Nach mMn jedem vernünftigen Verständnis setzt die Definition eines Völkermordes die Existenz einer von den Opfern klar unterscheidbare Tätergruppe voraus.

Naja, dir ist schon klar, dass exkludierende Definitionen häufig von den Tätern stammten, die Opfer sich häufiger gar nicht dazurechnen.

Ich halte es nur für bedingt legitim, in Definitionen einfach so Begriffe auszutauschen.
Verständlich, was Du meinst, zumindest in Sinne der Internationalen Gerichtsbarkeit.

Die Definition von "Völkermord" rekurriert notwendigerweise auf so etwas wie "Volk"
Ist aber letztlich m.E. völlig überholt und nur eine nützliche Formel zu juristischen Ahndung.

Die Roten Khmer, bzw. deren befehlsgebende Führungsschicht waren ja - trotz ihres anti-intellektuellem Habitus und Verhaltens - nicht "ordinary people", sondern zumindest zu einem Teil selbst Intellektuelle (Um nur ein Beispiel anzuführen: Der sogenannte "Bruder Nr.1", Pol Pot, hat etwa in Paris studiert.).
Das bedeutet nun wenig, ist eher sogar typisch. Ehemalige, gelernte Arbeiter und Handwerker als sozialistische Regimeführer waren eher selten totalitäre Utopisten mit demozidalen Ambitionen.
 
1.
Ich weiß nicht. Nach mMn jedem vernünftigen Verständnis setzt die Definition eines Völkermordes die Existenz einer von den Opfern klar unterscheidbare Tätergruppe voraus. Ich seh diese jetzt im kambodschanischen Fall nicht - jedenfalls was die Verbrechen gegen die Mehrheitsbevölkerung, die Khmer, betrifft. Man mag das als großangelegten kulturell-sozialen Suizid-Versuch beschreiben, wie das offensichtlich einige Autoren versucht haben, Genozid trifft es für mich nicht.

Das ist falsch. Täter kann jedermann sein, auch ein Mitglied der angegriffenen Gruppe.


BGH (3. Strafsenat), Urteil vom 21.05.2015 - 3 StR 575/14
Whitaker, Revised and updated report on the question of the prevention and punishment of the crime of genocide, UN Doc. E/CN.4/Sub. 2/1985/6, 2.7.1985, Nr. 31;
Vianney-Liaud in Meisenberg/Stegmiller (Hrsg.), S. 255;
Münchener Kommentar, § 6 VStGB, Völkermord, Tz 30.
etc etc
 
Ben Kiernan (1990), The genocide in Cambodia, 1975–79, Bulletin of
Concerned Asian Scholars
, 22:2, 35-40, S. 39, formuliert eine entsprechende Abschnittsüberschrift mit
Genocide against a "Part" of the Majority Khmer Population.

Gemeint sind Massentötungen in den letzten 6 Monaten des Jahres 1978 in der politisch verdächtigen östlichen Zone an der Grenze zu Vietnam. Nur, weil sie aus Sicht der zentristischen Roten Khmer als 'verdächtig' galten aufgrund der Nähe zur Grenze zu Vietnam.
 
Suizid?
Sicher, da hat es Leute gegeben. Gibt aber keine Quellen darüber. Ich persönlich kann mir dies aber gut vorstellen.

Was macht man in solchen Situation wenn man nicht fliehen kann und man erlebt wie der Reihe nach die Wohnungen leergefegt werden und man weiß, auch du wirst nicht vergessen?

Als Suizid würde ich z.B. den Vorgang bezeichnen der sich seinerzeit in Guyanas in Jonastown ereignete.
Stichwort -> Jonestown-Massaker.

Das was da gemacht wurde, war aber eindeutig GENOZID.

Und für mich hat nicht das Volk "Khmer“ den Genozid verursacht, sondern die „Roten Khmer“, die Guerilliabewegung.
Das war eine maoistische – nationalistische Guerillabewegung die unter der Führung Pol-Pot stand. Diese kam 1975 an die Macht.
 
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Täter kann jedermann sein, auch ein Mitglied der angegriffenen Gruppe.
Das ist (jedenfalls von mir) unbestritten.

Wogegen ich mich verwehre, ist die Vorstellung, daß eine ethnische Gruppe Völkermord an sich selbst begehen kann.
Im konkreten Fall: Die "Roten Khmer" wollten alle "Nicht-Roten Khmer" massakrieren/abschlachten/ausrotten/assimilieren/was weiß ich was mit ihnen anstellen. Was sie nicht wollten - zumindest wüßte ich davon nichts - ist, die Khmer als Volk auszurotten. Ihre Verbrechen richteten sich also nicht gegen eine irgendwie ethnisch definierbare Entität, sondern gegen eine soziale Gruppe innerhalb der eigenen Gesellschaft. Meiner Meinung nach - und, um deutlich zu sein wiederholend: meiner Meinung nach - sind sie zumindest im Bezug auf die Verbrechen gegen die Khmer vom Vorwurf des Genozids auszuschließen.
Würde mir - um nochmals auf ihr Argument einzugehen - jemand nachweisen, daß die "Roten Khmer" von einer ausssenstehenden Gruppe (die Chinesen? die Russen? die Tibeter oder wer auch immer) dazu angestiftet oder auch als Schergen benutzt wurden um die Khmer ganz oder teilweise auszurotten bzw. das auch nur zu versuchen, würd ich meine Meinung natürlich sofort ändern.
 
Naja, dir ist schon klar, dass exkludierende Definitionen häufig von den Tätern stammten, die Opfer sich häufiger gar nicht dazurechnen.
Die völkerrechtliche Definition von Völkermord wurde von Sowjet-Union im Rahmen der Vereinten Nation mitentwickelt. Stalin hat schon darauf geachtet, dass der Klassenkampf, der in der stalinistischen Praxis die Ausrottung des Bürgertums, der Intelligenz und der Kulaken beinhalten konnte, nicht als Völkermord Teil des Völkerstrafrechts gelten kann und in den Vereinten Nationen eine exkludierende Definition durchgesetzt.
Entsprechende Passagen, die die Vernichtung bestimmter sozialer Gruppen der eigenen Ethnie als Genozid gewertet hätte, wurden aus dem ersten Entwurf gestrichen. In Rafael Lemkins erster Völkermord-Definition waren sozial definierte Opfergruppen noch mit eingeschlossen.

Vorbild der Roten Khmer war die Säuberungspolitik Stalins und Masos - nur eben noch radikaler. Wer angeblich kein Bauer oder Arbeiter war, sollte umerzogen werden oder gleich ermordet werden. Eine Brille zu tragen, reichte schon aus, um als Klassenfeind erkannt zu werden.

Diese Massenmorde in Kambodscha können daher kein Völkermord im völkerrechtliche Sinne sein. Dafür hatte Stalin schon vorgesorgt.
Ein Völkermord im Sinne der ursprünglichen Definition von Rafael Lemkin sind sie allerdings schon.
 
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Einen wissenschaftlich gut fundierten, hilfreichen Fünf-Seiten-Artikel für die Einsteiger beim Thema Prägung und Ideologie der Roten Khmer inklusive Pol Pot samt Auswirkungen 1975-1979 in Kombodscha bietet

Ella Daschkey, Der 'Supergroße Sprung nach vorn'. Maos Ideen erobern Kambodscha (2008)

Stets war bei den Roten Khmer bzw. dem Pol Pot-Regime die Verbindung zu Mao und dem maoistischen China, besonders zum Großen Sprung nach vorn und der Kulturrevolution offenkundig gewesen. Daschkey zeigt selbstredend dann auch die Unterschiede. Die frühagrar-kommunistische Utopie als Entwicklungsziel unter dem Pol-Pot-Regime war keine maoistische Idee, konnte aber besonders im Fahrwasser maoistischer (Abschnitts-)Ideologien, ob Großer Sprung oder Kulturrevolution, gedeihen.
 
Genauer, der „Große Sprung in die Steinzeit“.

Was da an Menschen umgebracht wurde und an chinesischen Weltkulturerbe vernichtet wurde...

Hat mich schon damals aufgeregt.

Ich las damals regelmäßig die Zeitung „Horizont“. Da waren auch oft Artikel zu den Ideen und seiner Ausführung drin. Bei so einigen Artikel läuft es mir noch heute gruselig über den Rücken. War eine Zeit wo unsere Oberen schon lang mit China passé waren.

Als das hochkam, erinnerte ich mich an einen Bekannten – ich war Kind und er im Erwachsenenalter – er sprach beim Thema China immer von der „Gelben Gefahr“.

Albanien war wohl damals das einzige Land in Europa was zu den Sympathisanten zählte. Den albanischen Rundfunk hörte ich damals wenn ich mit meiner Familie in der Hohen Tatra Urlaub machte. Waren Sendungen in Deutsch.

Viel später – nach den großen Sprung – also nach Mao und der anschließenden 4er Bande freundete sich auch Nicolae Ceaușescu /Rumänien mit China an. Er war ja schon alleweil mit den Russen in Clinch.

Jedenfalls der „Rote Khmer Aktivist“ hatte ihm als Vorbild. Sie kannten sich ja wohl auch persönlich. Und sein Nachbar Papa Hồ konnte ihn nicht ausstehen.

Mich wundert allerdings (oder auch nicht), dass der für seine „Heldentaten“ einen noch immer auf den Geldscheinen Chinas anlacht.
 
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OT: jau, man landet fast unvermeidlich bei a) Albanien und b) Ceausecu (der 'spätere' ab den beginnenden/Mitte 1970er Jahre). Und Radio Tirana war auch in der BRD - Langwelle meine ich - hörbar, wie mich gut erinnere....
 
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Ich würde mich um eine schnellstmögliche Antwort freuen, da ich den Aufsatz bis Freitag abgeben muss
OT: Morgen ist Freitag. Seit Erstellung dieses Fadens hat sich der Threadersteller nicht mehr blicken lassen. Ich bezweifele, dass unsere Beiträge noch irgendwie beim "Aufsatz im Genozid-Kurs" berücksichtigt werden. Zumindest haben wir anderen Forenmitglieder dadurch ein interessantes Diskussionsthema.
 
Zumindest haben wir anderen Forenmitglieder dadurch ein interessantes Diskussionsthema.
Auf jeden Fall.
Und das [Bombardierung] führt plausibel zu einer Theorie eines Frühagrarkommunismus?
Um das noch mal aufzugreifen. Natürlich nicht.
Das ergibt sich schon daraus, dass Laos diesen Weg nicht erdulden musste.
Dabei wurde auch Laos extrem bombardiert. Folgt man der BBC u.a. so wurden auch hier ca. 2 Millionen Tonnen abgeworfen, vor allem in Gestalt von 260 Mio (!) Streubomben. Diese wiegen vielleicht 5-7 kg, zerplatzen in eine Unzahl von Geschossen, und sollen alles im Umkreis der Explosion töten.
(Bezogen auf die Bevölkerungszahl sind das mehr als 100 Streubomben pro Kopf.)
Und das ganze "heimlich" wie in Kambodscha, wenn ich das richtig verstehe.

Ich will das Thema nicht entführen. Doch manchmal ist es sehr erstaunlich was man so an Irrsinn am Wegesrand findet.
 
Hm, es ist recht häufig so, dass die Fragesteller nur 1x gesehen werden: Bei der Fragestellung. Und bis inklusive gestern, Mittwoch, gab es doch etliche Hinweise, dass nicht etwa 'extreme wirtschaftliche Umstände' zu 'Genozid' geführt haben - umgekehrt führte die frühagrar-kommunistische Utopie der Roten Khmer zu extremen wirtschaftlichen Umständen.
 
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Bei den Cham ist vielleicht noch erwähnenswert, dass sie überwiegend Moslems sind. Auch das macht sie zu einer Minderheit im äußerst buddhistischen Kambodscha. Jegliche Religiosität war ebenfalls ein Grund für die Roten Khmer, Menschen in Kambodscha zu verfolgen.
 
Empfiehlst Du das Buch?
Das ist wie beschrieben sehr detailreich, dadurch nmE fast etwas unübersichtlich. Er trägt da extrem viel zusammen.
Soweit der Eindruck beim Anlesen dieser Kapitel. Zum Thema ist das umfassend.

Ich lese bei so etwas eigentlich immer nur Zwischenergebnisse und Summary, wenn nicht Details gefragt sind. Bei einer Kambodscha-Reise waren die Zwischenkapitel so etwas wie die neuzeitliche Ergänzung zum üblichen Reiseführer, etwa wie die Viet Minh in der Provinzmetropole Battambang (mit der ehemaligen Klein-Bahnstrecke durch Dschungel) oder in Kratie, gegenüber der Koh Trong-Idylle, sonst bekannt durch die Mekong-Delfine.
 
Die völkerrechtliche Definition von Völkermord wurde von Sowjet-Union im Rahmen der Vereinten Nation mitentwickelt. Stalin hat schon darauf geachtet, dass der Klassenkampf, der in der stalinistischen Praxis die Ausrottung des Bürgertums, der Intelligenz und der Kulaken beinhalten konnte, nicht als Völkermord Teil des Völkerstrafrechts gelten kann und in den Vereinten Nationen eine exkludierende Definition durchgesetzt.
Entsprechende Passagen, die die Vernichtung bestimmter sozialer Gruppen der eigenen Ethnie als Genozid gewertet hätte, wurden aus dem ersten Entwurf gestrichen. In Rafael Lemkins erster Völkermord-Definition waren sozial definierte Opfergruppen noch mit eingeschlossen.

Diese Massenmorde in Kambodscha können daher kein Völkermord im völkerrechtliche Sinne sein. Dafür hatte Stalin schon vorgesorgt.
Ein Völkermord im Sinne der ursprünglichen Definition von Rafael Lemkin sind sie allerdings schon.

Das ist juristisch irrelevant und deshalb sogar irreführend, weil mit den "Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Menschheit)" ein ergänzender zweiter Straftatbestand aus geltendem Völkerrecht konstatiert wurde, der die systematischen, mordenden Angriffe gegen die Zivilbevölkerung erfasst.

Der zweite Tatbestand ist weiter als der der Völkermords, wobei das landläufig gern entweder in einer Soße vermischt wird oder aus juristisch nicht nachvollziehbaren Gründen in Diskussionen auf die Begrenztheit des völkerrechtlichen Straftatbestandes "Völkermord" hingewiesen wird, ohne den zweiten Straftatbestand zu erwähnen.

Zur Sache:
Die tatbestandliche Verselbstständigung des Völkermords gegenüber den Verbrechen gegen die Menschlichkeit nahm ihren Ausgang in der Resolution 96 (I) der Generalversammlung der VN. Hierin wurde der Wirtschafts- und Sozialrat der VN ersucht, den Text eines Übereinkommens gegen den Völkermord auszuarbeiten. In der Folge legten der Generalsekretär der VN und ein Sonderausschuss des Wirtschafts- und Sozialrats jeweils einen vollständigen Vertragsentwurf vor. Beide Texte waren noch weitgehend an dem weiten Völkermordverständnis Lemkins ausgerichtet. Die anschließenden Beratungen im 6. Ausschuss der Generalversammlung der VN führten zum Wegfall der kulturellen Völkermordkomponente(*) und mündeten in die Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes vom 9.12.1948 (Völkermordkonvention), die am 12.1.1951 in Kraft getreten ist.

*Hierzu und insbesondere zum Widerstand der Vereinigten Staaten von Amerika näher Dülffer in Safferling/Conze (Hrsg.), S. 55 (62 ff.); s. auch Vrdoljak EJIL 22 (2011), 17 (28 ff.).
 
hacege schrieb:
Nach mMn jedem vernünftigen Verständnis setzt die Definition eines Völkermordes die Existenz einer von den Opfern klar unterscheidbare Tätergruppe voraus.

silesia schrieb:
Das ist falsch. Täter kann jedermann sein, auch ein Mitglied der angegriffenen Gruppe.

Das ist (jedenfalls von mir) unbestritten.

Dann ist die abweichende Bemerkung oben richtig gestellt.
Selbstverständlich können sich auch - auch mittelbar - von der "Opfergruppe" in den Kriterien ununterscheidbare Täter des Völkermordes oder der Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig machen.
 
Und welchen Sinn macht das zwischen Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu unterscheiden?

Das ist doch mit den Augen des Getöteten gesehen nur Arbeitsbeschaffung einiger Juristen oder auch eine Wortspielerei, damit Mörder von sich sagen können, ich habe nur Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen, oder ich habe nur Völkermord begangen.
In meinen Augen ist es egal ob nun Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Völkermord.
Wenn man den Mörder fragt, der sagt dir sowieso nur so was ähnliches wie ein zufälliger Autounfall mit tödlichen Ausgang.

Also der Täter kann wohl dann von sich sagen, oder auch sein Gewissen damit beruhigen, oder unter seinen Kumpanen Beifall ergattern, ich habe das kleinere Übel gemacht/getan.

Also hätte „Koba“ nicht den Nimbus durch den Sieg im II.WK gehabt, ich glaube sein Busenfreund Nikita hätte die Rede zum XX. von Alexander Issajewitsch Solschenizyn aus arbeiten lassen.
Anmerkung: Vor den Decknamen „Stalin“ nannte er sich „Koba“.
Koba -> ein grusinischer Volksheld.

Busenfreund Nikita, erhörte ja zu den 4 Auserwählten, nämlich: der Georgier Lawrenti Beria, dann der Russe Nikolai Alexandrowitsch Bulganin, dann der Russe Georgi Maximilianowitsch Malenkow und zu guter letzt der Wahlukrainer Nikita Sergejewitsch Chruschtschow.
 
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