Genozide

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Liebe Geschichtsfreunde!

Ich muss in Geschichte einen Aufsatz zum Thema "Warum geschehen Genozide?" schreiben, habe aber noch keine stichhaltigen Argumente oder gute Ideen.
Für ein paar Anregungen wäre ich sehr dankbar!

Schon jetzt DANKE

chlyni
 
Ich empfehle Dir die Lektüre Harald Welzer: Täter. Wie aus ganz normalen Menschen Massenmörder werden. Sehr erhellend!
 
Hallo,

das ist eine gute Frage, die ich mir auch immer wieder einmal stelle. Ganz zufrieden bin ich noch nicht mit den Antworten, die ich bis jetzt bekommen habe. Trotzdem gebe ich sie einmal an dich weiter.

Auf der Buchmesse Frankfurt 2007 habe ich einen afrikanischen Autor gefragt, warum es Rassismus gibt. Er hat Bücher z.B. über die Hutu und Tutsi und über Rassismus in Europa geschrieben. Seine Antwort war:

Diejenigen, die an der Macht sind, wollen die anderen Menschen gegeneinander ausspielen, damit sie an der Macht bleiben können (das Prinzip "teile und herrsche"). Deshalb reden sie diesen anderen Menschen ein, dass es einen grundlegenden Unterschied zwischen ihnen gibt. Die Hutu und Tutsi gehörten eigentlich zur gleichen Bevölkerungsgruppe, bis eben irgendjemand künstlich diesen Gegensatz geschaffen hat.

Diese Veranstaltung habe ich damals besucht:

14.10.2007Rassismus tötet. Wer spricht von Versöhnung? Messegelände - Forum Dialog, 6.1 E905
15:30 - 16:30Rassismus tötet, ist ein Verbrechen, in der Geschichte, heute, weltweit. Ist Begegnung mit Rassisten möglich? Versöhnung denkbar? Der Kameruner Autor, Professor und Prinz Kum’a Ndumbe III. liest aus mehr...


Oh, das war ja ein Prinz. :anbetung: Das hatte ich ganz vergessen.

Dann habe ich noch ein paar Links für dich. Zuerst einmal das Stanford Prison Experiment:
The Stanford Prison Experiment: A Simulation Study of the Psychology of Imprisonment

Das begann wohlgemerkt als "Spiel", und es wurde willkürlich bestimmt, wer ein Wächter und wer ein Gefangener wurde. Es hätte eigentlich keinerlei Veranlassung gegeben, unfreundlich zueinander zu sein. Die Wächter und die Gefangenen hätten miteinander plaudern und Kaffee trinken können, und sich freuen können, dass sie für so einen einfachen Job bezahlt wurden. Aber es kam ganz anders. Das Experiment entgleiste und musste abgebrochen werden. ... Nur durch die Situation, d.h. nur dadurch, dass die einen hinter Gitter waren und die anderen den Schlüssel hatten, kam es zu einem derartigen Verhalten.

Menschen sind also sehr leicht zu beeinflussen.

"Why the Jews", ein Versuch einer jüdischen Website aus den USA, Antisemitismus zu erklären:
Why The Jews?

Wenn du noch mehr über Autoritätsgläubigkeit erfahren willst, dann google doch mal nach einem Videolink zum "Milgram-Experiment". Ich habe ihn leider nicht gespeichert oder finde ihn jedenfalls nicht mehr.

Meiner Meinung nach tragen viele Menschen unterdrückten Ärger mit sich herum. Wenn nun jemand kommt, und behauptet, dass die [hier beliebiges Wort einsetzen] sowieso an allem schuld sind, dann überträgt sich der Ärger auf diese Gruppe. Er wird sozusagen kanalisiert. Wenn man die Menschen manipulieren möchte, kann man ihnen nun regelmäßig wieder suggerieren, dass ihre Probleme nur durch die [wen auch immer] verursacht sind.
Dann braucht es nur noch einen Startschuss, und schon gibt es wieder einen Genozid. Und alles beginnt damit, dass Menschen mehr oder weniger willkürlich in verschiedene Gruppen eingeteilt werden.

Schöne Grüße

Petra
 
Milgram und Stanford wird auch in Welzers Täter abgehandelt. Ebenso wie Holocaust, My Lai, Rwanda und Srebrenica.
 
Zunächst wird der Fall eines kroatischen Soldaten behandelt, der schildert, wie während der Kämpfe alle, die sich auf der Straße befanden als potentielle Feinde beschossen wurden.
Srebrenica wird am Fall Drazen Erdemovic abgehandelt, der über siebzig Menschen erschoss.
Die militärische Sozialisation in den Wirren des zerfallenden jugoslawischen Staates, die Erdemovic durchlief, fand in mehreren Armeen statt und ist nicht untypisch für die Situation anderer junger Männern in der ersten Hälfte der 90er Jahre [...]. Zunächst leistete er seinen Wehrdienst in der Jugoslawischen Volksarmee, wo er bis März 1992 in Slawonien stationiert war. Mitte 1992 wurde er nach BiH eingezogen, verließ seine Einheit im November 1992, weil er, wie er berichtet " nichts mit dem Krieg zu tun haben wollte", kam dann zu der gerade formierenden Kroatischen Armee (HVO), die er am 3. November 1993 wieder verließ, weil er "Probleme" aufgrund des Umstands bekommen hatte, dass er serbischen Frauen und Kindern" zur Flucht auf serbisches Territorium verholfen hatte. Nach einem kurzen zivilen Zwischenspiel, während dem er mit seiner Familie in die Schweiz zu emigrieren versuchte, trat er schließlich 1994 in die bosnisch-serbische Armee ein, [...] Die 10. Sabotage-Einheit war für ihn übrigens deshalb attraktiv, weil sie,wie er berichtet, nicht nur aus Serben, sondern auch aus Kroaten, einem Slawonen und sogar einem bosnischen Muslimen bestand. [...] Erdemovic erwarb dabei den Rang eines Leutnants, den er aber nach zwei Monaten wieder verlor, angeblich, weil er sich geweigert hatte, Zivilisten zu töten. Nach dieser Degradierung, sagt er, sei er nicht mehr in der Lage gewesen, Befehle zu verweigern.
Es folgt eine Darstellung der Ereignisse auf der Militärfarm in Pilica.
Erdemovic berichtet von Dialogen zwischen Tätern und Opfern [Bekannte, Nachbarn], und er berichtet auch, dass die Männer, die nun das Töten übernehmen [es ist inzwischen eine neue Gruppe Soldaten dort], äußerst brutal mit den Opfern umgehen [...] Auch in Erdemovic' Darstellung gibt es also die negativen Referenzfiguren, die das Töten unnötig grausam durchgeführt [...] haben. Für ihn, zu dessen Verteidigung es gehört, sein Handeln bereut zu haben [...] sind solche Darstellungen, die den Unterschied zwischen seiner Art des Tötens und der der anderen pointieren, von enormer Wichtigkeit.[...] Kurz: Drazen Erdemovic repräsentiert in seiner Selbstkonstruktion geradezu idealtypisch jenen Typ von Täter, wie er in diesem Buch immer wieder aufgetreten ist: Innerlich vorgeblich gegen Gewalt, gar gegen das Töten eingestellt, gerät er aufgrund widriger Umstände, die er nicht zu verantworten hat, schließlich in jede Einheit, die unglücklicherweise zu Massenexekutionen herangezogen wird, gegen die er individuell gar nichts mehr machen kann. Im Befehlsnotstand, wie er es darstellt, erschießt er eine große Zahl von Menschen, versucht aber einzelnen zu helfen, nutzt die erste sich bietende Gelegenheit, das Töten zu beenden, was ihm beträchtlichen Ärger und schließlich sogar eine Schussverletzung einträgt.Unabhängig davon, was an Eremovic' Darstellung der Wirklichkeit entspricht und was nicht: Seine Selbstdarstellung, vielleicht auch sein Selbstverständnis, stimmt jedenfalls passgenau mit jenen Berichten überein, die die Männer des Polizeibataillons 45 zu Protokoll gaben.
 
Erdemovic ist ein Beispiel für jemanden, der fliegend die Fahnen wechselt (wann immer es notwendig ist/war). AM Beginn des Krieges in Bosnien war er noch in der kroatischen Armee, flog dort aber wg persönlicher Bereicherung 'raus und schloß sich der serbischen an. Und dort nun beteiligte er sich an den Greueln.. er bekam vom ICTY übrigens (nur) 5 Jahre Haft. Seine "Reue" hat sich also gelohnt.

""Ich konnte nicht anders, als mitzutöten", wendet sich Erdemovic beschwörend an die Richter: "Und wenn ich mich gewehrt hätte, so hätte es an ihrem Schicksal nichts geändert. Das hatten doch andere, über mir, längst entschieden.""
http://images.zeit.de/text/1996/29/Der_General_war_ueberall

P.S: Vielen Dank für's EInstellen des Buchausschnittes :)
 
definitiver Aufsatz

Liebe Geschichtsfreunde!

Herzlichen Dank für Eure Anregungen! Ich habe mir gedacht, vielleicht würde es Euch interessieren, wie die Endfassung meines Aufsatzes aussieht.. hier ist er: ah, noch einige Anmerkungen: wir mussten die Leitfrage mit zwei Genoziden in Verbindung bringen (Bartholomäusnacht und Armenier) und einen Artikel aus einer Zeitung (von Kundrus) einbeziehen...

Warum geschehen Genozide?
Die eigene Nation zu verteidigen ist doch nichts Schlechtes.


Ein Genozid, oder auf Deutsch ein Völkermord, ist eine Handlung, die dazu dient, eine ethnische, nationale, rassische oder religiöse Gruppe teilweise oder ganz zu zerstören. In diesem Aufsatz werden die Gründe für ein solch schweres Verbrechen herausgearbeitet.

Es liegt im Menschen, dass er das, was anders ist, zuerst einmal schlecht findet, denn etwas, was anders ist, verunsichert. Mit dem Fremden hat man ein Problem und Probleme müssen aus der Welt geschaffen werden. Wenn dieses Fremde Menschen mit anderer Kultur und Sprache sind, dann muss man dies den eigenen Leuten als falsch und gefährlich verkaufen. Das handelnde „Man“ ist der Staat. Genau dies geschah bei den Genoziden an den Armeniern und den Hugenotten. Der reformierte Glaube der Hugenotten in Frankreich und die Sprache und der christliche Glaube der Armenier im Osmanischen Reich, wurden von der jeweiligen Regierung als Bedrohung der Reinheit dargestellt. Dabei findet laut der Genozid-Forscherin Birthe Kundrus die sogenannte Täter-Opfer-Umkehr statt. Die Völkergruppe, welche eine andere als Gefahr sieht, stellt sich als Opfer dieser Gruppe dar und findet somit einen Grund, gegen diese Anderen vorzugehen. Opfer Sein legitimiert Gewalt, weil der Angriff dann wie Verteidigung aussieht. Diese Täter-Opfer-Umkehr ist auch bei den beiden Genoziden an den Armeniern und an den Hugenotten in der Bartholomäusnacht festzustellen. Die Mitglieder der Jungtürkischen Armee sahen in den Armeniern eine Verunreinigung ihres Staates und einen potentiellen Gegner im Kriegsfall gegen Russland. So wurde den Türken weis gemacht, das Volk der Armenier sei eine Gefahr und müsse ausgerottet werden. In Frankreich sahen sich die Katholiken schon lange als Opfer des neuen reformierten Glaubens und dieser Konflikt zwischen Hugenotten und Katholiken eskalierte in der Bartholomäusnacht 1572, als am Königshof befürchtet wurde, der Einfluss der reformierten Bevölkerung werde zu gross. Bei beiden Genoziden ist auffällig, dass sie von der Mehrheit der Bevölkerung, den Türken und den Katholiken, aus keiner reellen Notsituation heraus durchgeführt wurden.
Sind alle Rechtfertigungen und Begründungen für die Vernichtung einer Gruppe erst einmal geschaffen, braucht es nur noch eine besonders skrupellose Regierung, die eine Armee und/oder eine Polizei zur Verfügung hat, welche die Durchführung des politischen Programms an die Hand nimmt. Bei der Begründung ist oft das schon angetönte Motiv der „Erlösung durch Reinheit“ anzutreffen. Die zu vernichtende Volksgruppe ist an allen Problemen des Staates schuld und wird als Dreck angesehen. Die logische Folgerung dieser Darstellung der Situation lautet, dass, wenn der Dreck weg ist, auch alle Probleme aus der Welt geschaffen sind, das Land wieder rein ist. Die Armenier wie auch die Hugenotten wurden als Verunreinigung der Staatseinheit bezeichnet. Spricht eine Regierung davon, eine „reine“ Nation zu wollen, werden automatisch die jeweiligen Werte, Normen und Gesetze der eigenen Nation idealisiert. Die Vermittlung, etwas für die eigene Nation zu tun, weckt Leidenschaften, die ins extremste gesteigert werden können, weil die handelnden Personen jeweils das Gefühl haben, Gutes zu tun, wenn sie jemanden der anderen Volksgruppe ausschalten.
Gelangt ein Genozid erst einmal ins Rollen, ist er kaum noch zu stoppen. Zu diesem Zeitpunkt kommt der Gruppendruck ins Spiel. Niemand will auf der „falschen“ Seite stehen und um sein Leben fürchten müssen. Es entwickelt sich eine Eigendynamik, die höchst wahrscheinlich nur noch von den Führern gestoppt werden könnte – was jedoch nicht in deren Interesse ist. Diese Eigendynamik ist bei den Türken wie bei den Katholiken daran zu erkennen, dass ganz normale Leute beim Morden und Deportieren halfen und sich die Genozidwelle so über beide Gebiete sehr effektiv und schnell ausbreiten konnte.

Es braucht also die Meinung, man sei Opfer, ein politisches Programm, welches vom Staat durchgeführt wird, einen gewissen Gruppendruck und den Glauben, etwas für die Reinheit der Nation zu tun und schon passiert ein Genozid.
Beängstigend ist, dass die Rechtfertigung für ein solches politisches Vernichtungsprogramm so logisch und nachvollziehbar erscheint. Die Schlussfolgerung von Kundrus, dass ein Genozid jederzeit wieder geschehen kann, wenn nur die Bedingungen stimmen ist so betrachtet leider sehr realistisch.

Der Aufsatz wurde übrigens vom Lehrer mit einer 6 benotet - (ich bin aus der Schweiz --> umgekehrte Notenskala *smile* ...)

Nochmals herzlichen Dank!
chLyni
 
Hmm, ich nehme an, dass du diesen Artikel einarbeiten solltest?
SPIEGEL Wissen :: Artikel - Artikel
als PDF: http://wissen.spiegel.de/wissen/ima...008/03/08/ROSP200801100540054.PDF&thumb=false

Mich würde mal interessieren, welche Bücher du zu dem Armeniergenozid gelesen hast.

Wusstest du, dass die Armenier im Zentrum der Macht, in Istanbul/Konstantinopel nicht vernichtet oder deportiert wurden? Obwohl sie dort doch am leichtesten Attentate auf die Herrschenden ausüben konnten. Steht auch im Widerspruch zu der These der "Verunreinigung" durch die Sprache und den christlichen Glaube der Armenier. Abgesehen davon, dass die Mehrzahl der Armenier durch kurdische Freischärler und Clans massakriert wurden, auch wenn die jungtürkische Führung die Verantwortung trägt. Schwierigeres Thema als andere Genozide...
 
Es liegt im Menschen, dass er das, was anders ist, zuerst einmal schlecht findet, denn etwas, was anders ist, verunsichert. Mit dem Fremden hat man ein Problem und Probleme müssen aus der Welt geschaffen werden. Wenn dieses Fremde Menschen mit anderer Kultur und Sprache sind, dann muss man dies den eigenen Leuten als falsch und gefährlich verkaufen. Das handelnde „Man“ ist der Staat.

Abgesehen von einem logischen Fehler in diesem ersten Abschnitt, ist die postulierte These vor allem dazu geeignet, Genozide zu relativieren: Als naturgegeben. Der Mensch ist ein Konkurrenzwesen - er konkurriert um Ressourcen, um Anerkennung und vieles mehr, und geht dabei auch über Leichen. Soweit richtig. Der Mensch ist aber auch ein neugieriges Wesen. Destruktivismus und Kreativität, Neugierde und viele weitere sich zum Teil widersprechende Neigungen des Menschen machen ihn zu einem vielschichtigen Wesen, was so einfache Erklärungen nicht zulässt. Kommen wir zum logischen Fehler: Wenn der Hang zum Genozid naturgegeben ist, weil der Mensch das Fremde ablehnt: Warum muss "man" dem Menschen dies dann noch "verkaufen"? Ist der am Genozid Beteiligte nun einer natürlichen Neigung nachgegangen oder Opfer eine Manipulation?

Diese Eigendynamik ist bei den Türken wie bei den Katholiken daran zu erkennen, dass ganz normale Leute beim Morden und Deportieren halfen und sich die Genozidwelle so über beide Gebiete sehr effektiv und schnell ausbreiten konnte.

Das ist zu verallgemeinernd formuliert.

Der Aufsatz wurde übrigens vom Lehrer mit einer 6 benotet - (ich bin aus der Schweiz --> umgekehrte Notenskala *smile* ...)
Herzlichen Glückwunsch.
 
@lynxxx: Abgesehen davon, dass die Mehrzahl der Armenier durch kurdische Freischärler und Clans massakriert wurden...
Deine bekannte Turkophilie in Ehren, aber diese Formulierung könnte ein Böswilliger als Reinwaschungsversuch werten. Beim Holocaust spielten Polen, Ukrainer und Litauer auch eine Rolle, machten oft die "Drecksarbeit". Entlastet das uns Deutsche irgendwie von diesem Verbrechen? Nein.

Ich empfehle zum Thema Franz Werfel: Die 40 Tage des Musa Dagh.
 
Zuletzt bearbeitet:
Warum geschehen Genozide?
Die eigene Nation zu verteidigen ist doch nichts Schlechtes.
Woher kommt der Zusammenhang zwischen Genoziden und Verteidigung der Nation? Du hast am Anfang etwas gesetzt, was (zumindest mir) nicht sofort einleuchtet und daher irgendwie einen üblen Nachgeschmack hinterlässt. Es wirkt als ob jeder Genozid der Verteidigung der Nation diente, was so nicht gesagt werden kann.
 
@chLiny:Auch ich möchte Deinen Lehrer noch etwas kritisieren. In Deiner Ausarbeitung gehen folgenden drei Begriffe munter durcheinander: "Volk", "Staat", "Regierung". Wo die Ursache liegt, wird von Dir nicht ausgemacht, bzw. mehrfach unterschiedlich dargestellt.
Du hast die Tatsache ignoriert, dass es sich bei den massakrierten Bevölkerungsteilen um MINDERHEITEN handelt. Das ist weder "Bürgerkrieg", noch ist der Sieger fraglich (Ausnahme: Bei militärischer Intervention einer ausländischen Macht.)

Insofern bleiben nach der Lektüre Deiner Arbeit für mich alle Fragen weiterhin offen :)
 
Mich würde mal interessieren, welche Bücher du zu dem Armeniergenozid gelesen hast.

Hoffentlich nicht die von den Genozidleugnern.



Wusstest du, dass die Armenier im Zentrum der Macht, in Istanbul/Konstantinopel nicht vernichtet oder deportiert wurden? Obwohl sie dort doch am leichtesten Attentate auf die Herrschenden ausüben konnten.

Der Genozid fing damit an, dass mehrere hundert wichtige armenische Persönlichkeiten aus Istanbul verhaftet und ermordet wurden. Die Masse der Armenier aus Istanbul und Izmir wurde nicht deportiert, weil die Jungtürken Probleme mit den ausländischen Gesandschaften vermeiden wollte. Die Izmir-Armenier wurden übrigens verschont w/ dem Protest deutscher Generäle, so habe ich es wenigstens gelesen. Dafür wurde die Ermordung 1922 bei Einnahme der Stadt durch die türkische Armee nachgeholt.

Warum sollten die Armenier in Istanbul Attentate ausüben ? Ich denke, die waren so eingeschüchtert, dass sie froh waren überleben zu dürfen.

Abgesehen davon, dass die Mehrzahl der Armenier durch kurdische Freischärler und Clans massakriert wurden, auch wenn die jungtürkische Führung die Verantwortung trägt. Schwierigeres Thema als andere Genozide...
Das Thema ist überhaupt nicht schwierig.
 
Woher kommt der Zusammenhang zwischen Genoziden und Verteidigung der Nation? Du hast am Anfang etwas gesetzt, was (zumindest mir) nicht sofort einleuchtet und daher irgendwie einen üblen Nachgeschmack hinterlässt. Es wirkt als ob jeder Genozid der Verteidigung der Nation diente, was so nicht gesagt werden kann.

Ich war im ersten Augenblick auch etwas erschrocken. Habe diesen Subtitel dann aber im Laufe der Lektüre unter das Stilmittel Provokation eingeordnet.

Du hast die Tatsache ignoriert, dass es sich bei den massakrierten Bevölkerungsteilen um MINDERHEITEN handelt. Das ist weder "Bürgerkrieg", noch ist der Sieger fraglich.

Doch, doch, das hat chLyni durchaus erwähnt:

Bei beiden Genoziden ist auffällig, dass sie von der Mehrheit der Bevölkerung, den Türken und den Katholiken, aus keiner reellen Notsituation heraus durchgeführt wurden.
 
@ Themistokles
Ich glaube, der springende Punkt dabei ist, daß es als Verteidigung DARGESTELLT wird, nicht, daß es auch wirklich eine ist; für mich zumindest geht das aus dem Text klar hervor.

Unter Berücksichtigung des Völkermords in Ruanda möchte ich aber mal infrage stellen, daß zum Genozid immer zwangsläufig ein Staat nötig ist, zum betreffenden Zeitpunkt scheint in Ruanda doch eher eine Art Anarchie geherrscht zu haben. "Ausreichend mächtige Interessengruppen" schiene mir passender zu sein, zumal es mir so scheinen will, als würde generell der Staat von diesen zum Völkermord mißbraucht, und nicht, daß der Völkermord vom Staat ausgeht.
 
@El Quijote
Das weiß ich doch alles. Die Frage ist doch eher, wie wichtig der Staat als Planungsinstanz ist und wie weit er von Interessengruppen als Mittel zum Zweck mißbraucht wird
 
Und nur, weil die Interahamwe von "dem" Ruandischen Militär unterstützt wurde heißt das noch lange nicht, daß die Interahamwe ein staatliches Organ war. Im übrigen war der Staatschef gerade tot (einigen Theorien zufolge von den Planern des Völkermords umgebracht) und nach meinen Quellen wurde der ganze Genozid von EXTREMISTEN in der ruandischen Regierung geplant. Wobei wir jetzt zu der schwierigen Frage kommen, wo der Staat anfängt bzw aufhört
 
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