Gibt es einen Zusammenhang zw. Christentum und Demokratie?

Man könnte aber auch andere Elemente einbeziehen: Das Erbe der autoritären und in Teilen sehr militaristischen Sowjetunion mit ihrem latenten Personenkult, die Erfahrung (bzw. vermutlich besser: das Gefühl) einer nationalen Demütigung und eines politischen Bedeutungsverlustes in den 1990er-Jahren oder die wirtschaftlichen Probleme beim Übergang von der Planwirtschaft zur Marktwirtschaft. All das hat wenig mit dem Christentum zu tun, sondern viel eher mit den gesellschaftlichen und politischen Entwickungen eines unerwarteten Systemwechsels.

Ich denke, man sollte vor allem auch die Geschichte der orthodoxen Kirche in Russland selbst mit reflektieren.

Ein kleiner Exkurs dahingehend:

Die russisch-orthodoxe Kirche und damit verbunden das Amt des Patriarchen, konnten in der frühen Neuzeit nach der endgültigen Trennung von Byzanz zunächst eine relativ starke Rolle innerhalb Russlands spielen, im Besonderen in der sogenannten "Zeit der Wirren", als der Zarenthron mehr oder weniger umkämpft war, nach dem Aussterben der direkten Linie der Rurikiden in Muskowien/Russland am Ende des 16. und unter den ersten Romanow-Herrschern, vor allem unter der Herrschaft des ersten Romanow-Zaren Michail I., dessen Regierungszeit zu beginn de facto eine Doppelherrschaft war, die sich der Zar Michail und der Patriarch "Filaret" (gleichzeitig Michails Vater) mehr oder weniger teilten.

Auch nach dem Tod Zar Fjodor III. 1682 (dieser hatte de facto keine Nachkommen, so dass sein jüngerer Bruder Iwan V. aus der ersten Ehe Alexej Michailowitschs mit Marija Mirsolawskaja und sein jüngerer Halbruder Pjotr (Peter) aus Alexejs zweiter Ehe mit Natalja Kirillowna Naryschkina als Nachfolger in Frage kamen, die allerdings beide zu disem Zeitpunkt nicht selbstständig regierungsfähig waren).

Die Folge war eine andauernde Auseinandersetzung zwischen Sofia Aleksejewna einer älteren Schwester des (wohl körperlich und geistig beeinträchtigten) Iwan V. aus Aleksejs erster Ehe mit Marija Miroslawskaja, die versuchte Iwan als Zaren und sich selbt als de facto Regentin durchzusetzen und Natalja Kirillowna Naryschkina, die versuchte mit Verweis auf die Regierungsunfähigkeit Iwan V. die Ansprüche ihres gesunden, aber minderjährigen Sohns Pjotr (der später "Peter der Große" werden sollte), durchzusetzen.

In diese Auseinandersetzung wurden verschiedene Hofparteien, so wie die orthodoxe Kirche, wie auch die Bevölkerung Moskaus und die Strelizen involviert und sie ging für die Naryschkin-Partei zunächst insofern schlecht aus, dass es Sofia Aleksejewna gestützt auf die revoltierenden Strelizen und Teile des Klerus gelang, ihre eigene Regentschaft für Iwan V. (und Pjotr) durchzusetzen.
Hierbei spielte die orthodoxe Kirche nochmal eine bedeutende Rolle.

Als dann allerdings, 1689 nach dem Sturz der Regentin Sofia und mit der Volljährigkeit und dem Regierungsantritt Peter I. der Wind drehte, ging es mit dem Einfluss der orthodoxen Kirche bergab.
Peter I. war bekanntermaßen ein Modernisierer, der mit dem eher konservativen Patriarchen Adrian I. zunehmend auf Kriegsfuß stand (möglicherweise trug dazu auch die Rolle von Teilen des Klerus während des Machtkampfs seiner Mutter mit Sofia Aleksejewna bei) und als Adrian I. dann 1700 verstab, folgte Peters Angriff auf die Stellung der orthodoxen Kirche.

Es war bis dahin Usus gewesen, dass nach dem Tod des Moskauer Patriarchen der Zar dessen Nachfolger bestätigen musste, damit dieser offiziell in sein Amt eingeführt werden konnte.
Peter weigert sich einfach standhaft das zu tun und irgendwen als neuen Patriarchen zu bestätigen, was zu einem zwanjigjährigen Interim führte, (interrimsmäßig übernahm der Peter und dessen Reformagenda nahestehende Metropolit Stepan Jarowski mit Billigung des Zaren in der Zwischenzeit sozusagen die Geschäftsführung) in dem die russisch-orthodoxe Kirche mehr oder weniger ohne offizielles Oberhaupt darstand.

1721 erklärte Peter I. dann das Patriarchenamt für abgschafft. An stelle dessen wurde eine Intstitution mit der Bezeichnung "Heiligster regierender Synod" erfunden, die de facto eine staatlich kontrollierte Behörde war und in die Rechte der früheren Patriarchen als Chefs der russisch orthodoxen Kirche eingesetzt wurde.

An diesem Zustand, dass de facto eine staatliche Kontrollinstanz der orthodoxen Kirche in Russland vorstand änderte sich bis zu den Revolutionen von 1905 und 1917 (Februar) nichts mehr.
Danach wurden diese Strukturen aufgelöst, weil die Verquickung von Staat und Kirche nicht mehr als zeitgemäß erfunden wurde, nur eben mit der Konsequenz, dass anders als im übrigen Europa nicht geistliche Fürsten abgesetzt und deren Herrschaftsbereich säkularisiert wurde, sondern dass, weil die Verhältnisse in Russland umgekehrt waren, der staatliche Einfluss in den kirchlichen Strukturen beschnitten wurde.
Zwischenzeitlich wurde dann auch das Patriarchenamt wieder hergestellt, allerdings spielte die orthodoxe Kirche als Machtfakktor keine wirkliche Rolle.
Kurz danach kamen dann die Bolschewiki und später die Kommunistische Partei, die die orthodoxe Kirche in Russland wieder massiv einschränkten und in Teilen rigoros bekämpften.
Auch wenn sich in der späteren Sowjetunion der staatliche Griff allmählich lockerte, de facto blieb die orthodoxe Kirche der Staatsmacht unterworfen, bis dann am Ende des kalten Krieges die Sowjetunion unterging und die orthodoxe Kirche wieder einigermaßen ungehindert agieren konnte.

Angesichts dieser Vorgeschichte, dass immer wenn in Russland die staatliche Macht, wenn sie im inneren einigermaßen konzentriet war die orthodoxe Kirche angriff, wenn diese sich unbotmäßig zeigte, gibt es sicherlich noch andere, historische Gründe, warum die orthodoxe Kirche in Russland im Augenblick sehr stark die Linie des Kremls vertritt.
Sicherlich ist das für sie bei der sehr konservativen bis reaktionären Politik Putins einfacher, als bei der gewaltsamen Reformpolitik Peters oder der Bolschewiki.
Allerdings drüfte auch die historische Erfahrung, dass jemand im Kreml auf die Idee kommen könnte, mal wieder einen "heiligen Synod" zu erfinden und die orthodoxe Kirche wieder der staatlichen Fuchhtel zu unterstellen, eine Rolle bei deren Disziplinierung im Sinne Putins spielen.
Wenn man bedenkt, dass in den letzten 300 Jahren die russisch-orthodoxe Kirche ann die 250 Jahre oder etwas mehr unter staatlicher Kontrolle und Repression stand, fällt es sicher nicht schwer, das als Grund mit auf dem Schirm zu haben.


So weit ich das beobachtet habe (ich mag mich hierbei irren), beilt sich die russisch orthodoxe Kirche derzeit immer sehr der politischen Linie Putins zu folgen.
Als Taktgeber dieser Linie ist sie mir bisher weniger aufgefallen und ob sie so agieren würde, wenn Putin nicht alles zuzutrauen wäre und die Geschichte Russlands Angriffe auf die Stellung der Kirche eher nicht kennen würde, dass wage ich zu bezweifeln.
Sie wäre sicherlich auch ohne dem bei Themen wie dem Umgang mit Homosexualität und tradierten Rollenbildern etc. keine liberale und modernisierungsbereite Institution.
Dass sie ohne dem aber einem mehr oder weniger faschistischen Politikstil als Sprachrohr willfährig zu Diensten wäre, wage ich zu bezweifeln.
 
Du und @Shinigami




Ist dir vielleicht entgangen, dass sich Religionen, vor allem die dogmatischen, selbst als die moralischen Instanzen par excellence bezeichnen? Oder was meint man hierzulande, wenn man von jüdisch-christliche Leitkultur spricht? Oder wenn man von griechisch-jüdisch-christlichem Boden spricht, auf dem Europa stehe? Denkt man dabei tatsächlich an Grund und Boden? Natürlich nicht, sondern man meint damit kulturelle Werte, wie sie einst Griechen und Juden definierten und später von Christen adaptiert wurden.
Wobei in letzter Zeit Stimmen laut werden, dass man sich vom jüdischen Erbe trennen sollte, ja sogar das sog. Alte Testament aus der Bibel entfernen sollte, weil Christen mit den darin geschriebenen Regeln – Beispiel: Auge um Auge, Zahn um Zahn* – nichts mehr gemeinsam haben.

* Das ist im Judentum nach wie vor lebendig und zwingt z.B. Israel, jede Aggression zu vergelten. Und weil die moslemisch geprägten Staaten genauso denken, kommt die Region nicht zur Ruhe – weil alle immer nur "vergelten".

Ja, so ist er der Jude, so ist er der Moslem. Das steht irgendwo geschrieben, und sogleich ist der ganze Schwarm auf Generationen programmiert und führt es aus.

Armeen haben auf Guerillakrieg auf sehr ähnliche Weise reagiert: Die Franzosen in Spanien, die Amerikaner in Vietnam haben ganz unabhängig von ihrem politischen System und ihrer Konfession sehr ähnliche Art reagiert.

Im 2. Golfkrieg haben die Israelis sich wohl ein Beispiel an ihren christlichen Verbündeten genommen. Israel wurde massiv tagelang vom Irak mit Raketen bombardiert, ohne dass Israel andere Maßnahmen ergriffen hat, als die Raketen abzuschießen mit Abwehrraken und ohne dass Israel Vergeltungsangriffe unternahm.
 
Diese Gleichsetzung oder Parallelisierung bedarf einer Erklärung.
Ah, ja? Aber wenn es sein muss: Moral ist ein Teil der Kultur, also der Werte einer Kultur. Moral definiert das Sagbare und das Machbare – eben das, was erlaubt oder verboten ist einer Kultur.
In diesem Zusammenhang wird oft auf ein ominöses Sittengesetz verwiesen, das es in schriftlicher Form gar nicht gibt, und dennoch existiert. Ein Kind, das in einer christlichen Familie aufwächst, weiß gewöhnlich als Erwachsener, was sich gehört, und was nicht. Das gleiche gilt für Kinder, die in anderen Kulturen aufwachsen und selbstverständlich andere kulturelle Werte verinnerlichen.
Das ist das, was Kant als "das moralische Gesetz in mir" bezeichnet.
Zufrieden?

Hinter verschlossenen Türen sieht das anders aus.
Schon klar, aber das hat bisher in den letzten 50 Jahren nichts bewirkt.
Im Übrigen bin ich mit dem, was @dekumatland in #139 dazu schriebt, einer Meinung.

Da spielen die wirtschaftlichen, politischen und demographischen Veränderungen Irlands eine Rolle. Von einem Auswanderungsland, von einem Agrarstaat hat sich Irland zu einer modernen Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft, zu einem Einwanderungsland entwickelt. Verbesserte Lebensbedingungen, verbesserte Bildungsmöglichkeiten, rasantes wirtschaftliches Wachstum, engerer Kontakt zu Europa und zur EU haben dabei eine Rolle gespielt.
In der Studie, von der wir hier sprechen, wird gesagt, dass Wohlstand nicht immer mit fortschrittlichen kulturellen Werten gleichzusetzen sei. Das zeigt z.B. die USA-Bevölkerung, die zweifellos im Wohlstand lebt und im Jahr 2019 trotzdem meinte – Zitat:

Forty percent of U.S. adults ascribe to a strictly creationist view of human origins, believing that God created them in their present form within roughly the past 10,000 years.

Und es sind nicht China, Russland oder Iran, in denen, gemessen an der Gesamtbevölkerung, prozentual die meisten Menschen hinter Gittern sitzen, sondern die USA – Zitat:

With only 5 percent of the world’s population, the United States has 25 percent of the world’s prison population, making it the world’s largest jailer.

Beides, die 40% wie 25 %, ist wohl eine Folge des Glaubens an das Alte Testament, der berühmt-berüchtigt ist für seine harten Strafen; man muss schon froh sein, dass da Dieben keine Hände abgehackt werden wie in manchen islamisch geprägten Staaten.

Irland war auch kein reaktionär katholischer Gottesstaat, in dem die Katholische Kirche eine gottergebene untertänige Bevölkerung fest im Griff hatte.
Ich habe nicht behauptet, dass Irland ein Gottesstaat war, sondern nur, dass in Irland die katholische Kirche bis zum Ende des 20. Jahrhundert so viel Einfluss hatte, wie in Deutschland bis in die 1950/60er Jahre. Die Kirche in Irland gab vor, was zu tun sei, und die Parteien taten das, sonst hätten die antiquierten Gesetze dort nicht so lange Bestand – sie konnten erst im 21. Jahrhundert geändert werden, weil auf die Kirche als moralische Instanz nicht mehr gehört wurde.

Wenn wir Russland herausgreifen, ist zunächst wohl unstrittig, dass sowohl der Krieg als auch die Diktatur Putins vom Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche massiv unterstützt werden. Zugleich vertritt der Patriarch angeblich "alterhergebrachte Werte" (oder gibt dies zumindest vor), die im Westen aus seiner Sicht verloren gegangen sind. Man könnte also vermuten, dass hier ein starker Einfluss des Christentums die Kultur eines Landes in Richtung autoritärer Vorstellungen lenkt.
Du sagst es: Putin wird durch die russisch-orthodoxen Kirche massiv unterstützt. Wobei offiziellen Kirchen sowieso meistens an der Seite der Mächtigen standen, es sei denn diese Mächtigen waren Kommunisten, d.h. Menschen mit einer anderen Religion/Ideologie; dann waren sie dagegen. Aber bei Faschisten halfen sie gern mit – siehe Francos Spanien oder Salazars Portugal. Und von den Deutschen Christen und ihrem Verhalten zu Hitler haben wir in diesem Forum schon genug geschrieben.
 
Zuletzt bearbeitet:
In der Studie, von der wir hier sprechen, wird gesagt, dass Wohlstand nicht immer mit fortschrittlichen kulturellen Werten gleichzusetzen sei. Das zeigt z.B. die USA-Bevölkerung, die zweifellos im Wohlstand lebt und im Jahr 2019 trotzdem meinte – Zitat:

Forty percent of U.S. adults ascribe to a strictly creationist view of human origins, believing that God created them in their present form within roughly the past 10,000 years.

Und es sind nicht China, Russland oder Iran, in denen, gemessen an der Gesamtbevölkerung, prozentual die meisten Menschen hinter Gittern sitzen, sondern die USA – Zitat:

With only 5 percent of the world’s population, the United States has 25 percent of the world’s prison population, making it the world’s largest jailer.

Beides, die 40% wie 25 %, ist wohl eine Folge des Glaubens an das Alte Testament, der berühmt-berüchtigt ist für seine harten Strafen; man muss schon froh sein, dass da Dieben keine Hände abgehackt werden wie in manchen islamisch geprägten Staaten.

Du weißt, irgendwo bewundere ich die Bereitschaft, wirklich haltloses Terrain zu verteidigen, nicht vom toten Gaul abzusteigen, auch wenn der schon das 9. Leben ausgehaucht hat-


Aber das ist dir schon klar, dass du dich auf kontrafaktischem und surrealen Untergrund stehst.

Die Missstände im US-Rechtssystem sind Folge des Glaubens an das Alte Testament? Wirklich, im Ernst?
Du weißt selbst, dass das zu eindimensional ist

Justizsystem der USA ist sicher in vielem kritikwürdig, die Grundlagen der amerikanischen Rechtstradition haben sich dann aber doch ein kleines bisschen weiterentwickelt seit dem Codex des Hammurapi und dem biblischen Ius Talionis.

Das muss man natürlich auch im Kontext der Zeit (18. Jahrhundert v.Chr. sehen.) Gemessen daran, was vorher war: Blutrache muss der Codex Hammurabi zivilisatorisch als ein Fortschritt betrachtet werden. Und wenn man sich wirklich mal die Mühe macht, das ganze Buch Leviticus mal zu lesen, statt nur sich Stellen herauszupicken, die ins Narrativ passen, wird man feststellen, dass die jüdischen Gesetze so übermäßig grausam gar nicht sind, dass sich durchaus da auch Passagen finden, die unnötige Grausamkeiten vermeiden sollen, die Rücksicht auf Schwächere nehmen (etwa die Aufforderung einen Sklaven nach 7 Jahren zu entlassen.

Ich würde ja mal aus dem Bauch vermuten, dass da möglicherweise ein extrem liberales Waffengesetz, hohe Gewaltkriminalität, leere Gemeindekassen und zunehmende Privatisierung von Gefängnissen eine Rolle spielen- aber ich vergaß die Wirkmächtigkeit religiösen Schrifttums.

Man könnte ja auch einfach mal zugeben, dass man danebengehauen hat. Kommt bei jedem vor, das Offensichtliche einzuräumen ist auch keine Schande.
 
So, das war jetzt ""aber auch"" wirklich das "letzte Wort! " von EQ :D:D

Was Anderes.
Kann es sein, dass die Übung der Gewaltenteilung (weltliche und kirchliche Macht) Dünger auf den Boden legte auf dem die Pflanze der Demokratie sprießen konnte?
Ich weiß es nicht und es ist keine rhetorische Frage.
Aber immerhin ist es doch ein Unterschied ob man Göttlicher Herrscher ist, oder Herrscher von Gnaden eines Gottes, dessen einheitliches Stellvertretertum sich Grenzen übergreifend wirksam etabliert.
 
Aber immerhin ist es doch ein Unterschied ob man Göttlicher Herrscher ist, oder Herrscher von Gnaden eines Gottes, dessen einheitliches Stellvertretertum sich Grenzen übergreifend wirksam etabliert.
Ist aber ein der göttlichen Sphäre zugerechneter Herrscher etwas dass Etwicklung in Richtung Demokratie grundsätzlich im Wege stünde?

Würde ich mit Verweis auf Japan in frühen 20. Jahrhundet als Postulat infrage stellen:

 
@Dion

@Shinigami hat das schon beachtlich ausgeführt, aber ich würde noch einen Schritt weitergehen und die Russisch-Orthodoxe Kirche komplett aus der Betrachtung ausnehmen. Die vergleichsweise geringe Religiosität der Russen und die Tatsache, dass die Kirchenführung den Silowiki zuzurechnen ist, lässt sie für die hier diskutierte Problematik unbeachtlich werden. Kyrills "Heiliger Krieg" ist nur Folklore, ist nur ein Puzzleteil des Bildes aus einer Vielzahl von Aktivitäten gesellschaftlicher Organisationen, das der Kreml kreieren will: Dass das ganze Volk, quer durch die Bank, hinter Putin und hinter dem Krieg steht. Mit Religion und Theologie hat das nichts zu tun.
"Auge um Auge" ist die meist-missverstandene biblische Phrase. Tatsächlich handelt es sich um einen Grundsatz, der den Naturrechtlern und Aufklärern wertvolle Anhalte lieferte und nach Feuerbach eine Grundlage unserer Rechtsordnung darstellt. Denn was besagt das Ius Talionis? Unrecht bemisst sich anhand konkreter objektiver Tatsachen und nicht daran, was Könige oder der Mob für richtig halten.
Ich würde ja mal aus dem Bauch vermuten, dass da möglicherweise ein extrem liberales Waffengesetz, hohe Gewaltkriminalität, leere Gemeindekassen und zunehmende Privatisierung von Gefängnissen eine Rolle spielen- aber ich vergaß die Wirkmächtigkeit religiösen Schrifttums
Die Achillesferse des US-Strafverfolgungs- und Strafvollzugssystems ist die Tatsache, dass die öffentliche Ordnung eine Aufgabe der Kommunen ist. Wenn es vor Jahren aus dem Mund von Demonstranten hieß, "defund the police", hätte genau das Gegenteil gefordert werden müssen: fund the police, um die Qualität der Polizeiarbeit zu verbessern.

Denn 90% der US-Polizeibehörden haben weniger als 50 Mitarbeiter, fast ein Viertel hat keine 20 Mitarbeiter, gehören also zu sehr kleinen Gemeinden, die eine Polizei, zumal die Steuern niedriger sind, gar nicht finanzieren können. Was geschieht also? Man schickt die Polizisten mit der Aufgabe aus, möglichst viele Geldbußen aufzuerlegen.

Die Gemeinden erlassen auch eigene Gesetze, sogenannte Ordinances, um sich so zusätzliche Einnahmequellen zu erschließen. So kann schon das Überqueren der Straße abseits einer Ampel als Jaywalking hunderte Dollar kosten. Die Polizei sucht also die Konfrontation mit dem Bürger, vor allem mit den sozial schwächeren Schichten, die überdurchschnittlich häufig straffällig werden, weil es bei ihnen am meisten Gelegenheit gibt, etwas zu holen. So füllen sich die Gefängnisse.
Kann es sein, dass die Übung der Gewaltenteilung (weltliche und kirchliche Macht) Dünger auf den Boden legte auf dem die Pflanze der Demokratie sprießen konnte?
Interessanter Gedanke. Wobei ich voraussetze, dass Du hier auf die Akzeptanz bzw. den Erfolg der Demokratie als Staatsform abstellst, denn natürlich entstand die Demokratie unabhängig vom Christentum.

Allerdings müsste man zunächst einmal fragen, ob die Trennung zwischen religiöser und weltlicher Macht ein christliches Alleinstellungsmerkmal ist, zumindest in der konkreten Intensität.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Missstände im US-Rechtssystem sind Folge des Glaubens an das Alte Testament? Wirklich, im Ernst?
Du weißt selbst, dass das zu eindimensional ist.
Natürlich ist das zu eindimensional gedacht – es gibt auch andere Gründe.

Doch das Alte Testament spielt schon eine große Rolle: 40 % der Amerikaner glauben an Schöpfung und lehnen die Evolutionstheorie ab. Man muss schon zurückdenken, welche Menschen aus Europa in die USA auswanderten und größtenteils ihre Überzeugungen dort weiter pflegten: Aus vielen Gesetzen der einzelnen Staaten atmet noch der Geist des 19. Jahrhunderts.

Die Sklavenhalter haben die Sklaverei mit der Bibel verteidigt, dann auch mit den Waffen im amerikanischen Bürgerkrieg. Und nicht nur die Südstaaten wollten und bekamen einen schlanken Staat, die ganze Nation wollte das; anstelle des Staates wollten sie selbst – mit Waffe in der Hand – für Ordnung sorgen.

Das Problem ist: Welche Ordnung? Das definiert jeder Einzelstaat, ja jede Gemeinde selbst. Seit 160 Jahre ist die Sklaverei abgeschafft, aber es sind vor allem die Schwarzen, die in den Gefängnissen landen. Verurteil meistens durch weiße Geschworene. In den USA denken sie nicht an Resozialisierung, sondern an Strafe oder besser gesagt an Rache für das begangene Unrecht. Auch das ist der Geist des Alten Testaments.

Kann es sein, dass die Übung der Gewaltenteilung (weltliche und kirchliche Macht) Dünger auf den Boden legte auf dem die Pflanze der Demokratie sprießen konnte?
Absolut. Nach den Wirren der Revolution hat die Trennung von Kirche und Staat Frankreich Gutes gebracht – die Säkularisierung in fast ganz Europa war die Folge. Wo das nicht geschah – z.B. in Mittelmeeranrainerstaaten –, dominierte Religion nach wie vor beinahe alles, was sich als nachteilig für wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Fortschritt erwies.

Und gerade in Staaten, wo es einen Schulterschluss zwischen Religions- und Staatsführung gibt, kann man beobachten, dass die Religiösen es sind, die zum heiligen Kriegen hetzen – siehe z.B. Russland und Israel, um nur zwei uns kulturell näherstehenden Staaten zu nennen.

Die vergleichsweise geringe Religiosität der Russen …
Woher weißt du, dass die Religiosität der Russen gering ist? Ist es nicht vielmehr so, dass nach der Befreiung aus der Knechtschaft der Kommunisten, sich das Volk in großer Zahl von neuem der Kirche zuwendete?

Kyrills "Heiliger Krieg" ist nur Folklore …
Das denke ich nicht, denn für einen Soldaten ist schon wichtig zu wissen, dass er, sollte er in diesem Krieg fallen, direkt in den Himmel kommt, egal welche Verbrechen er vorher oder im Krieg verbrochen hat. Wer das – und das Segnen der Waffen! – nicht für einen Freifahrtschein für Kriegsverbrechen ansieht, die gerade die russische Soldateska in Ukraine verübt, der will das nicht sehen.
 
Das Problem ist: Welche Ordnung? Das definiert jeder Einzelstaat, ja jede Gemeinde selbst. Seit 160 Jahre ist die Sklaverei abgeschafft, aber es sind vor allem die Schwarzen, die in den Gefängnissen landen. Verurteil meistens durch weiße Geschworene. In den USA denken sie nicht an Resozialisierung, sondern an Strafe oder besser gesagt an Rache für das begangene Unrecht. Auch das ist der Geist des Alten Testaments.
Das ist nicht der Geist irgendeines Testaments, sondern a) Rassismus, der nämlich dafür sorgt, dass a1) die Schwarzen öfter in sozioökonomischen Lagen sind, welche ein höheres Kriminalitätsrisiko bergen und a2) Schwarze schneller verdächtigt werden und b) das Gerechtigkeitsempfinden der Menschen, das nämlich nicht sagt "Oh, der arme Täter muss resozialisiert werden", sondern das ein gestörtes Sicherheitsgefühl wieder ins Lot bringen muss (der Einbrecher, der im Gefängnis sitzt, begeht keine EInbrüche mehr etc.) oder welches gleiches mit gleichem vergilt.
Das ius talionis findet man in nahöstlichen Gesetzgebungen (u.a. auch im AT) genauso wie im römischen Zwölftafelgesetz oder den germanischen Gesetzgebungen. Und wenn man sich präkolumbinische oder altasiatische Gesetzgebungen (außer den nahöstlichen) anschauen würde, würde man vermutlich immer wieder das ius talionis finden. Mit Religion hat das allenfalls mittelbar zu tun, nämlich insofern, dass es einer Rechtsautorität bedarf und die ist nun mal am leichtesten mit einer übernatürlichen Macht begründet.

Woher weißt du, dass die Religiosität der Russen gering ist? Ist es nicht vielmehr so, dass nach der Befreiung aus der Knechtschaft der Kommunisten, sich das Volk in großer Zahl von neuem der Kirche zuwendete?

Das denke ich nicht, denn für einen Soldaten ist schon wichtig zu wissen, dass er, sollte er in diesem Krieg fallen, direkt in den Himmel kommt, egal welche Verbrechen er vorher oder im Krieg verbrochen hat. Wer das – und das Segnen der Waffen! – nicht für einen Freifahrtschein für Kriegsverbrechen ansieht, die gerade die russische Soldateska in Ukraine verübt, der will das nicht sehen.

Ca. 25 - 30 % der Russen geben an atheistisch oder agnostisch zu sein. Von den Übrigen 70 bis 75 % sind ca. 40 - 75 % russisch orthodox (man beachte die Spannbreite dieser Angaben!!!). Also wenn man annimmt, dass 75 % religiös sind und davon 75 % russisch orthodox, dann sind 56 % der Gesamtbevölkerung orthodox. Von den sich grundsätzlich zur orthodoxen Kirche bekennenden Russen gehen wiederum nur 3 - 10 % wirklich in die Kirche, sprich 1,8 % bis 5,6 %* der russischen Bevölkerung glänzen durch regelmäßigen Kirchgang in eine russich-orthodoxe Kirche. Der Rest sind Taufschein-Gläubige, weil es halt nationale Tradition ist.

*und wenn es bloß 40 % wären, die zur russisch-ortodoxen Kirche sich bekennen, von denen 3 - 10 % regemäßig zur Kirche gehen, wären es sogar nur 0,9 - 2,8 % die sich regelmäßig dazu aufrafften, ihrem Popen zuzuhören.
 
Doch das Alte Testament spielt schon eine große Rolle: 40 % der Amerikaner glauben an Schöpfung und lehnen die Evolutionstheorie ab.
Das Verstazstücke des alten Testaments in der Bevölkerung der USA eine große Rolle spielen, ist kein Beleg dafür, dass dies auch auf das AT in Gänze zuträfe.

Man muss schon zurückdenken, welche Menschen aus Europa in die USA auswanderten und größtenteils ihre Überzeugungen dort weiter pflegten: Aus vielen Gesetzen der einzelnen Staaten atmet noch der Geist des 19. Jahrhunderts.
Also im 19. Jahrhundert (dessen Geist da nach deinen Vorstellungen amtet), gingen die meisten Auswanderer aus Europa in die USA sicherlich wegen ihres Glaubens außer Landes.
Im 19. Jahrhundert bestand der Löwenanteil der Auswanderer vor allem aus Wirtschaftsmigranten und politischen Flüchtlingen (z.B. 1848er Revolutionäre, vertreter diverser Nationalbewegungen etc.).
Die Sklavenhalter haben die Sklaverei mit der Bibel verteidigt, dann auch mit den Waffen im amerikanischen Bürgerkrieg.
Die Sklavenhalter haben die Sklaverei nicht mit der Bibel verteidigt, sie haben sich auf die US-Verfassung, bzw. deren Lesart davon gestützt.

Sie haben damit argumentiert, dass Sklaven keine Menschen, sondern Eigentum seien und Eigentum von der Verfassung gschützt sei. Eine Lesart, die der supreme court im Fall Dreead Scott mehr oder weniger bestätigte und die nicht religiöser, sondern legalistischer Natur war.

Und nicht nur die Südstaaten wollten und bekamen einen schlanken Staat, die ganze Nation wollte das; anstelle des Staates wollten sie selbst – mit Waffe in der Hand – für Ordnung sorgen.
Das geht ein wenig an der Problematik vorbei.

Der zweite Zusatzartikel der US-Verassung, der den Besitz und das Tragen von Waffen durhc jden freien Bürger sanktioniert, stammt noch aus dem 18. Jahrhundert.
Ein wirklich flächendeckend leistungsfähiger Staat als Alternative war da überhaupt noch nicht vorhanden (gab es zu diesem Zeitpunkt auch in Europa noch nicht).
Dafür gab es eine lange, nicht immer präzise festgelegte Grenze mit den Territorien indigener Stämme, wo es andauernd zu bewaffneten Konflikten kam.

Nun ist einem Staat nicht zuzumuten, dass er seine Bürger vollkommen schutzlos lässt und da sich das Grenzland dermaßen weit erstreckte, dass mit vormodernen Mittel an eine flächendeckende Überwachung durch reguläre Truppen nicht zu denken war, war es eben die logische Konsequenz den Bürgern zu erlauben sich zwecks Selbstverteidigung zu bewaffnen. (Ich will btw. nicht schönreden, wozu das teilweise geführt hat)
Auch im 19. Jahrhundert, als der mittlere Westen noch extrem spärlich besiedelt war (und da reden wir wirklich zum Teil von lediglich einigenn 10.000 Bewohnern auf einer Fläche, die die manches europäischen Staates locker übertraf, war an flächendeckende Überwachung durch reguläre staatliche Kräfte nicht zu denken, da hätte die halbe Bevölkerung mancher Bundesstaaten in den Polizei- und Armeeaparat aufnehmen müssen und das Teilweise um Kleinstansiedlungen mit ein-zwei Dutzend Gebäuden und entsprechend wenigen Einwohnern zu schützen.

Technisch nicht machbar. Und staarliche Präsenz nur in den größeren Zentren vorzuhalten, wäre auch keine Alternative gewesen. Wer sich, weil er angegriffen/überfallen wird, in einer Notlage befindet, benötigt innerhalb von Minuten Hilfe, nicht innerhalb von Tagen, wenn die nächste Polizeitstation zig Km oder 2-3 Tagesritte entfernt ist.

Inzwischen wird man sagen können, dass diese Gesetzgebung ihren ursprünglichen Sinn verloren hat (mal abgesehen möglicherweise von Gebieten mit einem entsprechenden Wildtierbestand, wo man schonmal über einen Bären oder einen Aligator stolpern kann) und mittlerweile macht diese Regelung aus den ersten Jahrzehhnten der USA mehr Probleme, als dass sie Nutzen bringt.
Aber die Vorstellung, diese Gesetzgebung wäre ausschließlich auf wirtschaftsliberaler Ideologie und chronischer Ablehnung von Besteuerung gewachsen, die stimmt so nicht.

Und mit Religion hat das schon eimal überhaupt nichts zu tun.

Wo das nicht geschah – z.B. in Mittelmeeranrainerstaaten –, dominierte Religion nach wie vor beinahe alles, was sich als nachteilig für wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Fortschritt erwies.
Dafür hätte ich gerne einen Nachweis gesehen, ich halte das nämlich für ausgemachten Mumpitz.

Zu den Mittelmeerstaaten gehörte damals z.B. neben Frankreich auch die Österreichisch-Ungarische Monarchie. Der kann man ja einige Probleme nachsagen, aber dass sie wirtschaftlich nicht leistungsfähig gewesen wäre oder keine brauchbaren Wissenschaftlichen Erfolge hervorgebracht hätte, lässt sich relativ einfach widerlegen.
Auch das Königreich Italien, nach seiner Vereinigung, war zur Wende zum 20. Jahrhundert hin in Sachen Forschung und Wissenschaft sicherlich nicht besonders rückständig. Wirtschaftlich haperte es, was vor allem auch daran liegt, dass Italien die Schlüssenrohstoffe für eine wirklich starke Industrialisierung zunächst fehlten (Italien verfügt weder über große Erzvorkommen, noch über große Vorräte an fossilen Energieträgern, so dass im Besonderen die Montanindustrie hier einen massiven Standortnachteil hatte und sich nicht so entwickeln konnte, wei das in Deutschland oder Großbritannien der Fall war), als insgesamt besonders rückständig wird man das Land allerdings nicht bezeichnen können.

Woher weißt du, dass die Religiosität der Russen gering ist? Ist es nicht vielmehr so, dass nach der Befreiung aus der Knechtschaft der Kommunisten, sich das Volk in großer Zahl von neuem der Kirche zuwendete?
Wie schon gesagt, gibt es dazu wie große Teile der Bevölkerung Russlands die orthodoxe Kirche organisiert sehr weit auseinandergehende Angaben.


Die Angaben schwanken über den Daumen etw von 50-70% der Bevölkerung, wobei wie gesagt vor allem russische Institute das obere Ende dieser Spanne angeben, was durchaus propagandistischen Gründen geschuldet sein dürfte.

Nimmt man das nicht so ernst und legt sich über den Daumen auf die goldene Mitte von about 60% fest, das dürfte, was die christlichen Konfessionen angeht duchaus unter der Rate einiger Westeuropäischer Länder liegen.
Zum Vergleich etwa 75% der Einwohner Belgiens gehören der römisch-katholischenn Kirche an.

Ob die Religiosität der Russen besonders gering ist, weiß ich nicht, kann ich mir kein Urteil drüber bilden, aber was die von der russisch-orthodoxen Kirche organisierten Anteile der Bevölkerung betrifft, die sind durchaus nicht höher, als die Anteile, die die vorherrschenden Konfessionen in anderen Ländern organisieren.

Ich sehe kein Grund dafür deiner Annahme einer besonderenn Religiosität der Russen und dementsprechend eines besonderen Einflusses des Klerus zu folgen.

Das denke ich nicht, denn für einen Soldaten ist schon wichtig zu wissen, dass er, sollte er in diesem Krieg fallen, direkt in den Himmel kommt
........... ja, garnatiert, für den Soldaten ist es wichtig zu wissen, dass er in den Himmel kommt. *facepalm*

Für den Soldaten ist es in erster Linie wichtig, den ganzen Schlamassel irgendwie zu überleben. Versprechen, nachdem man fällt in den Himmel zu kommen, dürften an der Front eher Stoff für Zynismus sein, als irgendwas anderes.

Wer das – und das Segnen der Waffen! – nicht für einen Freifahrtschein für Kriegsverbrechen ansieht, die gerade die russische Soldateska in Ukraine verübt, der will das nicht sehen.

So so, das Segnen von Waffen ist ein Freifahrtsschein für Kriegsverbrechen. Darf ich mal fragen, wie du auf den Trichter kommst?

Nenn Freifahrtsschein für Kriegsverbrechen (innerhalb Russlands), ist vor allem, dass Russland gezielt Gewaltverbrecher für seine Streitkräfte in der Ukranie rekrutiert, doch nicht das Geseiere des Patriarchen, von dem ohnehin jedem klar ist, dass der seine Instruktionen vom Kreml und nicht aus irgendeiner spirituellen Sphäre bekommt oder das Segnen irgendwelcher Waffen oder Feldzeichen.

Die Vorstellung, das irgendwer einen Genozid oder Massaker verüben würde, weil irgendein Pfaffe Weihwasser über die Regimentsfahne verschüttet hat, die dürftest du exklusiv haben.
 
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Das denke ich nicht, denn für einen Soldaten ist schon wichtig zu wissen, dass er, sollte er in diesem Krieg fallen, direkt in den Himmel kommt, egal welche Verbrechen er vorher oder im Krieg verbrochen hat. Wer das – und das Segnen der Waffen! – nicht für einen Freifahrtschein für Kriegsverbrechen ansieht, die gerade die russische Soldateska in Ukraine verübt, der will das nicht sehen.

Ich würde ja mal die Prognose wagen, dass das allenfalls für Selbstmordattentäter gilt. Die brauchen ja vermutlich auch soundso viele Jungfrauen, wenn sie in soundso vielen Einzelteilen im Himmel bei der Anmeldung aufschlagen.

Ich würde auch die Prognose wagen, dass auf wenn Soldaten auf der Welt seit Anbeginn vor allem wichtig ist dass:

-Der Sold pünktlich ausgezahlt wird.
-Die Verpflegung stimmt.
-Veteranenversorgung passt, dass Hinterbliebene versorgt werden.
-Der Nachruhm stimmt

Achilleus geht es nur um den Nachruhm- der Hades ist öde und er würde das Los eines Tageslöhners vorziehen, selbst wenn er König des Totenreichs wäre.

So richtig haben auch Walhalla und das Paradies in der Kriegsgeschichte nicht wirklich die Konjunktur für den Heldentod ankurbeln können, und wichtig sind Soldaten haben vor allem die genannten Kriterien

Im Übrigen gelten auch im Krieg und für Soldaten die 10 Gebote, und eine Garantie ob Walhalla oder der Himmel den Werbebroschüren standhält und ob man da reinkommt- das können menschliche Instanzen ja gar nicht garantieren.

Eine gesunde Skepsis, dagegen kann man schon auch Soldaten zutrauen,
man kann sie sogar religiösen Soldaten zutrauen- es sei denn man schließt sich der Ansicht an, dass alle religiösen Menschen vollkommen verblödet sind.
 
Die Sklavenhalter haben die Sklaverei nicht mit der Bibel verteidigt, sie haben sich auf die US-Verfassung, bzw. deren Lesart davon gestützt.

Sie haben damit argumentiert, dass Sklaven keine Menschen, sondern Eigentum seien und Eigentum von der Verfassung gschützt sei. Eine Lesart, die der supreme court im Fall Dreead Scott mehr oder weniger bestätigte und die nicht religiöser, sondern legalistischer Natur war.

Was du schreibst, ist korrekt, aber zumindest in diesem Fall redet @Dion zumindest keinen völlige Blödsinn. Apologeten der Sklaverei begründeten sie auch mit religiösen "Argumenten". Es gab Kirchenmänner, die die Sklaverei begründeten mit Genesis Kapitel 9, 24-31

Noah hat nach dem Tsunami einen Weinstock gepflanzt, und er säuft sich einen an, seine Söhne Japhet und Sem blicken diskret darüber hinweg, Kanaan, der Sohn von Ham macht sich darüber lustig.

Als Noah wieder nüchtern ist und erfährt, was geschah, er verflucht seinen Sohn und seinen Enkel.

"Und Noah erwachte von seinem Wein, und er wusste was sein jüngerer Sohn ihm angetan hatte. Er sprach: Verflucht sei Kanaan, ein Knecht der Knechte soll er seinen Brüdern sein- Gesegnet sei der Herr, der Gott Sems, und Kanaan soll sein Diener sein. Gott wird Japhet vergrößern, und er wird wohnen in den Zelten Sems, und Kanaan soll ihr Diener sein."

Es gab tatsächlich Kirchenmänner, die die Sklaverei biblisch begründeten mit Genesis Kapitel 9. 24-27.

In dem Roman Uncle Tom´s Cabin diskutiert Augustin St. Clare mit seiner Cousine aus dem Norden. Seine Frau Marie spricht über eine tolle Predigt über das Thema "He hath made everything in his season"in der der Pfarrer wundervoll bewiesen haben, dass die Sklaverei wunderbar mit der Bibel konform geht. St. Clares Cousine sagt, sie habe immer gedacht, die Südstaatler würden die Sklaverei damit rechtfertigen, aber St. Clare lacht und sagt, dass die Südstaatler noch nicht so heruntergekommen sind. Sein Bruder aus dem Norden, der die Plantage betreibt, beruft sich auf das gute alte Recht des Stärkeren, und die rassistisch begründete Überlegenheit des weißen Angelsachsen.

Abolitionisten haben Vertreter der Kirchen wegen der biblischen Begründung der Sklaverei heftig kritisiert. Leute wie William Lloyd Garrison und Hariet Beecher-Stowe, auch Angelina Grimké bemühten sich, die Sklaverei gerade durch biblische Argumente zu widerlegen.

Frederick Douglass schrieb, wenn die Bibel rechtfertige, die Nachkommen Hams und Kanaans zu versklaven, was sei dann mit den Nachkommen Hams und Kanaans, die sich von ihren Halbbrüdern nur durch einige Schattierungen unterschieden und deren Eigentümer häufig auch ihr Vater war wie es mit hoher Wahrscheinlichkeit auch bei Douglass selbst der Fall war, dessen Master Aaron Anthony vermutlich sein Vater war.
 
Im Übrigen gelten auch im Krieg und für Soldaten die 10 Gebote, und eine Garantie ob Walhalla oder der Himmel den Werbebroschüren standhält und ob man da reinkommt- das können menschliche Instanzen ja gar nicht garantieren.
Es ist Angehörigen verschiedener Religionen schon immer gelungen, entgegen aller Vernunft und den Regeln ihrer Religion im Widerspruch dazu stehende Dinge zu tun und dies wiederum mit ihrer Religion zu begründen, auch und allen voran die Regeln „du sollst nicht töten“, „du sollst nicht stehlen“, „du sollst nicht ehebrechen“
 
Was du schreibst, ist korrekt, aber zumindest in diesem Fall redet @Dion zumindest keinen völlige Blödsinn. Apologeten der Sklaverei begründeten sie auch mit religiösen "Argumenten". Es gab Kirchenmänner, die die Sklaverei begründeten mit Genesis Kapitel 9, 24-31
Doch, was er schreibt ist Blödsinn, denn:

Eine tatsächlich theologische Begründung hätte die Akzeptanz des Verbots der Sklaverei in den Nordstaaten und auch die Akzeitpanz des Verobts der Einfuhr weiterer Slaven und des transatlantintischen Sklavenhandels ausgeschlossen.

Wenn man die Sklaverei als Zustand mit dem Willen Gottes begründet hätte oder zumindest eine göttliche, nicht verrückbare Erlaubniss bstimmte Gruppen zu versklaven, als sakrosankt angesehen hätte, wäre keiner der (letztendlich faulen) Kompromisse der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in der Sklavenfrage gangbar gewesen und dann hätte es bereits wesentlich früher zum clash kommen müssen.

Denn wenn die Sklaverei, der Sklavenhandel und das Versklaven von Menschen als besonders gottgefällige Tat betrachtet worden wäre, wäre ja jede Einschränkung dessen, wie die Rechte der Bundestaaten, die bei sich keine Sklaverei duldeten oder das Verbot der Einfuhr von Sklaven ein ganz grundlegener, nicht verzieh- und nicht verhandelbarer Frevel und bereits allein Grund gewesen, den Nordstaaten den Fehdehandschuh hinzuwerfen.

Die Praxis des Nordens auf seinem Territorium keine Sklaven zu halten als frevehhaft und Versündigung gegen die Religion anzugreifen, wie es dann aber hätte passieren müssen, dass war nicht die Gangart der Südstaatler.
Deren Haltung war en gros, dass die Norstaaten, die die Sklaverei ablehnten, bei sich zu hause tun sollten, was sie wollten, so lange an ihnen in ihre Sklavenwirtschaft nicht hineinredete.

Diese Haltung orientierte sich nicht an der Relgion, sondern an legalistischen Vorstellungen hinsichtlich der Befugnisse der Bundesstaaten und der US-Verfassung.

Es mag den einen oder anderen Betonkopf gegeben haben, der tatsächlich versuchte die Sklaverei aus der Bibel zu begründen (genau wie es Abolitionisten gab, die ihre Abschaffung damit zu begründen suchten).
Letztendlich war aber auf beiden Seiten die wie überwiegende Gangart eine Auseinandersetzung zwischen Abolitionisten, die sich an Naturrechtlichen Vorstellungen orientierten und Sklavereibeführwortern, die sich auf ihre eingebildeten Eigentumsrechte und deren Schutz durch die US-Verfassung kaprizierten.
 
Woher weißt du, dass die Religiosität der Russen gering ist? Ist es nicht vielmehr so, dass nach der Befreiung aus der Knechtschaft der Kommunisten, sich das Volk in großer Zahl von neuem der Kirche zuwendete?
Wir hatten die Bedeutung der Orthodoxen Kirche in Russland schon verschiedentlich diskutiert, ich hielt es nicht für nötig, die Zahlen nochmal auszukramen. @El Quijote hat das dankenswerterweise nun getan. Die Kurzversion: Die Statistiken lassen den Schluss zu, dass kaum ein Russe regelmäßig zur Kirche geht und sich aktiv zum Christentum bekennt.
Das denke ich nicht, denn für einen Soldaten ist schon wichtig zu wissen, dass er, sollte er in diesem Krieg fallen, direkt in den Himmel kommt, egal welche Verbrechen er vorher oder im Krieg verbrochen hat. Wer das – und das Segnen der Waffen! – nicht für einen Freifahrtschein für Kriegsverbrechen ansieht, die gerade die russische Soldateska in Ukraine verübt, der will das nicht sehen.
Nichts für ungut, aber das ist, vorsichtig ausgedrückt, schon im Allgemeinen ein ziemlich sportlicher Befund und im Konkreten mit der russischen Lebenswelt nicht zu vereinbaren. Ich bin gerne bereit, Dir in anderen Punkten entgegenzukommen, aber in dieser Sache bleibe ich firm: Die Kirche spielt in Russland keine nennenswerte Bedeutung mehr. Nach achtzig Jahren repressiver Religionspolitik verwundert das auch nicht.

Wladimir Putins Regime benutzt die Orthodoxie als Fassade, genau wie das Gedenken an den "Großen Vaterländischen" und vieles andere, das Russen oder dem Ausland als Russland zugehörig erscheint, um seinen Geltungsdrang hinsichtlich geschichtlicher Kontinuität zu befriedigen und seinem Mafiastaat (Zitat Timothy Snyder) einen legitimen Anstrich zu verleihen. Was stalinistisch-sozialistische Religionspolitik langfristig bewirken kann, sieht man z.B. im Baltikum und in Ostdeutschland, die zu den atheistischsten Regionen des vormals christlichen Kulturraums gehören. Die Russen sind kaum religiöser als die Esten oder Brandenburger, dies wird nur hinter potemkinschen Dörfern verborgen.

Ich bin fest überzeugt, dass das vom Regime beschworene "wahre" Christentum, das es gegen den westlichen Satanismus zu verteidigen gelte, für die russische Lebenswirklichkeit kaum weniger ein Fremdkörper ist als das Spielen der Nazis mit neuheidnischer Esoterik für Deutschland.
Das ist nicht der Geist irgendeines Testaments, sondern a) Rassismus, der nämlich dafür sorgt, dass a1) die Schwarzen öfter in sozioökonomischen Lagen sind, welche ein höheres Kriminalitätsrisiko bergen und a2) Schwarze schneller verdächtigt werden und b) das Gerechtigkeitsempfinden der Menschen, das nämlich nicht sagt "Oh, der arme Täter muss resozialisiert werden", sondern das ein gestörtes Sicherheitsgefühl wieder ins Lot bringen muss (der Einbrecher, der im Gefängnis sitzt, begeht keine EInbrüche mehr etc.) oder welches gleiches mit gleichem vergilt.
Rassismus spielt sicherlich eine Rolle, aber insgesamt würde ich eher auf sozioökonomische Aspekte abstellen. In Appalachia, der ärmsten Gegend der USA, füllen Weiße die Gefängnisse genauso wie anderswo Afroamerikaner. Ich denke wirklich, dass es sich eher um ein strukturell klassistisches als rassistisches System handelt. Die Amerikaner lehnen einen "big state" und die dazu nötigen hohen Steuern ab, also müssen sich Strafverfolgung und -vollzug zumindest teilweise refinanzieren, und dazu muss die Polizei die Konfrontation mit dem Bürger suchen. Aus Effizienzgründen tut sie es dort, wo es erfahrungsgemäß am meisten zu holen gibt, eben bei den mit hohen Fallzahlen belasteten Gruppen.
Ca. 25 - 30 % der Russen geben an atheistisch oder agnostisch zu sein. Von den Übrigen 70 bis 75 % sind ca. 40 - 75 % russisch orthodox (man beachte die Spannbreite dieser Angaben!!!). Also wenn man annimmt, dass 75 % religiös sind und davon 75 % russisch orthodox, dann sind 56 % der Gesamtbevölkerung orthodox. Von den sich grundsätzlich zur orthodoxen Kirche bekennenden Russen gehen wiederum nur 3 - 10 % wirklich in die Kirche, sprich 1,8 % bis 5,6 %* der russischen Bevölkerung glänzen durch regelmäßigen Kirchgang in eine russich-orthodoxe Kirche. Der Rest sind Taufschein-Gläubige, weil es halt nationale Tradition ist.

*und wenn es bloß 40 % wären, die zur russisch-ortodoxen Kirche sich bekennen, von denen 3 - 10 % regemäßig zur Kirche gehen, wären es sogar nur 0,9 - 2,8 % die sich regelmäßig dazu aufrafften, ihrem Popen zuzuhören.
Danke dafür!
Für den Soldaten ist es in erster Linie wichtig, den ganzen Schlamassel irgendwie zu überleben. Versprechen, nachdem man fällt in den Himmel zu kommen, dürften an der Front eher Stoff für Zynismus sein, als irgendwas anderes.
Das denke ich auch.
Nenn Freifahrtsschein für Kriegsverbrechen (innerhalb Russlands), ist vor allem, dass Russland gezielt Gewaltverbrecher für seine Streitkräfte in der Ukranie rekrutiert, doch nicht das Geseiere des Patriarchen, von dem ohnehin jedem klar ist, dass der seine Instruktionen vom Kreml und nicht aus irgendeiner spirituellen Sphäre bekommt [.]
Das mit der Anwerbung von Verbrechern spielt eine Rolle, allerdings muss ich hier an die Worte Boris Schurmatskis erinnern, der Gewalt als Teil der russischen Kultur betrachtete. Zumindest auf die Armee bezogen ist das kein Klischee. Russlands Armeen haben seit jeher Kriegsverbrechen in großem Stil verübt, so auch in letzter Zeit. Auch innerhalb der Armee ist der Umgangston extrem rau (Dedowschtschina), Vorgesetzte werden gegenüber Untergegebenen gewalttätig und missbrauchen sie als Arbeitskräfte, es kam schon vor 2022 zu etlichen Morden jährlich, sexueller Gewalt.

Wer solche Gewalt erfährt, gibt sie weiter. Ein berühmtes Beispiel für diesen Zusammenhang sind z.B. die Erfahrungen alliierter Kriegsgefangener im Pazifik, die übereinstimmend berichten, dass ethnische Koreaner unter den japanischen Aufsehern am meisten für ihre Gewalttätigkeit gefürchtet waren. Koreanische Wehrpflichtige wurden von den Japanern als Untermenschen behandelt und extrem schikaniert.

Außerdem redet die Regierungspropaganda den Soldaten ununterbrochen ein, dass dies quasi die Fortsetzung des Zweiten Weltkriegs sei, in dem ihre Urgroßväter heldenhaft das ultimative Böse bekämpften. Da braucht man nicht mit @Dion nach dem Aspergill zu fragen, wenn Ukrainer von Regime-Politikern und den Medien ohnehin als Ungeziefer, Krebsgeschwür und dergleichen bezeichnet werden, und zur besten Sendezeit auf Rossija 1 darüber nachgedacht wird, ob man nun 2 oder 3 Millionen Ukrainer töten müsste, um den Widerstand gegen die Russifizierung zu brechen.
Was du schreibst, ist korrekt, aber zumindest in diesem Fall redet @Dion zumindest keinen völlige Blödsinn. Apologeten der Sklaverei begründeten sie auch mit religiösen "Argumenten". Es gab Kirchenmänner, die die Sklaverei begründeten mit Genesis Kapitel 9, 24-31
Wobei auch hier wieder zu fragen wäre, was kam zuerst? War es religiöse Überzeugung, die dazu führte, mit der Bibel in der Hand die Sklaverei zu verteidigen, oder war die Bibel hier bloß williges Papier für eine Gesellschaft, die nach rettenden Strohhalmen suchte?

Nicht alles, was nach Religion aussieht, ist auch Religion. Pastoren in den Südstaaten hielten selbst Sklaven, und sie waren natürlich Teil einer Gemeinde, schon durch Gruppenzwang genötigt, sich mit dieser Gemeinde gutzustellen.

Ich will nicht behaupten, dass religiöse Überzeugung keine Rolle spielte, im Gegenteil, aber es wäre in meinen Augen verfehlt, jede solche Aussage für bare Münze zu nehmen und nicht den Kontext zu betrachten.
Eine tatsächlich theologische Begründung hätte die Akzeptanz des Verbots der Sklaverei in den Nordstaaten und auch die Akzeitpanz des Verobts der Einfuhr weiterer Slaven und des transatlantintischen Sklavenhandels ausgeschlossen. […]
Gut argumentiert!
 
Doch, was er schreibt ist Blödsinn, denn:

Eine tatsächlich theologische Begründung hätte die Akzeptanz des Verbots der Sklaverei in den Nordstaaten und auch die Akzeitpanz des Verobts der Einfuhr weiterer Slaven und des transatlantintischen Sklavenhandels ausgeschlossen.

Wenn man die Sklaverei als Zustand mit dem Willen Gottes begründet hätte oder zumindest eine göttliche, nicht verrückbare Erlaubniss bstimmte Gruppen zu versklaven, als sakrosankt angesehen hätte, wäre keiner der (letztendlich faulen) Kompromisse der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in der Sklavenfrage gangbar gewesen und dann hätte es bereits wesentlich früher zum clash kommen müssen.

Denn wenn die Sklaverei, der Sklavenhandel und das Versklaven von Menschen als besonders gottgefällige Tat betrachtet worden wäre, wäre ja jede Einschränkung dessen, wie die Rechte der Bundestaaten, die bei sich keine Sklaverei duldeten oder das Verbot der Einfuhr von Sklaven ein ganz grundlegener, nicht verzieh- und nicht verhandelbarer Frevel und bereits allein Grund gewesen, den Nordstaaten den Fehdehandschuh hinzuwerfen.

Die Praxis des Nordens auf seinem Territorium keine Sklaven zu halten als frevehhaft und Versündigung gegen die Religion anzugreifen, wie es dann aber hätte passieren müssen, dass war nicht die Gangart der Südstaatler.
Deren Haltung war en gros, dass die Norstaaten, die die Sklaverei ablehnten, bei sich zu hause tun sollten, was sie wollten, so lange an ihnen in ihre Sklavenwirtschaft nicht hineinredete.

Diese Haltung orientierte sich nicht an der Relgion, sondern an legalistischen Vorstellungen hinsichtlich der Befugnisse der Bundesstaaten und der US-Verfassung.

Es mag den einen oder anderen Betonkopf gegeben haben, der tatsächlich versuchte die Sklaverei aus der Bibel zu begründen (genau wie es Abolitionisten gab, die ihre Abschaffung damit zu begründen suchten).
Letztendlich war aber auf beiden Seiten die wie überwiegende Gangart eine Auseinandersetzung zwischen Abolitionisten, die sich an Naturrechtlichen Vorstellungen orientierten und Sklavereibeführwortern, die sich auf ihre eingebildeten Eigentumsrechte und deren Schutz durch die US-Verfassung kaprizierten.

Im Gegensatz zu einigen anderen @Dion-Thesen hat die Aussage, dass Sklavenhalter die Sklaverei auch theologisch/religiös rechtfertigten zumindest einen gewissen Realitätsgehalt.

Es gab ja tatsächlich Predigten, in denen man versuchte, die Sklaverei theologisch zu rechtfertigen mit dieser Bibelstelle in 1. Moses, Kapitel 9 24-27. Es gab Reaktionen darauf, William Lloyd Garrison, Frederick Douglass, Harriet Beecher-Stowe, Angelina Grimké u. a. haben sich damit auseinandergesetzt. Viele Abolitionisten wie Beecher-Stowe, ´Grimké und Garrison waren sehr religiös. Bei Beecher-Stowe gibt es zahlreiche Passagen, in denen sie durchaus theologisch argumentiert und zu beweisen versucht, dass die Sklaverei sich eben nicht religiös begründen lässt.

Religiös theologische Argumente gegen die Sklaverei spielten in der abolitionistischen Literatur durchaus eine Rolle, auch Thomas Clarkson oder William Wilberforce haben zuweilen religiös-theologisch argumentiert.

Grimké, Garrison und Beecher-Stowe haben ihre Opposition gegen die Sklaverei vor allem aus christlich-ethischen Motiven begründet. Angelina Grimké hielt die Sklaverei für sündhaft, anfangs machte sie sich vor allem Sorgen um die Sklavenhalter, die durch schrankenlose Gewalt über Menschen korrumpiert wurden. Sie haben sich große Mühe gemacht, zu begründen, dass die Sklaverei nicht biblisch zu begründen ist.

Das erscheint aus der Perspektive des 21. Jahrhunderts umständlich, im 19. Jahrhundert in den USA machte das aber Sinn.
Die Bibel, das war doch zumindest Literatur, die man im 19. Jhd. in den USA als bekannt voraussetzen konnte. Selbst noch ungebildete Rednecks wie Mr. Covey besaßen eine Bibel, und wenn die Sklaverei auch theologisch-religiös begründet und gerechtfertigt wurde, dann hatte das durchaus auch eine gewisse Autorität.

Daher auch die, aus heutiger Sicht recht umständlich anmutenden Versuche, die Sklaverei aus christlich-ethischen Motiven zu delegitimieren, zu belegen, dass die Sklaverei eben nicht mit christlichen Geboten in Einklang zu bringen ist.

Natürlich haben sich Sklavenhalter nicht auf die Bibel berufen, die hielten sich nicht durch Genesis 9, 24-27 legitimiert. Aber die religiöse Legitimation war doch zumindest ein bequemes Totschlags-Argument, dass alles was man tut, gottgefällig ist.

Dieses Totschlagsargument haben Abolitionisten mit ethisch-christlichen Argumenten zu widerlegen versucht.

Immerhin aber gab es die religiös-theologische Begründung für die Sklaverei, und es gab eine abolitionistische Gegenargumentation, die sich dabei ebenfalls auf die Bibel berief.
Das blendet @Dion natürlich aus, weil es nicht ins Narrativ passt.

Wenn er sagt, dass Sklavenhalter (und vor allem Kirchenleute aus dem Süden) die Sklaverei (auch) biblisch begründeten, sagt er aber zumindest nichts grob Falsches. Es würden sich Quellen finden lassen, in denen die Sklaverei biblisch begründet wird, und es gibt Aufsätze von Abolitionisten die dem widersprechen und dabei biblisch argumentieren.

Bei einigen anderen Dion-Thesen/Behauptungen dürfte es schwerfallen, dafür Quellen, Belege oder auch nur Fundgruben anzugeben. Daher sagte ich, dass er in diesem Fall keinen völligen Blödsinn schreibt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das ist nicht der Geist irgendeines Testaments, sondern a) Rassismus, …
Rassismus wurde und wird biblisch begründet - @Scorpio hat das schon in seinen Beiträgen #152 und #157 erwähnt: Noachs Sohn Ham wird als Stammvater der Schwarzen interpretiert.

Aber man muss gar nicht nach konkreten Bibelstellen suchen, die Rassismus "verteidigen", es genügt vollkommen auf die Geschichte zu verweisen. Und in der Geschichte verteidigen die längste Zeit ihres Bestehens sowohl Juden als auch Christen und Moslems den Rassismus und der damit verbundenen Sklaverei mit ihrer Religion. Ob zu Recht oder zu Unrecht, spielt keine Rolle, denn die Tatsachen folgten dem damaligen Denken, und diese Tatsachen kann man nicht wegdiskutieren. Dass es auch andere gab, die diesem Denken widersprachen, geschenkt, denn sie haben sich erst im Laufe des 19. Jahrhunderts endgültig durchgesetzt. Wobei noch in den 1950er Jahre prominente MenschenrechtaktivistInnen schrieben, die Weißen stünden ganz oben und die Schwarzen ganz unten an den Intelligenz- und anderen Wertenskalen, ohne dass es einen Aufschrei gab.

… der nämlich dafür sorgt, dass a1) die Schwarzen öfter in sozioökonomischen Lagen sind, welche ein höheres Kriminalitätsrisiko bergen und a2) Schwarze schneller verdächtigt werden …
Richtig - das sind Folgen des Rassismus.

… und b) das Gerechtigkeitsempfinden der Menschen, das nämlich nicht sagt "Oh, der arme Täter muss resozialisiert werden", sondern das ein gestörtes Sicherheitsgefühl wieder ins Lot bringen muss (der Einbrecher, der im Gefängnis sitzt, begeht keine EInbrüche mehr etc.) oder welches gleiches mit gleichem vergilt.
Dieses "der Einbrecher, der im Gefängnis sitzt, begeht keine Einbrüche mehr etc." wird von rechten Kreisen auch hierzulande gern als Argument angeführt – Beispiel: Die seit 1970er Jahren feststehende Reihenfolge der Aufgaben im bayerischen Strafvollzuggesetz wurde 2008 durch die CSU geändert: Die Resozialisierung kam früher vor dem Schutz vor weiteren Straftaten, seitdem ist die Reihenfolge umgekehrt – Zustand jetzt Zitat:

Art. 2 Aufgaben des Vollzugs
1Der Vollzug der Freiheitsstrafe dient dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten. 2Er soll die Gefangenen befähigen, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen (Behandlungsauftrag).


Man hat inhaltlich an den 2 Sätzen nichts geändert, nur die Reihenfolge umgestellt. Warum? Weil sich die Stimmung im Land verändert hat. Das ist ein Indiz für den Versuch, das Rad der Geschichte zurückzudrehen.

Das ius talionis findet man in nahöstlichen Gesetzgebungen (u.a. auch im AT) genauso wie im römischen Zwölftafelgesetz oder den germanischen Gesetzgebungen.
Ja, der Unterschied ist nur der, dass wir in Europa uns davon gelöst haben, manche US-Staaten aber nicht – um von moslemisch geprägten Ländern ganz zu schweigen.

*und wenn es bloß 40 % wären, die zur russisch-ortodoxen Kirche sich bekennen, von denen 3 - 10 % regemäßig zur Kirche gehen, wären es sogar nur 0,9 - 2,8 % die sich regelmäßig dazu aufrafften, ihrem Popen zuzuhören.
Seit wann ist der regelmäßiger Kirchenbesuch ein Indikator für die Gläubigkeit von Menschen? Meine Informationen sagen: Als die Sowjet Union auseinanderfiel und staatlichen Strukturen nicht mehr funktionierten, wandten sich die Menschen vermehrt der einzig noch funktionierenden Institution Kirche zu, obwohl diese kaum noch Kirchengebäude besaß; dies änderte sich erst mit Restitutionen des Kirchenvermögens im Laufe der Zeit.

Außerdem werden im russischen Staatsfernsehen die Reden/Predigten des Patriarchen prominent herausgestellt, daher sagen die Zahlen der Zuschaer mehr über den Einfluss der Kirche auf die Menschen als die Kirchenbesuche.

Ich würde ja mal die Prognose wagen, dass das allenfalls für Selbstmordattentäter gilt.
Für nichts wird so heftig und erbittert gekämpft und gestorbern wie für den Glauben – siehe Kreuzzüge.

Eine gesunde Skepsis, dagegen kann man schon auch Soldaten zutrauen
Normalerweise schon, aber bei fanatisierten Kämpfern ist diese Skepsis nur wenig bis nicht vorhanden. Und fanatisiert sind vor allem Glaubenskrieger.

Allerdings müsste man zunächst einmal fragen, ob die Trennung zwischen religiöser und weltlicher Macht ein christliches Alleinstellungsmerkmal ist, zumindest in der konkreten Intensität.
Die Trennung zwischen religiöser und weltlicher Macht gibt es in Europa erst seit ca. 200 Jahren zunehmend. Auch USA haben diese Trennung von Anfang an – das war die Reaktion auf die Verfolgung der andersdenkenden Christen in Europa durch die jeweiligen Staatskirchen –, was allerdings zu einem anderen Extrem führte: Manche Religionsgemeinschaften konservierten ihr Denken des 17. und 18. Jahrhunderts bis in heutige Tage, was aus der Sicht des aufgeklärten Europa zumindest reichlich anachronistisch wirkt und ob der Gesetze, die den Bewohnern z.B. Oral- und/oder Analverkehr verbieten, andererseits aber das Heiraten wie im Mittelater ab 14 Jahren erlauben, nur Kopfschütteln verursacht.

Die Statistiken lassen den Schluss zu, dass kaum ein Russe regelmäßig zur Kirche geht und sich aktiv zum Christentum bekennt.
Das ist nicht entscheidend. Entscheidend ist, dass Russen sich mehrheitlich in der Ablehnung der "westlichen" Werte einig sind. Das propagiert nicht nur die staatliche Propaganda, sondern auch die russisch-orthodoxe Kirche, und das in weit stärkerem Maße. Und wenn jemand ein Etwas von zwei verschiedenen Seiten auf zwei verschiedenen Arten begründet bekommt, dann ist der Spielraum, dieses Etwas nicht zu glauben, kleiner.

Ich bin fest überzeugt, dass das vom Regime beschworene "wahre" Christentum, das es gegen den westlichen Satanismus zu verteidigen gelte, für die russische Lebenswirklichkeit kaum weniger ein Fremdkörper ist als das Spielen der Nazis mit neuheidnischer Esoterik für Deutschland.
Das ist nicht vergleichbar, weil von der neuheidnischen Esoterik in Deutschland, außerhalb der SS kaum jemand Notiz nahm oder gar die öffentliche Meinung beeinflusste. Das "wahre Christentum" ist aber in der russischen Gesellschaft eine feste Größe.

Ich denke wirklich, dass es sich eher um ein strukturell klassistisches als rassistisches System handelt. Die Amerikaner lehnen einen "big state" und die dazu nötigen hohen Steuern ab, also müssen sich Strafverfolgung und -vollzug zumindest teilweise refinanzieren, und dazu muss die Polizei die Konfrontation mit dem Bürger suchen.
Das Refinanzierungsproblem ist eine Folge des Rechtssystems, nicht die Ursache. Und dieses Rechtssystem ist eben antiquiert. Aber das stört die Evangelikale und andere Rechte nicht. Und man muss sich schon fragen, warum dem so ist. Möglich, dass die Rechten am Vormarsch sind – wie in anderen demokratischen Ländern Europas auch, um von Russland, Israel, Indien und China gar nicht zu reden.

Wobei auch hier wieder zu fragen wäre, was kam zuerst? War es religiöse Überzeugung, die dazu führte, mit der Bibel in der Hand die Sklaverei zu verteidigen, oder war die Bibel hier bloß williges Papier für eine Gesellschaft, die nach rettenden Strohhalmen suchte?
Das spielt keine Rolle, die Tatsachen sprechen für sich: Sie haben die Bibel für ihre Zwecke benutzt, wie viele andere sie auch benutzt haben. So ein Sammelsurium bietet für jeden etwas: Da findet sich Etwas – und in der Regel auch das Gegenteil von diesem. Das je nach Bedarf selektive Zitieren aus der Bibel war und ist an der Tagesordnung, denn bis heute argumentieren Evangelikale und andere "rechtgläubige" christlichen Gemeinschaften nach diesem Prinzip.

Nicht alles, was nach Religion aussieht, ist auch Religion. Pastoren in den Südstaaten hielten selbst Sklaven, und sie waren natürlich Teil einer Gemeinde, schon durch Gruppenzwang genötigt, sich mit dieser Gemeinde gutzustellen.
Das kann schon sein, aber ich sehe Pastoren auch als Vorbilder, d.h. solange sie ihre Haltung zur Sklaverei nicht änderten, sahen auch ihre Gemeinden keine Veranlassung, ihre zu ändern.

Immerhin aber gab es die religiös-theologische Begründung für die Sklaverei, und es gab eine abolitionistische Gegenargumentation, die sich dabei ebenfalls auf die Bibel berief.
Das blendet @Dion natürlich aus, weil es nicht ins Narrativ passt.
Ich blende das nicht aus, sondern gehe davon aus, dass das unter Historikern bekannt ist und nicht extra erwähnt werden muss. Andererseits hat nicht nur diese Diskussion gezeigt, dass man auch bekannte Tatsachen erwähnen muss, schließlich lässt sich eh nur über Bekanntes kontrovers diskutieren, weil die einen die A-Eigenschaft betonen, und die anderen die B-Eigenschaft als wichtig(er) ansehen.

So sollte es auch sein.
 
Rassismus wurde und wird biblisch begründet - @Scorpio hat das schon in seinen Beiträgen #152 und #157 erwähnt: Noachs Sohn Ham wird als Stammvater der Schwarzen interpretiert.
glich, dass die Rechten am Vormarsch sind – wie in anderen demokratischen Ländern Europas auch, um von Russland, Israel, Indien und China gar nicht zu reden.

Das spielt keine Rolle, die Tatsachen sprechen für sich: Sie haben die Bibel für ihre Zwecke benutzt, wie viele andere sie auch benutzt haben. So ein Sammelsurium bietet für jeden etwas: Da findet sich Etwas – und in der Regel auch das Gegenteil von diesem. Das je nach Bedarf selektive Zitieren aus der Bibel war und ist an der Tagesordnung, denn bis heute argumentieren Evangelikale und andere "rechtgläubige" christlichen Gemeinschaften nach diesem Prinzip.


Ich blende das nicht aus, sondern gehe davon aus, dass das unter Historikern bekannt ist und nicht extra erwähnt werden muss. Andererseits hat nicht nur diese Diskussion gezeigt, dass man auch bekannte Tatsachen erwähnen muss, schließlich lässt sich eh nur über Bekanntes kontrovers diskutieren, weil die einen die A-Eigenschaft betonen, und die anderen die B-Eigenschaft als wichtig(er) ansehen.

Fred Douglass schrieb in seinen Biographien ausdrücklich, dass es unter den Sklaven in St. Michael und Tuckahoe/MD als das größte Unglück galt, in die Hände eines frommen Sklavenhalters zu fallen, fast ebenso schlimm in die Hände eines versoffenen Sklavenhalters zu fallen und das Schlimmste in die Hände eines versoffenen, frommen Sklavenhalters zu fallen.

Nach seiner Erfahrung waren fromme Sklavenhalter die gemeinsten und geizigsten. Er fand, dass sein Herr Thomas Auld, seitdem er einer Kirche beitrat, nur noch gemeiner und geiziger geworden war. Schlimmer noch, dass er seine Gemeinheit und seinen Geiz religiös begründete.

Was ich bei deiner Argumentation nicht verstehe, dass ist dass du nur einer bestimmten Lesart und Interpretation der Bibel der Religion historische Wirkmächtigkeit zubilligst. Ja sogar eine ungeheure Wirkmächtigkeit.

Wenn aber die Lesart von Thomas Auld und Edward Covey so ungeheuer wirkmächtig war, dann müsste aber doch auch die andere Lesart, die der Abolitionisten auch wirkmächtig gewesen sein.

Angelina Grimké wurde buchstäblich mit dem sprichwörtlichen goldenen Löffel geboren. Ihre Familie gehörte zu den reichsten South Carolinas. Reichtum, Macht, Luxus, ihre Familie, ihre Heimat das alles gab sie auf-

Grimké, Lloyd Garrison und Beecher Stowe auch sie beriefen sich auf die Heilige Schrift, hielten die Sklaverei für ein Verbrechen an der Menschheit, unvereinbar mit den Lehren des Christentums, und auch sie zitierten die Bibel, um ihre Argumente zu untermauern.

Waren es die Sklavenhalter und nur sie, die die Heilige Schrift richtig interpretierten?

Warum übernahmen so viele Sklaven das Christentum? Warum wurde gerade das Alte Testament für viele Sklaven zur Verheißung der Freiheit? All diese Gospels und Spirituals der Afroamerikaner Josua fit the Battle of Jericho, Go down Moses bedienten sich der Metaphern des Alten Testaments. Spirituals wurden sogar als Geheimbotschaften benutzt:

"When the sun come and the quails call
then the time is come.
Foller the drinking guord
Foller the drinking guord
The River bank am a good road
left foot, peg foot going on
Foller the drinking guord...

Mit dem drinking guord (wörtlich Flaschenkürbis) war die "große Schöpfkelle" (der Große Wagen) gemeint, das Sternbild des Großen Bären, der große Wagen wird in Amerika the great dipper die große Schöpfkelle genannt. Die Schöpfkelle weist den Weg zum Polarstern oder Morgenstern. Douglass nannte seine Zeitung nach dem Morgenstern. Harriet Tubman, die erfolgreichste Schaffnerin der Underground Railroad wurde "Moses" genannt. Das Buch Exodus wurde von den Sklaven als Verheißung der Freiheit interpretiert. Auch die Rastafari Bewegung bediente sich der Metaphern aus dem Alten Testament.



Das alles lässt sich nicht ausblenden. Wenn also der Interpretation der Aulds, Coveys eine ungeheure Wirkmächtigkeit zugebilligt wird, warum dann nicht auch der Interpretation der Abolitionisten? Grimkés, Beecher-Stowe, Garrison und andere beriefen sich ja auch auf die Heilige Schrift. Die Bibelstellen kann man nachschlagen.

Hatten die alle, Sklaven wie Abolitionisten die Bibel falsch interpretiert? Ließ die Heilige Schrift wirklich nur die eine Interpretation zu?

Auch
 
Was ich bei deiner Argumentation nicht verstehe, dass ist dass du nur einer bestimmten Lesart und Interpretation der Bibel der Religion historische Wirkmächtigkeit zubilligst. Ja sogar eine ungeheure Wirkmächtigkeit.

Wenn aber die Lesart von Thomas Auld und Edward Covey so ungeheuer wirkmächtig war, dann müsste aber doch auch die andere Lesart, die der Abolitionisten auch wirkmächtig gewesen sein.
Die Bibel war ungeheuer wirkmächtig, sonst würden wir heute in Europa bzw. im Westen nicht von jüdisch-christlichen Kultur sprechen. Und sie war auch bei Abolitionisten wirkmächtig, nur konnten sich diese erst Mitte des 19. Jahrhundert endgültig durchsetzen. Davon habe ich schon geschrieben, aber du hast den Passus nicht zitiert – ich hole das nach:
Und in der Geschichte verteidigen die längste Zeit ihres Bestehens sowohl Juden als auch Christen und Moslems den Rassismus und der damit verbundenen Sklaverei mit ihrer Religion. Ob zu Recht oder zu Unrecht, spielt keine Rolle, denn die Tatsachen folgten dem damaligen Denken, und diese Tatsachen kann man nicht wegdiskutieren. Dass es auch andere gab, die diesem Denken widersprachen, geschenkt, denn sie haben sich erst im Laufe des 19. Jahrhunderts endgültig durchgesetzt. Wobei noch in den 1950er Jahre prominente MenschenrechtaktivistInnen schrieben, die Weißen stünden ganz oben und die Schwarzen ganz unten an den Intelligenz- und anderen Wertenskalen, ohne dass es einen Aufschrei gab.
 
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