Historische Romane

Natürlich ist nicht Graves am falschen Wikipedia-Eintrag schuld. Ich brachte das nur als Beispiel für den verzerrenden Einfluss, den Historienromane haben können. Da ich dem Wikipedia-Autor nicht unterstellen will, er habe bewusst etwas Fiktives im Artikel ergänzen wollen, muss ich annehmen, dass er die Information mit der Varusschlacht (mag er sie nun direkt aus dem Roman oder über einen Umweg haben) für authentisch hielt, also davon ausging, dass, was im Roman stand, wirklich so stattfand. Der Roman hat ihm somit durch die Vermengung von Überliefertem und Fiktivem (direkt oder indirekt) falsches Geschichts-"Wissen" vermittelt.

Das ist das Problem, das ich mit vielen "Historienromanen" (gilt natürlich ebenso für "Historienfilme" und -serien), vor allem solchen, die sich um reale Personen und Ereignisse drehen, habe: Ausgesprochen oder unausgesprochen vermitteln sie den Eindruck, keine fiktive Geschichte zu erzählen, sondern etwas, das tatsächlich stattgefunden hat. Ein erheblicher Teil der Leser oder Zuschauer macht sich vermutlich nicht die Mühe, hinterher nachzurecherchieren, was aus dem Roman belegt ist oder nicht, sondern nimmt das Gelesene hin und hält es für authentisch. Und hier sehe ich schon eine gewisse Verantwortung des Romanautors oder Filmemachers.

Natürlich gibt es Schlimmeres, aber gut finde ich es trotzdem nicht.
 
(Oder dass ein historischer Roman zumindest als solches von seinen Autorinnen bzw. Autoren und den Verlagen vermarktet werden muss. Unwichtig ist dagegen, dass dieser Anspruch auch tatsächlich erfüllt ist - zurzeit gilt, mein persönlicher Eindruck), wenn Autorin bzw. Autor und Verlag das behaupten, dann ist dies der Fall. Dies gilt auch, wenn es durch eine objektive, faktenbezogene Prüfung keineswegs bestätigt werden kann.)
Eben. Auch ein historischer Roman ist ein Roman und niemals eine Studie über die Zeit oder andere Umstände der Handlung. Wenn auf dem Buch als Genre Roman vermerkt ist, sollte niemand was anderes erwarten als Fiktion, ggf. an reale Ereignisse angelehnt.
 
Natürlich ist nicht Graves am falschen Wikipedia-Eintrag schuld. Ich brachte das nur als Beispiel für den verzerrenden Einfluss, den Historienromane haben können. Da ich dem Wikipedia-Autor nicht unterstellen will, er habe bewusst etwas Fiktives im Artikel ergänzen wollen, muss ich annehmen, dass er die Information mit der Varusschlacht (mag er sie nun direkt aus dem Roman oder über einen Umweg haben) für authentisch hielt, also davon ausging, dass, was im Roman stand, wirklich so stattfand. Der Roman hat ihm somit durch die Vermengung von Überliefertem und Fiktivem (direkt oder indirekt) falsches Geschichts-"Wissen" vermittelt.

Das ist das Problem, das ich mit vielen "Historienromanen" (gilt natürlich ebenso für "Historienfilme" und -serien), vor allem solchen, die sich um reale Personen und Ereignisse drehen, habe: Ausgesprochen oder unausgesprochen vermitteln sie den Eindruck, keine fiktive Geschichte zu erzählen, sondern etwas, das tatsächlich stattgefunden hat. Ein erheblicher Teil der Leser oder Zuschauer macht sich vermutlich nicht die Mühe, hinterher nachzurecherchieren, was aus dem Roman belegt ist oder nicht, sondern nimmt das Gelesene hin und hält es für authentisch. Und hier sehe ich schon eine gewisse Verantwortung des Romanautors oder Filmemachers.

Natürlich gibt es Schlimmeres, aber gut finde ich es trotzdem nicht.
Sehe ich ganz genauso. Vor meiner Zeit im Geschichtsforum hat mir mal jemand für eine historische Tatsachenbehauptung allen Ernstes Dan Browns Sakrileg/The Da Vinci-Code "vorgelegt". Es ist offenbar für viele verführerisch Historische Romane mit Historischer Fachliteratur zu verwechseln.
 
Das ist das Problem, das ich mit vielen "Historienromanen" (gilt natürlich ebenso für "Historienfilme" und -serien), vor allem solchen, die sich um reale Personen und Ereignisse drehen, habe: Ausgesprochen oder unausgesprochen vermitteln sie den Eindruck, keine fiktive Geschichte zu erzählen, sondern etwas, das tatsächlich stattgefunden hat.
ich weiß nicht so recht: ist das nicht ein wenig wie mit einem Tunnelblick betrachtet?
Denselben Verdacht könnte man doch einer anderen literarischen Gattung, die nicht weniger Fiktion ist als der historische Roman, ebenso entgegenbringen: dem Drama, der Tragödie. Wimmeln nicht bei Shakespeare prominente historische Personen herum, sogar schon in den Titeln der Dramen? Oder bei Schiller? Und das Theaterstück auf der Bühne, als Aktion, wirkt viel direkter als der historische Roman, den man irgendwo zwischen distanziert und fasziniert im heimischen Stübchen schmökert. Aber mir ist nirgendwo bzgl. Theater jemals der oben zitierte Verdacht begegnet.
(Opern mit historischem Sujet will ich nicht auch noch erwähnen) Die Gattung Historienroman kann nichts dafür, wenn sie von gar zu naiven Rezipienten goutiert und dabei missdeutet wird.
 
Ein Beispiel für den unheilvollen Einfluss von "Historienromanen", die sich nicht auf Fakten beschränken, ist der Wikipedia-Artikel über Chaerea, den Mörder Caligulas. In ihm konnte man 2015 einige Monate lang lesen, Chaerea sei ein Überlebender der Schlacht im Teutoburger Wald gewesen. Diese "Information" geht allerdings nicht auf antike Quellen zurück, sondern anscheinend auf den Roman "I, Claudius" von Robert Graves.

Eine Sache die mich etwas gewundert hat will ich mal hier ansprechen, da ich es in nem historischen Roman und nicht in einer Quelle oder Geschichtsbuch gelesen hab - Wie sahen eigentlich die Trinkgewohnheiten der Wikinger aus? Die Populärkultur hat den Met zum Lieblingsgetränk der Wikinger erkoren, aber in Frans G. Bengtssons wirklich guten Wikingerroman "Röde Orm" ist immer von "beim Biere sitzen" die Rede. Ich glaub das Wort "Met" kommt sogar gar nicht vor. Jemand dazu ne Idee? Ich nehme mal an die Wikinger kannten und schätzten beide Getränke, aber vielleicht war Met eher was für besondere Anlässe? Kenn mich auch nicht mit dem Brauverfahren aus. Außer, dass viele Geschichtsfans selber Met machen, was ich am liebsten mal selber ausprobieren würde.
 
Bier ist in Skandinavien ab der Bronzezeit nachweisbar (Mädchen von Egtvet), im mittelalterlichen Skandinavien gab es ein Wacholderbier, allerdings gab es keinen Hopfen. Hopfen benötigt sowohl die richtigen, Temperaturen, als auch das notwendige Licht. Deshalb wächst Hopfen eben nicht überall, gehopftes Bier (haltbarer und besser schmeckend) musste man im Norden importieren. Das skandinavische Bier der Wikingerzeit stelle ich mit jedenfalls als Plörre vor, die schnell umkippte oder schal wurde
 
Bier ist in Skandinavien ab der Bronzezeit nachweisbar (Mädchen von Egtvet), im mittelalterlichen Skandinavien gab es ein Wacholderbier, allerdings gab es keinen Hopfen. Hopfen benötigt sowohl die richtigen, Temperaturen, als auch das notwendige Licht. Deshalb wächst Hopfen eben nicht überall, gehopftes Bier (haltbarer und besser schmeckend) musste man im Norden importieren. Das skandinavische Bier der Wikingerzeit stelle ich mit jedenfalls als Plörre vor, die schnell umkippte oder schal wurde

Interessant. Dann tranken die Wikinger deshalb lieber Met? Lustige Vorstellung.
 
aus der Edda, Alvismal, Strophen 34, 35:

(Thor lenkt den Zwerg Alwis mit Fragen ab, bis die Sonne aufgeht und den Zwerg versteinert. Dies ist die letzte Frage vor dem Sonnenaufgang.)

Thor:
Sage mir Alwis, da alle Wesen,
Kluger Zwerg, du erkennst,
Wie heißt das Äl, das alle trinken,
In den Welten allen?

Alwis:
Bei Menschen Äl, bei Asen Bier,
Wanen sagen Saft,
Bei Hel heißt es Met, bei Riesen helle Flut,
Geschlürf bei Suttungs Söhnen.*

Fragt mich nicht, welche Ausdrücke Simrock im Original vorfand. Vielleicht hat ja jemand eine Ausgabe zum Nachschlagen parat.

*grob vereinfacht: Suttung besaß zeitweise das Skaldenmet. Odin stibitzte es für Götter und Menschen. Irgendwie sympathischer als der Feuerklau.
 
Þórr kvað:
"Segðu mér þat, Alvíss, - öll of rök fira
vörumk, dvergr, at vitir -:
hvé þat öl heitir, er drekka alda synir,
heimi hverjum í?"

Alvíss kvað:
"Öl heitir með mönnum, en með ásum bjórr,
kalla veig vanir, hreinalög jötnar,
en í helju mjöð, kalla sumbl Suttungs synir."
 
Danke! Dann haben doch einen Beleg für Ale, Bier und Met und ein paar Bilder dafür.

Allerdings wird das Alvissmal eher spät datiert, nach Simeks Übersicht meist in die letzte Phase im 12. oder frühen 13. Jahrhundert. Allerdings werde es noch zitiert, was eine ganz späte Entstehung ausschließt. Seltener werde auch das 10. Jahrhundert genannt. Ich habe an der frühen Zeit meine Zweifel, da es für mich nach humorvollem Umgang mit der unchristlichen Mythologie aussieht.
 
Das allein spricht nicht zwingend gegen eine Frühdatierung in heidnische Zeit. Auch in der altgriechischen Literatur findet sich mitunter ein etwas „humorvoller“ Umgang mit den Göttern. So z. B. bereits in Homers Odyssee die Szene, in der Aphrodite und Ares bei einem Schäferstündchen in eine von Aphrodites betrogenem Ehemann Hephaistos gestellte Falle tappen und von der versammelten Götterschar (die allerdings belustigt reagiert) in flagranti begutachtet werden.
 
Ich habe diese Tage das Buch Die Bibel nach Biff von Christopher Moore gelesen. Biff ist der beste Freund von Jesus und begleitet ihn auf all seinen Wegen von der Kindheit bis zur Passion. Eine Erklärung dafür, dass er im NT nicht vorkommt, liefert das Ende des Evangeliums nach Biff. Vor allem schließt Biff (Levi bar Alphäus) aber die Lücken zwischen Geburt Christ, dem Verschwinden des Zwölfjährigem im Tempel und den letzten drei Jahren.

Also... das Buch war herrlich. Strenggläubige Christen und strenggläubige Atheisten würde es verrückt machen. Ich habe oft herzlich gelacht.
Aber .... was hat dieses Buch hier in diesem Thread zu suchen?
Nun... das Buch hat mich überrascht wegen seiner teilweise korrekten Beschreibungen der Zeloten und weil der Autor wusste, dass Pontius Pilatus nicht in Jerusalem residierte, sondern in Caesarea.
Im Nachwort weist er auch darauf hin, dass er eine plausible Geschichte schreiben wollte, die historisch akkurat sei, gleichzeitig räumt er ein, dass er davon abgewichen ist, erklärt aber auch an welchen Stellen er Anachronismen eingebaut hat. Biff baut natürlich ständig Anachronismen ein, denn der aus Jersualemer Staub wiederbelebte Biff lebt mit einem dauerfernsehsendungensehenden Engel in einem Hotelzimmer, sein Wortschatz ist daher Soap- und MTV-gesättigt (das Buch ist um die Jahrtausendwende erschienen).
Als Quellen hat Christopher Moore die Evangelien, die gnostischen Schriften z.T., die APG und die Briefe herangezogen, außerdem Flavius Josephus und Texte aus dem buddhistischen und hinduistischen Bereich.
 
habe auf die Beschreibung hin jetzt auch Die Bibel nach Biff gelesen - soviel Phantasie bei soviel Wissen, einfach schön. Ich habe viel gelacht.
 
Es sollte doch in breitesten Schichten der Bevölkerung bekannt sein, das Mais, Kartoffeln, Paprika, Kakao, Kartoffeln
und einiges andere aus der Neuen Welt kommt. Ich wundere mich immer wieder.

Das Problem ist auch einfach oft "hausgemacht" bei den Autoren. Viele Kollegen neigen dazu, dem Leser das Denken und die Phantasie abzunehmen - und verfangen sich in viel zu viele kleinste Details. Ist auch oft geschuldet an der Sichtweise - je mehr man die historische Umgebung beschreibt, desto besser für den Leser und/oder desto mehr möchte der Autor sich als Kenner der Zeit präsentieren (bzw. seinen Roman als authentisch präsentieren).

Aus meiner Sicht völlig unnötig (teils - oft). Die meisten Leser ergänzen fehlende Details meist eh mit der eigenen Phantasie. Daher ist es aus meiner Sicht besser eh nie zu arg ins Detail zu gehen. Weder bei historischen Personen, noch bei Details des alltäglichen Lebens. Wie geschrieben - mir ist lieber der Leser denkt sich die gedeckte Tafel selbst aus, anstatt er sich über Fehler aufregt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Viele Kollegen neigen dazu, dem Leser das Denken und die Phantasie abzunehmen - und verfangen sich in viel zu viele kleinste Details.
Die Details sind die Würze in einem Roman. Man soll Geschehnisse zeigen, nicht lediglich davon erzählen. Das heißt nicht sagen, dass der Tag schön war, sondern den Tag so schildern, dass im Kopf des Lesers das Bild eines schönen Tages entsteht.

Ein anderes Beispiel: Der Protagonist isst nicht einfach sein Mittagessen, sondern isst (zuerst) eine bestimmte heiße oder lauwarme Lauchsuppe. Und wenn der Autor eines im Mittelalter spielenden Romans in dieser Suppe Kartoffelstücke schwimmen lässt, dann ist das ein Fehler. Punkt.
 
Ein anderes Beispiel: Der Protagonist isst nicht einfach sein Mittagessen, sondern isst (zuerst) eine bestimmte heiße oder lauwarme Lauchsuppe.
Oder einen "Laberkas" wie Adson von Melk und William von Baskerville im Namen der Rose (kurz nach ihrer Ankunft im Kloster, eine sehr hübsche Szene!) "esse facile, maken une Laberkas" (so in der Übersetzung, wenn ich mich richtig erinnere)
 
Geschmackssache. Zu den wenigen Dingen, die mich am "Herrn der Ringe" störten, gehörte, dass bei der Reise der Gefährten für jeden Tag detailliert das Wetter beschrieben wird. Oder wenn in Historienromanen von Ebers, Dahn & Co. detailliert die Inneneinrichtung eines Zimmers beschrieben wird. Oder wenn manche russische Autoren des 19. Jhdts. eine Vorliebe dafür hatten, detailliert Aussehen und Bekleidung von Personen (oft nur Nebencharaktere) zu beschreiben. Ich finde solche Partien eher langatmig und langweilig.
 
Oder wenn manche russische Autoren des 19. Jhdts. eine Vorliebe dafür hatten, detailliert Aussehen und Bekleidung von Personen (oft nur Nebencharaktere) zu beschreiben. Ich finde solche Partien eher langatmig und langweilig.
Es kommt auf das wie an. Nebencharaktere, also Personen, die für die Geschichte gar nicht wichtig sind, allzu detailliert zu beschreiben, ist heute in der Tat langweilig. Aber im 19. Jahrhundert, in dem die wenigsten Leser etwas von früheren Zeiten wussten, konnte man schon ein paar Variationen der Bekleidungssitten von damals bringen, schließlich – Zitat aus Wikipedia: „Die Kleidung im Mittelalter in Europa spiegelte den Platz der gekleideten Person innerhalb der mittelalterlichen Ständeordnung wider.“

Die Kleidung eines Menschen kurz in ein zwei Sätze zu beschreiben, statt einfach zu sagen, der war ein Händler, Bauer oder Provinzler oder ..., ist genau das, was ich meine mit Zeigen statt Erzählen.
 
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