Herrschaftsideologie der Flavier

Das Problem ist meiner Meinung eher folgender Natur: Die "problematischen" Kaiser wie Caligula, Nero oder Domitian sind zu jung, als sie an die Macht kommen. Sie haben noch nicht den langen cursus honrem hinter sich und die Notwendigkeit erlebt, sich eingliedern zu müssen
Ich gebe Dir in vielen Punkten Deiner Ausführung Recht. Das Alter allein kann ich aber nicht akzeptieren. Augustus war auch erst 32 als er praktisch zum Alleinherrscher Roms wurde. Nero und Domitian entwickelten sich erst mit zunehmender Reife zu dem, als das sie in die Geschichte eingingen. Wenn vieles von dem Überlieferten über Caligula der Wahrheit entspricht, so war er wohl nichts weiter als ein völlig verwahrloster Mensch mit einer ziemlich hohen kriminellen Energie, der mangels anderer Kandidaten ,durch Zufall in das Amt gekommen war. Ich finde auch das ständige Anzweifeln der antiken Kaiserbiographen bringt nicht sehr viel, mehr haben wir heute leider nicht. Auch wenn Sueton manchmal etwas nach einem Klatschreporter klingt, so kann man ihm doch unterstellen, dass er sich redlich bemühte seinen Cäsaren gerecht zu werden. Er unterschlägt ja auch nicht die positiven Taten und Eigenschaften. Auch war er nicht, wie Tacitus ein Angehöriger der Senatorenklasse, sondern ein Beamter, der keinen Grund hatte sich die Republik zurückzuwünschen. Ihm standen für seine Biographien die kaiserlichen Archive zur Verfügung.
Man kann nur hoffen, dass in ein paar Jahrhunderten die Schreckensgestalten der jüngeren Zeit, Hitler, Stalin, Mao nicht von Historikern, plötzlich in ein positives Licht gerückt werden, weil vieles was von denen überliefert wurde, in späteren Zeiten auch als völlig übertrieben und unglaubwürdig angesehen werden kann.
 
Zur Herrschaftsideologie der Flavier gehört noch die von allen drei Kaisern betriebene Bautätigkeit in der Hauptstadt. Besonders unter Domitian entstanden zahlreiche private und öffentliche Bauten, von denen noch heute einige teilweise erhalten geblieben sind. Neben dem flavischen Amphitheater entstanden unter Titus neue Thermen. Domitian ließ den Titusbogen, ein Sportstadion, dessen Form die Piazza Navona wiedergibt, ein Odeon, einen neuen Jupitertempel und den Tempel der Gens Flavia errichten. Nachdem Titus noch im Rest von Neros goldenem Haus gewohnt hatte, ließ Domitian einen großen Villenkomplex auf dem Palatin errichten, dessen Grundmauern noch erhalten sind. Auch ein neues Forum gab er in Auftrag, das nach seiner Ermordung in Nerva-Forum umbenannt wurde.
Das Stadion und das Odeon des Domitian müssen von vollendeter Schönheit gewesen sein, da sie noch im V. Jh. als Weltwunder bezeichnet wurden.
 
Verwechselst Du das nicht mit Caligula?


Nein, definitiv nicht! (Fundstelle Suet, Domitian kap 9)

Von Caligula sind ähnliche Schandtaten überliefert, nur dass dieser, wie auch Titus ein fanatischer "Thraex- Fan" war. So erregte der Sohn eines Primus pilus Centurio, den das Stadtvolk "Kolosseros" nannte, Caligulas Zorn, worauf er in der Arena kämpfen musste, zuerst gegen einen "thraex", danach gegen einen Hoplomachus, Kolosseros muss also als murmillo gefochtn haben. Dieser siegte in beiden Kämpfen, doch genutzt hat es ihm nichts, denn Caligula ließ ihn erdrosseln.(Suet, Caligula, kap 35)
 
Das Alter allein kann ich aber nicht akzeptieren. Augustus war auch erst 32 als er praktisch zum Alleinherrscher Roms wurde.


Ich würde niemals ein Argument als alleingültig bezeichnen, natürlich spielen viele Faktoren eine Rolle, und die meisten können wir nicht mehr erfassen. Der Vergleich mit Augustus ist allerdings problematisch, denn als er 27 v. Chr. seine Stellung erreicht hatte oder besser gesagt anfing, seine Position in Formen zu gießen, hatte er schon 14 Jahre Kämpfe hinter sich und war fest in die politische Gesellschaft integriert.
Bei Sueton ist, wie bei allen historischen Schriften, zu fragen, für welches Publikum er schrieb? Welche Erwartungen wollte er erfüllen und welche Rücksichten mußte er nehmen, egal, wie seine eigene Stellung war. Als Ritter und als Beamter am kaiserlichen Hof dürften sich seine Vorstellungen nicht sehr von gängigen Ansichten der römischen Oberschicht unterschieden haben.
 
"Die" römische Oberschicht gab es nicht. Vor allem in der späten Republik standen Senatoren und Ritter in scharfem Gegensatz zueinander. In der Kaiserzeit wurde dieser Gegensatz weiter zementiert, wenngleich die realpolitische Bedeutung zurückging.
 
"Die" römische Oberschicht gab es nicht. Vor allem in der späten Republik standen Senatoren und Ritter in scharfem Gegensatz zueinander. In der Kaiserzeit wurde dieser Gegensatz weiter zementiert, wenngleich die realpolitische Bedeutung zurückging.

Wie manifestierte sich denn dieser Gegensatz? Es gab immer wieder Aufsteiger aus der Ritterschaft in den Senat.
 
Sie unterschieden sich in der Kaiserzeit trotzdem immer noch durch Äußerlichkeiten, Vermögensgrenzen, unterschiedliche Karrieremöglichkeiten ...

Dass es immer wieder "Aufsteiger" gab, zeigt ja erst recht, dass es immer noch eine Differenzierung zwischen beiden Ständen gab und es nicht egal war, zu welchem man gehörte, also keine einheitliche Oberschicht.
 
Sie unterschieden sich in der Kaiserzeit trotzdem immer noch durch Äußerlichkeiten, Vermögensgrenzen, unterschiedliche Karrieremöglichkeiten ...

Dass es immer wieder "Aufsteiger" gab, zeigt ja erst recht, dass es immer noch eine Differenzierung zwischen beiden Ständen gab und es nicht egal war, zu welchem man gehörte, also keine einheitliche Oberschicht.

Das klingt jetzt aber nicht nach "scharfem Gegensatz".
 
"Scharfer Gegensatz" war vielleicht etwas übertrieben. Aber z. B. vergaben die meisten Kaiser Posten bevorzugt an Personen aus dem Ritterstand. Schon äußerlich unterschieden sich Senatoren und Ritter durch die Breite des Purpurstreifens auf der Tunika.
Ob die Bestimmung, dass Senatoren keine Geldgeschäfte machen dürfen, (die erst so richtig zur Herausbildung des Senatoren- und Ritterstandes geführt hatte) in der Kaiserzeit eigentlich irgendwann abgeschafft wurde, weiß ich leider nicht.
 
"Scharfer Gegensatz" war vielleicht etwas übertrieben. Aber z. B. vergaben die meisten Kaiser Posten bevorzugt an Personen aus dem Ritterstand. Schon äußerlich unterschieden sich Senatoren und Ritter durch die Breite des Purpurstreifens auf der Tunika.
Ob die Bestimmung, dass Senatoren keine Geldgeschäfte machen dürfen, (die erst so richtig zur Herausbildung des Senatoren- und Ritterstandes geführt hatte) in der Kaiserzeit eigentlich irgendwann abgeschafft wurde, weiß ich leider nicht.

Daß es Standesunterschiede gab, kann niemand bestreiten. Mir ging es darum, daß beide Gruppen das gleiche Wertesystem teilten, wenn es um die Beurteilung eines Kaisers ging. Auch hier würde man bei differenzierter Betrachtung Unterschiede zwischen Rittern und Senatoren feststellen, ebenso aber auch innerhalb der Senatorenschaft.
Der Purpurstreifen findet sich übrigens auf der Toga, der toga praetexta. Und diese wird nur von Senatoren getragen. Einen Unterschied in der Breite der Streifen kenne ich nicht.
 
Die Senatoren trugen auf der Tunika einen breiten Purpurstreifen, die Ritter einen schmalen. Die Toga praetexta war keine Senatorenkleidung, sondern sie wurde von minderjährigen freien Jungen, bestimmten Priestern und aktiven und ehemaligen Konsuln, Praetoren und kurulischen Ädilen getragen.

Ritter und Senatoren beurteilten das Kaisertum unterschiedlich. Die meisten Senatoren standen ihm eher skeptisch gegenüber und wünschten eine Senatsherrschaft. Hingegen verdankten die Ritter einen Großteil ihres Einflusses und ihrer Karrieren der Förderung durch die Kaiser.
 
Das System des "keine Geldgeschäfte machens" wurde seit dem Ende der Republik durch den Trick umgangen, diese Geldgeschäfte durch einen Freigelassenen zu betreiben, wie überhaupt das Wirtschaftsleben der Aristokratie in eine halbfreie Mittelschicht ausgelagert wurde. Einen Höhepunkt erreichte das unter Claudius, der selbst die Bürokratie des Imperiums so organisierte: anstößig für den konservativen Römer, aber sehr effektiv und gewinnbringend.
 
Innerhalb des Ordo equester und besonders innerhalb der Armee war Domitian überaus beliebt. Das ging soweit, dass Offiziere seinen Tod rächen wollten wie Sueton berichtet.
Man darf die Armee nicht mit den Prätorianern gleichsetzen. Es meuterten die Prätorianeroffiziere, wie Kasperius Aelianus gegen den Nachfolger Nerva und verlangten das Todesurteil gegen Domitians Mörder. Da Domitian kein Heerführer, wie seine beiden Vorgänger war empfanden die Legionäre wohl auch keine große Zugehörigkeit zu ihm.
 
Man darf die Armee nicht mit den Prätorianern gleichsetzen. Es meuterten die Prätorianeroffiziere, wie Kasperius Aelianus gegen den Nachfolger Nerva und verlangten das Todesurteil gegen Domitians Mörder. Da Domitian kein Heerführer, wie seine beiden Vorgänger war empfanden die Legionäre wohl auch keine große Zugehörigkeit zu ihm.

Dem möchte ich mich hier nicht so einfach anschließen. Von einer Meuterei können wir zunächst gar nicht sprechen,weil Sueton selbst davon berichtet, dass es hierfür an geeigneten Anführern gefehlt hatte. Die Situation war aber weitaus gefährlicher als Dein Beitrag es darstellt. Tacitus schreibt davon, dass seit den Flaviern das Militär zu einer der tragenden Pfeiler des römischen Systems geworden war, d.h. es waren nicht mehr nur Senat und Volk von Rom, sondern auch das römische Militär. Die Verhältnisse im Vierkaiserjahr hatten ganz deutlich gemacht, wer die Kaisermacher sind und die Flavische Dynstie war gerade aus diesem Bereich hervorgegangen.
Dass Domitian kein Heerführer war, stimmt so auch nicht, denn Domitian war an Kriegen in Germanien und Dakien beteiligt. Ob seine Rolle ehrenhaft oder schmählich feige war, ist ein Problem der Damnatio Memoriae. Man kann hier keineswegs irgendeinen der nachdomitianischen Autoren heranziehen und sagen, ja klar, der sagt es doch. Was dort abgelaufen ist, wissen wir überhaupt nicht. Wir wissen nicht wirklich, wie Domitians Verhalten dort war. Der militärische Erfolg macht nicht automatisch einen großen Heerführer aus, wie die Geschichte an einigen Beispielen belegt.
Bemerkenswert darf es aber in diesem Zusammenhang genannt werden, dass gerade Cassius Dio bzw. Xiphilinos davon berichten, dass die römischen Legionäre in scheinbar ausweglosen Kampfsituationen in Dakien durch Domitians Ankunft neuen Mut geschöpft hatten.
Weiter ist hier der Grabstein des Tiberius Claudius Maximus anzuführen, der seine Verdienste im Dakerkrieg unter Domitian anführt, während einige Senatoren in Rom genau dies nach Domitians Tod in ihrern Biographien zu bereinigen suchten und vom Mitläufer bzw. Günstling zum Widerstandskämpfer mutierten.
Eine weiteres Argument für Domitians Rückhalt bieten gerade die beiden Vorgänger Vespasian und Titus, die als Heerführer vor ihrer Kaiserzeit über eine riesige Heeresklientel verfügten. Am Fall des Augustus konnte man sehr gut beobachten wie wichtig und tragfähig derartige Loyalitätsverhältnisse für "Erben" sein konnten, selbst wenn sie sich nie als große Heerführergestalten hervortun sollten.
 
Domitian traf aber auch ziemliche Fehlentscheidungen in der Heeresführung. Man kann zumindest die Ernennung des Prätorianerpräfekten Fuscus zum Heerführer im dakischen Feldzug als ziemlich katastrophal bezeichnen. Dass das persönliche Erscheinen des Kaisers bei der Truppe eine positive Auswirkung auf die Kampfmoral ausübt, sagt noch nichts über dessen militärischen Fähigkeiten aus. immerhin besaß er überhaupt keine kriegerische Erfahrung, wie Vespasian oder Titus und hatte vor seiner Regierungszeit nie an Feldzügen teilgenommen.
Die Truppen pflegten sicher eine Anhänglichkeit gegenüber der flavischen Familie. Das dürfte auch ein wichtiger Grund für Nerva gewesen sein, einen beliebten Heerführer wie Trajan zu adoptieren.
 
Die Senatoren trugen auf der Tunika einen breiten Purpurstreifen, die Ritter einen schmalen. Die Toga praetexta war keine Senatorenkleidung, sondern sie wurde von minderjährigen freien Jungen, bestimmten Priestern und aktiven und ehemaligen Konsuln, Praetoren und kurulischen Ädilen getragen.

Wenn ein Ritter in den Stand der Senatoren befördert wurde, trug er wohl auch die gleiche Tunika wie seine neuen Standeskollegen. Oder haben die Homo Novus eine andere Tunika als die alten Senatoren?

Apvar
 
Nicht dass ich wüsste. Warum auch? Es gab ja formal keinen Unterschied zu Senatoren aus den traditionellen Familien.
 
Das Verhältnis zum Senat dürfte denkbar schlecht gewesen sein. Dadurch ,dass Domitian sich zum Zensor auf Lebenszeit ernennen ließ ,hatte er das Recht unliebsame Mitglieder des Rates aus den Senatslisten streichen und neue ,ihm genehme Männer im Senat aufnehmen zu lassen. Hinzu kamen auch Hinrichtungen von Senatoren. Auch, dass er sich mit dem anmaßenden Titel Herr und Gott anreden ließ, war demütigend. Ein unfähiger Kaiser ,wie Nero war er aber nicht. Dass die Reichsverwaltung unter seiner Herrschaft besser ,als zu jeder anderen Epoche funktionierte, gesteht ihm sogar Suetonius zu.
Aber Kaiser war ohne Ernennung Zensor auf Lebenszeit
 
Grundsätzlich richtig, allerdings war Augustus (mit Agrippa) 28 v. Chr. Censor, Claudius 47 (zusammen mit Vitellius, dem Vater des späteren Kaisers), Vespasian und Titus 72. Sie bekleideten das Amt allerdings noch "regulär", in republikanischer Tradition. Erst Domitian machte sich zum Censor auf Lebenszeit, und Kollegen hatte er auch keinen.
 
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