Sein Dresdner Publikum hat Höcke jedenfalls so verstanden, wie Höcke wohl auch verstanden werden wollte. Solange aber womöglich eine Anzeige wegen Volksverhetzung droht, formuliert man verhalten. Unmissverständlich hat Höcke in seiner Rede jedenfalls sehr deutlich gemacht, dass er das Mahnmal für höchst überflüssig hält, dass er die gesamte Gedenkkultur seit 1945 nicht nur für überflüssig, sondern für "uns", für das deutsche Volk schädlich und lähmend ansieht.
Weizäckers bemerkenswerte Rede vom 8. Mai 1985 sei so Höcke "gegen das deutsche Volk" gerichtet gewesen.
Ich habe mich mit diesem Höcke nie näher beschäftigt. Ich bezog mich allein auf den Inhalt dieser Rede ohne vorgefasste Meinung zu der Person.
Interessant finde ich aber den von dir angesprochenen Aspekt der "gesamten Gedenkkultur seit 1945".
Bis 1990 gab zwei deutsche Staaten, deren Gedenkkultur sich schon bedingt durch verschiedene politische Systeme auch deutlich unterschieden hat.
Nimmt man mal nur die Bundesrepublik, gab es nach 1945 doch auch keine einheitliche Gedenkkultur. In der Ära Adenauer pflegte man einen anderen Umgang mit historischem Gedenken als das heute.
Meines Wissens war von Weizsäckers Rede das erste Mal, dass ein hoher Repräsentant der Bundesrepublik den 8. Mai als "Tag der Befreiung" bezeichnete, was diese Rede ja auch so bedeutsam machte. Es war eine neue Sichtweise, die erst Mitte der 80er Jahre sich langsam durchsetzte. Wobei Weizsäckers Rede und seine Darstellung des 8. Mai als Befreiung auch damals schon von einigen kritisiert wurde, die einfach eine andere Meinung dazu hatten.
"Die Rede stieß bei Teilen der Union auf Kritik. Der CSU-Bundestagsabgeordnete Lorenz Niegel und 30 weitere Abgeordnete blieben der Rede fern. Alfred Dregger sprach sich 1986 dagegen aus, den 8. Mai 1945 einseitig als einen Tag der Befreiung zu sehen. Auch Franz Josef Strauß widersprach von Weizsäcker und forderte, die Vergangenheit „in der Versenkung, oder Versunkenheit“ verschwinden zu lassen, denn „die ewige Vergangenheitsbewältigung als gesellschaftliche Dauerbüßeraufgabe lähmt ein Volk!"
Zum 40. Jahrestag der Beendigung des Krieges in Europa und der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft – Wikipedia
Bei einer Gedenkkultur geht es halt nicht um geschichtswissenschaftliche Tatsachen an sich, sondern um den gesellschaftlichen und kulturellen Umgang damit. Dazu gibt es naturgemäss unterschiedliche Meinungen in einer freiheitlichen Gesellschaft, die in einem Diskurs ausgetauscht werden. Kultur ist immer in Bewegung, so auch Erinnerungs- und Gedenkkultur.