathustra entsteht in Kanaan der Jahwismus. Das ist der Kult um den Schutzgott eines zugewanderten Nomadenstamms (Habiru = Hebräer), der dem Wüsten- und Wettergott Jahwe huldigt.
Zunächst gibt es keinen Gedanken an ein monotheistisches Konzept: Jahwe wird, den Gepflogenheiten der Zeit entsprechend, in das polytheistische System Kanaans eingegliedert. Er ist im aus Ugarit importierten Pantheon nur ein Untergott neben 70 anderen, denen der Vatergott El (= Eljon) vorsitzt, seinerseits mit der Fruchtbarkeitsgöttin Aschera vermählt. Als Relikte aus dieser Phase finden sich im AT folgende Stellen: 5 Mose 32:8,9, Psalmen 82 und 89:8. An der Moses-Stelle heißt es:
Als Eljon die Völker als Erbbesitz gab, als er die Menschen verteilte, setzte er die Gebiete der Völker fest nach der Zahl der Götter. Da wurde Jahwes Anteil sein Volk, Jakob der ihm zugemessene Erbbesitz.
Schon in der Septuaginta wird "Götter" fälschlich mit "Söhne Israels" übersetzt, um den polytheistischen Kontext zu verschleiern.
Ab ca. 1000 v.u..Z. bildet sich aufgrund innenpolitischer Konflikte im entstehenden Königreich die Tendenz, Jahwe als Hauptgott gegen die polytheistische Konkurrenz durchzusetzen ("Jahwe-allein-Bewegung"). Die Protagonisten dieser Strömung sind die ´Propheten´, gelehrte und - milde ausgedrückt - hochmotivierte Männer mit bewaffneten Gefolgsleuten. Im 9. Jh. kommt es einem ersten größeren Konflikt zwischen Jahwe- und Baal-Anhängern, alles aber im Rahmen des Polytheismus und mit einem politischen Hintergrund.
Die Jahwe-allein-Bewegung bleibt vorläufig in einer machtlosen Minderheit. Die Bevölkerung akzeptiert Jahwe nur in bestimmten Funktionen (vor allem Kriegsgott), aber für Fruchtbarkeit z.B. bleiben Baal und Aschera zuständig. Im 8. Jh. wird Hauptgott El von Jahwe endlich von der Spitze des Pantheons verdrängt und mit Aschera assoziiert (die vorher mit El verbunden war).
Im gleichen Jahrhundert tritt Prophet Hosea auf den Plan, der energisch die Alleinverehrung Jahwes fordert (im polytheistischen Rahmen aber, also henotheistisch). Auch hier gibt es politische Zusammenhänge, denn von Jahwe erhoffen sich seine Anhänger Schutz gegen wirtschaftliche Probleme und gegen die Abhängigkeit von den Assyrern. Es gibt bei Hosea auch einen persönlichen Grund: Seine Frau Gomer hat in Baal-Tempeln im Rahmen des Kultes mit anderen Männern geschlafen, nachzulesen in Hos 2,6f..
Als die Israeliten Anfang des 6. Jh. zum zweiten Mal deportiert werden (Babylonisches Exil) und der Jerusalemer Tempel zerstört wird, ist die Katastrophe komplett. Die Exilanten deuten das so, dass sich Jahwe von ihnen abgewandt hat, weil ihn die ungebrochene Vielgötterei der Israeliten empörte, und nun auf der Seite ihrer Besieger steht. Um sein Wohlwollen zurückzugewinnen, konzipieren sie eine radikale Monolatrie (Alleinverehrung) Jahwes und beginnen die "heiligen" Texte zu erstellen (als Ersatz für den verlorenen Tempel).
Von einem echten Monotheismus kann man erst ab und nach dem Exil sprechen (ab der Zeit, ab der man auch von ´Judentum´ sprechen kann), also nach mehreren Jahrhunderten einer weitgehend polytheistisch gerahmten Jahwe-Verehrung. Es besteht wohl kein Zweifel daran, dass sich der Monotheismus unter der Voraussetzung des Drucks der politischen Verhältnisse herausgebildet hat. Er ist also nicht das Resultat sozusagen freischwebender "Offenbarungen", auch wenn diese vorgegeben werden, um die Attraktivität der Message zu steigern. Vielmehr haben alle Protagonisten der Jahwe-allein-Bewegung primär politische Motive, ihr Held (und Schutzgott!) Jahwe dient als psychologischer Turbo, um die Massen zu motivieren, ihre kulturelle Identität angesichts konfliktreicher Situationen zu bewahren (Rivalität zur polytheistischen Rest-Bevölkerung, später die assyrische Besetzung des Landes, Zerstörung des Tempels, Deportation der Elite nach Babylon). Salopp gesagt: Der Polytheismus ist eine locker gespreizte Hand, der (jüdische) Monotheismus eine protestierend geballte Faust.
Dass eine geballte Faust aber immer noch aus mehreren Fingern besteht, zeigt die folgende Entwicklung. Die jüdische Weisheitstheologie greift Motive aus der Stoa (Weisheit = weltordnende Kraft) und der ägyptischen Religion (die Göttinnen Isis und Ma´at) auf und konzipiert die weibliche Gestalt der Weisheit (Sophia). Sie ist Gottes Botin, aber auch auch seine Geliebte und Throngefährtin. In der jüdischen Apokalyptik spielt Metatron eine vergleichbare Rolle: Er ist der mächtigste Engel und thront neben Gott. Kein Zweifel: Der Polytheismus meldet sich in Gestalt von Sophia und Metatron wieder zu Wort.
Die trinitarische Entwicklung des Christentums gründet u.a. in solchen Vorstellungen: Die Botenfunktion von Sophia und Metatron wird auf die Christusfigur übertragen. Die Entstehung dieser Religion lässt sich nur hypothetisch nachzeichnen. Prinzipiell gibt es zwei Hypothesen:
1) Jesus ist eine historische Figur, die als jüdischer Messias auftritt und als politischer Rebell hingerichtet wird. In der Folge bilden sich theologische Konzepte als Auslegungen einer kaum noch rekonstruierbaren Botschaft dieser Figur.
2) Jesus ist eine mythologische Figur (ein "Äon"), die innerhalb der gnostischen Strömung als synkretistische Adaption externer Erlösergestalten (z.B. Osiris) in Erscheinung tritt, ohne im geringsten eine geschichtliche Funktion zu haben. Eine bestimmte Untergruppe dieser Strömung konstruiert im 2. Jh. u.Z. historisierende Legenden um diese Gestalt (analog zur Historisierung des mythischen Moses im Judentum) und verbindet sie mit der geschichtlich orientierten jüdischen Theologie. Diese Untergruppe ist die katholische Kirche Roms.
(Als Vorlage der historisierten Jesus-Figur könnte z.B. der Zelot Menachem ben Hiskia gedient haben, der 66 u.Z. mit einer bewaffneten Truppe in Jerusalem einzog, sich als Messias feiern und den Hohepriester töten ließ und schließlich von der durch die Priesterschaft aufgewiegelten Bevölkerung (systematisch) gefoltert und getötet wurde)
Stecken wir die Frage, ob 1) oder 2) zutrifft, aber in eine Black Box. Die Lehre vom christlichen Gott, bisher "Jahwe", jetzt "Vater" und vor allem "Herr" genannt, wird von der sich später "katholisch" nennenden Strömung in den hellenistischen, römischen und ägyptischen Raum verbreitet, also in Gegenden, wo die griechische Philosophie boomt. Ein geschichtsimmanenter ´linearer´ Gott trifft auf eine transzendent ausgerichtete ´vertikale´ Vorstellungswelt. Zwei völlig unterschiedliche Dimensionen. Akzeptanz des christlichen Konzepts ist nur möglich, wenn eine Synthese erfolgt. Also geschieht, was Harnack die ´Hellenisierung des Christentums´ nannte: Die griechische Logos-Philosophie wird von den Apologeten (zunächst Justin) adaptiert und bildet das neue Gerüst der christlichen Theologie. "Gott" wird als welt- und geschichtstranszendierende Entität gedacht, die einer Mittlerinstanz bedarf, um auf die Welt einzuwirken.
Angeregt wird das Konzept durch den Mittelplatonismus, die Stoa und die Logoslehre des jüdischen Philosophen Philon von Alexandria. Bei den Stoikern ist der Logos das kosmische Gesetz, welches die weltlichen Prozesse steuert. Bei dem durch die platonische Ideenlehre inspirierten Philon ist der Logos der Vermittler der Weisheit des absolut transzendenten Gottes an die Menschen. Angelehnt an griechische Mythen nennt er diesen Logos auch "Sohn Gottes" und "Gottes Erstgeborener". Die Funktionen der weisheitlichen Sophia überträgt er auf diesen Logos.
Justin wiederum überträgt solche Vorstellungen in die christliche Theologie und identifiziert den "fleischlichen" Jesus mit dem Logos. Dieser ist das erste Gezeugte des Ungezeugten (Gott), der präexistente Logos, der Fleisch wird und als Mensch leidet. Hier liegt die Wurzel des späteren Trinitätsdenkens, wie es als erster Tertullian ausformt: Una substantia - tres personae. Gott ist eine Struktur, die Vater, Sohn und Geist in sich fasst. Auch der christliche Monotheismus kann der Verlockung des Polytheismus nicht standhalten.
Um einen Bogen zum Anfang zu schlagen: Der iranische Zoroastrismus hat seine Spuren im Juden- und Christentum natürlich hinterlassen, auch wenn der Einfluss im Detail nicht eindeutig rekonstruierbar ist. Die Gestalt des Satans ist ein Import aus dem Zoroastrismus (Ahriman, der dämonische Gegenspieler Ahura Mazdas). Auch das eschatologische Denken im Juden- und Christentum verdankt sich glasklar dem zoroastrischen Konzept vom Endkampf zwischen Gut und Böse.
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Der erste in der Reihe monotheistischer Propheten ist Zarathustra, der Begründer des iranischen Zoroastrismus/Mazdaismus. Diese Gestalt ist (höchstwahrscheinlich) historisch, wenn auch nur vage datierbar, mutmaßlich um 600 v.u.Z.. Zarathustra ist der erste, der sich auf eine "Offenbarung" beruft. Man muss dazu wissen, dass in der vedischen Religion, deren Priester Zarathustra zunächst war, der schamanistische Gebrauch des Rauschtranks Soma üblich war, um Zugang zur ´göttlichen´ Sphäre zu erlangen. Die Götter selbst, allen voran Indra, pflegten Soma zu konsumieren. Zarathustra wird seine ´Offenbarung´ also sehr wahrscheinlich unter solchen Umständen erfahren haben.
Er realisiert als erster einen Monotheismus, indem er den vedischen Gott Ahura Mazda (Teil eines Pantheons) zum alleinigen (Schöpfer-)Gott erhebt. Das ist kein Zufall, da Z. ein Priester des Ahura Mazda ist. Andere vedische Götter degradiert er zu Heiligen (in etwa: Engeln) bzw. Dämonen als Zugeständnis an sein polytheistisch indoktriniertes Publikum. Es gab zwar monotheistische Ansätze schon in der babylonischen Marduk-Religion, aber ohne die Konsequenz des Mazdaismus. Echnatons System wiederum kann nicht als Monotheismus gelten, da es die Sonne in archaischer Weise als physisches Objekt verkultet, was nichts mit der Verehrung eines (relativ) transzendenten Gottes zu tun hat, wie sie für Monotheismen typisch ist.
(Mehr zum Zoroastrismus am Schluss)
Einige Jahrhunderte vor Zarathustra entsteht in Kanaan der Jahwismus. Das ist der Kult um den Schutzgott eines zugewanderten Nomadenstamms (Habiru = Hebräer), der dem Wüsten- und Wettergott Jahwe huldigt.
Zunächst gibt es keinen Gedanken an ein monotheistisches Konzept: Jahwe wird, den Gepflogenheiten der Zeit entsprechend, in das polytheistische System Kanaans eingegliedert. Er ist im aus Ugarit importierten Pantheon nur ein Untergott neben 70 anderen, denen der Vatergott El (= Eljon) vorsitzt, seinerseits mit der Fruchtbarkeitsgöttin Aschera vermählt. Als Relikte aus dieser Phase finden sich im AT folgende Stellen: 5 Mose 32:8,9, Psalmen 82 und 89:8. An der Moses-Stelle heißt es:
Als Eljon die Völker als Erbbesitz gab, als er die Menschen verteilte, setzte er die Gebiete der Völker fest nach der Zahl der Götter. Da wurde Jahwes Anteil sein Volk, Jakob der ihm zugemessene Erbbesitz.
Schon in der Septuaginta wird "Götter" fälschlich mit "Söhne Israels" übersetzt, um den polytheistischen Kontext zu verschleiern.
Ab ca. 1000 v.u..Z. bildet sich aufgrund innenpolitischer Konflikte im entstehenden Königreich die Tendenz, Jahwe als Hauptgott gegen die polytheistische Konkurrenz durchzusetzen ("Jahwe-allein-Bewegung"). Die Protagonisten dieser Strömung sind die ´Propheten´, gelehrte und - milde ausgedrückt - hochmotivierte Männer mit bewaffneten Gefolgsleuten. Im 9. Jh. kommt es einem ersten größeren Konflikt zwischen Jahwe- und Baal-Anhängern, alles aber im Rahmen des Polytheismus und mit einem politischen Hintergrund.
Die Jahwe-allein-Bewegung bleibt vorläufig in einer machtlosen Minderheit. Die Bevölkerung akzeptiert Jahwe nur in bestimmten Funktionen (vor allem Kriegsgott), aber für Fruchtbarkeit z.B. bleiben Baal und Aschera zuständig. Im 8. Jh. wird Hauptgott El von Jahwe endlich von der Spitze des Pantheons verdrängt und mit Aschera assoziiert (die vorher mit El verbunden war).
Im gleichen Jahrhundert tritt Prophet Hosea auf den Plan, der energisch die Alleinverehrung Jahwes fordert (im polytheistischen Rahmen aber, also henotheistisch). Auch hier gibt es politische Zusammenhänge, denn von Jahwe erhoffen sich seine Anhänger Schutz gegen wirtschaftliche Probleme und gegen die Abhängigkeit von den Assyrern. Es gibt bei Hosea auch einen persönlichen Grund: Seine Frau Gomer hat in Baal-Tempeln im Rahmen des Kultes mit anderen Männern geschlafen, nachzulesen in Hos 2,6f..
Als die Israeliten Anfang des 6. Jh. zum zweiten Mal deportiert werden (Babylonisches Exil) und der Jerusalemer Tempel zerstört wird, ist die Katastrophe komplett. Die Exilanten deuten das so, dass sich Jahwe von ihnen abgewandt hat, weil ihn die ungebrochene Vielgötterei der Israeliten empörte, und nun auf der Seite ihrer Besieger steht. Um sein Wohlwollen zurückzugewinnen, konzipieren sie eine radikale Monolatrie (Alleinverehrung) Jahwes und beginnen die "heiligen" Texte zu erstellen (als Ersatz für den verlorenen Tempel).
Von einem echten Monotheismus kann man erst ab und nach dem Exil sprechen (ab der Zeit, ab der man auch von ´Judentum´ sprechen kann), also nach mehreren Jahrhunderten einer weitgehend polytheistisch gerahmten Jahwe-Verehrung. Es besteht wohl kein Zweifel daran, dass sich der Monotheismus unter der Voraussetzung des Drucks der politischen Verhältnisse herausgebildet hat. Er ist also nicht das Resultat sozusagen freischwebender "Offenbarungen", auch wenn diese vorgegeben werden, um die Attraktivität der Message zu steigern. Vielmehr haben alle Protagonisten der Jahwe-allein-Bewegung primär politische Motive, ihr Held (und Schutzgott!) Jahwe dient als psychologischer Turbo, um die Massen zu motivieren, ihre kulturelle Identität angesichts konfliktreicher Situationen zu bewahren (Rivalität zur polytheistischen Rest-Bevölkerung, später die assyrische Besetzung des Landes, Zerstörung des Tempels, Deportation der Elite nach Babylon). Salopp gesagt: Der Polytheismus ist eine locker gespreizte Hand, der (jüdische) Monotheismus eine protestierend geballte Faust.
Dass eine geballte Faust aber immer noch aus mehreren Fingern besteht, zeigt die folgende Entwicklung. Die jüdische Weisheitstheologie greift Motive aus der Stoa (Weisheit = weltordnende Kraft) und der ägyptischen Religion (die Göttinnen Isis und Ma´at) auf und konzipiert die weibliche Gestalt der Weisheit (Sophia). Sie ist Gottes Botin, aber auch auch seine Geliebte und Throngefährtin. In der jüdischen Apokalyptik spielt Metatron eine vergleichbare Rolle: Er ist der mächtigste Engel und thront neben Gott. Kein Zweifel: Der Polytheismus meldet sich in Gestalt von Sophia und Metatron wieder zu Wort.
Die trinitarische Entwicklung des Christentums gründet u.a. in solchen Vorstellungen: Die Botenfunktion von Sophia und Metatron wird auf die Christusfigur übertragen. Die Entstehung dieser Religion lässt sich nur hypothetisch nachzeichnen. Prinzipiell gibt es zwei Hypothesen:
1) Jesus ist eine historische Figur, die als jüdischer Messias auftritt und als politischer Rebell hingerichtet wird. In der Folge bilden sich theologische Konzepte als Auslegungen einer kaum noch rekonstruierbaren Botschaft dieser Figur.
2) Jesus ist eine mythologische Figur (ein "Äon"), die innerhalb der gnostischen Strömung als synkretistische Adaption externer Erlösergestalten (z.B. Osiris) in Erscheinung tritt, ohne im geringsten eine geschichtliche Funktion zu haben. Eine bestimmte Untergruppe dieser Strömung konstruiert im 2. Jh. u.Z. historisierende Legenden um diese Gestalt (analog zur Historisierung des mythischen Moses im Judentum) und verbindet sie mit der geschichtlich orientierten jüdischen Theologie. Diese Untergruppe ist die katholische Kirche Roms.
(Als Vorlage der historisierten Jesus-Figur könnte z.B. der Zelot Menachem ben Hiskia gedient haben, der 66 u.Z. mit einer bewaffneten Truppe in Jerusalem einzog, sich als Messias feiern und den Hohepriester töten ließ und schließlich von der durch die Priesterschaft aufgewiegelten Bevölkerung (systematisch) gefoltert und getötet wurde)
Stecken wir die Frage, ob 1) oder 2) zutrifft, aber in eine Black Box. Die Lehre vom christlichen Gott, bisher "Jahwe", jetzt "Vater" und vor allem "Herr" genannt, wird von der sich später "katholisch" nennenden Strömung in den hellenistischen, römischen und ägyptischen Raum verbreitet, also in Gegenden, wo die griechische Philosophie boomt. Ein geschichtsimmanenter ´linearer´ Gott trifft auf eine transzendent ausgerichtete ´vertikale´ Vorstellungswelt. Zwei völlig unterschiedliche Dimensionen. Akzeptanz des christlichen Konzepts ist nur möglich, wenn eine Synthese erfolgt. Also geschieht, was Harnack die ´Hellenisierung des Christentums´ nannte: Die griechische Logos-Philosophie wird von den Apologeten (zunächst Justin) adaptiert und bildet das neue Gerüst der christlichen Theologie. "Gott" wird als welt- und geschichtstranszendierende Entität gedacht, die einer Mittlerinstanz bedarf, um auf die Welt einzuwirken.
Angeregt wird das Konzept durch den Mittelplatonismus, die Stoa und die Logoslehre des jüdischen Philosophen Philon von Alexandria. Bei den Stoikern ist der Logos das kosmische Gesetz, welches die weltlichen Prozesse steuert. Bei dem durch die platonische Ideenlehre inspirierten Philon ist der Logos der Vermittler der Weisheit des absolut transzendenten Gottes an die Menschen. Angelehnt an griechische Mythen nennt er diesen Logos auch "Sohn Gottes" und "Gottes Erstgeborener". Die Funktionen der weisheitlichen Sophia überträgt er auf diesen Logos.
Justin wiederum überträgt solche Vorstellungen in die christliche Theologie und identifiziert den "fleischlichen" Jesus mit dem Logos. Dieser ist das erste Gezeugte des Ungezeugten (Gott), der präexistente Logos, der Fleisch wird und als Mensch leidet. Hier liegt die Wurzel des späteren Trinitätsdenkens, wie es als erster Tertullian ausformt: Una substantia - tres personae. Gott ist eine Struktur, die Vater, Sohn und Geist in sich fasst. Auch der christliche Monotheismus kann der Verlockung des Polytheismus nicht standhalten.
Um einen Bogen zum Anfang zu schlagen: Der iranische Zoroastrismus hat seine Spuren im Juden- und Christentum natürlich hinterlassen, auch wenn der Einfluss im Detail nicht eindeutig rekonstruierbar ist. Die Gestalt des Satans ist ein Import aus dem Zoroastrismus (Ahriman, der dämonische Gegenspieler Ahura Mazdas). Auch das eschatologische Denken im Juden- und Christentum verdankt sich glasklar dem zoroastrischen Konzept vom Endkampf zwischen Gut und Böse.
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