Gefolgschaftskrieger und Stammeskrieger - Aufgebote und Adelige
Das beste Beispiel dazu ist wohl
Ariovist, den Cäsar angriff und aus Gallien herausdrängen konnte. Ariovist hatte vom römischen Senat den Titel "König und Freund der Römer" erhalten und führte wohl eine Koalition verschiedenster, germanischer Stämme - vornehmlich suebischer Abkunft!
Einige haben versucht aus den Angaben weitere Erkenntnisse zu gewinnen und so sieht etwa Klaus Tausend den Ariovist einerseits als einen Dux und andererseits bereits Elemente eines Heerkönigs in ihm. Es werden viele Stämme erwähnt, die ihm wohl gefolgt waren, aber als Resultat ihrer Siege über die Gallier hatten sie nicht etwa die Kelten verdrängt, sondern sich zwischen diesen Angesiedelt. Das spricht gegen eine gewöhnliche Landnahme "wandernder Stämme". Wenn aber andererseits so viele Stämme genannt werden, die dennoch nicht raumgreifend in der Lage sind das Land direkt an sich zu reißen, dann seien die Männer des Ariovist wohl eher Gefolgschaftsverbände germanischer Adeliger statt klassischer "Stammeskrieger"! Dafür spreche einiges:
Erstens hatten - weniger die gewöhnlichen Legionäre, dafür aber umso mehr der gebildete Anhang Cäsars und Offiziere einen Heidenrespekt vor den Germanen vor der Schlacht, was für "Elitekrieger" spricht, die den Kern von Gefolgschaften auszumachen pflegten!
Zweitens spricht Ariovist selbst im Gespräch mit Cäsar davon, dass seine Männer bereits seit Jahren kein Dach mehr über dem Kopf gehabt hätten. Ein solcher Lebensstil über Jahre hinweg ist von gewöhnlichen "Stammeskriegern", die als Aufgebot Weib und Kind verteidigen würden oder auch nur auf Landsuche sind, wohl kaum zu erwarten. Erklärbar sei es aber wenn man davon ausgehe, wenn es sich um Gefolgschaftskrieger adeliger Herren handele, die ihre Waffen zum Ruhme für die Interessen ihres Herrn ergriffen hätten... (Das wäre eine Art germanisches Äquivalent zu "Berufssoldaten", denen man ein solch hartes Leben wohl schon zumuten könne).
Als Drittens würde ich noch die recht planvolle und disziplinierte Kampfesweise der Germanen gegen Cäsar als Argument sehen. Wir finden keine wilden Zweikampfforderungen, kein zahlreiches Volk das den frühen Kampf erzwingen kann. Stattdessen erreicht Ariovist zu Anfang durch geschicktes Stellungsspiel Vorteile, indem er ein weiteres, offensichtlich befestigtes Lager errichtet! Man vergleiche das mit dem Verhalten der Germanen beim Kimbern & Teutonenzug, als die Germanen das Lager des Marius kampffordernd mit Mann und Maus umzogen. Oder mit Fällen, wo die Männer die frühe Schlacht von ihren Führern erzwangen, damit sie wieder ins Zivilleben zurückkonnten...
Also angenommen dass sich die Scharen des Ariovist weitgehend aus adeligen Gefolgschaften zusammensetzten, die ihrerseits von Adeligen diverser Stämme gestellt worden waren: Es würde die zahlreichen erwähnten Stammesnamen erklären, die bei Ariovist involviert waren. Wobei einige Stämme später erst viel weiter im Osten Erwähnung finden und bei Cäsar im französisch-schweiznahen Raum auftauchen! Da Gefolgschaften gewöhnlich weniger mit Frau und Kindern auszogen, wundert es dann nicht, dass Ariovist auch eine Keltin als Frau zu sich nahm. Überhaupt sieht man bei den späteren Kämpfen des Cäsars gegen wirkliche "wandernde Germanenvölker" sehr wohl wieder den Anhang (Familien) seiner Feinde hervorgehoben... Ariovists führte diese Kämpfer an und doch fallen noch wenigstens zwei weitere Namen germanischer Anführer in seinem alten Verband, die aber an der Schlacht nicht teilnehmen. Es dürfte sich dabei um weitere Gefolgschaften gehandelt haben.
Also allgemein zu den Germanen gesagt: Wir alle kennen die gewöhnliche Vorstellung von Stammeskriegern, wenn ein Stamm seine Mannschaften aus dem Zivilleben zu den Waffen ruft um zu kämpfen. Dann legte der gewöhnliche Bauer seine Sichel beiseite und griff zu den Waffen, die er sich leisten konnte und formierte mit seinen Nachbarn zusammen einen Kriegerhaufen, der sich einem Adeligen, oder sonstigen geachteten Mann unterstellte als Führer für den Kampf. Mehrere solche Haufen formierten dann das Gros der Stammesarmee. Zu diesem etwas "romantischen" Kriegertyp trat der Gefolgschaftskrieger. Zum Gefolgschaftswesen schreibt Tacitus in seiner Germania einiges. Diese Männer schlossen sich einem geachteten Adeligen an und erwarteten von diesem Unterhalt und auch Waffen, sowie Geschenke und Möglichkeiten zu Kampf und Ruhm. Im Gegenzug dienten sie diesem Herrn unbedingt. Den Gefolgschaftsherren brachte eine tüchtige und kopfstarke Gefolgschaft besondere Anerkennung und Gewicht (Prestige) innerhalb und außerhalb seines Stammes. Er konnte sie für Kriegs- oder Beutezüge einsetzen, oder tatkräftig auch gegen einen Konkurrenten führen...
Wenn der Threadstarter mit seiner Frage nach "Führung" nun Offiziersränge erwartet, muss ich ihn enttäuschen! Die Germanen jener Zeit kannten keinen Staat und wohl auch keine explizite Steuer (eher Geschenke oder gar Tribute und wohl auch ein gewisses Klientelwesen) und daher auch keine damit finanzierte Armee! Die freien Männer konnten sich bis zu einem gewissen Grade ihre Anführer selbst aussuchen. Dafür prädestiniert waren Männer mit Ruhm, Prestige und wohl auch einigen Besitz - kurzum aus der Oberschicht oder dem Adel. Um solche Männer scharten sich schon in Friedenszeiten Gefolgschaften von Kriegern und der Ruhm der Krieger (oder gar der Besten unter ihnen)) kamen dem Prestige ihres Herren zugute. Häufig gruppierten sich die "Bauernkrieger" eines Stammes im Ernstfall um solche Gefolgschaftsherren, deren Gefolgschaftskrieger dann den Kern einer solchen Truppe bildeten. Die "Haufen" mehrerer solcher Adeliger zusammen bildeten dann eine Armee und der Geachtetste unter ihnen führte sie alle an... Ein „Dux“ / Herzog war ein Anführer, dem sich andere Adelige mit ihren Kräften eher freiwillig unterstellten. Ein „König“ konnte derartige Unterordnung einfordern. In der Praxis scharten sich aber auch um Könige freiwillig weitere Kräfte und mancher dieser Adeligen waren im Kleinen gesehen auch so etwas wie „Könige“. Nicht umsonst spricht man auch 400 Jahre später von den Kleinkönigen der Goten oder der Alamannen. Etwa hier:
Schlacht von Argentoratum ? Wikipedia