Gründung des deutschen Kaiserreichs 1871 : Anfang des deutschen Übels?

Zum Verhältnis Deutsche und Polen in 1848 empfehle ich das alte Volkslied "Polens Sache, Deutsche Sache".
Darin kommt klar der Vorbildcharakter des polnischen Aufstandes für die progressiveren Deutschen zum Ausdruck. Nicht umsonst waren polnische Offiziere auch beim Heckerzug vertreten und kamen in vielen bewaffneten Auseinandersetzungen des Frühlings 1848 auf Seiten der Bürger vor. Ich kann keinen "Anfang des geöffneten Hasses" entdecken, wenn, dann bezog sich der von deutscher Seite alleine auf die Adligen.

Auch die Nationalversammlung hatte als eine der ersten wichtigen Entscheidungen das Verhältnis Posens zu Deutschland zu beraten, die dabei geführten Reden lege ich euch ans Herz. Die Protokolle der Nationalversammlung finden sich im Münchner Digitalisierungszentrum, die Posenfrage stand ab der 5. Sitzung im Mittelpunkt.

Für mich war der polnische Freiheitskampf ein Vorbild für das Streben nach einem unabhängigen Deutschland. Und dabei vertraue ich auf die alte Volksweise.
 
@Melchior
Ich habe mich mißverständlich ausgedrückt, ich meinte die Kriege, die zu der Kleindeutschen Lösung durch Bismarck führten. Die waren nicht nur Schuld der Deutschen. Frankreich hätte die Einigung der deutschen Staaten niemals ohne Gegenwehr zugelassen, daraus hat es nie einen Hehl gemacht. Das selbe galt doch für Habsburg, weil klar war, das eine staatliche Einheit Deutschlands und der Habsburger Vielvölkerstaat nicht unter einen Hut zu kriegen wäre. Innerhalb Deutschlands gab es übrigens damals wie heute seitens einiger "Eliten" ebenfalls starke Vorbehalte. Nicht nur die Fürsten, die um ihre Macht fürchteten sondern auch viele frankophiele Intelektuelle, die im "deutschen Wesen" nur Reaktion und Spießertum sahen. Ein früher Vordenker war hier Heinrich Heine. Man braucht sich nur seine Harzreise durchzulesen und man weiß, wie er über die "normalen" deutschen Zeitgenossen dachte. Schon recht arrogant, wie er sich geäußert hat. Seine Kritik an dichtende Kollegen wie Hoffmann oder Körner (an Eichendorff hat er sich dann doch nicht rangetraut) waren auch, heute würde man sagen, "unkollegial". Ich hoffe mich nun verständlicher gemacht zu haben. :)
 
Ich habe mich mißverständlich ausgedrückt, ich meinte die Kriege, die zu der Kleindeutschen Lösung durch Bismarck führten. Die waren nicht nur Schuld der Deutschen.
Das behauptet hier doch auch keiner, oder?

Frankreich hätte die Einigung der deutschen Staaten niemals ohne Gegenwehr zugelassen, daraus hat es nie einen Hehl gemacht.
Behauptest du das nur, oder hast du auch Quellen?

Das selbe galt doch für Habsburg, weil klar war, das eine staatliche Einheit Deutschlands und der Habsburger Vielvölkerstaat nicht unter einen Hut zu kriegen wäre.
Die so genannte großösterreichische Lösung, auf die du dich hier beziehst wurde in der Paulskirchenversammlung diskutiert und abgelehnt, da dann die Zielsetzung der Gründung eines Nationalstaates verfehlt gewesen wäre. Österreich lehnte insbesondere die großdeutsche Lösung ab, die bedeutet hätte, dass nur die deutschen Gebiete Österreichs in den neu zu gründenden deutschen Staat eingetreten wären, was wiederum dazu geführt hätte, dass die habsburgische Monarchie aufgespalten worden wäre.

Innerhalb Deutschlands gab es übrigens damals wie heute seitens einiger "Eliten" ebenfalls starke Vorbehalte. Nicht nur die Fürsten, die um ihre Macht fürchteten sondern auch viele frankophiele Intelektuelle, die im "deutschen Wesen" nur Reaktion und Spießertum sahen. Ein früher Vordenker war hier Heinrich Heine. Man braucht sich nur seine Harzreise durchzulesen und man weiß, wie er über die "normalen" deutschen Zeitgenossen dachte. Schon recht arrogant, wie er sich geäußert hat. Seine Kritik an dichtende Kollegen wie Hoffmann oder Körner (an Eichendorff hat er sich dann doch nicht rangetraut) waren auch, heute würde man sagen, "unkollegial". Ich hoffe mich nun verständlicher gemacht zu haben. :)
Nur weil sich Heine differenziert und nicht ganz so nationalistisch verblendet zu den Revolutionsereignissen in Deutschland äußerte, heißt das noch lange nicht, dass er kein Befürworter eines deutschen Nationalstaats gewesen wäre. Das war er nämlich, allerdings in einem republikanisch-demokratischen Sinne.
 
@Carl-Georg Otto

Du hast Dich verständlicher gemacht. Danke. Sieh mir bitte nach, daß ich Sätze aus Deinem Posting #63 herauskopiere und dann dazu meine Meinung äußere, sollte ich aus Deiner Sicht bei diesem Vorgehen einen Deiner Gedanken eventuell verfälschen, bitte Korrektur.

"Frankreich hätte die Einigung der deutschen Staaten niemals ohne Gegenwehr zugelassen, daraus hat es nie einen Hehl gemacht."

Zumindest eine "kleindeutsche Einigung" unter preußischer Führung nicht. Vollkommen d'accord. Aber da ist doch Frankreich bzw. N. III. kein Vorwurf aus historischer Sicht zu machen, so letzteres überhaupt lege artis wäre. Ich schaue doch nicht tatenlos zu, wie an meiner Ostgrenze ein sehr viel größerer, militärisch stärkerer und vllt. wirtschaftlich potenterer Staat entsteht, zumal ich es militärisch/politisch gewohnt bin, mit deutschen Einzelstaaten umzugehen, zumal einige den Status von Mittelmächten hatten w.z.B. Bayern, denen man traditionell auch verbunden war. (Bedenke bitte, wir sind im 19. Jh.).

"Das selbe galt doch für Habsburg, weil klar war, das eine staatliche Einheit Deutschlands und der Habsburger Vielvölkerstaat nicht unter einen Hut zu kriegen wäre."

Auch d'accord. Aber warum soll Österreich seine traditionelle Vormachtstellung im Deutschen Bund aufgeben ohne sich dagegen zu wehren? Preußen hat durch die Olmützer Punktation erfahren müssen, daß Österreich sich nicht freiwillig aus dem Deutschen Bund zurückzieht.

"Nicht nur die Fürsten, die um ihre Macht fürchteten sondern..."

Auch d'accord. Welcher Fürst gab schon seine Souveränitätsrechte freiwillig ab, mir fiele da event. im Uz der Ghz. von Baden ein, alle anderen mußten erkennen im Weg der nationalstaatlichen Einigung, daß der Thron nur dann zu erhalten war, wenn sie sich mit der Dynamik der sicher späten, aber umso schneller ablaufenden Einigung, arrangierten. Könntest Du Dir vorstellen, daß Bayern und Würtemberg 1870 auf der Seite Frankreichs in den Krieg gezogen wären (abgesehen von den abgeschlossenen Schutz- und Trutzbündnissen)?

"...sondern auch viele frankophiele Intelektuelle, die im "deutschen Wesen" nur Reaktion und Spießertum sahen."

Ein "deutsches Wesen" vermag ich nicht zu erkennen, natürlich gab/gibt es frankophile Einstellungen, wie es auch frankophobe gab/gibt, nur für diese Betrachtungen bedarf es einer Individualisierung. Wie selbst ein Thomas Mann hier "ausrutschen" kann, ist gut nachlesbar in den "Betrachtungen eines Unpolitischen" <= allerdings I. WK.

"Seine Kritik an dichtende Kollegen wie Hoffmann oder Körner (an Eichendorff hat er sich dann doch nicht rangetraut) waren auch, heute würde man sagen, "unkollegial"."

Dichtergezänk. Aber wo war Heine, den ich übrigens sehr schätze, im Exil.


M.
 
@Lili

Da gibt es diverse Briefe zwischen Eugenie (Gattin) und Napoleon III. Kann man in Biographien dieses glücklosen Kaisers nachlesen. Die Gattin legte in den Schriften eine gewisse Kriegslust gegen Preußen an den Tag.

@ Melchior
Heine hat sich niemals für die Situation derr deutschen Bevölkerung zur Zeit der napoleonischen Kriege interessiert. In Pommern gab es Gebiete, die waren gebranntschatzt wie zuletzt im 30jährigen Krieg. Es rührte in kaum. Er war abgehoben. Man kann im Exil sein und sich trotzdem für die Probleme der Heimat interessieren. Spätere Exilanten wie z.B O.M. Graf haben da weniger Probleme gehabt. Als Schüler schätzte ich H.Heine, war ja in den 70er schwer angesagt. Später, im Studium , wurde er mir immer unsymphatischer, genau wie T. Mann.Aber das führt nun zu weit weg.
 
Da gibt es diverse Briefe zwischen Eugenie (Gattin) und Napoleon III. Kann man in Biographien dieses glücklosen Kaisers nachlesen. Die Gattin legte in den Schriften eine gewisse Kriegslust gegen Preußen an den Tag.

... und was folgt daraus?

Oben war übrigens von "Frankreich" die Rede, nun ist es scheinbar die Gattin von N.III.

Welche Bedeutung hatten die Briefe, in welchem Kontext stehen sie? Vielleicht könnte man einiges aus der "Kriegsschuldfrage" 1870 erschließen?
 
@Lili

...

@ Melchior
Heine hat sich niemals für die Situation derr deutschen Bevölkerung zur Zeit der napoleonischen Kriege interessiert. In Pommern gab es Gebiete, die waren gebranntschatzt wie zuletzt im 30jährigen Krieg. Es rührte in kaum. Er war abgehoben. Man kann im Exil sein und sich trotzdem für die Probleme der Heimat interessieren. Spätere Exilanten wie z.B O.M. Graf haben da weniger Probleme gehabt. Als Schüler schätzte ich H.Heine, war ja in den 70er schwer angesagt. Später, im Studium , wurde er mir immer unsymphatischer, genau wie T. Mann.Aber das führt nun zu weit weg.

Bitte übersieh nicht, daß Heine 1813 erst ca. 16 Jahre alt war.

o.t.

Weißt was mich mit 16 interessiert hat, bestimmt nicht die deutsche Teilung.

M. :red:
 
Da gibt es diverse Briefe zwischen Eugenie (Gattin) und Napoleon III. Kann man in Biographien dieses glücklosen Kaisers nachlesen. Die Gattin legte in den Schriften eine gewisse Kriegslust gegen Preußen an den Tag.
Das ist kein Geheimnis - ergänzend zu Silesias Anmerkungen daher nur: welche politische Einflussmacht hatte Eugénie und wie ernst nahm sie denn Napoleon III. im Rahmen seiner politischen Entscheidungen für gewöhnlich? (Neoabsolutismus, Bündnis mit Österreich um nur ein paar ihrer politischen Forderungen gegenüber dem Kaiser zu nennen...)

Heine hat sich niemals für die Situation derr deutschen Bevölkerung zur Zeit der napoleonischen Kriege interessiert.
Na hör mal, Heine wurde 1797 geboren. Er war 13 als Napoleon in Düsseldorf (seiner Heimatstadt) einmarschierte und grade mal halbwegs trocken hinter den Ohren als Napoleon schon auf St. Helena saß. Zu der Zeit war er auch noch lange nicht in Frankreich sondern zunächst in Düsseldorf und später zur Lehre in Frankfurt.

In Pommern gab es Gebiete, die waren gebranntschatzt wie zuletzt im 30jährigen Krieg. Es rührte in kaum. Er war abgehoben.
Nö, er war ein Kind und Pommern verdammt weit weg vom Ruhrgebiet.

Man kann im Exil sein und sich trotzdem für die Probleme der Heimat interessieren.
Hat er doch auch, als er dann - 16 Jahre nach den napoleonischen Kriegen ins Exil ging, allerdings dann mit den aktuellen zeitgenössischen Problemen.
 
Zeitmaschine schrieb:
Zu England:
England war schon immer Eifersüchtig auf Länder die im Begriff waren Großmacht zu werden! z.B. Der Kampf im 16 Jahrhundert gegen Spanien oder der jarhundertlange Kampf mit Erzrivale Frankreich! Da ging es doch immer im die Vormachtstellung!
Ab 1871 wurde Deutschland Großmacht auf dem europäischen Festland. Solange Frankreich und Russland dadurch gebunden war, war es für England noch in Ordnung. Aber als Deutschland begann Ambitionen in Übersee zu haben und besonders nach der Aufrüstung der Marine war Deutschland eine Gefahr für England.
Wenn man bedenkt, das Deutschland in relativer kurzen Zeit die (vieleicht) stärkste Macht auf dem Festland war, ist es verständlich das England fürchtete, Deutschland könnte auch sehr schnell weltweit mächtig werden.

Deshalb ist es meine Meinung, das England alles versucht hat um Deutschland auszuschalten


Mit Verlaub, aber deine Ausführungen sind schlicht unzutreffend!

Großbritannien hatte bereits Ende des 19.Jahrhunderts klar erkannt, das es ohne Partner nicht mehr seine Stellung in der Welt behaupten konnte. Aus diesem Grundes gab es auch in Richtung Deutsches Reich entsprechende Fühler; zwar nicht für ein Bündnis aber immerhin für lokale Zusammenarbeit und Abbau von Spannungen. Es war übrigens das Deutsche Reich welches die britische Suprematie zur See massiv herausgefordert hat.

Des Weiteren ist festzuhalten, das Großbritannien gerade in den zwei Jahren vor dem Weltkrieg mit dem dem Deutschen Reich eine konstruktive und erfolgreiche Zuammenarbeit pflegte. So wurde gemeinsam in den Jahren 1912/13 verhindert, das die lokalen Balkankriegesich zu einen allgmeinen europäischen Krieg entwickeleten, in dem das Reich auf Österreich-Ungarn und Großbritannien auf Rußland einwirkte.

Die britische Regierung suchte Sicherheit, aber keinen Krieg,und hat dafür letzlich auch die Splendid Islolation verlassen. Des Weiteren war Großritannien bedingt durch außereuropäische Zwänge, Stichworte Indien und Persien, auf eine Kooperation mit dem Zarrenreich zwingend angewiesen, so das man schon von einer gewissen Abhängigkeit on Petersburg geraten ist. Aus diesem Blickwinkel muss man auch die von den Russen angedachte aber schließlich nicht realisierte Marinekonvention mit Großbritannie sehen. Was Großbritannien angelastet werden kann, ist, das mit der Amtsübernahme von Grey zielstrebig auf eine Vertiefung der Entente Cordiale und auch auf einen Ausgleich mit Rußland hingearbeitet wurde. Es wurde im Foreign Office dabei schlicht übersehen oder billigend in Kauf genommen, dass das Deusche Reich sich hier durch bedroht, eingekreist, fühlte. Das wurde einfach vernachlässigt bzw. ganz gewaltig unterschätzt.
 
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