Barbarossa
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Leider stellt sich das mit dem Wachsen einer jungen Demokratie nicht immer linear dar. Wenn politische Umbrüche, Inflation und Massenarbeitslosigkeit eintreten, vielleicht noch kriegerische Entwicklungen hinzukommen, kann jederzeit das gleiche Szenarium abrollen, wie wir das nach 1929 zu Weimrer Zeiten hatten. Ich bin da überaus pessimistisch, was sowohl Rassismus als auch autoritäre Systeme und Diktaturen angeht.
Die Geschichte ist noch nie geradlinig verlaufen. Nach der Blüterzeit einer Kultur kam stets auch ein Verfall. Daher ist auch nicht anzunehmen, daß die Zukunft anders verlaufen wird. Aber man kann aus der Vergangenheit lernen. Die Analyse einer Diktatur ist deswegen unumgänglich.
Schaut man sich die Weimarer Republik und dessen Verfall an, dann fällt folgendes auf:
- Wir haben es mit einer Nachkriegsgesellschaft zu tun.
Das heißt, wir haben es mit einer Vielzahl traumatisierter Menschen zu tun, die jahrelang fast ausschließlich Gewalt erlebt haben. Wir kennen das auch aus der jüngeren Geschichte (z. B. die US-Vietnam-Veteranen), daß sich solche Menschen nur sehr schwer wieder ins normale Leben eingliedern können. Auch die große Zahl in Deutschland, die bei den "Freikorps" einfach weiter Krieg machten, beweist das.
- In Deutschland gab es noch wenig demokratische Traditionen. Die einzige Revolution, durch die eine Demokratie in Deutschland entstehen sollte, war 1848/49 und wurde niedergeschlagen.
Der seit 1871 regierende preußische Staat hatte keinerlei demokratische Traditionen. Zwar gab es im Kaiserreich bereits einen Reichstag mit demokratischen Parteien, jedoch hatten sie wenig Entscheidungsbefugnis. Die eigentliche Politik wurde vom Reichskanzler bzw. vom Kaiser gelenkt. Beide waren dem Reichstag nicht rechenschaftspflichtig. Seit 1916 war Deutschland faktisch sogar eine Militärdiktatur.
- Die Staatbeamten blieben auch nach der Novemberrevolution 1918 in ihren Positionen und sympatisierten weiterhin mit dem Kaiserreich.
- Nicht zuletzt hatte die Weimarer Republik einige verfassungsmäßige Schwächen, die dann im GG 1949 beseitigt wurden.
Im Grunde genommen war die Zeit zwischen 1919 und 1933 zu kurz, um eine gefestigte Republik entstehen zu lassen mit Bürgern, die von der Demokratie überzeugt waren. Genau genommen war diese Republik sogar sehr häufig krisengeschüttelt und lediglich die Zeit von 1924-1929 war eine Zeit relativer Stabilität.
Selbst durch die Entstehungsgeschichte mit dem als Schmach empfundenen Versailler Diktat, trug diese Republik eine schwere Hypothek mit sich herum.
Hinzu kommen noch die Hintergründe, die Dieter nannte.
Das alles zusammen scheint es Hitler leicht gemacht zu haben, an die Macht zu kommen. Er brauchte nur genug Stimmen bei den Wahlen.
Interessant ist dagegen das Verhalten der Bevölkerung.
Hitler bekam bei keiner der auch nur halbwegs demokratischen Wahlen (insbes. im März 1933) den Stimmenanteil, den er gern gehabt hätte. Diktator konnte er erst durch das "Ermächtigungsgesetz" werden.
Erst die Jahre danach bescherten der NSDAP einen Zulauf, der selbst die Nazis überraschte. Sie mußten sogar einen Aufnahmestopp verhängen.
Die scheinbaren Verbesserungen vor allem beim Abbau der hohen Arbeitslosigkeit scheit u.a. den Ausschlag gegeben zu haben.
Aber auch die Aussicht, einer privilegierten Elite anzugehören, dürfte eine Triebfeder für diesen massenhaften Zulauf gewesen sein.
Weiterhn gab es natürlich auch im NS-Staat die schweigende Mehrheit und auch Nazi-Gegner.
Eine Bevölkerung besteht immer aus diesen verschiedenen Kategorien.