Diskrepanz zwischen öffentlichem Anspruch und wirtschaftlicher Aktivität der Eliten
Das System des "keine Geldgeschäfte machens" wurde seit dem Ende der Republik durch den Trick umgangen, diese Geldgeschäfte durch einen Freigelassenen zu betreiben, wie überhaupt das Wirtschaftsleben der Aristokratie in eine halbfreie Mittelschicht ausgelagert wurde. Einen Höhepunkt erreichte das unter Claudius, der selbst die Bürokratie des Imperiums so organisierte: anstößig für den konservativen Römer, aber sehr effektiv und gewinnbringend.
Sehr richtig! -
Ist völlig OT, aber dennoch:
Wobei diese Auslagerung bereits in republikanischer Zeit begonnen hatten. Es änderten sich der Rechtsstatus der „Halbfreien“ und ihre Möglichkeiten im Laufe der Zeit, es blieb jedoch die Bindung der „Freigelassenen“ an ihren Patron. Diese hatten somit die Chance quasi indirekt Geschäfte zu machen, womit den Gesetzen („keine Geldgeschäfte machen“, sowie die gesellschaftliche „Anstößigkeit“ von Handwerk & Handel für die Oberschicht) Genüge getan wurde. Wann genau diese „Restriktionen“ begannen ist mir nicht ganz klar. Doch fällt mir eine bezeichnende Episode im Vorfeld des 2. Punischen Krieges (Hannibal) ein, wo den Senatoren wirtschaftliche Restriktionen durch Druck des Volkes auferlegt wurden. Das römische Volk war zu jener Zeit nicht geneigt einen erneuten Krieg mit Karthago zu beginnen, der nach ihrer Meinung nur geeignet war, erneut die Taschen der oberen Schichten zu füllen.
Die Sorge des Volkes schien durch die Erfahrungen des gerade beendeten Illyrischen Krieges berechtigt, wo die Konsuln die Soldaten um ihnen zustehende Beuteanteile gebracht hatten. Einer der Konsuln wurde daher nach Ablauf seiner Amtszeit verurteilt. Um das Volk dennoch zur Zustimmung zum Kriege zu bewegen, wurde durch den Volkstribun Claudius ein Gesetz eingebracht: Diese „
lex Claudia de nave senatroum“ verbot Senatoren und ihren Söhnen den Besitz von Schiffen mit einer Tragfähigkeit von über 300 Amphoren. Damit sollte dazu beigetragen werden, dass die Senatoren aus den Kriegen nicht übermäßige Gewinne erzielen könnten. [So argumentiert J.Seibert in seinem Buch „Hannibal“] Der Fall wirft ein Licht auf die Gründe für rechtliche Beschränkungen der Erwerbsquellen für die Führungselite, die ansonsten nicht verständlich bliebe. Solche Regelungen konnten umgangen werden, indem scheinbar völlig selbstständig agierende „Strohmänner“ eingesetzt wurden, denen neben ihren persönlichen Fähigkeiten auch Kapital ihrer Patrone zur Verfügung standen, die am Erfolg partizipierten.
Prinzipiell bestand die Chance für indirekte Geschäfte über Freigelassene bereits seit einem Gesetz des Konsuls P. Rutilius Rufus (105 v. Chr.), durch welches dem Freilassenden die „Hälfte des Tagewerks seines ehemaligen Sklaven“ zustand. Mit einer Regelung aus dem Jahre 43 v.Chr. durch Servius Sulpicius wurde der Freigelassene zwar ökonomisch völlig frei, doch banden ihn „Dankespflichten“ an seinen ehemaligen Herrn. Grundsätzlich musste der Freilassende im Testament mit der Hälfte des erwirtschafteten Vermögens bedacht werden, wenn dieser sich vorher finanziell oder mit Ausstattung am Betrieb seines einstigen Sklaven beteiligt hatte… In der Kaiserzeit wurde weiter differenziert. („Die Wirtschaft des Römischen Reiches“, S 106).
Man erkennt hier deutlich die Differenz zwischen wirtschaftlicher Wirklichkeit und „ethischem Anspruch“ einer besonders einflussreichen Gruppe in der Gesellschaft, bei der offiziell Geldgeschäfte und ähnliches scheinbar verpönt war. Für einen „ehrlosen Normalbürger“ (aus Sicht der Elite) war direkte wirtschaftliche Aktivität in Handel und Geldwandel nicht ehrenrührig. Für den gehobenen Stand bestanden andere, „öffentliche Ansprüche“, die man indirekt umging. Es beleuchtet in meinen Augen die Zweischneidigkeit der in der Überlieferung immer wieder besonders gepriesenen „Römischen Tugenden“, die man für sich beanspruchte.
Auf früheren Grabsteinen erfolgreicher Freigelassener lassen sich diese häufig mit der Toga abbilden: Dem Kleidungsstück der freien, römischen Bürger! Dabei haben wir gerade festgestellt, dass diese Freiheit durchaus eingeschränkt blieb! Kein Wunder wenn in späteren Zeiten Freigelassene, die Stolz auf das Erreichte waren sich stattdessen lieber in der typischen Kleidung ihres Erwerbszweiges darstellen ließen!
Wie weit es eine Diskrepanz zwischen öffentlichem Auftreten und Selbstdarstellung zur tatsächlichen Handlungsweise der (auch flavischen) Kaiser gegeben hat, muss ich offen lassen. Mummius Picius hat das grundsätzliche Problem zwischen öffentlichem Auftreten und tatsächlicher Handlungsweise mit wenigen Worten sehr treffend aufgezeigt, was ich nur ergänzen konnte.