definitiver Aufsatz
Liebe Geschichtsfreunde!
Herzlichen Dank für Eure Anregungen! Ich habe mir gedacht, vielleicht würde es Euch interessieren, wie die Endfassung meines Aufsatzes aussieht.. hier ist er: ah, noch einige Anmerkungen: wir mussten die Leitfrage mit zwei Genoziden in Verbindung bringen (Bartholomäusnacht und Armenier) und einen Artikel aus einer Zeitung (von Kundrus) einbeziehen...
Warum geschehen Genozide?
Die eigene Nation zu verteidigen ist doch nichts Schlechtes.
Ein Genozid, oder auf Deutsch ein Völkermord, ist eine Handlung, die dazu dient, eine ethnische, nationale, rassische oder religiöse Gruppe teilweise oder ganz zu zerstören. In diesem Aufsatz werden die Gründe für ein solch schweres Verbrechen herausgearbeitet.
Es liegt im Menschen, dass er das, was anders ist, zuerst einmal schlecht findet, denn etwas, was anders ist, verunsichert. Mit dem Fremden hat man ein Problem und Probleme müssen aus der Welt geschaffen werden. Wenn dieses Fremde Menschen mit anderer Kultur und Sprache sind, dann muss man dies den eigenen Leuten als falsch und gefährlich verkaufen. Das handelnde „Man“ ist der Staat. Genau dies geschah bei den Genoziden an den Armeniern und den Hugenotten. Der reformierte Glaube der Hugenotten in Frankreich und die Sprache und der christliche Glaube der Armenier im Osmanischen Reich, wurden von der jeweiligen Regierung als Bedrohung der Reinheit dargestellt. Dabei findet laut der Genozid-Forscherin Birthe Kundrus die sogenannte Täter-Opfer-Umkehr statt. Die Völkergruppe, welche eine andere als Gefahr sieht, stellt sich als Opfer dieser Gruppe dar und findet somit einen Grund, gegen diese Anderen vorzugehen. Opfer Sein legitimiert Gewalt, weil der Angriff dann wie Verteidigung aussieht. Diese Täter-Opfer-Umkehr ist auch bei den beiden Genoziden an den Armeniern und an den Hugenotten in der Bartholomäusnacht festzustellen. Die Mitglieder der Jungtürkischen Armee sahen in den Armeniern eine Verunreinigung ihres Staates und einen potentiellen Gegner im Kriegsfall gegen Russland. So wurde den Türken weis gemacht, das Volk der Armenier sei eine Gefahr und müsse ausgerottet werden. In Frankreich sahen sich die Katholiken schon lange als Opfer des neuen reformierten Glaubens und dieser Konflikt zwischen Hugenotten und Katholiken eskalierte in der Bartholomäusnacht 1572, als am Königshof befürchtet wurde, der Einfluss der reformierten Bevölkerung werde zu gross. Bei beiden Genoziden ist auffällig, dass sie von der Mehrheit der Bevölkerung, den Türken und den Katholiken, aus keiner reellen Notsituation heraus durchgeführt wurden.
Sind alle Rechtfertigungen und Begründungen für die Vernichtung einer Gruppe erst einmal geschaffen, braucht es nur noch eine besonders skrupellose Regierung, die eine Armee und/oder eine Polizei zur Verfügung hat, welche die Durchführung des politischen Programms an die Hand nimmt. Bei der Begründung ist oft das schon angetönte Motiv der „Erlösung durch Reinheit“ anzutreffen. Die zu vernichtende Volksgruppe ist an allen Problemen des Staates schuld und wird als Dreck angesehen. Die logische Folgerung dieser Darstellung der Situation lautet, dass, wenn der Dreck weg ist, auch alle Probleme aus der Welt geschaffen sind, das Land wieder rein ist. Die Armenier wie auch die Hugenotten wurden als Verunreinigung der Staatseinheit bezeichnet. Spricht eine Regierung davon, eine „reine“ Nation zu wollen, werden automatisch die jeweiligen Werte, Normen und Gesetze der eigenen Nation idealisiert. Die Vermittlung, etwas für die eigene Nation zu tun, weckt Leidenschaften, die ins extremste gesteigert werden können, weil die handelnden Personen jeweils das Gefühl haben, Gutes zu tun, wenn sie jemanden der anderen Volksgruppe ausschalten.
Gelangt ein Genozid erst einmal ins Rollen, ist er kaum noch zu stoppen. Zu diesem Zeitpunkt kommt der Gruppendruck ins Spiel. Niemand will auf der „falschen“ Seite stehen und um sein Leben fürchten müssen. Es entwickelt sich eine Eigendynamik, die höchst wahrscheinlich nur noch von den Führern gestoppt werden könnte – was jedoch nicht in deren Interesse ist. Diese Eigendynamik ist bei den Türken wie bei den Katholiken daran zu erkennen, dass ganz normale Leute beim Morden und Deportieren halfen und sich die Genozidwelle so über beide Gebiete sehr effektiv und schnell ausbreiten konnte.
Es braucht also die Meinung, man sei Opfer, ein politisches Programm, welches vom Staat durchgeführt wird, einen gewissen Gruppendruck und den Glauben, etwas für die Reinheit der Nation zu tun und schon passiert ein Genozid.
Beängstigend ist, dass die Rechtfertigung für ein solches politisches Vernichtungsprogramm so logisch und nachvollziehbar erscheint. Die Schlussfolgerung von Kundrus, dass ein Genozid jederzeit wieder geschehen kann, wenn nur die Bedingungen stimmen ist so betrachtet leider sehr realistisch.
Der Aufsatz wurde übrigens vom Lehrer mit einer 6 benotet - (ich bin aus der Schweiz --> umgekehrte Notenskala *smile* ...)
Nochmals herzlichen Dank!
chLyni