Heiliger Krieg

Dschihad ? Wikipedia

Als bellum iustum (auch bellum sanctum) wird in der abendländischen Rechtstradition ein Krieg genannt, dessen Ziele und Mittel bestimmte Bedingungen erfüllen müssen, um als ethisch gerechtfertigt zu gelten. Das hat auch für religiöse Kriege Gültigkeit, die dem Schutz der Christenheit dienen. Diese Ansicht wurde von Kirchenlehrern wie Augustinus oder Thomas von Aquin ausdrücklich bestätigt und bildete die Grundlage für die Kreuzzüge gegen die Muslime, wo ein gerechter Kriegsgrund - die ungerechte Behandlung der Christen - vorlag und der Krieg somit in "guter und gottgefälliger Absicht" geführt wurde.

Im Unterschied dazu ist der Dschihad ein ausdrückliches Gebot Allahs, das im Koran verankert ist.

Wobei man beachten sollte, dass die ungerechte Behandlung der Christen durch die Muslime von Papst Urban in seiner Kreuzzugspredigt stark übertrieben wurde (um nicht zu sagen: es gab sie so, wie Urban sie darstellte, nicht). Liest man die verschiedenen Fassungen der Kreuzzugspredigt Urbans (wir wissen also noch nicht einmal sicher, was er genau gesagt hat), dann deutet er auch noch ganz andere Motive für den Kreuzzug an - und bewegt sich damit eigentlich vom bellum iustum weg (als da wären: Landgewinn, der Kreuzzug als "Blitzableiter" für die Aggressionen der Ritterschaft etc).

Natürlich wurde der Kreuzzug in der zugehörigen Kreuzzugspropaganda als bellum iustum dargestellt und wohl von den meisten (einfachen) Teilnehmern so empfunden, ich frage mich aber, ob die damals Verantwortlichen tatsächlich von der Gerechtigkeit der Sache überzeugt haben sein können.
 
Wobei man beachten sollte, dass die ungerechte Behandlung der Christen durch die Muslime von Papst Urban in seiner Kreuzzugspredigt stark übertrieben wurde (um nicht zu sagen: es gab sie so, wie Urban sie darstellte, nicht).

Hier geht es doch nicht um die objektive Sicht von Historikern im Abstand von 800 Jahren, sondern um die subjektive Sichtweise und mentale Befindlichkeit einer Christenheit im 12. Jh.

Dass sich die Kreuzzüge aus vielerlei Motiven speisten, zu denen durchaus nicht immer Frömmigkeit zählte, haben wir an anderer Stelle des GF bereits ausführlich diskutiert.
 
Hier geht es doch nicht um die objektive Sicht von Historikern im Abstand von 800 Jahren, sondern um die subjektive Sichtweise und mentale Befindlichkeit einer Christenheit im 12. Jh.

a) Ich gehe davon aus, dass Papst Urban wusste, dass er hier übertreibt.

b) Mein zweiter Absatz, den Du hier nicht zitierst, zielt genau darauf ab - dass ein großer Teil der Kreuzfahrer an einen bellum iustum glaubte.
 
a) Ich gehe davon aus, dass Papst Urban wusste, dass er hier übertreibt.

Das wissen wir nicht.

Das 11. und 12. Jh. gilt als Umbruchzeit im Mittelalter. In nahezu allen Bereichen der damaligen Welt vollzogen sich grundlegende Veränderungen. Das gilt für die Gesellschaft, vor allem aber für die Kirche, die damals noch einen ganz anderen Stellenwert im Leben der Menschen hatte, als das heute der Fall ist. Es gab vielfach einen christlichen Glaubensfanatismus, der besonders rasch entflammte, wenn es um Feinde der Christenheit wie den Islam ging.

Dass der Papst zum Kampf aufrief, zeigte, dass sich das Verhältnis der Kirche zum Krieg gewandelt hatte. Die gewaltsame Durchsetzung des christlichen Glaubens gegenüber den islamischen Mauren in Spanien, die Eroberung des ebenfalls muslimischen Siziliens und andere Ereignisse hatten ein allmähliches Umdenken bewirkt. Eine wichtige Grundlage dieser Auffassung war der bellum iustum, d.h. der ethisch gerechtfertigte Krieg, der dem Schutz der Christenheit diente. Die Lehre des Augustinus und spätere Kommentare des Thomas von Aquin boten dafür das nötige moralische Rüstzeug - einmal ganz abgesehen von der ursprünglichen römischen Interpretation des bellum iustum.

b) Mein zweiter Absatz, den Du hier nicht zitierst, zielt genau darauf ab - dass ein großer Teil der Kreuzfahrer an einen bellum iustum glaubte.

Für die Kreuzfahrer konnten verschiedene Gründe ausschlaggebend sein. Das religiöse Motiv war zwar nicht das einzige, das einen Ritter zum Aufbruch ins Heilige Land veranlasste, aber es war ursprünglich wohl das entscheidende. In der damaligen Zeit breitete sich die Gottesfriedensbewegung aus, die dafür sorgte, dass sich die Ritter bei ihren Fehden an gewisse Regeln hielten, die vor allem den Schwachen, den Kirchen und den Geistlichen Schutz bieten sollten. Friedensbrecher mussten verfolgt werden. So kam es zu einer Verchristlichung der Ritter, die nun eine neue Aufgabe suchten und sie im Kreuzzug fanden. Fulcher von Chartres, ein Kreuzzugschronist, fasst diesen Gedanken zusammen indem er sagt, "aus Räubern sollten Soldaten Gottes werden".

Von der Gottgefälligkeit und Gerechtigkeit ihrer Sache waren die Kreuzfahrer ebenso überzeugt wie ihre muslimischen Gegner, die den Dschihad als Gebot Allahs betrachteten, das im Koran verankert war. Dass es daneben auch Kreuzfahrer gab, die aus Abenteuer- und Beutelust, aus wirtschaftlicher Not oder aus Ruhmsucht ins Heilige Land zogen, muss nicht besonders betont werden.
 
Ich könnte den Spiess auch umkehren und sagen: Wir wissen auch nicht, dass er wirklich von den Greueln, von denen er erzählte, überzeugt war.

Genauer: Von welchen Ereignissen wissen wir, dass der Papst Kenntnis hatte? Und woher?

Der Papst muss gewusst haben, dass die Pilgerfahrt nach Jerusalem immer noch möglich war. Pilger berichteten von vermehrten Räuberangriffen, aber fast nie von Übergriffen von Muslimen. Interessant ist hier Peter der Mönch.
Albert von Aachen schreibt: "Dieser Priester (Peter) war einige Jahre vor dem Beginn dieses Zuges (der Kreuzzug) nach Jerusalem gewallfahrt, um dort zu beten." Pilgerfahrt also definitiv möglich!

Weiter Albert von Aachen: "Da musste er in der Kirche des Heiligen Grabes, ach, Dinge sehen, so sündhaft und böse, dass sein Herz voll Trauer aufseufzte und er Gott zur Rache für die geschauten Gräuel aufrief ... Tief bewegt durch das schändliche Treiben ging Peter zu dem Patriarchen der heiligen Kirche zu Jerusalem und fragte ihn, warum es den Heiden und Ungläubigen erlaubt sei, die heiligen Stätten zu beschmutzen, aus ihnen die Gaben der Gläubigen wegzuschleppen, als Ställe die Kirche zu benutzen, die Christen zu schlagen und die frommen Pilger durch Auferlegung ungerechter Abgaben auszuplündern und mit vielerlei Bedrückungen zu quälen ... In Angst und Sorge fuhr Peter zu Schiff über das ... und eilte sofort nach Rom. Dort suchte er den apostolischen Herrn auf und überbrachte ... Klagen über die Gräuel der Heiden und das Elend der Pilger und der heiligen Stätten. .

Abgesehen davon, dass die "Beschmutzung der Heiligen Stätten" so allgemein nachweislich nicht stimmte (man fand z.B. die Grabeskirche nach der Eroberung Jerusalems in unversehrtem Zustand - vgl. Ekkehard von Aura), ist das im Vergleich zu dem, was der Papst in Clermont erzählte, ja fast harmlos ... (übrigens hält Albert von Aachen Peter für den eigentlichen Urheber des Kreuzzugs: "Seinem nimmermüden Rufe folgten Bischöfe, Äbte Kleriker und Mönche, die vornehmen Weltlichen, die Fürsten verschiedener Reiche und endlich die ganze Menge des Volkes, Keusche und Unkeusche ja selbst das weibliche Geschlecht". Auch der Autor der Gesta Francorum: "Die Gemüter waren in ganz Gallien heftig bewegt (von den Berichten Peters), so dass jeder mit Herz und Verstand den Wunsch hatte, Gott zu folgen und getreu das Kreuz zu tragen, und unverzüglich den Weg zum Heiligen Grab einzuschlagen. Sogar der Papst begab sich mit seinen Erzbischöfen, Bischöfen, Äbten und Priestern über die Alpen ... Peter führte ja dann auch den "Kreuzzug der Armen").

Der "Hilferuf" des Alexious Komnenos kommt dem, was Papst Urban in Clermont erzählte sehr nahe ... gut, der byzantinische Kaiser wäre ja auch sicherlich ein trefflich informierter Mann.

Hier im Wortlaut (vorsicht, lang). Man beachte: Adressat ist NICHT der Papst, sondern der Graf von Flandern ...

"Dem Herrn und ruhmreichen Grafen von Flandern, Robert, und allen Fürsten des gesamten Reiches, den Verehrern des christlichen Glaubens, Klerikern wie Laien, entbietet der Kaiser von Konstantinopel. Heil und Frieden in unserem selben Herrn Jesus Christus, seinem Vater und dem Heiligen Geist. 0h hochberühmter Graf und größter Tröster des christlichen Glaubens!
Ich will Eurer Klugheit kundtun, wie das allerheiligste Reich der griechischen Christen von Petschenegen und Türken arg bedrängt, täglich ausgeplündert und mit Waffengewalt heimgesucht wird ohne Unterlass; auch kommt es dort zu vielfältigem Morden und nicht zu schildernden Niedermetzelungen und Verhöhnungen der Christen. Weil es aber viele Übel sind, die sie treiben, und wie gesagt unbeschreibliche dazu, wollen wir aus den vielen nur weniges nennen, was aber dennoch schrecklich anzuhören ist und sogar die Luft selbst in Verwirrung bringt.
Denn sie beschneiden die Knaben und jungen Männer der Christen über den christlichen Taufbecken, gießen das Blut der Beschneidung aus Missachtung gegenüber Christus in dieselben Taufbecken, zwingen sie, ihr Wasser darüber abzuschlagen, führen sie darauf mit Gewalt in den Kreuzgang der Kirche und zwingen sie, Namen und Glauben der Heiligen Dreifaltigkeit zu schmähen. Wenn sie das aber nicht wollen, setzen sie sie verschiedenen Strafen aus und töten sie zuletzt. Edle Frauen und deren Töchter rauben sie aus und verhöhnen sie dann, indem sie wie die Tiere sich gegenseitig ablösend mit ihnen Unzucht treiben. Andere aber stellen, während sie schamlos Jungfrauen schänden, deren Mütter vor ihr Angesicht und zwingen sie, ruchlose, unanständige Lieder zu singen, bis sie ihre eigenen Untaten vollenden.
So, lesen wir, sei es in alter Zeit nämlich auch am Volke des Herrn geschehen, zu dem die gottlosen Babylonier nach verschiedenen Verhöhnungen voll Spott sprachen: Singt uns einen Hymnus aus den Liedern Zions. So werden jetzt auch die Mütter gezwungen, während der Schändung ihrer Töchter gottlose Lieder zu singen, ihre Stimmen geben aber keinen Gesang, sondern eher eine Klage wieder, wie über den Tod der Unschuldigen geschrieben steht: Eine Stimme wurde in Rama gehört, Weinen und viel Klagegeheul. Rachel, die ihre Söhne beweint und nicht getröstet werden wollte, da sie nicht mehr am Leben sind. Wenn aber die Mütter der Unschuldigen, die durch Rachel versinnbildlicht werden, nicht in Bezug auf den Tod ihrer Söhne getröstet werden konnten, so konnten sie dennoch in Bezug auf die Rettung der Seelen getröstet werden. Diese hier aber, was schlimmer ist, können auf keine Art getröstet werden, weil sie sowohl mit dem Körper als auch mit der Seele zugrunde gehen.
Was weiter? Kommen wir zum noch Niedrigeren: Männer allen Alters und Standes, d.h. Knaben, Heranwachsende, junge Männer. Greise, Edle, Sklaven und, was schlimmer und schamloser ist, Kleriker und Mönche und - ach welch ein Schmerz - was man vorher weder gesagt noch gehört hat, Bischöfe verhöhnen sie durch die Sünde der Sodomie und einen Bischof zerrissen sie sogar durch diese Sünde. Sie besudeln aber die heiligen Stätten auf unzählige Arten, zerstören sie und drohen ihnen Schlimmeres an. Und wer bricht dabei nicht in Klagen aus? Wer leidet nicht mit? Wer entsetzt sich nicht? Wer betet nicht?
Fast das ganze Gebiet von Jerusalem bis zum griechischen und das ganze griechische Reich mit seinen nördlicheren Regionen, als da sind Klein- und Großkappadozien, Phrygien, Bithynien, Klein-Phrygien, d.h.Troia, Pontus, Galatia, Lydien, Pamphylien, Isaurien, Lykien und die Hauptinseln Chios und Mytilene und viele andere Gebiete und Inseln, die wir hier nicht aufzählen können, sind von ihnen schon bis nach Thrazien vereinnahmt worden und es ist uns beinahe nichts mehr außer Konstantinopel geblieben das sie uns aber auch schleunigst wegzunehmen drohen, wenn nicht die Hilfe Gottes und der lateinischen Christen schnell zu unserer Unterstützung kommen. Denn auch das Marmarameer , das auch Abydus heißt und vom Schwarzen Meer an Konstantinopel vorbei ins Mittelmeer fließt, sind sie mit zweihundert Schiffen eingedrungen, die von ihnen gefangengenommene Griechen konstruiert hatten, und führen sie mit Ruderknechten, ob die wollen oder nicht, heran und drohen zu Lande wie auch über eben dieses Marmarameer wie gesagt Konstantinopel schnell einzunehmen.
Also bitten wir um der Liebe Gottes und der Frömmigkeit aller griechischen Christen willen, dass Du alle gläubigen Streiter Christi -höhergestellte ebenso wie niedere oder mittlere-, die Du in Deinem Lande anwerben kannst, zur Hilfe für mich und die griechischen Christen hierhin führst und dass sie sich bemühen, so wie sie Galizien und die übrigen westlichen Königreihe im vergangenen Jahr vom Joch der Heiden ein wenig befreit haben, so auch jetzt für ihr Seelenheil das griechische Königreich zu befreien, indem ich, obgleich ich Kaiser bin, mir kein Heilmittel und keinen geeigneten Plan zu finden weiß, sondern immer vor dem Anblick der Türken und Petschenegen fliehe und nur solange in einer einzelnen Stadt bleibe, bis ich ihr Kommen nahen fühle, und lieber Euren Lateinern untertan sein will als dem Spott der Heiden.
Ihr sollt also, bevor Konstantinopel von ihnen eingenommen wird, mit ganzer Kraft und besonders tüchtig streiten, damit ihr voll Freude im Himmel ruhmreichen und unaussprechlichen Lohn empfangt. Denn es ist besser, dass Ihr Konstantinopel besitzt als die Heiden, weil in der Stadt überaus kostbare Reliquien des Herrn verwahrt werden, als da sind ... Diese vorgenannten Dinge aber sollen alle eher die Christen als die Heiden haben, und es wird allen Christen eine große Stütze sein, wenn sie dies alles haben, ein großer Schaden aber und eine Verurteilung, wenn sie es verlieren.
Wenn sie aber dafür nicht kämpfen wollen und Gold mehr lieben, so werden sie in Konstantinopel mehr finden als auf der ganzen Welt. Denn allein die Kirchenschätze von Konstantinopel quellen über von Silber, Gold, Perlen, kostbaren Steinen, seidenen Tuchen, die für alle Kirchen der Welt aus reichen könnten. Diese ganzen Schätze jedoch übertrifft der unermessliche Schatz der Mutterkirche, nämlich der Hagia Sophia, d.h. der Weisheit Gottes, und er kann ohne Zweifel den Schätzen des Tempels Salomons gleichgestellt werden. Was soll ich noch vom grenzenlosen Schatz der Adeligen reden, wenn schon den Schatz der einfachen Händler niemand schätzen kann?
Von dem, was man in den Schätzen früherer Kaiser findet, sage ich mit Bestimmtheit, dass es keine Zunge gibt, die ihn wiedergeben könnte, da nicht allein der Schatz der Kaiser von Konstantinopel dort aufbewahrt wird, sondern der Schatz aller alten römischen Kaiser dorthin übertragen und in den Palästen versteckt worden ist. Was soll ich noch mehr sagen? Was offen vor Menschen Augen liegt ist nichts im Vergleich zu jenem Verborgenen. Eilt also mit Eurem ganzen Volk und kämpft mit allen Euren Kräften, damit nicht ein solcher Schatz in die Hände der Türken und Petschenegen fällt, weil nämlich, obwohl sie unbegrenzt sind, täglich noch 60.000 erwartet werden und ich fürchte, dass sie durch jenen Schatz unsere gierigen Soldaten allmählich verführen könnten, wie Julius Caesar es einst getan hat, der das Reich der Franken durch Begehrlichkeit vereinnahmte, und wie der Antichrist, bereit, die ganze Welt einzunehmen, am Ende der Welt handeln wird. Handelt also, solange ihr noch Zeit habt, damit ihr nicht das Königreich der Christen und was schlimmer ist, das Grab des Herrn verliert und von daher nicht Gericht, sondern Belohnung im Himmel habt. Amen.
"

Das klingt ja ganz wie Urban in Clermont ... also ist das Urbans Quelle?

Nur: So soll ein Kaiser von Byzanz bei einem Grafen um Hilfe ersuchen?

Er bietet den Reichtum seines Reiches als Beute (bis hin zu den Altartüchern)?

Alexios, der oströmische Kaiser, argumentiert mit himmlischem Lohn? Wo eine solche Vorstellung im oströmischen Reich doch überhaupt nicht existierte (deshalb war man ja so stark auf Söldner angewiesen, die man bisher immer mit Gold, nicht mit himmlischen Lohn bezahlt hatte ... es gab die Idee des bellum iustum nicht, es war eine Sünde, jemanden zu töten, auch im Krieg ... Waffenhandwerk galt als unchristlich).

Hätte sich ein Kaiser wirklich einem Grafen gegenüber als so hilflos dargestellt?

Auch ist der Brief in dieser Form stilistisch weit von den sonst von der byzantinischen kaiserlichen Kanzlei verfassten Schreiben entfernt.

Zum Vergleich ein (echtes) Schreiben Alexios an Heinrich IV:

"Edler und wahrhaft christlicher Bruder. Ich hoffe, dass dein mächtiges Reich blüht und weiterhin gedeiht ... deine Entscheidung, sich am Krieg gegen diesen bösartigen Mann (Robert Guiscard) zu beteiligen ... bezeugt die Güte deines Herzens. Obwohl im allgemeinen meine Angelegenheiten zum Besten stehen, werden sie doch geringfügig durch die Unternehmungen Roberts gestört. Die Geschenke, die wir vereinbart haben ..., werden überbracht, nämlich 144.000 Goldstücke und 100 seidene Purpurmäntel. Wenn du den Eid ablegst, werden weitere 216.000 Goldstücke ausbezahlt."

Der Kaiser fordert vom König (der bald auch Kaiser sein wird) einen Eid ... (Welchen? Ihm zu helfen? Oder sogar einen Lehenseid?).

Viele Historiker betrachten den "Hilferuf des Alexios" als Fälschung (und das schon länger, wie Einar Joranson in seinem Aufsatz "The Spurious Letter of Alexius" im: American Historical Review 55 (1949-1950) ... oder hier: JSTOR ... oder Carol Sweetenham: Robert the Monk's History of the First Crusade, 2006, im Appendix - da das Buch eigentlich eine Übersetzung der Texte Roberts ist). Neuester Stand (meines Wissens nach) ist z.B. Michael Angold, The Byzantine Empire 1025-1204: A Political History. Auch Angold hält den Brief für eine Fälschung, schließt aber nicht aus, dass ein tatsächliches Schreiben - wenn auch völlig anderen Wortlauts - zugrunde liegt.

Allerdings: ein Hilferuf des oströmischen Kaisers wird nicht erwähnt in:

- den Briefen Urbans
- den Aufrufen und Papstreden
- den Aufzeichnungen der Chronisten des Kreuzzugs
- den byzantinischen Quellen

Wenn dieses Schreiben also so nicht von Alexios stammt ... dann existiert meines Wissens kein Schreiben, aus dem der Papst hätte WISSEN können, dass die Muslime die Christen im Osten verfolgen/töten.

Der Ductus des Schreibens spricht sogar noch eher für die päpstliche Kanzlei ... und das würde dann zu interessanten Schlüssen führen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich könnte den Spiess auch umkehren und sagen: Wir wissen auch nicht, dass er wirklich von den Greueln, von denen er erzählte, überzeugt war.

Genauer: Von welchen Ereignissen wissen wir, dass der Papst Kenntnis hatte? Und woher?

Alle Achtung - da hast du ja ein enormes Quellenstudium betrieben!

Alle Aussagen ändern jedoch nichts daran, dass sich Byzanz in einer exsitenzbedrohenden Lage befand und daher das Abendland um Hilfe bat. Darauf bezog sich u.a. Papst Urban II.

Im Jahr 1071 erlitten die Byzantiner in der Schlacht bei Manzikert nördlich des Van-Sees eine vernichtende Niederlage. In deren Folge brach die Taurus-Grenze zusammen und die seldschukischen Türken überschwemmten ganz Kleimasien. Ihnen nach drängten weitere turkmenische Nomaden, die - leichtbewaffnet mit ihren Pferden, Zelten und Familien - sich auf den Grassteppen des anatolischen Hochlands niederließen. Sie verliehen der Invasion die volle Wucht. Die Christen ergriffen vor ihnen die Flucht, ihre verlassenen Dörfer wurden von den Eindringlingen niedergebrannt, ihre im Stich gelassenen Herden zusammengetrieben.

Ab dem Jahr 1073 standen die seldschukischen Türken vor Konstantinopel und die dramatische Lage besserte sich in den Folgejahren nicht. Das war der Zeitpunkt, der den byzantinischen Kaiser Alexios I. zu seinem Hilferuf veranlasste und Papst Urban II. im Jahr 1098 zum Kreuzzug aufrufen ließ.

Gleichzeitig war die Lage für christliche Pilger, die die Heiligen Stätten in Jerusalem besuchen wollten, außerordentlich schwierig geworden. Das lag vor allem an den ständigen Kampfhandlungen um Jerusalem, das die Seldschuken 1078 den Fatimiden entrissen und in der Stadt ein Blutbad nicht nur unter den schiitischen Fatimiden, sondern auch unter den Christen und Juden anrichteten. 1098 gab es ein erneutes Gemetzel um Jerusalem, als die Fatimiden wieder gegen die Seldschuken vorstießen und Jerusalem in ihre Hand brachten.

Das war der zweite Anstoß zum ersten Kreuzzug.

Inzwischen war auch die Reise nach Jerusalem gefahrvoll geworden. Anatolien, das unter seldschukischer Herrschaft stand, ließ sich jetzt nur noch durchqueren, wenn der Reisende eine bewaffnete Begleitmannschaft mitnahm. Selbst dann war der Weg voller Gefahren, und Kriege oder feindselige Gruppen hielten ihn oftmals auf. In Syrien waren die Verhältnisse kaum besser. Überall wurden die Straßen von Räuberbanden unsicher gemacht und in jeder kleinen Stadt versuchte der ortsregierende muslimische Herr, von den Durchreisenden eine Steuer zu erheben. Die Pilger, denen es gelang, diese Schwierigkeiten zu überwinden, kehrten erschöpft und verarmt in den Westen zurück, und ihre Erzählungen von den schrecklichen Erlebnissen sind uns überliefert.

Der Aufruf Papst Urbans II. hatte also durchaus einen realen Hintergrund und die Klage über die Probleme der Christen in Vorderasien waren nicht ohne Substanz.
 
Alle Achtung - da hast du ja ein enormes Quellenstudium betrieben!

Alle Aussagen ändern jedoch nichts daran, dass sich Byzanz in einer exsitenzbedrohenden Lage befand und daher das Abendland um Hilfe bat. Darauf bezog sich u.a. Papst Urban II.

Im Jahr 1071 erlitten die Byzantiner in der Schlacht bei Manzikert nördlich des Van-Sees eine vernichtende Niederlage. In deren Folge brach die Taurus-Grenze zusammen und die seldschukischen Türken überschwemmten ganz Kleimasien. Ihnen nach drängten weitere turkmenische Nomaden, die - leichtbewaffnet mit ihren Pferden, Zelten und Familien - sich auf den Grassteppen des anatolischen Hochlands niederließen. Sie verliehen der Invasion die volle Wucht. Die Christen ergriffen vor ihnen die Flucht, ihre verlassenen Dörfer wurden von den Eindringlingen niedergebrannt, ihre im Stich gelassenen Herden zusammengetrieben.

Ab dem Jahr 1073 standen die seldschukischen Türken vor Konstantinopel und die dramatische Lage besserte sich in den Folgejahren nicht. Das war der Zeitpunkt, der den byzantinischen Kaiser Alexios I. zu seinem Hilferuf veranlasste und Papst Urban II. im Jahr 1098 zum Kreuzzug aufrufen ließ.

Wenn es seit Manzikert so schlecht stand, dass die "Türken" seit 1073 vor Byzanz standen, warum ruft man dann erst über 20 Jahre später um Hilfe? Übrigens: Kreuzzugsaufruf war 1095, nicht 1098.

Und weil ich nicht schon wieder endlos Quellen zitieren möchte, ein Zitat aus Tante Wiki: "Es ist in der modernen Forschung allerdings sehr umstritten, ob die türkische „Landnahme“ geplant war und ob Manzikert selbst überhaupt eine wirkliche Katastrophe darstellte. Die Verluste der Byzantiner werden als insgesamt eher moderat eingeschätzt; der Großteil der byzantinischen Truppen hatte sich offenbar intakt absetzen können."

Und die englische Wiki: "Manzikert was by no means the massacre that earlier historians presumed. Modern scholars estimate that Byzantine losses were relatively low, considering that many units survived the battle intact and were fighting elsewhere within a few months. Most of Byzantian prisoners of war were later released. Certainly, all the commanders in the Byzantine side (Doukas, Tarchaneiotes, Bryennios, de Bailleul, and, above all, the Emperor) survived and took part in later events. The battle did not directly change the balance of power between Byzantians and Seljuks, however the ensuing civil war within the Byzantian Empire did so to the advantage of Seljuks."

Ein Teil der Probleme von Byzanz war auch den Raubzügen der Normannen geschuldet (eigentlich Verbündete des Papstes) - deshalb auch der oben zitierte Brief an den deutschen König!

Alexios konnte durchaus seit seiner Krönung 1081 Erfolge verbuchen:

Ein petschenegisches Heer, das auf dem Balkan in byzantinisches Reichsgebiet eindrang und tatsächlich kurz vor Byzanz stand, wurde 1091 vernichtet. Die Normannenbedrohung hatte durch den Tod Robert Guiscards auch nachgelassen ...

So wehrlos, dass er verzweifelt hätte sein müssen, war Alexios sicher nicht. Ja, er brauchte mehr Söldner, aber sicher keinen vom Papst veranlassten Heiligen Krieg. Alexios hatte schon vorher Kontakt mit Robert von Flandern zwecks Anheuerung von Söldnern - mein Eindruck ist, dass sich hier der Papst "dazwischengedrängelt" hat.


Gleichzeitig war die Lage für christliche Pilger, die die Heiligen Stätten in Jerusalem besuchen wollten, außerordentlich schwierig geworden. Das lag vor allem an den ständigen Kampfhandlungen um Jerusalem, das die Seldschuken 1078 den Fatimiden entrissen und in der Stadt ein Blutbad nicht nur unter den schiitischen Fatimiden, sondern auch unter den Christen und Juden anrichteten. 1098 gab es ein erneutes Gemetzel um Jerusalem, als die Fatimiden wieder gegen die Seldschuken vorstießen und Jerusalem in ihre Hand brachten.

Das war der zweite Anstoß zum ersten Kreuzzug.

Inzwischen war auch die Reise nach Jerusalem gefahrvoll geworden. Anatolien, das unter seldschukischer Herrschaft stand, ließ sich jetzt nur noch durchqueren, wenn der Reisende eine bewaffnete Begleitmannschaft mitnahm. Selbst dann war der Weg voller Gefahren, und Kriege oder feindselige Gruppen hielten ihn oftmals auf. In Syrien waren die Verhältnisse kaum besser. Überall wurden die Straßen von Räuberbanden unsicher gemacht und in jeder kleinen Stadt versuchte der ortsregierende muslimische Herr, von den Durchreisenden eine Steuer zu erheben. Die Pilger, denen es gelang, diese Schwierigkeiten zu überwinden, kehrten erschöpft und verarmt in den Westen zurück, und ihre Erzählungen von den schrecklichen Erlebnissen sind uns überliefert.

Der Aufruf Papst Urbans II. hatte also durchaus einen realen Hintergrund und die Klage über die Probleme der Christen in Vorderasien waren nicht ohne Substanz.

Dass die Pilgerreise schwieriger wurde sehe ich genau so (hab ich ja auch schon geschrieben). Dass es Klagen der Christen in Vorderasien gab, stimmt wohl sicher. Das "Gemetzel" in Jerusalem 1098 kann aber für Urban keine Rolle (mehr) gespielt haben, da lief der Kreuzzug schon zwei Jahre.
Auch das erste Massaker hat kompliziertere Hintergründe. Die Eroberung Jerusalems (1070) durch die Seldschuken scheint "problemlos" gewesen zu sein, aber 1076 rebellierte die Stadt gegen den Seldschukengeneral Atsiz, der geraden einen Feldzug in Ägypten führte - und der ließ seine Truppen bei der Niederschlagung des Aufstandes ein Massaker anrichten.

Für mich steht fest: Der Papst hat - wissentlich - hemmungslos übertrieben, um "seinen" gerechten Krieg zu bekommen. Und das war meine Ausgangsthese.
 
Wenn es seit Manzikert so schlecht stand, dass die "Türken" seit 1073 vor Byzanz standen, warum ruft man dann erst über 20 Jahre später um Hilfe? Übrigens: Kreuzzugsaufruf war 1095, nicht 1098.

Die Entsendung eines Hilferufs ins Abendland war für den byzantinischen Kaiser keine kleine Sache. Nach Manzikert schoben sich die Türken allmählich vor und es kam im Lauf der Jahre zu einer immer intensiveren Umkesselung der Hauptstadt Konstantinopel.

Die kriegerischen und blutigen Auseinandersetzungen zwischen Seldschuken und Fatimiden um Jerusalem waren schließlich ein weiterer Anlass zum Aufruf Urbans II.

Und weil ich nicht schon wieder endlos Quellen zitieren möchte, ein Zitat aus Tante Wiki: "Es ist in der modernen Forschung allerdings sehr umstritten, ob die türkische „Landnahme“ geplant war und ob Manzikert selbst überhaupt eine wirkliche Katastrophe darstellte. Die Verluste der Byzantiner werden als insgesamt eher moderat eingeschätzt; der Großteil der byzantinischen Truppen hatte sich offenbar intakt absetzen können."

Die kontroversen Einschätzungen der Schlacht bei Manzikert sind mir durchaus bekannt. Gleichgültig, wie man die Schlacht einschätzt, bleibt als Tatsache unbestritten bestehen: Ende des 11. Jh. überfluteten Seldschuken und andere turkmenische Stämme Kleinasien und stießen bis Konstantinopel vor. Seit dieser Zeit konnte Byzanz die Türken nicht mehr vertreiben, die in Anatolien das Sultanat Rum errichteten, während Byzanz nur noch einen schmalen Gürtel vor der Hauptstadt beherrschte, zudem Küstenstriche am Schwarzen Meer und am Mittelmeer.

Ein Teil der Probleme von Byzanz war auch den Raubzügen der Normannen geschuldet (eigentlich Verbündete des Papstes) - deshalb auch der oben zitierte Brief an den deutschen König!

Natürlich führte Byzanz mehr als einmal in seiner Geschichte einen Zweifrontenkrieg, doch die zentrale Gefahr bildeten die turkstämmigen Reiterkrieger, die mit der Eroberung Anatoliens den byzantinischen Staat von seiner wichtigsten Steuerquelle abschnitten und das Reich nicht nur zu einer Mittelmacht herabstuften, sondern den Keim zu einem langen staatlichen Siechtum legten.

So wehrlos, dass er verzweifelt hätte sein müssen, war Alexios sicher nicht. Ja, er brauchte mehr Söldner, aber sicher keinen vom Papst veranlassten Heiligen Krieg. Alexios hatte schon vorher Kontakt mit Robert von Flandern zwecks Anheuerung von Söldnern - mein Eindruck ist, dass sich hier der Papst "dazwischengedrängelt" hat.

Doch, so verzweifelt war der Kaiser sicher.

Turkmenische Stämme hatten ganz Kleinasien erobert und standen vor den Mauern Konstantinopels. Wie verzweifelt soll eine Lage noch sein?

Dass die Pilgerreise schwieriger wurde sehe ich genau so (hab ich ja auch schon geschrieben). Dass es Klagen der Christen in Vorderasien gab, stimmt wohl sicher. Das "Gemetzel" in Jerusalem 1098 kann aber für Urban keine Rolle (mehr) gespielt haben, da lief der Kreuzzug schon zwei Jahre.

Turkstämmige Reiternomaden und Hirten hatten Kleinasien erobert, sodass es für Pilger nahezu unmöglich war, auf diesem Wege nach Jerusalem zu gelangen. Das änderte sich erst nach Etablierung der Seldschuken und der Errichtung des Sultanats Rum, was auch zu geordenetern staatlichen Strukturen und einem gewissen Ausgleich zwischen Christen und Seldschuken führte - zumindest zu einem status quo.

Das war allerdings bei Einbruch der Turkstämme und zur Zeit des Aufrufs Urbans II. noch nicht der Fall.

Für mich steht fest: Der Papst hat - wissentlich - hemmungslos übertrieben, um "seinen" gerechten Krieg zu bekommen. Und das war meine Ausgangsthese.

Das magst du so sehen.

Für mich steht fest, dass sich Byzanz durch die seldschukische Expansion in einer existentiellen Notlage befand und der Besuch der Heiligen Stätten in Jerusalem gefahrvoll und eingeschränkt war.
 
Die Entsendung eines Hilferufs ins Abendland war für den byzantinischen Kaiser keine kleine Sache.

Ja, und genau deshalb wird der "Hilferuf" kaum in der unterwürfigen Form des oben zitierten Schreibens erfolgt sein.

Nochmal, damit die Diskussion nicht völlig auf Nebenschauplätze abwandert: Meine Ausgangsthese war, dass der Papst wider besseren Wissens in Clermont Greuelbilder vom Leiden der Ostchristen zeichnete und damit den Kreuzzug noch viel stärker als bellum iustum erscheinen zu lassen (auch ohne die "Leiden der Ostchristen" hätte man einen bellum iustum konstruieren können - der Papst übertrieb hier mMn, um durchschlagendere Wirkung zu erzielen - immerhin hatte es schon sanfte Aufrufe der Päpste gegeben, die Türken zu bekämpfen ... sie waren oft auf taube Ohren gefallen).

Dein Einwand war, dass wir nicht wissen, was der Papst wusste.

Darauf habe ich die Frage gestellt, woher der Papst die Informationen über die Lage der Christen im Osten haben könnte ... und das angebliche "Hilfegesuch" scheint hier die Vorlage zu sein. Nach den langen Ausführungen zu diesem Schreiben gehe ich davon aus, dass es so nicht original ist und Alexios es so nicht geschrieben hat. Eher klingt das nach päpstlicher Kanzlei, die hier schon die Rede des Papstes "vorbereitete" (oder, je nachdem, wann diese Fassung geschrieben wurde, im Nachhinein die Rede als "Wahrheit" darstellen will). Hätte Urban sich an Peters Schilderungen von den Kirchen als Ställen, den ungerechtfertigten Abgaben usw. gehalten, wäre ja alles plausibel zu erklären (dann hätte der Papst von Peter zwar nicht ganz richtige Informationen bekommen, hätte aber selbst im besten Wissen gehandelt).

Die Tatsache, dass Alexios meiner Ansicht nach nicht SO verzweifelt war, dass er sein ganzes Reich einschließlich der Altartücher als Belohnung anbietet, war nur EIN Argument für diese These.
Die Situation des byzantinischen Reiches hat nämlich eigentlich mit meinem Anliegen gar nicht so viel zu tun.

Doch, so verzweifelt war der Kaiser sicher.

Tut mir leid, aber dafür bräuchte ich - auch angesichts des Erfolgs von 1091 - einen Beleg. Immerhin habe ich Anhaltspunkte dafür geliefert, dass es (noch oder nicht mehr) so schlecht stand ... alles, was Du hier anführst ist ein "Doch, war er sicher". 1091 hat Alexios mit den Seldschuken sogar Verträge abgeschlossen, durch den die Region mehr Stabilität erlangte ... Wenn es Grund zur VERZWEIFLUNG gegeben hätte, dann vor dem Sieg 1091 über die Petschenegen, da hätte ein solcher Hilferuf gepasst.

"From the beginning Alexius I combined military might with diplomacy and building alliances to defeat his enemies. While fighting the Normans, he brought in the navy of the powerful state of Venice to help. With this naval force he was finally able to push the Normans back. With the death of Robert Guiscard, duke of Apulia, in 1085, the Norman threat ended for the time being. As a reward for their help, the Venetians gained important trading rights in the Byzantine Empire. Similarly, Alexius made treaties with the Seljuks and other Muslim leaders on his eastern borders, using diplomacy where force would not work. In 1091 he defeated the Pechenegs by hiring a rival Turkish tribe, the Cumans, to help eliminate this threat. He thus managed to secure his northeastern borders."
(Sydney Jones, The Crusades: Biographies, S. 4, 2004)

Ja, Alexios warb häufig Verbündete an. Aber immer waren die Bedingungen völlig klar (vgl. den Brief an Heinrich IV.). Und es geschah aus einer Position "Arbeitgeber - Auftragsnehmer" heraus. Es scheint auch keinen Mangel an "Auftragsnehmern" gegeben zu haben, jedenfalls fand Alexios immer Helfer (sogar türkische Stämme).

Es gab mit Sicherheit eine Bitte um Anwerbung von Söldnern an Robert von Flandern, den Alexios kannte, weil er auf der Rückfahrt von einer Pilgerreise in Byzanz Station gemacht hatte. Und mit Sicherheit entsprach das oben schon zitierte Schreiben, auf das der Papst sich dann scheinbar stützte, NICHT dem Wortlaut dieser Bitte. Eher handelte Alexios genau in der Tradition, in der er auch die Venezianer und Heinrich IV für bestimmte Unternehmen als Verbündete gewonnen hatte.

Für mich steht fest, dass sich Byzanz durch die seldschukische Expansion in einer existentiellen Notlage befand und der Besuch der Heiligen Stätten in Jerusalem gefahrvoll und eingeschränkt war.

Notlage ja, Pilgerfahrt gefahrvoll auch ja ... aber darum geht es mir nur am Rande. Nochmal: Es gab eine Bitte um Söldner, aber eher nicht an den Papst. Der Papst hat jedoch etwas völlig anderes daraus gemacht, als der Realtät und dem Wunsch des Alexios entsprach (und wie gesagt, dass seine Greuelpropaganda nichts mit der Wirklichkeit zu tun hatte, wusste er meiner Meinung nach ... und das kratzt etwas am bellum iustum).
 
Notlage ja, Pilgerfahrt gefahrvoll auch ja ... aber darum geht es mir nur am Rande. Nochmal: Es gab eine Bitte um Söldner, aber eher nicht an den Papst. Der Papst hat jedoch etwas völlig anderes daraus gemacht, als der Realtät und dem Wunsch des Alexios entsprach (und wie gesagt, dass seine Greuelpropaganda nichts mit der Wirklichkeit zu tun hatte, wusste er meiner Meinung nach ... und das kratzt etwas am bellum iustum).

Die außenpolitische Bilanz bis zu Kaiser Alexios Komnenos war der vollständige Zusammenbruch der byzantinischen Machtstellung in Asien, der endgültige Verlust des italienischen Besitzes und ein starler Rückgang der byzantinischen Autorität auf der Balkanhalbinsel. Die innenpolitische Bilanz war eine tiefe Lähmung der Zentralgewalt, eine drückende Wirtschaftsnot, der Verfall der Währung und die Auflösung des wirtschaftlich-sozialen Systems des mittelbyzantinischen Reichs.

Kaiser Alexios I. war sicher ein fähiger Herrscher, doch konnte auch er den Verfall des Staates nur begrenzt aufhalten und dem Reich damit eine Atempause verschaffen.

Im Jahr 1090/91 war Konstantinopel vom Lande und vom Meer her belagert, sodass Rettung nur von außerhalb kommen konnte. In seiner Bedrängnis griff Alexius I. zu einem erprobten Mittel, indem er die Kumanen gegen die Petschenegen zu Hilfe rief. Die Kumanen trafen im Frühjahr 1091 auf dem Reichsboden ein und in der folgenden Schlacht erlitten die Petschenegen eine vernichtende Niederlage.

Die Tatsache, dass Alexios meiner Ansicht nach nicht SO verzweifelt war, dass er sein ganzes Reich einschließlich der Altartücher als Belohnung anbietet, war nur EIN Argument für diese These.
Die Situation des byzantinischen Reiches hat nämlich eigentlich mit meinem Anliegen gar nicht so viel zu tun.

Der Sieg gegen die Petschenegen besserte die Lage allerdings in Kleinasien nicht. Byzanz hatte nahezu ganz Kleinasien an die Seldschuken verloren, die vor der Hauptstadt standen, und es bedarf angesichts dieser Situation keines "Beweises" für die verzweifelte Lage von Byzanz.

Vier zeitgenössische Chronisten haben uns die Worte von Papst Urban II. überliefert, keiner von ihnen nimmt jedoch eine wörtliche Wiedergabe für sich in Anspruch. Der Papst begann seine Rede offenbar damit, dass er zu seinen Hörern von der Notwendigkeit sprach, ihren Brüdern im Osten zu Hilfe zu kommen. Die Christenheit des Ostens habe um Hilfe gerufen, denn die Türken wären ins Herz der christlichen Länder eingedrungen, würden ihre Bewohner misshandeln und die Heiligen Stätten entweihen.

Das düstere Bild, das Papst Urban II. zeichnete, trifft im großen und ganzen zu, denn die Turkmenen standen vor Konstantinopel, die blutigen Kämpfe zwischen Fatimiden und Seldschuken um Jerusalem tangierten Christen und Juden beträchtlich, ganz abgesehen davon, dass sie entwürdigende Maßnahmen ertragen mussten. Die alte Tante Wiki schreibt dazu korrekt:

Christen und Juden waren auch nach dem Ende der Verfolgung noch geächtet. Christen durften weiter kein Pferd besteigen, kein Schwert oder eine sonstige Waffe führen, keinen Turban und keine landesüblichen Schuhe tragen. Sie mussten sich an der Stirne scheren und an einem Gürtel und zwei gelben Stoffbändern an der Schulter erkennbar sein. An der Haustür mussten sie die hölzerne Darstellung eines Dämons anbringen.
Erst 19 Jahre nach der Zerstörung der Felsenkirche erlaubte der Nachfolger von Al-Hakim Kalif Al-Zahir (1021–1036) den Wiederaufbau der Grabeskirche und lockerte die Auflagen für die Ungläubigen, nachdem der byzantinische Kaiser Romanos III. dem Bau einer Moschee in Konstantinopel zugestimmt hatte.

1078 wurde Jerusalem erneut blutig erobert. Die sunnitischen Seldschuken, geführt von Emir Atsiz bin Uwaq, nahmen Jerusalem von den Fatimiden ein und richteten erneut ein entsetzliches Blutbad nicht nur unter den verfeindeten schiitischen Fatimiden (3000 moslemische Zivilisten wurden durch ihre Glaubensbrüder ermordet), sondern auch unter den christlichen und jüdischen Bewohnern an. Die Seldschuken verboten danach jede Reparatur an Synagogen und Kirchen und erschwerten den Zugang zu den heiligen Stätten erheblich. Pilgerfahrten ins Heilige Land wurden wegen der andauernden Kriege zwischen Seldschuken und Byzanz fast unmöglich ...

Die Berichte über die fortdauernden Gemetzel in Jerusalem sowie die Hilferufe des Byzantinischen Kaisers, der sich als Schutzpatron des christlichen Patriarchen verstand, erreichten auch Europa, was den Anstoß zum Ersten Kreuzzug gab.

Jerusalem ? Wikipedia

Dass der Papst über die Lage in Vorderasien gut informiert war, daran besteht kein Zweifel. In Cluny konnte Urban II. mit Männern sprechen, die über den Pilgerverkehr sowohl nach Compostela als auch Jerusalem Bescheid wussten. Sie konnten ihn über die großen Schwierigkeiten unterrichten, welche die Palästinapilger angesichts des Zerfalls der türkischen Autorität im Heiligen Land zu erdulden hatten. Er erfuhr, dass nicht nur die Straßen durch Kleinasien gesperrt waren, sondern dass auch das Heilige Land selbst den Pilgern praktisch verschlossen war. Somit betonte Urban in seiner Rede, dass die Kreuzfahrer einen "gerechten Krieg" führen würden, was im Selbstverständnis des 12. Jh. ein durchaus plausibler Standpunkt war.

Natürlich dürfen wir das ganze Geschehen nicht mit den moralischen Maßstäben des 21. Jahrhunderts messen, sondern die hochmittelalterliche Mentalität berücksichtigen und die Menschen und Protagonisten aus ihrer Zeit heraus beurteilen.
 
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