2.
Bleibt noch die andere Frage, war es sinnvoll durch Befestigungen den Russen im Falle eines Westaufmarsches einen Angriff auf Ostpreußen zu verleiden?
Was man im Osten zu schützen hatte, im Hinblick auf kriegswichtige Bedeutung, war doch wohl vor allem das oberschlesische Industrierevier.
Jetzt könnte man sich die Frage stellen, worauf hätten die Russen wohl ihre Energien gerichtet, wenn ihnen klar gewesen wäre, dass:
a) Deutschlands Truppenpräsenz im Osten nicht hinreichend ist um eine Offensive beginnen zu können.
b) Wegen blockierender Befestigungen, im Besonderen im östlichen Ostpreußen ein schneller Zugriff auf diese Provinz mittels dem man die Franzosen hätte unterstützen können, nicht möglich gewesen wäre?
Ich würde einfach mal behaupten, dass im Rahmen eines potentiellen Ost-Aufmarschees großartige Befestigungen in Ostpreußen ganz unnötig gewesen wären, weil die Russen kaum Gelegenheit haben würden hier einzufallen.
Und das im Falle eines West-Aufmarsches unter entsprechend schwacher Bedeckung des Ostens es nicht wirklich erstrebenswert erscheinen konnte die Russen von einem Einfall in Ostpreußen abzuschrecken, weil sie das auf die Idee hätte bringen können, in Erkenntnis es nur mit schwachen deutschen Verbänden zu tun zu haben, die eigene Offensive mangels Zugriff auf Ostpreußen durch Befestigung weiter westlich anzusetzen.
Und das wäre angesichts der strategischen Bedeutung der Weichsel-Übergänge und der auch auf diesem Weg kappbaren Eisenbahnlinien nach Ostpreußen, so wie im Hinblick auf die Sicherheit Oberschlesiens, Breslaus und mit Rücksicht auf den K.u.K.-Verbündeten, möglicherweise auch Krakaus, wohl kaum erstrebenswert gewesen.
Ich denke, hier muss man sich auch die Frage stellen, wie es die russischen Operationspläne möglicherweise beeinflusst hätte, hätte man Ostpreußen mit modernisierten Festungen vollgekleistert.
Das vergisst aber die Kleinigkeit, dass der Reichstag jedes Gesetz zur Heereserweiterung und jede Flottennovelle genehmigen musste.
Wenn da jetzt Kritik an einer zu stark priorisierten Finanzierung der Flotte gegenüber dem Heer geübt wird, müsste man sich fairer Weise auch fragen, ob der Reichstag dazu zu bewegen gewesen wäre, die Summen, die er zum Bau der Flotte zu genehmigen bereit war, auch für eine Erweiterung des Landheeres zu genehmigen.
Die Flotte war ohne Zweifel ein Prestigeobjekt, als solches hübsch vorzuzeigen, und gerade für die Bürgerlichen im Gegensatz zur konservativ aufgestellten, nach wie vor vom Adel stark dominierten Landstreitmacht, wohl auch ein hoffnungsvolles neues Betätigungsfeld.
Abgesehen davon hätte eine Heeeresvermehrung eine quantitative Ausweitung der Wehrpflicht oder eine Verlängerung der Dienstzeiten vorausgesetzt und beides wird bei den meisten Bevölkerungsgruppen wohl auf eher wenig Gegenliebe gestoßen sein.
Bedenkt man den erforderlichen zeitlichen Aufwand die Modernisierungen und Vermehrungen auch tatsächlich ins Werk zu setzen, und veranschlagt den mal mit 2-3 Jahren, hätte der entsprechende Beschluss, damit die Armee anno Sommer 1914 auf dem eingeforderten Stand hätte sein können mindestens im Frühjahr 1912, wahrscheinlich früher als das erfolgen müssen.
Heißt, man hätte die aufgewühlte Stimmung durch die Verwicklungen auf dem Balkan und den dortigen Beinahe-Zusammenstoß noch nicht nutzen können, eine entsprechende Heeresvorlage durch den Reichstag zu peitschen, wie man das dann anno 1913 konnte.
Ohne dem, wäre es aber wahrscheinlich nicht leicht gewesen, die dafür notwendigen Genehmigungen und Gelder zu bekommen.
Ohne die aufgeheizte Stimmung wegen der Balkankriege und noch unter dem Eindruck, dass sich Russland noch nicht vollständig von 1904/1905 erholt hatte, hätte man auf die Zustimmung der Sozialdemokraten für eine Heeresreform wohl kaum setzen können, auch im ersten halben Jahr nach den Reichstagswahlen im Januar 1912 und dem erdrutschartigen Sieg der Sozialdemokraten wohl noch nicht.
In den Reihen der Deutschkonservativen und Freikonservativen wäre man wohl mit der Idee die Armee zu erweitern mit der Absicht ausgerechnet gegen Russland besser Krieg führen zu können, wahrscheinlich auch auf eher wenig Gegenliebe gestoßen.
Ob das politische Sammelbecken Polen/Welfen/Dänen/Elsass-Lothringer so begeistert gewesen wäre, ausgerechnet dem preußischen-deutschen Staat noch mehr militärische Möglichkeiten an die Hand zu geben, darf man dann sicherlich auch dahin gestellt sein lassen.
Wer blieb dann noch? Das Zentrum, dass sich allmählich mit dem Kaiserreich arrangieren konnte, die Nationalliberalen und die Freisinnigen.
Hätte man die aber ohne weitere Zugeständnisse und ohne mindestens einem Kreis der bedeutenderen Politiker die militärischen Planungen offen zu legen, dazu bewegen können auf Flottennovellen zu verzichten und stattdessen ähnliche Summen für das Heer zu genehmigen?
Stelle ich mir schwierig vor.
Möglicherweise hätte man das durch einschneidende politische Zugeständnisse erkaufen können:
- Restlose Rücknahme von "Kanzelparagraph" und "Jesuitengesetz" und damit die vollständige Liquidierung der Überreste der Kulturkampfzeit.
- Bereiter Öffnung der obern Ränge der Armee für das Bürgertum.
- Beendigung der Germanisierungspolitik im Osten, Liquidation der "Ansiedlungskomission", Gleichberechtigung des Polnischen als Unterrichtssprache etc.
- Aufhebung des Status des "Reichslandes" im Bezug auf Elsass-Lothringen und Umgestaltung des Gebietes in einen vollertigen, politisch gleichberechtigten Teilstaat des Reiches.
- Reform des überkommenen preußischen Wahlrechts.
- Neugestaltung der Regelungen zur Sperrminorität des Bundesrates um das faktische Veto der preußischen Landesregierung im Alleingang abzuschaffen.
- Neugestaltung der veralteten Wahlkreise auf Ebene der Reichstagswahlen an Hand der Ergebnisse des Zeensus von 1910.
etc. etc.
Da wäre sicherlich einiges an Potential gewesen, was man den Parteien hätte anbietenn können, aber das hätte (größtenteils) nicht in den Händen des Generalstabs und des Kriegsministeriums gelegen.
Bleibt noch die andere Frage, war es sinnvoll durch Befestigungen den Russen im Falle eines Westaufmarsches einen Angriff auf Ostpreußen zu verleiden?
Was man im Osten zu schützen hatte, im Hinblick auf kriegswichtige Bedeutung, war doch wohl vor allem das oberschlesische Industrierevier.
Jetzt könnte man sich die Frage stellen, worauf hätten die Russen wohl ihre Energien gerichtet, wenn ihnen klar gewesen wäre, dass:
a) Deutschlands Truppenpräsenz im Osten nicht hinreichend ist um eine Offensive beginnen zu können.
b) Wegen blockierender Befestigungen, im Besonderen im östlichen Ostpreußen ein schneller Zugriff auf diese Provinz mittels dem man die Franzosen hätte unterstützen können, nicht möglich gewesen wäre?
Ich würde einfach mal behaupten, dass im Rahmen eines potentiellen Ost-Aufmarschees großartige Befestigungen in Ostpreußen ganz unnötig gewesen wären, weil die Russen kaum Gelegenheit haben würden hier einzufallen.
Und das im Falle eines West-Aufmarsches unter entsprechend schwacher Bedeckung des Ostens es nicht wirklich erstrebenswert erscheinen konnte die Russen von einem Einfall in Ostpreußen abzuschrecken, weil sie das auf die Idee hätte bringen können, in Erkenntnis es nur mit schwachen deutschen Verbänden zu tun zu haben, die eigene Offensive mangels Zugriff auf Ostpreußen durch Befestigung weiter westlich anzusetzen.
Und das wäre angesichts der strategischen Bedeutung der Weichsel-Übergänge und der auch auf diesem Weg kappbaren Eisenbahnlinien nach Ostpreußen, so wie im Hinblick auf die Sicherheit Oberschlesiens, Breslaus und mit Rücksicht auf den K.u.K.-Verbündeten, möglicherweise auch Krakaus, wohl kaum erstrebenswert gewesen.
Ich denke, hier muss man sich auch die Frage stellen, wie es die russischen Operationspläne möglicherweise beeinflusst hätte, hätte man Ostpreußen mit modernisierten Festungen vollgekleistert.
Es wurden irre Summen für eine Flotte lockergemacht, wobei vergessen wurde, das der Krieg, zumindest für Deutschland, zu Lande in der Hauptsache zu führen ist.
Das vergisst aber die Kleinigkeit, dass der Reichstag jedes Gesetz zur Heereserweiterung und jede Flottennovelle genehmigen musste.
Wenn da jetzt Kritik an einer zu stark priorisierten Finanzierung der Flotte gegenüber dem Heer geübt wird, müsste man sich fairer Weise auch fragen, ob der Reichstag dazu zu bewegen gewesen wäre, die Summen, die er zum Bau der Flotte zu genehmigen bereit war, auch für eine Erweiterung des Landheeres zu genehmigen.
Die Flotte war ohne Zweifel ein Prestigeobjekt, als solches hübsch vorzuzeigen, und gerade für die Bürgerlichen im Gegensatz zur konservativ aufgestellten, nach wie vor vom Adel stark dominierten Landstreitmacht, wohl auch ein hoffnungsvolles neues Betätigungsfeld.
Abgesehen davon hätte eine Heeeresvermehrung eine quantitative Ausweitung der Wehrpflicht oder eine Verlängerung der Dienstzeiten vorausgesetzt und beides wird bei den meisten Bevölkerungsgruppen wohl auf eher wenig Gegenliebe gestoßen sein.
Bedenkt man den erforderlichen zeitlichen Aufwand die Modernisierungen und Vermehrungen auch tatsächlich ins Werk zu setzen, und veranschlagt den mal mit 2-3 Jahren, hätte der entsprechende Beschluss, damit die Armee anno Sommer 1914 auf dem eingeforderten Stand hätte sein können mindestens im Frühjahr 1912, wahrscheinlich früher als das erfolgen müssen.
Heißt, man hätte die aufgewühlte Stimmung durch die Verwicklungen auf dem Balkan und den dortigen Beinahe-Zusammenstoß noch nicht nutzen können, eine entsprechende Heeresvorlage durch den Reichstag zu peitschen, wie man das dann anno 1913 konnte.
Ohne dem, wäre es aber wahrscheinlich nicht leicht gewesen, die dafür notwendigen Genehmigungen und Gelder zu bekommen.
Ohne die aufgeheizte Stimmung wegen der Balkankriege und noch unter dem Eindruck, dass sich Russland noch nicht vollständig von 1904/1905 erholt hatte, hätte man auf die Zustimmung der Sozialdemokraten für eine Heeresreform wohl kaum setzen können, auch im ersten halben Jahr nach den Reichstagswahlen im Januar 1912 und dem erdrutschartigen Sieg der Sozialdemokraten wohl noch nicht.
In den Reihen der Deutschkonservativen und Freikonservativen wäre man wohl mit der Idee die Armee zu erweitern mit der Absicht ausgerechnet gegen Russland besser Krieg führen zu können, wahrscheinlich auch auf eher wenig Gegenliebe gestoßen.
Ob das politische Sammelbecken Polen/Welfen/Dänen/Elsass-Lothringer so begeistert gewesen wäre, ausgerechnet dem preußischen-deutschen Staat noch mehr militärische Möglichkeiten an die Hand zu geben, darf man dann sicherlich auch dahin gestellt sein lassen.
Wer blieb dann noch? Das Zentrum, dass sich allmählich mit dem Kaiserreich arrangieren konnte, die Nationalliberalen und die Freisinnigen.
Hätte man die aber ohne weitere Zugeständnisse und ohne mindestens einem Kreis der bedeutenderen Politiker die militärischen Planungen offen zu legen, dazu bewegen können auf Flottennovellen zu verzichten und stattdessen ähnliche Summen für das Heer zu genehmigen?
Stelle ich mir schwierig vor.
Möglicherweise hätte man das durch einschneidende politische Zugeständnisse erkaufen können:
- Restlose Rücknahme von "Kanzelparagraph" und "Jesuitengesetz" und damit die vollständige Liquidierung der Überreste der Kulturkampfzeit.
- Bereiter Öffnung der obern Ränge der Armee für das Bürgertum.
- Beendigung der Germanisierungspolitik im Osten, Liquidation der "Ansiedlungskomission", Gleichberechtigung des Polnischen als Unterrichtssprache etc.
- Aufhebung des Status des "Reichslandes" im Bezug auf Elsass-Lothringen und Umgestaltung des Gebietes in einen vollertigen, politisch gleichberechtigten Teilstaat des Reiches.
- Reform des überkommenen preußischen Wahlrechts.
- Neugestaltung der Regelungen zur Sperrminorität des Bundesrates um das faktische Veto der preußischen Landesregierung im Alleingang abzuschaffen.
- Neugestaltung der veralteten Wahlkreise auf Ebene der Reichstagswahlen an Hand der Ergebnisse des Zeensus von 1910.
etc. etc.
Da wäre sicherlich einiges an Potential gewesen, was man den Parteien hätte anbietenn können, aber das hätte (größtenteils) nicht in den Händen des Generalstabs und des Kriegsministeriums gelegen.