Genau.
Im Übrigen muss man ergänzen, bei der Frage von Ralf das Problem in der historisch korrekten Reihenfolge zu sehen:
"Verbrechen gegen die Menschlichkeit" waren als Grundtatbestand gegeben, als man sachlich die Ergänzung (inhaltlich z.T. sogar Abspaltung) des Tatbestands "Völkermord" vornahm.
Hier die schlicht gegebene rechtshistorische "Reihenfolge", der Einfachheit halber wieder aus dem Münchener Kommentar zum StGB, Tz 4 bis 9 zu § 7 VStGB:
"Vor der Schaffung des Völkerstrafgesetzbuches war der Tatbestand der Verbrechen gegen die Menschlichkeit kein Bestandteil des deutschen Strafrechts. Der bundesdeutsche Gesetzgeber hatte sich zu Beginn der fünfziger Jahre bewusst gegen die Aufnahme des Tatbestands in das Strafgesetzbuch entschieden. Die §§ 234a und 241a StGB betreffen lediglich Teilaspekte des Menschlichkeitsverbrechens. So konnten Menschlichkeitsverbrechen nur mit den gewöhnlichen Straftatbeständen erfasst werden, etwa als Tötungs-, Körperverletzungs- oder Sexualdelikte. Damit kam der völkerrechtliche Unrechtskern, die systematische Tatbegehung, in der tatbestandlichen Unrechtsbeschreibung nicht zur Geltung.
Erste Vorläufer hatte der Tatbestand der Verbrechen gegen die Menschlichkeit in den Präambeln der Haager Abkommen betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs von 1899 und 1907. Diese Präambeln verpflichteten die Krieg führenden Parteien in einer Auffangregel dazu, die „Gesetze der Menschlichkeit“ zu beachten. 1915 bezeichneten Frankreich, das Vereinigte Königreich und Russland die in der Türkei an den Armeniern verübten Massaker als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ und prägten damit diesen Begriff. Zu einer gerichtlichen Verfolgung dieser und anderer Verbrechen des Ersten Weltkriegs kam es indes nicht.
Eine erste Kodifikation erfuhr der Tatbestand der Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Art. 6 Buchst. c IMG-Statut. Anders als der Tatbestand der Kriegsverbrechen ermöglichte es dieser Tatbestand dem Internationalen Militärgerichtshof, erstmals auch Massenverbrechen gegen die eigene Zivilbevölkerung zu verfolgen. Eine gleichartige Regelung ist in Art. 5 Buchst. c des Statuts des Internationalen Militärgerichtshofs für den Fernen Osten von Tokio enthalten. Während es in Nürnberg zu Verurteilungen wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit kam, war dies in Tokio allerdings nicht der Fall. Das Kontrollratsgesetz Nr. 10 übernahm den Tatbestand mit gewissen Ergänzungen und einer richtungweisenden Veränderung:
Während die Gerichtshöfe von Nürnberg und Tokio Verbrechen gegen die Menschlichkeit nur dann verfolgen konnten, wenn sie im Zusammenhang mit einem Angriffskrieg oder einem Kriegsverbrechen verübt worden waren, entfiel in Art. II Abs. 1 Buchst. c dieses Akzessorietätserfordernis.
Dennoch wurden auch in den Nürnberger Nachfolgeprozessen, die auf Grundlage dieses Gesetzes stattfanden, keine Menschlichkeitsverbrechen verfolgt, die vor Beginn des Zweiten Weltkriegs begangen worden waren. Einzig der Oberste Gerichtshof für die Britische Zone verfolgte auch außerhalb des Kriegszusammenhangs begangene Menschlichkeitsverbrechen. Der Verzicht auf das Akzessorietätserfordernis war folgerichtig. Ihre völkerstrafrechtliche Dimension erreichen Menschlichkeitsverbrechen durch die Intensität der Verletzung menschenrechtlich geschützter Individualrechte, nicht dagegen durch die Begehung im Kontext kriegerischer Handlungen. Dennoch blieb die Erforderlichkeit eines Zusammenhangs mit einem bewaffneten Konflikt noch lange Zeit umstritten.
Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit von Verbrechen gegen die Menschlichkeit wurde vielfach anerkannt. So fand der Tatbestand Eingang in den Draft Code of Offences against the Peace and Security of Mankind von 1954 und war auch in allen nachfolgenden Entwürfen der Völkerrechtskommission bis zum Draft Code of Crimes against the Peace and Security of Mankind von 1996 enthalten. Die Strafbarkeit von Verbrechen gegen die Menschlichkeit wurde auch in völkerrechtlichen Verträgen vorausgesetzt, welche die Unverjährbarkeit dieser Taten verfügten oder neue Begehungsformen erfassten.
Keiner dieser Verträge setzte eine Begehung im Zusammenhang mit einem bewaffneten Konflikt voraus.
Weiterhin haben die Statuten der internationalen Strafgerichtshöfe für das ehemalige Jugoslawien und für Ruanda die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Verbrechen gegen die Menschlichkeit bekräftigt. Dabei bestehen erhebliche Abweichungen zwischen den Texten der verschiedenen einschlägigen Normen. Dies ist aber nicht Ausdruck einer Unsicherheit über die Reichweite der Verbrechenstatbestände, sondern erklärt sich aus der Situationsgebundenheit der Statuten. Wenn Art. 5 JStGH-Statut eine Tatbegehung „in internationalen oder inneren bewaffneten Konflikten“ verlangt, so stellt die Norm damit nur eine Verbindung zeitlicher und räumlicher Art mit dem Jugoslawien-Konflikt her. Keinesfalls sollte hier das bereits überwundene Akzessoritätserfordernis des Nürnberger Statuts wieder eingeführt werden. Art. 3 RStGH-Statut erfasst auch dem Wortlaut nach Verbrechen gegen die Menschlichkeit unabhängig vom Vorliegen eines bewaffneten Konflikts. Das RStGH-Statut verlangt allerdings nicht nur für das Menschlichkeitsverbrechen der Verfolgung, sondern für sämtliche Tathandlungen, dass diese aus „nationalen, politischen, ethnischen, rassischen oder religiösen Gründen verübt“ worden sind. Auch hierin ist indes kein den Tatbestand einschränkendes Erfordernis zu sehen, sondern eine Beschränkung der Zuständigkeit des Gerichtshofs auf die im Falle Ruanda typischen Erscheinungsformen der Menschlichkeitsverbrechen. Art. 7 IStGH-Statut, auf den § 7 zurückgeht, stellt eine Synthese der bisher entwickelten Definitionen unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Jugoslawien-Strafgerichtshofs dar.
Abgesehen von den Verfahren vor den internationalen Strafgerichtshöfen fanden auch vor staatlichen Gerichten vereinzelt Verfahren wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit statt. Zu verweisen ist etwa auf das in Israel gegen Adolf Eichmann durchgeführte Strafverfahren oder auf die in Frankreich erfolgte Verurteilung von Klaus Barbie. Auch in den Niederlanden, der DDR und Kanada kam es zu Strafverfahren wegen Menschlichkeitsverbrechen. Verfolgt wurden dabei – ungeachtet zahlreicher anderer Fälle von schweren Menschenrechtsverletzungen – ausschließlich NS-Verbrechen.