Geschichte der Chronologiekritik

Komisch. Ich habe vor einigen Jahren ein Seminar zu Fundmünzen in Polen belegt, wo die geleugnete Zeit numismatisch sehr gut belegt war.

Weißt Du vielleicht noch, um was für Münzen es sich da gehandelt hat ? Soweit heute bekannt ist, gab es doch zwischen dem etwas zu dünn belegten, legendären Reich des Samo Anfang des 7. Jahrhunderts bis zur Gründung des polnischen Staates durch Mieszko I. im Jahre 960 kein Staatsgebilde auf dem Gebiet des heutigen Polen, das Münzen hätte prägen können. Trugen sie vielleicht die Prägung CRLS ?


Komisch auch die Auswahl des Links zur Zeitschrift Fantomzeit - die kein seriöser Zeuge für die Phantomzeittheorie ist ...
Was meine Links auf Aufsätze vom zweifellos renommierten Prof Heinsohn angeht, so betont eben der eine gerne, daß diese u.a. auf Fantomzeit.de publiziert wurden - dem anderen ist es wichtiger, von wem sie stammen und was drinsteht... Aber Heinsohn hier grundsätzlich Unglaubwürdigkeit zu unterstellen, halte ich für ein fragwürdiges Vorgehen.
Abgesehen natürlich von der stillschweigend falschen Voraussetzung Heinsohns, dass man nicht einfach irgendwo buddeln kann und erwarten kann, dass man anthropogene Spuren aus der fraglichen Zeitstellung grundsätzlich finden muss.
Die Idee mit den Ausgrabungen kam übrigens nicht von Heinsohn, sondern von polnischen Historikern und Archäologen. Die können natürlich vollkommen falsch liegen, wie Du annimmst. Ich habe eine polnische Website dazu gefunden (zum Glück auf Englisch), die ich mir bei Gelegenheit mal etwas genauer ansehen werde:

Pipelin of the Archaeological Treasures
 
Da auch dieser Thread zur Chronologiekritik mit Off-topic Beiträgen bestückt wurde, möchte auch ich mich an einem Diskussionpunkt beteiligen. Es wurde der Mayakalender angesprochen.
Bekanntlich sind die Ursachen für den Niedergang der monoliothischen Maya-Kultur nicht ganz klar. Da damit auch die Lange Zählung des Maya-Kalenders fehlt, ist eine Korrelation mit dem europäischen Kalender gewissermaßen nicht problemlos möglich. Für korrelative Anhaltspunkte greift man gerne auf die Geschichtschreibung der Azteken zurück, die je weiter man zurückgeht, ins Mythologische übergeht.
Ich habe es leider seither versäumt, mal meine Bücher systematisch durchzugehen, wo ich etwas über fehlende drei Jahrhunderte auch in der mesoamerikanischen Chronologie gelesen hatte - irgendwie im Zusammenhang mit den Tolteken - und daher fand ich die Thesen von H. Illig über die Phantom-Jahrhunderte in der europäischen Chronolgie, als sie kennenlernte, auch gar nicht so abwegig.
Das wollte ich nur mal bemerken, weil so manch einer so tut, als hätte die hegemoniale Geschichtsschreibung keine Chronologieprobleme!
 
Weißt Du vielleicht noch, um was für Münzen es sich da gehandelt hat ? Soweit heute bekannt ist, gab es doch zwischen dem etwas zu dünn belegten, legendären Reich des Samo Anfang des 7. Jahrhunderts bis zur Gründung des polnischen Staates durch Mieszko I. im Jahre 960 kein Staatsgebilde auf dem Gebiet des heutigen Polen, das Münzen hätte prägen können. Trugen sie vielleicht die Prägung CRLS?

Ich habe nicht behauptet, dass es sich um polnische Münzen handelte. Vorwiegend arabische und persische Münzen, aber auch einzelne karolingische Münzen und warägische Fälschungen (diese meist von Dirham). Die polnischen Münzen setzen erst mit Miezko ein, dessen Münzen meist mit ottonischen Pfennigen, bähmischen Münzen und angelsächsischen Münzen (Æþelstān, Æþelred et al.) in einem Hort verbunden sind und die ottonischen Münzen als Vorbild haben. Die Horte sind in ihrer Zusammensetzung klar nach terminus post quem und nach dem Höhepunkt ihrer Zusammensetzung datierbar.
 
Gerade ich habe doch auf die durchgängige Chronologie der Maya hingewiesen, wodurch ein Durcheinander der Zählungsarten wie in Europa nicht entstehen konnte !
Dennoch kennt die Forschung die unterschiedlichen Datierungsmöglichkeiten in Europa, kann sie ineinander umrechnen usw.

Daraus abzuleiten, dass x-Jahre (x zwischen 300 und einigen Tausend, je nach CK'er) nicht existent sind, verdrängt zumindest auch mal die chronologischen Forschungen der Wissenschaft.
 
Ich habe nicht behauptet, dass es sich um polnische Münzen handelte. Vorwiegend arabische und persische Münzen, aber auch einzelne karolingische Münzen und warägische Fälschungen (diese meist von Dirham). Die polnischen Münzen setzen erst mit Miezko ein, dessen Münzen meist mit ottonischen Pfennigen, bähmischen Münzen und angelsächsischen Münzen (Æþelstān, Æþelred et al.) in einem Hort verbunden sind und die ottonischen Münzen als Vorbild haben. Die Horte sind in ihrer Zusammensetzung klar nach terminus post quem und nach dem Höhepunkt ihrer Zusammensetzung datierbar.

Danke ! Auch wenn das jetzt wohl off topic ist, eine ganz kurze Frage: Kannst Du dich daran erinnern, ob da auch byzantinische Münzen dabei waren ? Liegt ja auf dem Weg nach Persien, und auch die Skandinavier hatten ja wohl mehr oder weniger enge Kontakte dorthin.
 
Mal von den Herrschern abgesehen. Was passiert dann mit deren Beratern, Offizieren, Generälen? Werden die dann auch hin und her geschoben? Sucht man sich dann den Herrscher A einfach aus, unter dem Feldherr X am längsten diente und lässt dann, weil dann nicht mehr genug Zeit für seine (verbürgte) Tätigkeit unter Herrscher C übrig bleibt, den armen Feldherr X schon auf der Hälfte der Regierung von Herrscher B sterben?:D

Meine Hochachtung hätten die Chronologiekritiker schonmal wenn sie wie echte Historiker 2000 oder 3000 Seiten, dabei meistens im Zusammenhang korrekte, Werke schreiben würden, in welchen sie dann auch mal schnell die ganzen Herren und Damen (die wollen wir mal nicht vergessen :D ) drumherum in "Ordnung" bringen. Im Prinzip wäre es aber, bleiben wir beim Unterhaltungseffekt, den FoxP2gen so gern nicht unter den Tisch gefallen sehen möchte (;)), weitaus amüsanter und nützlicher die Chronologiekritiker, von denen wir hier reden, würden lieber gleich eine Fantasywelt aufbauen wie "Rococo en Miniature" (habe ich in Rudolstadt gesehen :) ). Das ist durchaus mein Ernst, da können sie dann historische Vorbilder und eine eigene Chronologie UND Fantasie wunderbar verwirklichen und Leute schauen sich das auch noch an. (Und schöner ist es vom ästhetischen Standpunkt auch noch. :fs: )

Aber wohlgemerkt sind doch alle Historiker ein bissel Chronologiekritiker. Oder nicht? Wenn ich dran denke wie seit Jahrhunderten emsig die Chronologie der Feuerwaffe in Historikerkreisen diskutiert wird. So manche zu frühe Eindatierungen von Feuerwaffen werden verworfen, dann wieder Zeugnisse aus früheren Zeiten gefunden, dann wieder diese kritischer hinterfragt... usw. usf.
Mathematiker, Physiker, Germanisten, Archäologen und Historiker, Wanderer, der Bauer, der auf seinem Acker nen komischen Klotz findet - sie alle arbeiten doch seit Jahrhunderten an der Chronologiekritik schon zusammen.;)

In einem anderen Thread nannte ich schonmal meinen Lieblingschronologiekritiker: Voltaire. Er hat ja auch ein paar historische Werke gemacht. Dabei drehte sich sein wohl bedeutenstes allerdings wiederum, eine Schwäche seiner Zeit, hauptsächlich um die Bibel und die Zeit drumherum.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Chronologierkritik à la Illig wurde längst von namhaften Historikern und Archäologen widerlegt und findet nur noch in der Öffentlichkeit ob ihrer Exzentrik eine gewisse Beachtung.

Hinsichtlich der zeitgenössischen Urkunden behauptet Illig, dass es kaum originale Objekte aus der besagten Zeit - also dem frühen MA ab dem 7.Jh. - gäbe und dass ganz häufig keine konkreten historischen Personen genannt würden. Ferner führt Illig an, dass zwischen dem 10. und dem Ende des 12. Jh. ein großer Teil der Urkunden nicht mehr in Majuskel-Schrift geschrieben worden sei, sondern eine Umstellung auf Minuskel-Schrift erfolgt wäre. Daraus folgert er, die Urkunden seien neu geschrieben, die alten hingegen vernichtet worden.

Demgegenüber wenden namhafte Historiker ein, dass für die von Illig in Anspruch genommene Epoche etwa 7500 Dokumente existieren und das 9. Jh. mit seiner Klosterliteratur sogar zu den urkundenmäßg bestbelegten Epochen des frühen MA zählt. Das erneute "Abschreiben" erklärt sich - wie jeder Proseminar-Student weiß - ganz einfach daraus, dass es für die Menschen des MA die einzige Möglichkeit war, eine Urkunde bzw. einen Text zu kopieren. Wissenschaftlich sind daher Illigs Urteile über mittelalterliche Urkunden und Texte unsinnig.

Hinsichtlich der Archäologie behauptet Illig, dass die Zeit vom 7.-10. Jh. nahezu fundleer sei und man die wenigen Objekte dieser Epoche falsch datiert hätte.

Ganz im Gegensatz dazu lässt sich aus einer Vielzahl wissenschaftlicher Publikationen ablesen, dass dieser Zeitraum durch eine große Zahl archäologischer Funde repräsentiert wird, die in der Regel nach modernsten Methoden datiert und katalogisiert wurden. Falsche Zeitangaben sind Ausnahmen, keinesfalls die Regel. Im übrigen lässt sich die Fundschicht zur Epoche der Karolinger an allen relevanten Orten eindeutig nachweisen.

Es fehlt hier der Platz, um auf fachwissenschaftliche Entgegenungen zu Illigs Chronologiekritik ausführlich einzugehen. Man muss sie jedoch aufgrund methodischer Fehler als längst widerlegt und unwissenschaftlich betrachten.

<sup id="cite_ref-4" class="reference">http://de.wikipedia.org/wiki/Erfundenes_Mittelalter#cite_note-4</sup>
 
Meine Hochachtung hätten die Chronologiekritiker schonmal wenn sie wie echte Historiker 2000 oder 3000 Seiten, dabei meistens im Zusammenhang korrekte, Werke schreiben würden, in welchen sie dann auch mal schnell die ganzen Herren und Damen (die wollen wir mal nicht vergessen :D ) drumherum in "Ordnung" bringen.

Vielleicht kennen wir aber auch einfach das zusammenfassende Werk nicht; ich denke dabei gerade an die chronologiekritischen Zeitschrift Zeitensprünge; wer weiß, vielleicht gibt es da ja solche Zusammenhangsdarstellungen. Und es wäre interessant zu wissen, ob es darin Artikel mit Titeln wie "Probleme der Chronologiekritik" gibt. Freilich würde ich mal comparative Studein lesen, die wahrscheinlich noch gar nicht geschrieben wurden, worin hegemonialchronologische und chronologiekritische Modelle auf eine ganz bestimmte Thematik (bspw. Völkerwanderung) verglichen werden. Das tun zwar gewissermaßen die Chronologiekritiker als auch Kritiker im Ansatz und vielleicht auch in begrüßender Weise die von PALENQUE verlinkte Vorlesung. Aber ich hätte es gerne von einem neutralen Standpunkt, ohne gleich eine Beurteilung der "Theorie".

Das ist durchaus mein Ernst, da können sie dann historische Vorbilder und eine eigene Chronologie UND Fantasie wunderbar verwirklichen und Leute schauen sich das auch noch an. (Und schöner ist es vom ästhetischen Standpunkt auch noch. :fs: )

Was dein Ernst ist, ist mein Ärger: Uwe Topper vertritt beispielsweise sinngemäß in postmodernen Jargon wiedergeben, daß Geschichtsschreibung nicht anderes als ein Narrativ sei, so daß meiner Ansicht nach überhaupt der chroinologiekritsiche Anspruch unterlaufen wird.

Aber wohlgemerkt sind doch alle Historiker ein bissel Chronologiekritiker. Oder nicht? Wenn ich dran denke wie seit Jahrhunderten emsig die Chronologie der Feuerwaffe in Historikerkreisen diskutiert wird. So manche zu frühe Eindatierungen von Feuerwaffen werden verworfen, dann wieder Zeugnisse aus früheren Zeiten gefunden, dann wieder diese kritischer hinterfragt... usw. usf.
Mathematiker, Physiker, Germanisten, Archäologen und Historiker, Wanderer, der Bauer, der auf seinem Acker nen komischen Klotz findet - sie alle arbeiten doch seit Jahrhunderten an der Chronologiekritik schon zusammen.;)

Dem kann ich nicht ohne weiteres zustimmen. Deine Überlegung klingt für mich wie die Slogan: "wir sind doch alle ein bißchen queer", womit die Probleme der mannigfaltigen Sexualität des Menschen banalisiert werden. Im Gegenteil sehe ich es so, daß der ottonormalverbrauchende Historiker gerade an chronologiekritischen Fragen kein Interesse hat und dieses Thema gerademal vorzugsweise umgeht, indem er entweder überhaupt darauf verzichtet, zu erwähnen, daß es chronologische Unklarheiten gibt, oder pauschal mitteilt, daß eine bestimmte, gerade von behandelte Chronologie als nicht gesichert gilt. Das bringt mich gerade auf eine Idee für einen Threadtitel.

In einem anderen Thread nannte ich schonmal meinen Lieblingschronologiekritiker: Voltaire. Er hat ja auch ein paar historische Werke gemacht. Dabei drehte sich sein wohl bedeutenstes allerdings wiederum, eine Schwäche seiner Zeit, hauptsächlich um die Bibel und die Zeit drumherum.

Da es ja in diesem Thread um die Geschichte der Chronologiekritik geht, wäre es interessant, wenn du hierzu noch etwas mehr schreiben könntest oder deine Beiträge verlinken, in denen du dazu schon etwas geschrieben hast?
 
[...] Es fehlt hier der Platz, um auf fachwissenschaftliche Entgegenungen zu Illigs Chronologiekritik ausführlich einzugehen. Man muss sie jedoch aufgrund methodischer Fehler als längst widerlegt und unwissenschaftlich betrachten.
<SUP class=reference id=cite_ref-4></SUP>

Und bei dieser Gelegenheit möchte ich darauf hinweisen, daß dieses kein Illigthread oder Kritik an Illig-Thread ist, sondern daß es hier um eine Metadiskussion handelt; auch wenn hier der eine oder andere glaubt, noch einmal oder jetzt endlich oder abschließend, die eine oder andere chronologiekritische Behauptung widerlegen zu können,. es geht in diesem Thread einfach nicht darum; dieser gibt es zu genüge, und da wäre im übrigen auch durchaus der Platz für eine ausführliche Diskussion, was hier aber nicht nur nicht notwendig, weil es hier darum überhaupt nicht geht. Aber ich nehme deinen Beitrag, DIETER, auch stellvertretend für andere, weil du dich darin nur auf Illig konzentrierst, als wäre Chronologiekritik = Illigs Phantomszeitthese.
 
Schaut man sich die Geschichte der CK an, dann fallen 2 Entwicklungslinien auf (mir jedenfalls). Zum einen wird der Zeitraum der gestrichenen Geschichte immer größer. Zu Anfang, also im 17. Jh. (plusminus) scheint sich die Kritik noch auf überschaubare Zeiträume bezogen zu haben, auf Überlieferungen mythischer Könige, deren reale Existenz in Zweifel gezogen wurde usw.
Ähnliches finden wir ja auch noch bei Illig und seinen gestrichenen 300 Jahren.
Das scheint einigen aber nicht mehr genug zu sein. So streicht Fomenko mehr oder weniger alles vor 1200 (Jesus im 11. Jh.), Pfister und andere toppen das, indem sie nur noch die letzten 300 - 400 Jahre gelten lassen.

Zum anderen lässt sich eine verstärkte Tendenz zu nationalistisch motivierter Umschreibung und Streichung von Geschichte nicht verleugnen. Auch hier wieder Fomenko als Musterbeispiel. Da wird die russische Geschichte zum einen von - vermeintlichen - Peinlichkeiten wie der Besetzung durch die Mongolen befreit, zum anderen viele Dinge als ursprünglich russisch (ich glaub die Pyramiden werden von russischen CK'ern als russische Bauwerke umgedeutet) angesehen, um so die - in diesem Fall Russen - über andere zu erhöhen.
Ähnliche Tendenzen finden sich auch bei deutschen CK'ern, wo viele großartige Dinge in der Vergangenheit mit Deutschland und den Deutschen in Verbindung gebracht werden.
 
Daß der Unterschied zwischen einem populärwissenschaftlichen Buch (mit dem Sagan wahrscheinlich bloß wieder mal Geld verdienen wollte ;-) und einem Seminar für Studenten der Geschichte an einer deutschen Universität bekannt ist, hatte ich eigentlich bei Usern dieses Forums vorausgesetzt. Nun ja, so kann man sich irren ...

Dass Argumente ad personam in einer Debatte nichts zu suchen haben, hatte ich eigentlich auch vorausgesetzt. So kann man sich irren... Der Witz an der Sache ist, dass man gerade chronologiekritischen Bestsellern wie Illig leicht den gleichen Strick drehen könnte. Vielleicht als witziger Seitenhieb in einem Nebensatz verpackt, dann sieht es gar nicht mehr so böse aus und tut trotzdem seine Wirkung: den Forscher und seine Motive a priori in die unseriöse Ecke stellen. Berechtigt ist das nicht und die Chronologiekritiker würden da gleich schreien - aber im umgekehrten Fall sieht es anscheinend anders aus, wenn man ein argumentum ad hominem brauchen kann, warum nicht?
Um aber zum Thema zurückzukommen: In einem Seminar für Studierende der Alten Geschichte an einer österreichischen Universität wird auch von allen möglichen "exotischen" Atlantistheorien und den Grundsatzproblemen ihrer Verfechter gesprochen. Ist die Atlantissuche auf Helgoland deswegen im wissenschaftlichen Diskurs angekommen? Die Antwort ist negativ.
 
Dass Argumente ad personam in einer Debatte nichts zu suchen haben, hatte ich eigentlich auch vorausgesetzt. So kann man sich irren...
Manche begreifen es eben nie ...
Mit dem entsprechenden Smiley für Ironie glaubte ich ausreichend kenntlich gemacht zu haben, daß ich diese Bemerkung nicht ganz ernst meinte. Dem aufmerksamen Leser wird nämlich nicht entgangen sein, daß ein paar Beiträge zuvor eben derselbe Vorwurf den Chronologiekritikern gemacht wurde - übrigens ohne, daß Du hier eingeschritten wärest.
 
Manche begreifen es eben nie ...
Mit dem entsprechenden Smiley für Ironie glaubte ich ausreichend kenntlich gemacht zu haben, daß ich diese Bemerkung nicht ganz ernst meinte. Dem aufmerksamen Leser wird nämlich nicht entgangen sein, daß ein paar Beiträge zuvor eben derselbe Vorwurf den Chronologiekritikern gemacht wurde - übrigens ohne, daß Du hier eingeschritten wärest.

Weil ich den entsprechenden Beitrag zufällig nicht gelesen habe. Eine Erwiderung auf meinen eigenen Beitrag muss ich dagegen natürlich lesen und beanworten. Was jedoch die Sache anbelangt: Solche Pauschalvorwürfe sind grundsätzlich nicht zulässig, auch nicht gegen die Chronologiekritiker. Anders sieht es aus, wenn man im Einzelfall unseriöse Motive nachweisen kann, z.B. nationalistische Tendenzen. Als generelles Motiv der Chronologiekritik wird man das jedoch sicher nicht unterstellen können.
 
Um aufs Thema zurückzukommen: Eigentlich sind die sogenannten "Chronologiekritiker" der frühen Zeit in der Regel Überlieferungs- und Urkunden-Kritiker.
Der erste "moderne" Kritiker dieser Art war der Jesuit Jean Hardouin (1646-1729).
Er behauptete 1690, dass eine Reihe von antiken Werken der römischen Schriftsteller und mittelalterlichen Kirchenväter in Wahrheit Fälschungen betrügerischer Mönche zwischewn etwa 1350 und 1480 seien. Die Mehrzahl der alten Münzen seien nur Nachahmungen aus jüngster Zeit. Christus und die Apostel hätten nur lateinisch gepredigt.
Diese Fälschungsthese für das mittelalterliche Schriftgut wurde auch von dem Jesuiten Daniel Papebroch (1628-1714) und dem Benediktiner Jean Mabillon (1632-1707) vertreten. Nach ihrer Meinung gibt es nur ganz wenige mittelalterliche unverdächtige Urkunden, wenn nicht gar alle gefälscht seien. (Im Laufe der Zeit wurde verlangt dass die Echtheit bewiesen werden müsse, was dazu führte, dass ein (an sich objektiv unmöglicher) Beweis, nur zeigte, wie raffiniert die Fälscher zu Werke gegangen waren. Im übrigen behauptete man einen Zirkelschluss, wenn man durch Urkundenvergleich die Echtheit behaupten wolle, denn auch die Vergleichsurkunde sei gefälscht.
Auch ist der Jesuit Barthélmy Germon (1663-1718) zu nennen. Er behauptete in seiner 3-bändigen Schrift von 1703-1707 "De veteris regum Francorum diplomatibus", es könne keine merowingischen Urkunden überliefert sein. Sie seien samt und sonders gefälscht.
In neuerer Zeit ist der Düsseldorfer Gerichtspräsident Peter Franz Josef Müller mit seinem Buch "Meine Ansicht von der Geschichte" von 1814 zu nennen. Auch er ging von einer Totalfälschung mittelalterlicher Geschichte aus. Mit dieser Fälschung habe die Erinnerung an ein einheitliches Urvolk mit einheitlicher Ursprache und einem erblichen Urkaiserhaus getilgt und die Zersplitterung Deutschlands und die Unterordnung des Kaisers undter das Papsttum erklärt werden sollen.
In die gleichen Stapfen trat dann Wilhelm Kammeier (1889-1959). Er griff während des Dritten Reichs die Thesen Hardouins auf und ging von einer gigantischen Fälschungsaktion im 15. Jh. aus. Sie sei von Rom gesteuert und zum Beweis reiche es, den gesunden Menschenverstand zu bemühen (Die Fälschung der deutschen Geschichte Heft 2 (1935) S. 16).

Bislang ist ein Problem der Chronologiekritik in der Fassung Illigs (Einschub der Zeit von 614-911 durch Fälschung der Urkunden) noch nicht befriedigend gelöst: Es gibt viele Personen (Man kann das Lexikon des Mittelalters danach durchsuchen), die vor dem "Zeitensprung geboren sind aber weder vorher gestorben noch nachher noch gelebt haben. Genauso gibt es viele Menschen, die nach dem zeitensprung gestorben sind, aber nicht danach auch geboren sind, also vor dem Zeitensprung geboren sein müssten. Beide Gruppen müssten nach der klassischen Chronologie als über 300 jahre alt geführt werden. Es findet sich aber kein Adliger oder Bischof, der nach dem Zeitensprung in Amt und Würden gestorben ist und vor dem Zeitensprung urkundlich erwähnt wird. Das gleiche gilt für urkundlich erwähnte Amtsträger (die Urkunden vor und nach dem Zeitensprung werden nicht in Frage gestellt, also auch nicht die Existenz der Personen) vor dem Zeitensprung, die sich über Nacht zwischen 614 und 911 in nichts aufgelöst haben und durch andere Personen ersetzt worden sind.
Lindisfarne steht 614 und ist im nächsten Jahr 911 zerstört, ohne dass eine Ursache erkennbar ist.
 
Ich habe eine Rückmeldung bekommen, dass mein letzter Absatz nicht ganz verständlich sei:
Hier ein fiktives Beispiel, das das Problem verdeutlichen soll:

Auf 614 folgt nach Illig unmittelbar 911. Die Zwischenzeit ist durch Fälschung erfunden. Bischof A wurde 610 zum Bischof geweiht und starb nach klassischer Chronologie 650. Das Jahr soll es nicht gegeben haben. Nach Illig entspricht 650: 650-614+911= 947. Er hätte also bis 947 leben müssen und nach 911 noch im Amt sein müssen, weil es die Zeit zwischen 614 bis 911 nicht gab. Es gibt keinen Würdenträger, auf den das zutrifft.

Ich habe das Problem 2004 im Usenet dem Illig-Apologeten Günter Lelarge, Lehrer aus Andernach, mit Beispielen aus dem Lex.d.MA Bd. I Buchstabe A vorgelegt. Er antwortete, das sei in der Tat ein Problem, das gelöst werden müsse. Aber er sei zuversichtlich.

Es gibt noch einen weiteren "Fälschungsspezialisten": Hans Constantin Faußner: "Die Urkundenfälschungen Ottos von Freising", Sigmaringen 1993.
Danach hat Otto von Freising den Abt Wibald von Stablo mit einer umfangreichen Fälschungsaktion beauftragt (was als solches auch richtig ist). Er weiß auch den Zeitpunkt der Beauftragung (Wormser Konkordat) und das Ende der Tätigkeit (Machtübernahme Friedrich Barbarossas) und annähernd die Zahl der Fälschungen (Alle Königsurkunden aus der Zeit vor dem Wormser Konkordat; davon gibt es Tausende). Ich habe mal nachgerechnet: Wibald musste danach täglich, auch Samstag und Sonn- und Feiertags 1 Urkunde fälschen, neben seinen Aufgaben als Abt und seinen diplomatischen Missionen (er starb 1158 auf einer Mission in Mazedonien) sowie den Gesprächen mit dem Auftraggeber über den gewünschten Inhalt der Fälschung. Selbst Illig soll in den "Zeitensprüngen" eingeräumt haben, dass die Fälschung aller Königsurkunden vor dem Wormser Konkordat durch Wibald wohl problematisch sei.
 
Zumal die mittelalterlichen Fälscher die Methoden der modernen Forschung hätten antizipieren müssen.
 
Wie wurde eigentlich mit der chinesischen Zeitgeschichte verfahren?

Soweit ich weiß, wurden die Chronologien Europas und Chinas anläßlich von Besuchen päpstlicher Gesandter Ende des 16. Jahrhunderts angeglichen. Die Überlieferung von Texten ist auch nicht so umfangreich wie in Europa. Ich habe jedoch keine weiteren Infos darüber. In der Zeitschrift Zeitensprünge sind einige Aufsätze über China erschienen - ich habe diese jedoch nicht abonniert.
 
Bislang ist ein Problem der Chronologiekritik in der Fassung Illigs (Einschub der Zeit von 614-911 durch Fälschung der Urkunden) noch nicht befriedigend gelöst: Es gibt viele Personen (Man kann das Lexikon des Mittelalters danach durchsuchen), die vor dem "Zeitensprung geboren sind aber weder vorher gestorben noch nachher noch gelebt haben. Genauso gibt es viele Menschen, die nach dem zeitensprung gestorben sind, aber nicht danach auch geboren sind, also vor dem Zeitensprung geboren sein müssten. Beide Gruppen müssten nach der klassischen Chronologie als über 300 jahre alt geführt werden. Es findet sich aber kein Adliger oder Bischof, der nach dem Zeitensprung in Amt und Würden gestorben ist und vor dem Zeitensprung urkundlich erwähnt wird. Das gleiche gilt für urkundlich erwähnte Amtsträger (die Urkunden vor und nach dem Zeitensprung werden nicht in Frage gestellt, also auch nicht die Existenz der Personen) vor dem Zeitensprung, die sich über Nacht zwischen 614 und 911 in nichts aufgelöst haben und durch andere Personen ersetzt worden sind.

Diese Frage wurde auch auf fantomzeit.de gestellt. Die Antwort lautete dort so:
</p>
Frage: “Mir (und soweit ich weiß, auch Illig) ist kein einziger Mensch bekannt, der sowohl 614 wie auch 912 (615) am Leben war” [T. Chladek].:
Antwort: Das ist so nicht richtig: Natürlich kann man nicht erwarten, in der biografischen Überlieferung eines Menschen Lebensabschnitte aus verschiedenen Zeitaltern zu finden. Ansonsten gibt es durchaus prominente Namensträger, die über die vermutete Leerzeit miteinander identifiziert werden können: Karl der Einfältige (Carolus Simplex, Herrscher in Lothringen ab 912, †929) - mögliches Vorbild für die Figur Karls d. Gr. und Lieferant von KRLS-Signatur und Münzen - hatte seinen Widerpart in Chlothar II (613-†630).In der Liste der Päpste fällt die Spiegelbildlichekeit der Papstnamen Sabinianus aus Volterra (604-606) und Lando Sabinanus (913-914) auf (It. landa=terra).
 
@Pal: Soweit ich weiß, wurden die Chronologien Europas und Chinas anläßlich von Besuchen päpstlicher Gesandter Ende des 16. Jahrhunderts angeglichen.
Das haben die Chinesen den päpstlichen Gesandten zuliebe gemacht??? Die haben noch Ende des 18. Jahrhunderts westliche Gesandtschaften bei Bedarf zum Teufel gejagt, genauso wenig wie sie sich heute etwas sagen lassen. Das ist einfach lächerlich.

http://de.wikipedia.org/wiki/Jesuitische_Mission#China
 
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