Gründungsmythos "BRD" und USA

Hier sind auch Antworten auf Deinen Beitrag #18, natürlich spielerisch, enthalten.

Das wäre meine Story.

Also ich habe den Gründungsmythos nicht mehr gefunden, aber vielleicht bin ich nicht so verspielt oder ich habe die Story nicht verstanden.

Ups, 1938 sehen wir die "nachgeholte" großdeutsche Lösung, zwar unter anderen Auspizien als im 19. Jh. gedacht, aber da war sie, die "großdeutsche Lösung".

Zumindest meine Argumentation bezog sich auf das Problem einer teilweisen hegemonialen Position in Europa, die aufgrund des Gründungsmythos auf ihre vollständige Vollendung wartete.

Deshalb: Als "verspätete Nation" wollte man aufgrund seiner universellen "Omnipotenz" auch einen "Platz an der Sonne" und das nicht nur im sonnigen Kolonialbereich, sondern auch im kalten Europa. Wie bei Hillgruber als Problem formuliert:

Deutschlands Rolle in der Vorgeschichte der beiden Weltkriege - Andreas Hillgruber - Google Bücher

Und diese Sichtweise zog sich durch das Kaiserreich und das 3. Reich und war eine der titanischen Antriebskräfte, die man benötigte, angesichts der Vielzahl und des Potentials der Gegner, für die Konflikte mit der restlichen Welt.

Man glaubte, es mit der ganzen Welt aufnehmen zu können, angesichts der eigenen Stärke. Und hier liegen die verheerenden Auswirkungen des Gründungsmythos, der sich post WW2 als erfolgreiche, exportorientierte "Eroberungsstrategie" von Märkten in friedlichen Bahnen fortsetzte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Torheiten waren so groß und jenseits aller Vorstellungskraft, daß die Sieger, denn es hatte auch noch einen großen Krieg angezettelt, über dieses große Land einen Fluch aussprachen, und zwar "bedingungslose Kapitulation", militärische Besetzung und ein Strafgericht wegen der unvorstellbaren Verbrechen.
...
Die Sieger waren aber klug genug, zumal sie sich so richtig nicht mehr einig waren und die Front gegen das große törichte Land auch immer tiefere Risse bekam, nicht biblisch und summarisch zu strafen.

Die Präambel der Verfassung enthielt das Provisorium der Teilung, eigentlich ein Widerspruch zur Annahme eines Gründungsmythos für den westlichen Teilstaat BRD, oder aber der oben schon zitierte "negative Gründungsmythos".

Legalisierend, politisiert, in einem gewissen Sinn vielleicht sogar sinnstiftend für den aufgesetzt-konstruierten Teilstaat war seine Vorläufigkeit mit Blick auf die ganze Nation. Anknüpfungen an 1848 erfolgten nur in kleinen intellektuellen Zirkeln, ex post wurde das dann wohl mehr entdeckt. Anknüpfungen an Weimar lehnte man zT sogar ausdrücklich ab, und schuf abweichende konstitutionelle Regelungen, die mit "Erfahrungen" (wieder negativer Art) begründet wurden.

Wirtschaftliche Entwicklungen als Gründungsmythos sehe ich nicht. Die kamen später, waren vergänglich ("Wirtschaftswunder") und auch der Export kam ex post eher "spielerisch", mangels Binnennachfrage.

Es bleibt das Provisorium als Gründungsmythos, der zunächst mit äußerster Heftigkeit, geradezu dogmatisch, vertreten wurde: Vorläufigkeit.
 
@thane und silesia

Vllt. sind "Gründungsmythen" ein Thema, wo historische Argumentation eventuell durch geschichtsphilosophische Spekulation abgelöst werden sollte.

@silesia

Kein Politiker hätte in der BRD 1949 ff. "überlebt", der vom Ziel der deutschen Einheit abgerückt wäre. Auch in der DDR war die deutsche Einheit Staatsziel, ich denke bis zur Verfassungsreform 1974.

Es war eine "Chimäre", niemals hätte Adenauer und ein großer Teil der politischen Klasse die Westintegration dafür ernsthaft infrage gestellt.

Und die SBZ/DDR kam aus ihrer Ostintegration auch nicht raus, so lange nicht die UdSSR dieses "absegnete".

"...Anknüpfungen an 1848 erfolgten nur in kleinen intellektuellen Zirkeln, ex post wurde das dann wohl mehr entdeckt..."

Diesen Wechsel würde ich "querschreiben" wollen.

"...Anknüpfungen an Weimar lehnte man zT sogar ausdrücklich ab..."

Ja das sehe ich auch so.

Wirtschaftliche Erfolge - dito.

@Thane

Vllt. sehe ich das als Ossi etwas anders und aus ferner Sicht zumal. Auf einmal sahen sich beide Teilstaaten auf der Seite der jeweiligen Sieger. Der östliche Teilstaat war ja per se "antifaschistisch", immerhin waren führende Politiker im kommunistischen Widerstand gewesen, natürlich Blödsinn, aber der Antifaschismus war eine der wichtigsten Legitimationsgrundlagen der DDR - vielmehr gab es ja auch nicht außere ideologische Legitimation.

In der BRD meine ich, war das etwas anders, aber es war das Argument wieder virulent, die Siegermächte brauchen uns, wir sind "u.k.-gestellt".

Ich würde als Gründungsmythos die Exculpation der beiden Teilstaaten ansehen wollen, die Staatsgründungen exculpierten die Deutschen, zwar nicht individuell aber kollektiv. Die Staatsgründungen war der "große Schwamm" der Siegermächte.

M.
 
Als Adenauer auf dem Teppich blieb

Ist nicht der heute außerhalb der Fachwelt beinahe vergessene Schritt Adenauers auf den Teppich, auf dem er nach Protokoll nicht hätte stehen sollen, um seine politische Inferiorität gegenüber den Hohen Kommissaren sichtbar zu machen, eine Art Gründungsmythos der BRD?
 
Für mich ein Gründungsmythos:
Der Schwur von Buchenwald.
"Nie wieder Krieg, Nie wieder Faschismus" als Ziel der noch nicht geteilten Deutschen.

Ist aber nicht mythisch genug und galt auch nur bis zum Kriegseinsatz im völkerrechtswidrigen Jugoslawienkrieg der 90er Jahre.
Dessen Angemessenheit ist dann aber wieder ein "politischer Mythos", und ein zentraler noch dazu.

@Melchior:
immerhin waren führende Politiker im kommunistischen Widerstand gewesen, natürlich Blödsinn

Ich kann verstehen, dass einen der Umstand heute sogar ärgern kann, aber warum genau ist das Blödsinn?
Genau so, wie du es schreibst, kann man es doch stehen lassen, oder lese ich falsch? Damit waren doch noch lange nicht alle Funktionäre im Widerstand??

Aber mir fehlen auch populäre Belege für ehemals führende Nazis in zentralen Positionen der DDR, ich wäre dir ohne jeden Hintergedanken für Hinweise dankbar.
Gab es mal ein "Braunbuch" der DDR? Oder stecken dazu unsere Forschungen ebenso in den ausgelatschten Kinderschuhen, wie bezüglich der Behörden und Institutionen der jungen BRD?

Den Gründungsmythos habe ich jetzt aber bei dir auch nicht gefunden.

Und: Die Idee mit dem "Spiel" sollte bestenfalls einen Anreiz darstellen. Erstens ist das ein alter Didaktik-Trick, der vielleicht hier hilfreich sein könnte, und zweitens habe ich mich dabei weder zum Spielleiter ernannt, noch die Regeln vorgegeben.
Höchstens ein Zitat mit auf den Weg. Bei der Materie, die der Lehrer vorgegeben hat, könnte ein bisschen kritische Distanz zum Konzept der Nation auf dem Weg sehr hilfreich sein.
Schliesslich hat Fichte schon ganze Generationen bewegt, und keineswegs nur positiv.

Ich glaube übrigens, an dieser Stelle mal angemerkt, dass der Fichte seine Feder hätte fallen lassen (aaah, Alliteration und Stabreim...) wenn ihm jemand nur einen Filmausschnitt aus der Zeit des dritten Reiches oder eben aus dem Alltag in Buchenwald gezeigt hätte.
Aber vielleicht nehme ich ihn da auch vollkommen ungerechtfertigt in Schutz.
 
....
Ich würde als Gründungsmythos die Exculpation der beiden Teilstaaten ansehen wollen, die Staatsgründungen exculpierten die Deutschen, zwar nicht individuell aber kollektiv. Die Staatsgründungen war der "große Schwamm" der Siegermächte.

Das stimmt gerade nicht.

Die DDR hat sich quasi selbst "exculpiert" und als Staat der ehemals Verfolgten dargestellt.

Der dritte deutsche Teilstaat, Österreich, hat sich ebenfalls einen Persilschein ausstellen lassen.

Die BRD durfte dann für die Kollektivschuld und für die Kosten alleine einstehen.

Das wundert übrigens auch viele meiner ausländischen Bekannten, warum nur Westdeutschland reparationen zahlte (die Sowjetischen Demontagen sind meistens nicht so bekannt) und praktisch einen regelrechten "Kult" um die Tatsache aufbaute, die Erben der Täter zu sein.

Um es flapsig auszudrücken: Wenn Ostdeutsche Schulklassen zu Besuch in ein KZ gebracht wurden, hiess es "Seht was die Bösen Faschisten uns angetan haben." Wenn eine Westdeutsche Klasse in ein KZ ging, hiess es dagegen "seht was wir bösen Nazis getan haben."

Bevor es nun Haue gibt: Die Beobachtung stammt tatsächlich nicht von mir sondern von zugezogenen länger hier lebenden Ausländern.
 
Bevor es nun Haue gibt: Die Beobachtung stammt tatsächlich nicht von mir sondern von zugezogenen länger hier lebenden Ausländern.

Wieso sollte es da Haue geben?:confused:

Aber soll die Verwunderung von ausländischen Besuchern zeigen oder belegen? Man hätte sie darüber aufklären können, dass die "Schuldfrage"/Reparationen Kehrseite der Medaille "Alleinvertretungsanspruch" (idF Wiedervereinigung) usw. gewesen ist. Das hätten sie vermutlich verstanden.

Die westdeutschen Reparationen waren dann keine so große Last. Nimmt man die Belastbarkeit als Grundlage, waren die japanischen sogar relativ höher.
 
@ogrim

Auf den Schwur von Buchenwald, können wir uns wohl alle einigen, aber ein Gründungsmythos?

Nein, selbstverständlich waren nicht alle kommunistischen Funktionäre in der DDR im Widerstand, das war, flapsig ausgedrückt, auch biologisch gar nicht möglich, da es ja auch "nachgeborene" Funktionäre gab. Ich gehe mit dem Beitrag von Bdaian nicht ganz einig, aber in einem Punkt hat er m.E. recht. Die DDR definierte sich inbezug auf die BRD als der "bessere" Teilstaat, da er die antifaschistische Traditionslinie der KPD fortsetzte und viele Funktionäre im Widerstand waren bzw. verfolgt wurden. Die paar Riße die diese Legitimationsgrundlage besaß, wurden dabei "großzügig" übersehen. Stichwort: "Sozialfaschismustheorie", bis 1935.

Wie stellst Du Dir das vor, ein totalitärer Staat arbeitet die Geschichte eines anderen totalitären Vorgängerstaates auf, und das unter den Bedingungen des "Kalten Krieges". Natürlich gab es Nazi- und Kriegsverbrecher in der DDR, natürlich wurden sie verfolgt, wenn es politisch opportun erschien. Dazu gab es sogar eine eigene Abteilung des MfS (IX/11).

BStU - Publikationen - Das "NS-Archiv" des Ministeriums für Staatssicherheit

Stark verkürzt. Die DDR benötigte in ihrem Selbstverständnis keine Aufarbeitung der Geschichte des III. Reiches, da sie per se die antifaschistische Traditionslinie fortsetzte.

@Bdaian

"...Der dritte deutsche Teilstaat, Österreich, hat sich ebenfalls einen Persilschein ausstellen lassen. ..."

Ob Österreich der dritte deutsche Teilstaat ist, wage ich mit Verlaub zu bezweifeln. Ob Österreich das "Erste Opfer" war, darüber kann man trefflich diskutieren, denn das wäre m.E. der Gründungsmythos der zweiten Republik.

Reparationen hat, jenseits der Demontagen, auch die DDR geleistet. Das Auslaufmodell dafür war die SDAG Wismut.

@ElQ

Vllt. kein Mythos, wohl aber ein starkes Symbol.


M.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wieso sollte es da Haue geben?:confused:

Ach! Ich habe in diesem Themenbereich schon für so vieles Keile bekommen wo ich eigentlich auch keinen Grund gesehen habe...

Aber soll die Verwunderung von ausländischen Besuchern zeigen oder belegen? Man hätte sie darüber aufklären können, dass die "Schuldfrage"/Reparationen Kehrseite der Medaille "Alleinvertretungsanspruch" (idF Wiedervereinigung) usw. gewesen ist. Das hätten sie vermutlich verstanden.

Wäre ein gutes Argument gewesen wenn ich es gekannt hätte. Da wo ich herkomme gab es jedoch auch eine Ostdeutsche Botschaft mit angegliederten Humboldtinstitut, so wie eine Westdeutsche mit Goetheinstitut. Dass die Ostdeutschen keinen Anspruch darauf erhoben haben, die restlichen Deutschen zu vertreten, war für die Einheimischen nicht zu erkennen.

Die westdeutschen Reparationen waren dann keine so große Last. Nimmt man die Belastbarkeit als Grundlage, waren die japanischen sogar relativ höher.
Unerheblich waren sie aber auch nicht.
 
Unerheblich waren sie aber auch nicht.

Das hatte ich auch nicht behauptet, sondern die Reparationsfrage als Konsequenz der Staatskontroverse dargestellt.

Wie Melchior außerdem zutreffend angemerkt hat, kann man bei der DDR unter ihren Bedingungen und mit anderen Adressaten ebenfalls Lasten identifizieren. Das Thema ist also zusätzlich mit Absprachen der Allierten, die dann im Zuge der Blockkonfrontation beendet wurden, überlagert.

Das zeigt gut, dass solche Einzelwahrnehmungen in den Kontext zu stellen sind:
Reparationen ? Wikipedia

Man stellte mE keinen Kult über das "Erbe der Täter" auf, sondern über das Erbe des (vorerst verlorenen) Nationalstaates. Das ist eine Umschreibung des "Provisoriums BRD".
 
@silesia: "Wirtschaftliche Mythen sehe ich nicht":

Ach ja? Dann geh doch mal versuchsweise auf die Strasse und stell gegenüber einem Zeitzeugen mal die deutsche Leistung beim sogenannten "Wirtschaftswunder" in Frage. Vielleicht mit dem Argument, dass u.A. die "Siegermächte" ohne CCCP ein Interesse daran hatten, dass der Grenzstaat BRD wirtschaftlich erfolgreich war als die DDR (Zum Siegen verdammt, sozusagen) und das man den Exportüberschuss überhaupt nur mit deren Förderung/Einkäufen aufbauen konnte.

Das stösst dann üblicherweise auf heftigen Widerstand, weil es allein deutscher Fleiss und deutsche Leistung gewesen sein müssen, die uns wieder an die Seite der anderen großen Wirtschaftsräume gebracht haben.
Und diese Reaktion wiederum ist für mich ein sanfter Hinweis auf eine Mystifizierung.

Man hätte sie darüber aufklären können, dass die "Schuldfrage"/Reparationen Kehrseite der Medaille "Alleinvertretungsanspruch" (idF Wiedervereinigung) usw. gewesen ist. Das hätten sie vermutlich verstanden.

Dazu würde ich sehr gerne etwas schreiben, es liegt mir auch schon auf der Zunge, aber: So, wie du es schreibst, habe ich es nicht verstanden.
Wofür genau soll die BRD einen "Alleinvertretungsanspruch" gehabt haben? Und vor allem: Welcher angebliche Prozess führte noch mal "in der Folge" - also automatisch - zur Wiedervereinigung?
Kannst du das noch mal etwas genauer ausführen?

@melchior:
Wenn ich nur sicher sein könnte, dass ich mich heute noch mit der Mehrheit der Deutschen auf den Schwur von Buchenwald einigen könnte, wäre ich hinsichtlich der aktuellen Prozesse viel entspannter. Leider verspanne ich mich derzeit eher bei den Fernsehnachrichten.

Faschismus ist nicht die NSDAP, sondern ein besonders in Krisenzeiten erfolgversprechendes System totalitärer Herrschaftsausübung, das nach einem festgelegten Spielplan abläuft. Und dazu gehört - nur als ein kleines Beispiel - die Zusammenlegung der Daten und Erkenntnisse von Polizei und Geheimdiensten. Klingelts?

Danke übrigens für den Link, das liest sich sehr spannend. Auch wenn das MfS darin für die Existenz von Akten zu führenden Nazis aus politischen Gründen gerügt wird, ohne darauf Bezug zu nehmen, dass es offenbar in der BRD keine vergleichbaren Aktenbestände gab - oder sie eben nicht ausgewertet wurden.

Stark verkürzt. Die DDR benötigte in ihrem Selbstverständnis keine Aufarbeitung der Geschichte des III. Reiches, da sie per se die antifaschistische Traditionslinie fortsetzte.

Touché. Da haben wir einen echten "Staatsmythos" der DDR aufgezeigt. Das hilft unserem Schüler Peter zwar nicht in seiner Fragestellung, aber ich würde dir Recht geben. Interessant trotzdem, dass die Vorbildfunktion des antifaschistischen Widerstands nicht im Gegenzug zu mehr Widerstand gegen autoritäre Strukturen in der DDR geführt hat.

Ich muss aber auch feststellen:
Der Spruch "Nazis gab es auch in der DDR" (dooooof...) kommt oft, manchmal auch "in führenden Positionen". Aber ich habe immer noch nicht ein einziges vorzeigbares Beispiel für diese Behauptung gefunden bzw. gezeigt bekommen.

Wenn ich nur die Forschungen zu den einzelnen Behörden in der BRD des letzten halben Jahres nehme, kann ich dir in der BRD hunderte davon zeigen. Und zwar nicht Mitläufer sondern (teilweise: Haupt-)täter.
Und derzeit läuft die Aufarbeitung dieser Tatsache darauf hinaus: Das ging doch garnicht anders, das spielt doch heute keine Rolle mehr, die sind doch alle tot.
Die deutsche Behörde ist aber leider eine sehr traditionsgebundene Einrichtung, und diese heute noch laufenden Traditionen wurden offensichtlich an vielen Stellen durch Faschisten fest gezurrt.
Da entsteht demnach gerade ein Mythos ganz anderen Kalibers.

Man brauchte Antibolschewisten am eisernen Vorhang, und da galt folgsame Planung und Ausführung von Verbrechen gegen Bürger von Polen, Tschechien, Ungarn und besonders der SU als "Schlüsselqualifikation", will mir scheinen.
Adenauer beschäftigt Globke, Kiesinger alleine war mit seiner Karriere schon einfach nur peinlich.
Und beide waren leider keine Mythen.
 
@ogrim

Das Thema ist hoch emotional, ich weiß, ich jedenfalls werde mich bemühen, den Emotionen möglichst wenig Raum zu geben.

Ich weiß, Du magst keine Wiki-Verweise, aber schau mal hier:

Liste ehemaliger NSDAP-Mitglieder, die nach Mai 1945 politisch tätig waren ? Wikipedia

Die Datenzusammenführung von Polizei und Geheimdiensten ist nicht Faschismus, das wäre zu simpel und so hast Du es wahrscheinlich auch nicht gemeint.

Ich weiß nicht, ob Du jemals in einem totalitären Regime gelebt hast, wenn nein, Dein Glück, wenn ja, wirst Du mich umso mehr verstehen. In einem totalitären Regime steht der Geheimdienst, die Polizei, die Justiz und der Strafvollzug am Ende der staatlichen, strukturellen Repressionskette. Die Repression ist vielmehr strukturell in der Gesellschaft angelegt (KiTa => Schule => Armee => Berufsleben => persönliches Umfeld => Wirtschaft).

"...Man brauchte Antibolschewisten am eisernen Vorhang, ..."

Sicher brauchte man die, aber die andere Seite hat den "Eisernen Vorhang" auch gut bewacht und vor Verbrechen sich dabei nicht gescheut.

Noch etwas zur DDR, in der KVP/NVA haben, zumindest in den Anfangszeiten, so wie in der BW, ehemalige WM-Offizier Dienst getan, vllt. nicht in herausgehobenen Führungspositionen, aber Vincenz Müller war schon wer:

Vincenz Müller ? Wikipedia

Und eine eigene Partei zum "Auffangen" ehemaliger PG's, auch da hatte die DDR was zu bieten:

National-Demokratische Partei Deutschlands ? Wikipedia

M.
 
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@silesia: "Wirtschaftliche Mythen sehe ich nicht":

Ach ja? Dann geh doch mal versuchsweise auf die Strasse und stell gegenüber einem Zeitzeugen mal die deutsche Leistung beim sogenannten "Wirtschaftswunder" in Frage. Vielleicht mit dem Argument, dass u.A. die "Siegermächte" ohne CCCP ein Interesse daran hatten, dass der Grenzstaat BRD wirtschaftlich erfolgreich war als die DDR (Zum Siegen verdammt, sozusagen) und das man den Exportüberschuss überhaupt nur mit deren Förderung/Einkäufen aufbauen konnte.

Das stösst dann üblicherweise auf heftigen Widerstand, weil es allein deutscher Fleiss und deutsche Leistung gewesen sein müssen, die uns wieder an die Seite der anderen großen Wirtschaftsräume gebracht haben.
Und diese Reaktion wiederum ist für mich ein sanfter Hinweis auf eine Mystifizierung.

Logischerweise wäre das eine Mystifizierung, sofern die Hypothese einer Steuerung ("Interesse") der westlichen Siegermächte am "Exportwunder" zutreffen würde.

Ob Deine Vermutung stimmt, dass hier die "Wurzel" liegt (infolgedessen der deutsche Anteil am "Exportwunder" einen Mythos darstellt), oder ob man hier nur über Randbedingungen diskutiert, kannst du an der wirtschaftshistorischen Fachliteratur prüfen. Dort liegen in gesättigter Form Untersuchungen über Außenhandelsströme, Strukturen und Regionen :)winke:), Innovationen, Subventionen, korrespondierende Kapitalflüsse etc. vor, so dass man ohne Probleme fündig wird, wenn man sich mit den ökonomischen Verhältnissen der Nachkriegszeit näher beschäftigen möchte.


Dazu würde ich sehr gerne etwas schreiben, es liegt mir auch schon auf der Zunge, aber: So, wie du es schreibst, habe ich es nicht verstanden. Wofür genau soll die BRD einen "Alleinvertretungsanspruch" gehabt haben? Und vor allem: Welcher angebliche Prozess führte noch mal "in der Folge" - also automatisch - zur Wiedervereinigung?
Kannst du das noch mal etwas genauer ausführen?

Von Automatismus habe ich nicht gesprochen, Folge war rein temporär gemeint.

Zum Alleinvertretungsanspruch können wir die DDR als Kronzeuge auftreten lassen, mit dem Terminus "Alleinvertretungsanmaßung". Hier steht eigentlich alles drin:
Alleinvertretungsanspruch ? Wikipedia
Rechtslage Deutschlands nach 1945 ? Wikipedia

Zum materiellen Zusammenhang von Reparationen und Alleinvertretungsanspruch findest Du hier den Einstieg:
Londoner Schuldenabkommen ? Wikipedia

oder aber gleich:
Krüger: Deutschland und die Reparationen
Fisch: Reparationen nach dem Zweiten Weltkrieg
Eichhorn: Reparation als völkerrechtliche Deliktshaftung: Rechtliche und praktische Probleme unter besonderer Berücksichtigung Deutschlands (1918-1990)
 
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@melchior,
vieleicht ist auch garnicht das Thema emotional, sondern die Reaktion auf wenig vertretene Positionen. Danke vielmals für die Verweise, damit werde ich mich im Anschluss mal eingehend beschäftigen.

Ich erlaube mir kein abschliessendes Urteil darüber, welches System jeweils mehr oder weniger totalitär ist, sondern ich suche nach Wegen, Maßnahmen zu erkennen, die auch von totalitären Regimen benutzt wurden. Und dazu gehört die Zusammenlegung von Informationen ebenso wie die zunehmende Überschneidung von politischen Instanzen/Gewalten.
Trotzdem bin ich dankbar, dass ich nicht in noch totalitäreren Systemen groß geworden bin, wie Bayern z.B. (unangemessener Scherz!)

Die Erfahrungen mit dem deutschen Faschismus zeigen aber, dass man dem Faschismus und seinen Trägern nicht beim Wachsen zusehen kann, sondern auf einmal morgens darin wach wird, wenn man nicht früh genug warnt.

Natürlich hatte ich es differenzierter gemeint, als "Zusammenlegung ist Faschismus".
Ich behaupte auch nicht, dass ich derzeit ein faschistisches Land aus der jüngeren Geschichte kenne.

Aber die Schülerfrage scheint sich erledigt zu haben, meinetwegen können wir das Thema auch ruhen lassen oder bei Bedarf verlagern.
 
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Aber die Schülerfrage scheint sich erledigt zu haben, meinetwegen können wir das Thema auch ruhen lassen oder bei Bedarf verlagern.

Eine Anregung/Bitte. Das Thema des Mythos ist für mich noch aktuell und ich werde noch was dazu schreiben.

Vielleicht kann man es teilen und den Mythos nach "Deutschland" verschieben und Eure Dikussion Melchior/Ogrim in ein neues Thema.
 
Stark verkürzt. Die DDR benötigte in ihrem Selbstverständnis keine Aufarbeitung der Geschichte des III. Reiches, da sie per se die antifaschistische Traditionslinie fortsetzte.

Eine ganz interessante "Hausarbeit" zu dem Thema Gründungsmythos der DDR.

Der Gründungsmythos der DDR- Katalysator für den Legitimationsverlust des ... - Anonym - Google Bücher

Kurz eine Anmerkung zum Gründungsmythos: Zwei Aspekte werden, so zumindest meine Meinung, bei der bisherigen Dikussion nicht ausreichend berücksichtig.

1. Die historische Bedeutung von Gründungsmythen: Grundsätzlich sind drei Formen von Mythen zu erkennen, die in der Diskussion m.E. nicht ausreichend differenziert wurden:
- Gründungsmythen
- "große" Mythen
- "kleine" Mythen

Zu unterschieden sind diese Mythen hinsichtlich der historischen Performanz und der Breite der Geltung des Mythos.

Bei den Gründungsmythen lassen sich kaum beliebige Mythen nennen, sondern es sind primär "singuläre" Ereignisse bzw. Bezüge:
- Italien: Romulus
- Frankreich: Sturm auf die Bastille
- USA: Frontier-Mythos
- UdSSR: Bürgerkrieg
- Deutsches Reich (1871): Barbarossa- und Nibelungen-Mythos

Auf die "großen" und "kleinen" Mythen soll nicht eingegangen werden. Wichtig für die Gründungsmythen ist die breite Akzeptanz, die sie erfahren. Deshalb unterscheiden sich Gründungsmythen nicht unerhelblich von "Gründungsideologien", die im embryonalen Stadium ihrer stagnierenden Entwicklung eine hochgradige Entfremdung zu den Sinnwelten der Bevölkerung einer Nation aufweist (wie m.E. im Fall der DDR)

2. Die kulturelle bzw. soziale Akzeptanz von Gründungsmythen im Rahmen der Sinnwelten: Vor diesem Hintergrund stellen Gründungsmythen mächtige Ideologiesysteme dar, die via Kommunikation (Narration) komplexe, teils auch widersprüchliche Sinnwelten stiften. Ihre Bedeutung erhalten die Mythen in ihrer Rolle als legitimationsstiftendes Konstrukt, um die Selektion einer Alternative aus einem Set von alternativen Handlungsmustern zu rechtfertigen, wie im 2. und 3. Reich sehr ausgeprägt.

Da diese Form der Stiftung von Sinnwelten durch eine - auch politische - Sozialisation vermittelt ist und sich als Einstellungssyndrom materialisiert, wirkt sie über bruchhafte Veränderungen (wie dem Zusammenbruch des 3. Reichs) hinaus.

In diesem Sinne ist es, m.E., mehr als fraglich, ob die BRD einen Gründungsmythos hatte, da dieser Gründungsmythos in Rivalität zu den bisherigen Deutungsmustern hätte treten müssen. Und sie entweder komplett auslöschen, sie überlagern oder neu reinterpretieren.

Vor diesem Hintergrund wären alternative zwei Thesen zu untersuchen:
- Es gab überhaupt keinen Gründungsmythos für die BRD
- Es gab eine Persistenz des vorhandenen Gründungsmythos (von 1871), Reinterpretiert im 3. Reich und mit der Gründung der BRD lediglich einer Anpassung unterworfen wurde.

Diese letzte Variante erscheint mir persönlich als die plausibelste. Und deshalb auch der Verweis auf zwei Bücher (auch wenn der erste Link bereits gesetzt wurd), die teilweise konsistent sind zu der These.

Die Deutschen und ihre Mythen - Herfried Münkler - Google Bücher

Politischer Mythos und symbolische Politik: Sinnstiftung durch symbolische ... - Andreas Dörner - Google Bücher
 
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@Thane

"...Deshalb unterscheiden sich Gründungsmythen nicht unerhelblich von "Gründungsideologien", (Hervorhebung durch mich)die im embryonalen Stadium ihrer stagnierenden Entwicklung eine hochgradige Entfremdung zu den Sinnwelten der Bevölkerung einer Nation aufweist (wie m.E. im Fall der DDR)..."

Da genau hast Du recht. Gründungsmythen und Gründungsideologien sind zwei Seiten. Der "Gründungsmythos" der DDR war der Antifaschismus, die "Gründungsideologie" der Sozialismus/Kommunismus, von mir aus auch der ML.

Während sich auf den Antifaschismus als Mythos faktisch alle einigen konnten, war die "Gründungsideologie" der DDR bis zu letzt problematisch, nicht umsonst mußte in der geteilten Nation, sich die eine Seite (DDR) hermetisch abriegeln.

Gründungsmythen wären jenseits der Unterscheidung von "groß", "klein", faktisch der kleinste gemeinsame Nenner aller angehörigen einer Nation. Eine "Gründungsideologie" gleichsam der kleinste gemeinsame Nenner der "politischen Klasse", der weit über den kleinsten gemeinsamen Nenner einer Nation hinausgeht.

Für die BRD wäre aus meiner Sicht der "Gründungsmythos", "wir haben es überlebt und sind davon gekommen", "es geht wieder aufwärts" (Währungsreform), "es wird doch alles nicht so ernst genommen" (z.B. Bodenreform, hat m.w. in Hessen sogar Verfassungsrang) etc. Also eine die unmittelbare Vergangenheit verneinende Form, zusammengefaßt, der Mythos des "Vergessens". Der in der BRD dann in den 1960/70'er Jahren dann auch nachträglich die Gesellschaft umgetrieben hat.

Die "Gründungsideologier" der BRD war mit Sicherheit "Antinationalsozialsmus", gesellschaftlicher und sozialer Konservativismus und die Anlehnung an die drei westlichen Siegerstaaten, Höhepunkt die Aussöhnung mit Frankreich und der Versuch mit Israel (ab 1952) ein einigermaßen "normales" Verhältnis herzustellen.

M.
 
Danke an Euch beide, da sind einige gute Gedanken zusammen gekommen.

Erst Melchior:
Die Definition von "Gründungsideologie" ist gut und leuchtet gerade bei deinen ostdeutschen Beispielen ein.

Ob Gründungsmythen allerdings den "kleinsten Nenner" darstellen müssen, das wage ich zu bezweifeln.

Und:
Die "Gründungsideologier" der BRD war mit Sicherheit "Antinationalsozialsmus", gesellschaftlicher und sozialer Konservativismus und die Anlehnung an die drei westlichen Siegerstaaten,

Deine Sicherheit möchte ich haben.
Konservativismus wäre ja schlimm gewesen und war niemals mehrheitsfähig (im Gegenteil! Konservativ hiess im Westen immer wertbewahrend bis über den Nationalsozialismus hinaus, wenn man es genauer betrachtet).
Anlehnung an die jeweiligen Siegerstaaten hat meiner Perspektive nach nichts mit Mythen, sondern vor dem Verhalten beider deutscher Staaten eher etwas mit überleben zu tun.
 
@thanepower:

Das Wichtigste zuerst:
Ich teile deine Auffassung zu 2., bin aber der Meinung (1.), dass die BRD keinen richtigen Gründungsmythos nach unseren ersten Definitionen hatte.

Aus Ermangelung eines solchen ging man auf Theoreme zurück, was genau spezifisch "deutsch" war. Interessanterweise stammen diese aus verschiedenen Zeiten und wurden versucht, als "große" Mythen in deiner Definition zu verwenden.

Um das zu belegen: Im Nibelungenlied ist an keiner Stelle die Rede davon, dass Siegfried fleissig, pünktlich oder folgsam gewesen wäre.
Das sind vielmehr preussische Tugenden, die in der Phase preussischer Vorherrschaft über Zentraleuropa verbreitet wurden und Eingang in den größeren Mythos der Deutschen fanden. Solche und ähnliche Vorgänge lassen sich zahlreich aufzeigen.

Ein Gründungsmythos ist folglich ebenso wie ein großer Mythos nicht unveränderlich, er kann umdefiniert werden.

Das wären nach deinem Beitrag Fragen, die mich weiter beschäftigen würden: Was sind die besonderen Bedingungen solcher Mythen, wie überleben sie die Brüche, wer wählt sie aus und definiert sie?
Und: Meines Erachtens ist die "Wacht am Rhein" die Zusammenfassung vieler, älterer "großer" Mythen.
 
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