Ghibellinen: Griff nach der Kaiserkrone?

„Erbte“ trifft es nur bedingt. König/Kaiser Ludwig II. hinterließ mit Ludwig „dem Deutschen“ ja noch einen zweiten Onkel (wobei obendrein Ludwig der Deutsche ein leiblicher Bruder von Kaiser Ludwigs Vater Lothar war, Karl der Kahle hingegen nur dessen Halbbruder; und Ludwig der Deutsche war älter als Karl der Kahle), der wiederum drei Söhne hatte. Einer dieser Söhne, Karlmann, versuchte tatsächlich (noch vor Karl dem Kahlen) seine Herrschaft in Italien durchzusetzen. Dass Karl der Kahle zum Zug kam, lag u.a. daran, dass ihn der Papst vorzog.

Jedenfalls erhob er einen Erbanspruch. Möglich, dass er den ohne den Papst nicht hätte durchsetzen können, aber mit der Kaiserkrönung erkannte der Papst Karl den Kahlen ja gerade als italienischen König und wenig später wurde er dann ja auch gekrönt. Es war jedenfalls nicht so, dass er einfach so Kaiser geworden wäre und dann erst irgendwann später König von Italien.

Übrigens wurde auch Otto II. zuerst zum Kaiser gekrönt (967) und erst Jahre später (980) zum König von Italien.

Wie gesagt, ich denke, die Krönung war eher deklarativ und nicht konstitutiv, wie wir heute sagen würden. Viele Herrscher des HHR ließen sich nie zum König von Italien krönen. Karl V. war der letzte Herrscher des HHR, der sich dort krönen ließ.

Otto II. ist auch insofern ein Sonderfall, als er schon zu Lebzeiten seines Vaters Mitkaiser wurde, vor allem, um ihn mit einer byzantinischen Prinzessin vermählen zu können.
 
Jedenfalls erhob er einen Erbanspruch. Möglich, dass er den ohne den Papst nicht hätte durchsetzen können, aber mit der Kaiserkrönung erkannte der Papst Karl den Kahlen ja gerade als italienischen König und wenig später wurde er dann ja auch gekrönt. Es war jedenfalls nicht so, dass er einfach so Kaiser geworden wäre und dann erst irgendwann später König von Italien.

Das ist doch nicht der Punkt.
Die Frage ist doch, wäre es möglich gewesen einen Präzedenzfall zu konstruieren um auch die Kaiserkrönung eines Potentaten rechtfertigen zu können, der weder gewählter und gekrönter römisch-deutscher König, noch König von Italien war.
Und da wird man ohne lange herum zu diskutieren, darauf verweisen können, dass Karl der Kahle bei seiner Kaiserkrönung nichts von beidem war und trotzdem als legitimer Kaiser anerkannt wurde.

Auch wenn er relativ kurz danach zum König von Italien gekrönt wurde, wenn es im Rahmen der Frage des politischen Willens darum gegangen wäre einen Präzedenzfalls zu finden, auf den man hätte abstellen können, hätte Karl der Kahle den in jedem Fall geboten.
 
Im Ernst: Weil die Kirche sich als weltliche Macht verstand und als solche zuweilen auch schwach war, benötigte sie Schutz von anderen. Das bekam sie nicht umsonst – ich habe das oben schon angedeutet.

Die ganze Richtung, weltliche Güter und Macht anzustreben, war eine falsche. Das hatte schon der heilige Franziskus erkannt in einer Zeit, als die weltliche Macht der Kirche wuchs und sich im Dauerclinch mit den Stauferkaisern (Ghibellinen) befand.

Um für Seelenheil der Gläubigen zu sorgen, die eigentliche Aufgabe der Kirche, braucht man keinen bewaffneten Arm und keine weltlichen Güter
Auch das ist etwas komplizierter. Die Kirche und speziell der Papst konnten sich gar nicht auf rein geistliche Aufgaben beschränken, selbst wenn sie gewollt hätten, weil sich die weltlichen Mächte - beginnend mit Kaiser Konstantin I. - auch allzu gerne in innerkirchliche Angelegenheiten und theologische Konflikte einmischten und auch mal rabiat werden konnten, wenn die geistlichen Würdenträger nicht spurten. Das musste etwa Papst Martin I. am eigenen Leib erfahren, als er auf Befehl des Kaisers verschleppt und verbannt wurde. Lange Zeit war der Papst in Rom doppelt bedroht - vom Exarchen in Ravenna und von den arianischen Langobarden. Später war es den Sarazenen aus dem Süden reichlich egal, ob der Papst ein weltlicher oder ein geistlicher Herr war - Hauptsache es gab bei Rom schöne Kirchen zu plündern.
 
Das ist doch nicht der Punkt.
Die Frage ist doch, wäre es möglich gewesen einen Präzedenzfall zu konstruieren um auch die Kaiserkrönung eines Potentaten rechtfertigen zu können, der weder gewählter und gekrönter römisch-deutscher König, noch König von Italien war.

Dass er kein römisch-deutscher König war, war irrelevant, denn diese gab es ja noch gar nicht und auch die Tradition, dass nur die ostfränkischen Herrscher Kaiser wurden, ob nun wegen der Herrschaft über Italien oder aus anderen Gründen, gab es noch nicht.

Er war aber eben schon König von Italien, auch wenn er noch nicht gekrönt war.

Auch bei Wikipedia ist er als König ab 875, nicht ab 876 geführt. (Ja, Wikipedia hat nicht immer recht, aber zumindest mal als Hinweis darauf, dass ich mir das mit dem früheren Herrschaftsbeginn nicht einfach ausgedacht habe.)

Allermindestens wird man sagen können, dass er zumindest einen begründeten Anspruch auf die langobardische Krone erhob und dass er offensichtlich relativ problemlos nach Rom reisen konnte; die italienischen Adligen ihm den Zutritt nach Italien also nicht mit Waffengewalt verwehrten, um seinen Anspruch abzuwehren. Anders als später bei Richard von Cornwall, bei dem die Kaiserkrönung schon daran scheiterte, dass er nie sicher nach Italien reisen konnte.
 
Er war aber eben schon König von Italien, auch wenn er noch nicht gekrönt war.

Ein König, der nicht gesalbt und nicht gekrönt ist, ist nach mittelalterlichen Vorstellungen kein vollerwertiger König.

Da genügte zur Delegitimation des Anspruchs auf die Königswürde mitunter schon, wenn nicht der richtige Bischof die Hand auflegte oder nicht die richtigen Insignien vorhanden waren.
Ein nicht gesalbter und nicht gekrönter König, war erstmal überhaupt nichts, als einer von vielen weltlichen Großen.

Allermindestens wird man sagen können, dass er zumindest einen begründeten Anspruch auf die langobardische Krone erhob [...]
Mag ja sein, aber das ist doch überhaupt nicht der Punkt.

Die Diskussion ging doch darum, ob es theoretisch möglich gewesen wäre eine Person zum Kaiser zu krönen, die vorher nicht vorweisen konnte anerkanntermaßén ostfränkischer König oder König von Italien zu sein.

Die zu stellende Frage wäre: Wäre das mit Traditionen und Rechtsvorstellungen vereinbar gewesen, wenn der politische Wille vorhanden gewesen wäre, das zu Gunsten eines entsprechenden Kandidaten hinzubiegen?
Und diese Möglichkeit liefert Karl der Kahle als Präzedenzfall ganz eindeutig.

Ein Papst der eine Kaisererhebung eines solchen Kandidaten hätte rechtfertigen wollen der hätte nicht mit Erbansprüchen auf die italienische Krone oder einer kurz danach vollzogenen Krönung zum König von Italien herumgeeiert.

Der hätte argumentiert:

"875 hat unser Vorgänger Papst Johannes VIII Karl den Kahlen zum römischen Kaiser gekröhnt. War Karl der Kahle ein Ostfranke/Deutscher oder gar ein ostfränkischer/deutscher König? Nein!
War er bei seiner Kaiserkrönung gesalbter und gekrönter König von Italien? Nein!
Wurde die Legitimität seines Kaisertums seinerzeit erfolgreich mit der Begründug herausgefordert, dass er als nicht gesalbter und nicht gekrönter König des Ostfrankenreiches oder Italiens gar nicht die Qualifikation dafür besitze zum Kaiser erhoben zu werden? Nein!

Wenn aber die Kaisererhebung Karls des Kahlen, der zu dieser Zeit weder König des Ostfrankenreiches noch von Italien war damals nach dem weisen Ratschluss Johannes VIII. dem als Papst allein das Recht der Kaiserkrönung zukam und nach Gottes Willen billig war, so können wir sie nicht für unrecht halten und somit nicht bestreiten, dass auch einer zum Kaiser erhoben werden kann, der kein gesalbter und gekrönter König der Ostfranken oder Italiens ist."

Den politischen Willen und nicht ein tatsächliches Interesse an der Eröterung von Traditionsentwicklungen vorausgesetzt hätte das allemale getaugt, eine solche Entscheidung zu begründen.

Zwei weitere mögliche Argumentationsansätze wären gewesen:

1. Die Legitimität der bisherigen Praxis des Umgangs mit der italienischen Königswürde a priori zu bestreiten.
Der Papst hätte hier (ebenfalls politischen Willen vorausgesetzt) in seine Rolle als Bischof von Rom den Anspruch geltend mache können, die höchste geistliche Autorität in Italien darzustellen und somit das alleinige Recht zu haben den König von Italien zu salben und zu krönen.
Auf dieser Basis hätte sich jedes Recht die italienische Königswürde zu vererben per se bstreiten lassen.

2. Der Papst hätte (politischen Willen vorausgesetzt) auch argumentieren können, dass das geistliche Amt des Bischofs von Rom allein dazu berechtigte, nach göttlichem Ratschluss Kaiser zu erheben und zu krönen und dass diese rein dem geistlichen Oberhaupt der lateinischen Christenheit obliegende Aufgabe nicht an ein weltliches Gesetz gebunden werden könne da Gott, der durch den Papst seinen Willen zum Ausdruck brächte sich keinen weltlichen Gesetzen und Traditionen unterwürfe und bereits der Versuch ihn solchen zu unterwerfen anmaßender Frevel sei.
Womit jeder Verusch Qualifikationen für das Kaisertum aus weltlichen Traditionen zu begründen, nichtig sei.

(Macht btw. spaß das mal rollenspielerisch durchzuspielen:D).
 
Zuletzt bearbeitet:
Zurück
Oben