Götz Alys Messung der Beliebtheit Hitlers

Als meine Großeltern einen ihrer Söhne Hermann (*1939) tauften, nachdem ein anderer schon Heinrich hieß (*1932), bekamen sie vom Ortsgruppenleiter ein Dankesschreiben, dass sie ihren Sohn nach dem PG Hermann Göring benannt hätten. Offensichtlich interpretierte die Partei also die Namensgebung auch so, wie Aly.

Was mir gerade auffällt: alle Söhne meiner Großeltern (nur von einem kann ich es nicht sagen, weil ich seinen Namen nicht kenne) haben "germanische Namen" während alle Töchter lateinische (Regina) oder semitische (Maria, Elisabeth) Namen, auf jeden Fall aber christliche Namen tragen.
 
Aly´s Thesen haben mich bisher ziemlich überzeugt.
Aber die jetzt?
In den Jahrgängen 1933-45, sind heute zw. 72 und 61, müsste man jede Menge Adolf, Hermann, Heinriche finden. Wenn ich aber so überlege, die heißen Harald, Karl-Heinz, Fritz, Kurt, Eugen, Rudolf, Harry, Rolf, Fritjof, Bruno, Wilfried, Rainer, echt, mir föllt kein Adolf, kein Heinrich, kein Hermann ein.
Adolf hieß mein Onkel, war Jahrgang 1919, kommt der Braunauer nicht in Betracht

Ohne jeden wissenschaftl. Anspruch, aber mit der These hab ich Probleme.

Grüße Repo
 
Auf die Diskussion über den Sinn und Unsinn von Alys Versuch, Hitlers Beliebtheit nachträglich zu messen, bin ich auch schon gespannt. Da eine direkte Messung von Hitlers damaliger Beliebtheit heute nicht mehr möglich ist, sind alle Versuche, diese nachträglich und indirekt zu rekonstruieren, mit vielen Fragezeichen versehen. Solche Versuche bieten viele Angriffsflächen. Aber dennoch kann sich aus solchen Annäherungsversuchen gewisse Rückschlüsse ergeben. Ich denke in diesen Zusammenhang weniger an genaue Prozentergebnisse als vielmehr an die Frage, wie sich Hitlers Beliebtheit im Laufe der Jahre 1933 bis 1945 VERÄNDERTE, wie STARK diese Veränderung ausgeprägt war und ob es REGIONALE BESONDERHEITEN gab. Dabei dürfte wohl weniger dem einzelnen Kriterium eine Rolle zukommen als dem Bündel verschiedener und voneinander unabhängiger Kriterien.

Zum Namens-Kriterium:
Ich kenne einen "Adolf", der seiner eigenen Darstellung nach das Pech hatte am "Führer"-Geburtstag geboren worden zu sein. Seine Eltern habe ihn deshalb so nennen "müssen", um sich Ärger zu ersparen. Von anderen Personen, die seine damalige Familienangehörigen kannten, weiss ich, dass diese so "braun" waren, dass sie sich wohl am meisten selbst geärgert hätten, wenn er nicht den Vornamen "Adolf" bekommen hätte.

Zum Todesstrafen-Kriterium:
Meines Wissens radikalisierte die NS-Justiz die Verurteilungspraxis in den letzten Kriegsjahren. Nun wurden auch für Bagatellen die härteste Strafen verhängt und es gab mehr Standgerichte.
 
Ich finde die Indikatoren insgesamt gar nicht so schlecht gewählt. Man darf ihnen nur keinen Absolutheitsanspruch unterschieben
 
In dem von Pope angegebenen Spiegel-Interview (vgl. # 1) stellt Aly dar, wie bislang Hitlers Popularität gemessen wurde: ein paar SD-Berichte hier, ein wenig Goebbels-Tagebuch-Eintragungen da, ein paar private Briefe, diese und jene Feldpost, ein wenig Klemperer und viele persönliche Vermutungen - fertig war die Stimmung der Deutschen im Dritten Reich. Insofern stellt Alys Methode immerhin den Versuch dar, sich der Frage nach Hitlers Popularität mit einem objektivierten Verfahren anzunähern.

In dem Interview behauptet Aly, dass Hitlers Popularität Ende 38 und bis März 39 auf ihrem Höhepunkt gewesen sei, mit dem Krieg (Sept. 39) aber deutlich sank. Bisher nahm man an, dass Hitlers Popularität nach dem gewonnenen Frankreichfeldzug (1940) ihren Höhepunkt erreichte. Zudem hätten die Deutschen schon zu Beginn des Russlandfeldzuges (Sommer 1941) die Gefahr des Scheiterns erkannt und nicht erst im Winter 41/42.

Der Holocaust sei zu einer Zeit begangen worden, zu der das Regime mit dem Rücken an der Wand gestanden habe. Die Chancen des Widerstandes, von der Bevölkerung akzeptiert zu werden, seien erheblich größer gewesen als bislang angenommen. Die Deutschen seien passive, innerlich nicht überzeugte Mitläufer gewesen, die seit 1941 ein furchtbar schlechtes Gewissen gehabt hätten.

Nun ich denke, diese Thesen werden noch für viele Diskussionen sorgen.
 
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Der Holocaust sei zu einer Zeit begangen worden, zu der das Regime mit dem Rücken an der Wand gestanden habe. Die Chancen des Widerstandes, von der Bevölkerung akzeptiert zu werden, seien erheblich größer gewesen als bislang angenommen. Die Deutschen seien passive, innerlich nicht überzeugte Mitläufer gewesen, die seit 1941 ein furchtbar schlechtes Gewissen gehabt hätten.

Gerade dies widerspricht ja der Erkenntnis, dass die Deutschen vom Holocaust materiell profitierten.
 
@ El Quijote: Ich verstehe nicht, worin Du genau einen Widerspruch siehst.

Ein schlechtes Gewissen ist ja etwas sehr individuelles. Es kann sich aus vielerlei Gründen einstellen: Mancher schämte sich schon für Hitlers Machtergreifung. Andere für das, was Hitler im Namen des Deutschen Volkes so alles tat und ungehindert tun konnte. Wiederum andere schämten sich dafür, dass es dem System gelungen war, sie in dessen Machenschaften und Verbrechen mitzuverstricken. Möglicherweise schämte sich auch der ein oder andere Profiteur für sein dunkles Profitstreben.
 
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