Heiligenfiguren

Lukrezia Borgia

Moderatorin
Hallo zusammen!

Nach langer Zeit kommt hier wieder einmal ein Beitrag von mir. Und zwar bräuchte ich Rat bei der Bestimmung von Heiligen auf einem alten Schrank.
Links ist ein Mann mit einem Buch und einem Rad zu sehen, der zugleich ein Schwert und einen Kopf beigegeben hat.
In der Mitte befindet sich die Gottesmutter und daneben ein Stifter (?).
Rechts ein gekrönter Mann, der seinen Mantel über einen Pilger ausbreitet und ein Körbchen mit Kugeln in der Hand hat.

Ich habe zwar verschiedene Vermutungen, aber so ganz will das nicht passen und ich will auch nicht zu viel verraten, um euch nicht in eine Richtung zu schieben. ;) Ich wäre dankbar für eure Meinungen!

Viele Grüße!
 

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Hallo Lukrezia, schön, daß Du da bist.
Also, wissen tu ich es auch nicht. Ein abgehackter Kopf erinnert mich erstmal an Johannes den Täufer. Liegt der denn auf einem Teller?
Hat David nicht auch Goliath den Kopf abgeschlagen?
 
Hallo hjwien!

Ja, ich musste auch anfangs an Johnannes den Täufer denken, aber warum dann das Rad? Und auch ansonsten wäre das eine ganz untypische Darstellung. David aus dem alten Testament ist es auch ganz sicher nicht.

Es gibt etliche Heilige, denen der Kopf abgeschlagen wurde, wie etwa Dionysius von Paris oder Paulus. Aber das Rad passt einfach nicht dazu; auch nicht die Kleidung. :winke:

Viele Grüße
 
Das Rad weist doch auf eine Folterung bzw. Hinrichtung durch Rädern hin, was in der Antike zwar eher unüblich, aber nicht unbekannt war, siehe den Mythos um Ixion. Dazu passen aber nicht so recht der Kopf und das Schwert, die auf Tod durch Enthaupten hinweisen. Man müsste also nach einem Gelehrten oder Priester (wegen des Buches) suchen, der zuerst am Rad gefoltert und dann enthauptet wurde. Mir fällt jedoch niemand dazu ein.

Bei der anderen Gestalt würde ich, wenn sie keinen Bart hätte, auf die hl. Elisabeth von Thüringen tippen, da sie zumindest einer königlichen Familie (Krone) entstammte und Landgräfin war, sich der Armen-/Krankenpflege widmete und oft mit einem Brotkorb dargestellt wird.
So aber muss es sich um eine männliche hohe Persönlichkeit handeln, die karitativ tätig war.
 
Tja, ein Mann mit einem Schwert und einem Buch sieht ja sehr nach einem Richter aus. Muß man im Rad ein Torturinstrument sehen? Oder kann man darin im christlichen Raum noch ein Lebenssymbol sehen?

Und kann man anhand der Krone bei der rechten Figur nicht erkennen, welchen Rang er hatte?
Hab mal nachgeschaut, nach der Heraldik wäre das wohl nur eine einfache Adelskrone.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das Rad kann allegorisch auch auf das Schicksal (Rota Fortunae) hinweisen, was ich hier allerdings ausschließen würde.
Handelt es sich wirklich um Heiligenfiguren?
Was sagt die Legenda Aurea?

Ein Heiliger, der enthauptet wurde, außer Johannes dem Täufer, wäre Saulus-Paulus. Allerdings wird der meist mit Glatze dargestellt, was hier ja nicht der Fall ist.
 
Bei der Figur mit Krone und Korb könnte es sich um Gottfried von Cappenberg ? Wikipedia handeln: Er entstammte zumindest einem Grafengeschlecht, war karitativ tätig und wird mitunter mit einem Brotkorb dargestellt. Übermäßig bekannt und bedeutend ist er freilich nicht. Es wäre hilfreich, etwas mehr über den Schrank zu erfahren. Stammt er eventuell aus Westfalen (wo Gottfried herstammte) oder Wetterau (von wo er Schutzpatron ist)?
 
Gegen Johannes den Täufer spricht neben dem Rad eigentlich auch die Rasur.

Jakobus dem Älteren würde der abgeschlagene Kopf im Prinzip noch gut passen: er wurde auch als der Maurentöter dargestellt (was die seltsame Kopfbedeckung des Getöteten erklären könnte). Aber eben das Rad und die Rasur...

Eine faszinierende Möglichkeit wäre noch die Hl. Katharina von Alexandrien, eine Frau also: Rad und Schwert und der fehlende Bart würden zwar hervorragend stimmen, nur der Kopf will hier ganz und gar keinen Sinn ergeben.

Auch Matthäus könnte sich übrigens zu den Kandidaten einreihen: wurde auch mit Schwert dargestellt und war Schutzpatron der Geldwechsler, sodass er auch mal einen Geldbeutel in der Hand hält. Ob das Ding in der linken Hand der Figur als mittelalterlicher Geldbeutel interpretiert werden kann, den die Figur umgekehrt hält, um die Leere darin auszudrücken, ist ein bisschen fraglich... :) Auch der Kopf wäre hier schwierig zu erklären, und dann folgt noch die Frage zur Rasur...

Schwierig!
 
Herzlichen Dank an alle, die sich beteiligt haben! :yes:

Handelt es sich wirklich um Heiligenfiguren?

Ja, das war auch bereits eine Vermutung von mir. Oder anders gesagt: Ja, es sollten Heilige dargestellt werden, aber der Schnitzer hat es entweder aus Unkenntnis oder weil er einfach nur ein dekoratives Stück gestalten wollte, mit den Attributen nicht so ernst genommen. Also mehrere Heilige wurden zu einem verschmolzen.

Was sagt die Legenda Aurea?

Muss ich noch nachsehen. :winke: Beim Rad wäre auch noch der hl. Sebastian eine Möglichkeit, da würde auch das Outfit passen, aber der wurde ja mit Pfeilen getötet.

Ravenik schrieb:
Bei der Figur mit Krone und Korb könnte es sich um Gottfried von Cappenberg ? Wikipedia handeln: Er entstammte zumindest einem Grafengeschlecht, war karitativ tätig und wird mitunter mit einem Brotkorb dargestellt.

Hab herzlichen Dank für den Hinweis, auf den wäre ich im Leben nicht gekommen. Bisher scheint das am vielversprechendsten zu sein - vorausgesetzt, dass es sich um wirkliche Heilige handelt.

Es wäre hilfreich, etwas mehr über den Schrank zu erfahren. Stammt er eventuell aus Westfalen (wo Gottfried herstammte) oder Wetterau (von wo er Schutzpatron ist)?

Er ist seit spätestens 1900 in einer Berliner Bildungsbürgerfamilie nachgewiesen. Ich vermute, dass es sich um ein neogotisches, historisierendes Stück aus der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts handelt. Bei einem echten gotischen Schrank sind geschnitze figürliche Darstellungen nämlich höchst selten. Da müsste man aber einen Experten drüberschauen lassen.
 
Ich vermute, dass es sich um ein neogotisches, historisierendes Stück aus der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts handelt. Bei einem echten gotischen Schrank sind geschnitze figürliche Darstellungen nämlich höchst selten. Da müsste man aber einen Experten drüberschauen lassen.
Das dachte ich auch. Das Holz - nehme an, es ist Eiche - ist zudem auch ungewöhnlich hell.
 
Jakobus dem Älteren würde der abgeschlagene Kopf im Prinzip noch gut passen: er wurde auch als der Maurentöter dargestellt (was die seltsame Kopfbedeckung des Getöteten erklären könnte). Aber eben das Rad und die Rasur...

An Santiago Matamoros habe ich auch kurzzeitig gedacht, aber der Dargestellte ist ja recht jung, was nicht so ganz passen will, außerdem fehlen die typischen Jakobsattribute, wie Wanderstab, Jakobsmuschel, der breitkrempige Hut der einem Südwester ähnelt.
Ich habe daher weiter in die Richtung Antijudaismus und Inquisition gedacht, bin da aber nicht wirklich weiter gekommen.
 
An Santiago Matamoros habe ich auch kurzzeitig gedacht, aber der Dargestellte ist ja recht jung, was nicht so ganz passen will, außerdem fehlen die typischen Jakobsattribute, wie Wanderstab, Jakobsmuschel, der breitkrempige Hut der einem Südwester ähnelt.
Ich habe daher weiter in die Richtung Antijudaismus und Inquisition gedacht, bin da aber nicht wirklich weiter gekommen.
Eine gute Möglichkeit! Der abgeschlagene Kopf (inkl. der Tracht des Toten) und die präsentierte Schrift muss irgendwie mit religiös motiviertem Töten in Zusammenhang stehen.

Hab jetzt immer noch über das Maurentöten nachgegrübelt, nicht zuletzt, da der Kasten ja durchaus aus dem 19. Jh. stammen könnte. Das wellige Haar und das rasierte Gesicht erinnert mich irgendwie an die Hunyadis der Türkenkriege, v.a. an Matthias Corvinus, der als erfolgreicher Türkenbekämpfer galt. Aber Du hast recht, dass die Frisur des Toten wenig maurisch, bzw. osmanisch aussieht.
 
Er ist seit spätestens 1900 in einer Berliner Bildungsbürgerfamilie nachgewiesen. Ich vermute, dass es sich um ein neogotisches, historisierendes Stück aus der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts handelt. Bei einem echten gotischen Schrank sind geschnitze figürliche Darstellungen nämlich höchst selten. Da müsste man aber einen Experten drüberschauen lassen.
Schade, dass nichts Näheres über die Ursprünge des Schranks bekannt ist. Wenn er für eine private Familie angefertigt wurde, wäre denkbar, dass die dargestellten Heiligen speziell auf die Bestellerfamilie abgestimmt wurden, also z. B. die Schutzpatrone ihrer Heimat oder ihrer Berufsgruppe darstellen. Dann könnten es aber sehr spezielle Heilige sein, die der breiteren Masse unbekannt sind.
 
Hab jetzt immer noch über das Maurentöten nachgegrübelt, nicht zuletzt, da der Kasten ja durchaus aus dem 19. Jh. stammen könnte. Das wellige Haar und das rasierte Gesicht erinnert mich irgendwie an die Hunyadis der Türkenkriege, v.a. an Matthias Corvinus, der als erfolgreicher Türkenbekämpfer galt. Aber Du hast recht, dass die Frisur des Toten wenig maurisch, bzw. osmanisch aussieht.

Zudem kam die Santiagopilgerei mit der Reformation außer Mode und erlebt erst in den letzten zwei Jahrzehnten ihr Revival.
 
Zudem kam die Santiagopilgerei mit der Reformation außer Mode und erlebt erst in den letzten zwei Jahrzehnten ihr Revival.
Wusste ich nicht. Hab den Jakobsweg noch nicht beschritten, vielleicht kommt es noch. Wäre mal auch Zeit für eine Besinnungsreise... :)

Habe gestern Nacht noch Deine Idee mit dem Antijudaismus etwas weiterverfolgt, v.a. da der abgeschlagene Kopf am ehesten den Darstellungen von Juden entspricht. Die Verfolgungen im MA scheinen mir für die Lösung tatsächlich die beste Spur zu sein.

Das Rad kann eigentlich nur zwei Bedeutungen haben (links ein Heiligenbild und Märtyrium auf dem Richtrad schließ ich mal aus): 1. Wappensymbol einer Stadt, oder einfach nur 2. Sinnbild des Rechtes, Körperstrafen, bzw. Todesurteile zu fällen.

Beim vermeintlich Heiligen auf der linken Seite vermute ich entweder einen mordenden Kreuzfahrer (Emicho von Mainz, Graf von Leiningen, wäre eine Möglichkeit, doch warum soll der später Geächtete auf einem Schrank verewigt worden sein...?), oder einfach nur einen Richter, vielleicht die Personifikation einer Stadt, wobei Mainz tatsächlich gut passen würde, zumal das Rad auch im Wappen präsent ist.

Der König rechts könnte (sofern man die Judenverfolgungen im Fokus hat) Heinrich IV. sein, der die Juden anfangs des 12.Jhs. unter seinen Schutz stellte. Er wird in der Lobschrift “Vita Heinrici imperatoris” zu seiner Zeit mit “König der Armen” tituliert. Die Frage ist nur, ob das für eine Darstellung im 19.Jh. reicht? Zudem wirft die Kopfbedeckung unter der Krone Zweifel auf.

Die Suche wird noch von Überlegungen zu den möglichen Referenzen nicht gerade vereinfacht, da es sich um historisierende Darstellungen handeln könnte.
 
Vielen herzlichen Dank an alle, die sich mit Gedanken gemacht haben! :winke:

Ich schrieb im ersten Beitrag:
Ich habe zwar verschiedene Vermutungen, aber so ganz will das nicht passen und ich will auch nicht zu viel verraten, um euch nicht in eine Richtung zu schieben. Ich wäre dankbar für eure Meinungen!

Meine Vermutung war, dass es ich um ein historisierrendes Möbelstück handelt und daher die Figuren nicht zuzuordnen sind. Man wollte "Heilige" darstellen und nicht "einen bestimmten Heiligen". Allerdings weiß ich, dass hier im Forum einige unterwegs sind, die sehr firm sind, was die Bestimmung von Attributen angeht und daher wollte ich euch erst mal ein wenig machen lassen.

Wichtig war es dem Künstler wohl, ein neogotisches Stück zu schaffen und dem Ganzem einen sakralen Hauch zu geben. Ahnung von hagiographischen Details hatte er ganz offensichtlich nicht.


Der König rechts könnte (sofern man die Judenverfolgungen im Fokus hat) Heinrich IV. sein, der die Juden anfangs des 12.Jhs. unter seinen Schutz stellte. Er wird in der Lobschrift “Vita Heinrici imperatoris” zu seiner Zeit mit “König der Armen” tituliert. Die Frage ist nur, ob das für eine Darstellung im 19.Jh. reicht? Zudem wirft die Kopfbedeckung unter der Krone Zweifel auf.

Dieser Schal scheint mir ein Kettenpanzer sein - ein Schreiner des 19. Jahrhunderts nahm es denke ich nicht mehr so genau, ob der nun am Hals anliegt, oder nicht. Ansonsten finde ich den Gedanken nicht schlecht, jedoch wird in mittelalterlichen Quellen ein "König der Armen" oftmals als Topos gebraucht und ist daher nicht so ernst zu nehmen. Wenn man sich die Biographie Heinrichs IV. ansieht (die Forschungsdiskussion der letzten Jahre mal ausgeblendet) eignet er sich im Übrigen auch nicht wirklich für eine Heiligendarstellung. :)


Schade, dass nichts Näheres über die Ursprünge des Schranks bekannt ist. Wenn er für eine private Familie angefertigt wurde, wäre denkbar, dass die dargestellten Heiligen speziell auf die Bestellerfamilie abgestimmt wurden, also z. B. die Schutzpatrone ihrer Heimat oder ihrer Berufsgruppe darstellen. Dann könnten es aber sehr spezielle Heilige sein, die der breiteren Masse unbekannt sind.

Es gibt eine recht gute genealogische Erforschung der Familie bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts hinein. Dort sind jedoch mW auch nur die gängigen Namenspatrone vertreten, ich kann aber noch einmal genauer schauen. Danke aber dennoch für Deinen Hinweis!
 
Irritierend an dem, den ich jetzt mal als "nicht ganz der wahre Jakob" bezeichne ist ja u.a., dass die Kleidung, die er trägt zum historisierenden Rest in anachronistischer Opposition steht. Ich denke hier klar an gegenreformatorische Zeiten, also etwa 17. Jhdt. Allerdings habe ich von historischer Bekleidung keine Ahnung.
 
Dieser Schal scheint mir ein Kettenpanzer sein - ein Schreiner des 19. Jahrhunderts nahm es denke ich nicht mehr so genau, ob der nun am Hals anliegt, oder nicht.
Hatte zwar auch den Gedanken, aber... der Schnitzer hatte sich die Mühe gemacht, sich sonst eigentlich gut zu informieren (Styling vom abgehackten Kopf, und die Kleidung des ‘Stifters’ mit Maria und dem Kind sieht auch nicht gerade zufällig aus), sodass die nach hinten fallende Kopfbedeckung des Königs als Darstellung eines Kettenhemdes recht nachläßig wäre.


Irritierend an dem, den ich jetzt mal als "nicht ganz der wahre Jakob" bezeichne ist ja u.a., dass die Kleidung, die er trägt zum historisierenden Rest in anachronistischer Opposition steht. Ich denke hier klar an gegenreformatorische Zeiten, also etwa 17. Jhdt. Allerdings habe ich von historischer Bekleidung keine Ahnung.
Die Robe der Figur links passt eigentlich nicht schlecht zum Spätmittelalter:
http://www.margareta-wadersloh.de/index.php?cat_id=15421
 
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