@ Trajan:
Erstaunlicherweise gibt es etliche keltische Münzfunde auch in Norddeutschland. Auch wenn anhand der Münzverteilungskarten klar erkennbar ist, dass sich keltische Münzen im Süddeutschen Raum häufen, so sind sie doch bis sogar an die Nordseeküste gefunden worden. Richtig dünn werden sie eigentlich erst nördlich der Mittelgebirgskante. Man kann danach annehmen,dass der keltische Einfluss erst mit Beginn des Norddeutschen Flachlandes endete.
Es gibt ja die verschiedensten Möglichkeiten, wie die Germanen an keltische Münzen gelangt sind - Handel ist nur eine davon, ebenso wären sie denkbar als Beutemünzen oder eben durch Austausch mit den Römern. Das Gebiet bis zur "Mittelgebirgskante" war - mit Ausläufern in Nordhessen und Thüringen - ja doch noch eher keltisch geprägt.
Berger schreibt (S.22): "...Die Differenzierung zwischen Kelten und Germanen im mittleren Deutschland ist schwer zu treffen. Sie ist auch mit archäologischen Mitteln kaum zu klären, zumal durch Völkerbewegungen in der fraglichen Zeit diese Grenzen, sollten es sie überhaupt gegeben haben, fliessend waren und nur zeitweilig existierten."
Aber das zeigt doch gerade das Vakuum in der Zeit der späten Republik in dieser Region an. Die durch ihre Siedlungen sehr prägnante La Téne-Kultur verschwindet; die Germanenstämme drängen erst später nach Süden in jenen Mittelgebirgsbereich.
Ob z.B. die Cherusker nun mehr eine keltisch oder germanisch geprägte Subkultur waren, ist meines Wissens gar nicht so sicher, sie gelten imho als eine Art Mischkultur, aber vielleicht kannst du dazu noch was erhellendes sagen.
Das ist auch schwer zu sagen; so weit ich weiß, gibt es keine aktuellen Arbeiten von archäologischer Seite, in denen eine Kulturbestimmung der Cherusker vorgenommen worden wäre. Aber die Unterschiede in der materiellen Kultur zwischen Kelten und Germanen sind sehr offenkundig; die Germanen bauten in dieser Zeit fast keine Höhenburgen. Während die La Téne-Kultur einen Drang zur Urbanisierung, aber auch zu Industrien (z.B. Salzsiedersiedlungen) erkennen lässt, dominieren bei den Germanen kleine Dorfsiedlungen im Flachland an Gewässern. Erschwert wird die kulturelle Bestimmung bei den frühen Germanenstämmen auch dadurch, dass sie eine schlichte Grabkultur mit einfachen Brandgräbern pflegten.
Zu den dort nächstgelegenen Prägegebieten sagt Berger:"...Wenn man von den Prägegebieten keltischer Münzen ausgeht, gab es die nächstliegenden keltischen Siedlungsräume in Böhmen, Thüringen, Franken, Wetterau und am linken Mittel-und Niederrhein..."
Das ist einer der springenden Punkte. Tatsächlich prägten viele Oppida ihre Münzen selbst. Doch die meisten Oppida in der sogenannten Mittelgebirgszone wurden nach Ansicht der Archäologen bereits Mitte des 1. Jahrhundert vor Christus aufgegeben. In der hessisch-thüringischen Zone ist mir lediglich vom Dünsberg bekannt, dass er noch bis in die Zeit um 20 v. Chr. weiterexistierte; dazu kommt möglicherweise noch die Flachlandsiedlung bei Bad Nauheim, eine der wenigen, die vielleicht (wenn auch auf viel bescheidenerem Niveau) noch in der frührömischen Zeit weiterexistierte. Zu den böhmischen Oppida liegen mir leider keine Informationen vor.
Das Verschwinden der rechtsrheinischen Oppida wird mitunter mit dem Feldzug des Ariovist in Zusammenhang gebracht. Auf jeden Fall liegt in vielen Gebieten eine zeitliche Lücke zwischen dem Ende der Oppida-Kultur und einer germanischen Wiederaufsiedlung.
Demnach waren z.B. die Cherusker quasi von Kelten umzingelt, der kulturelle Einfluss dürfte nicht gering gewesen sein.
Tatsache ist, dass in den Gebieten nördlich des Limes so gut wie nichts von der keltischen Kultur überdauerte - außer vielleicht ein paar Ortsnamen. Anders war es in den römischen Gebieten, die nach neueren Erkenntnissen zum Teil von Galliern wieder aufgesiedelt wurden.
Neben der römischen Währung wurden also auch keltische Münzen in diesem Raum als Zahlungsmittel angenommen und verwendet.
Die Währung an der Lippe scheint aber sowieso ihre - vielleicht durch einen Mangel an Zulauf neuer Münzen - geprägte Eigenheiten zu haben (man denke an die VAR-Gegenstempel).
Die Prägestellen lagen aber südlicher, z.B. in Hessen, damals Chattengebiet, mit denen die Cherusker intensive Beziehungen, auch heiratspolitisch, pflegten. Beide Stämme dürften sich daher kulturell nicht so furchtbar fremd gewesen sein.
Letzter Satz: Zustimmung - wegen der starken Ähnlichkeit der Stämme in der Kultur spricht man im archäologischen Zusammenhang ja auch mittlerweile durchgehend von den Rhein-Weser-Germanen.
Die Chatten prägten - wie alle anderen germanischen Stämme auch - aber keine eigenen Münzen.
Negotiator schrieb:
Ich suche eigentlich nach Beweisen, das die Germanen den Münzhandel noch vor den Kontakten mit den Römern kannten und zwar durch die Kelten.
Wie gesagt, das bezweifle ich ziemlich. Einen wirklichen Münzhandel sollte es ohnehin unter den Germanen erst sehr viel später geben; die zahlreichen Münzfunde im freien Germanien ab der Zeit nach den augusteischen Kriegen scheinen ohnehin eher darauf zurückzuführen, dass die Germanen den Münzen einen Wert zusprachen wegen des Edelmetalls und als Statussymbol. Dass sie wirklich mit Münzen zu handeln begannen, scheint eher in die Zeit der Spätantike zu fallen, als viele Germanen als Söldner am Rheinlimes ihren Dienst leisteten. Ansonsten hatte die germanische Zivilisation lange keinen Bedarf für den Münzhandel, was sich darin ablesen lässt, dass im rechtsrheinischen Raum Münzen für mehrere Jahrhunderte bis auf wenige Ausnahmen fast völlig im Fundgut verschwinden.