Iulius Africanus und die Diskrepanz des Stammbaums Jesu bei Lukas und Matthäus

Ich schreibe Dir, wie ich mir das frühe Christentum in der von uns diskutierten Hinsicht vorstelle, und hoffe, dass Du dann Deine Vorstellungen zum frühen Christentum formulierst.

Dass die später kanonisch gewordenen Evangelien so einen Erfolg im frühen Christentum hatten, führe ich im Wesentlichen auf ihren Inhalt zurück: das Leben und die Botschaft Jesu Christi. Daraus schließe ich, dass man sich im frühen Christentum unter anderem für das Leben Jesu und die Person durchaus stark interessierte. Daraus folgere ich, dass, wenn solch ein Interesse im frühen Christentum breitflächig bestand, sich mehr Christen auf die Suche nach Überlieferungen über Jesus machten als nur die Evangelien-Schreiber.
Einen wichtigen Hinweis hat El Quijote schon gegeben:
Die ersten Christen rechneten fest damit, dass Christus bald wiederkommen würde. So schreibt z. B. Paulus: "Wir, die wir noch leben und bis zur Ankuft des Herrn am Leben bleiben..." (1 Thess 4,15). Aus dieser Sicht wäre es Unfug gewesen, sich mit historischen Aufzeichnungen zu beschäftigen. Wofür auch? Für die "Nachwelt"?
Doch die Jahre verstrichen. Irgendwann war die erste Generation am Aussterben. Da musste man sich wohl mit dem Gedanken vertraut machen, dass es vielleicht doch noch ein paar Generationen dauern könnte, bis Jesus wiederkommt.
Erst jetzt, wo Erinnerungen an den historischen Jesus fast nur noch aus zweiter Hand zu bekommen waren, wurden Aufzeichnungen nötig.
Daraus entstanden die Evangelien.
Die waren aber noch weit davon entfernt, "kanonisch" zu sein. Papias (ca. 60 - 140) hielt mündliche Informationen aus zweiter oder dritter Hand für wertvoller als Berichte aus Büchern:
Kam einer, der den Presbytern gefolgt war, dann erkundigte ich mich nach den Lehren der Presbyter und fragte: ‚Was sagte Andreas, was Petrus, was Philippus, was Thomas oder Jakobus, was Johannes oder Matthäus oder irgendein anderer von den Jüngern des Herrn? Und was sagen Aristion und der Presbyter Johannes, die Jünger des Herrn?’2 Denn ich war der Ansicht, daß aus Büchern geschöpfte Berichte für mich nicht denselben Wert haben können wie die Worte frischer, noch lebender Stimmen.
BKV

Um 170 entstand Tatians "Diatessaron", eine Zusammenfassung der vier gebräuchlichsten Evangelien. In syrischen Gemeinden wurde das lange anstatt der vier Evangelien im Gottesdienst benutzt.
Wir sehen daraus, dass die vier Evangelien zu der Zeit noch keine sakrosankten Texte waren.
Noch interessanter: Tatian hat sich bemüht Unstimmigkeiten zwischen den vier Evangelien auszugleichen. Einige Unstimmigkeiten hat er auch stehen gelassen. Was macht er mit den Stammbäumen bei Markus und Lukas? Er lässt alle beide weg. Also hatte schon Tatian keinen Plan, wie die Stammbäume unter einen Hut zu bringen waren.

Warum sollte dieses genealogische Wissen nicht von der ersten Herrenverwandten-Generation an andere interessierte Christen und vor allem an die nächsten Herrenverwandten-Generationen weitergegeben worden sein?
Wenn Deine Prämissen stimmen, ist die Frage doch:
Warum ist es nicht weitergegeben worden?
Warum hat niemand das Matthäus- oder Lukas-Evangelium oder beide mit einer kleinen Erweiterung/Korrektur versehen? Warum hat man diese offenkundige Peinlichkeit stehen lassen, wenn es doch so einfach gewesen wäre, sie zu beseitigen?

Darauf habe ich schon mehrmals hingewiesen, El Quijote inzwischen auch. Du gehst dieser Frage jedesmal aus dem Weg.
Andersrum: Einen leicht auflösbaren Widerspruch hätte man auch leicht beseitigen können.
Da hätte man doch leicht die Unstimmigkeit durch einen kleinen Hinweis ("Stiefvater") beseitigen können.
Die logische Konsequenz aus diesen Überlegungen ist noch einmal mehr die Frage: Warum sind die beiden Stammbäume dann so derart unterschiedlich!?!?
 
So sehr ich nicht ausschließen möchte, dass ich Quellen hie und da selektiv wahrnehme: In diesem Fall habe ich es nicht getan, sondern Du liest die Quelle ganz einfach in anachronistischer Weise. Eusebius (Anfang 4. Jh.) und die meisten seiner Zeitgenossen hatten keinen Plan, wie mit den Stammbäumen umzugehen sei. Das geht aus dem Zitat hervor, ja. Es geht aus Eusebius ebenfalls klar hervor, dass bereits zur Zeit des Africanus (Anfang 3. Jh.) unter vielen Christen Konfusion im Umgang mit den beiden Stammbäumen herrschte, ja. ABER damit macht Eusebius überhaupt keine Aussage (noch nicht mal eine indirekte) über die Zeit, in der die Evangelien abgefasst wurden. Zwischen dieser Zeit und Eusebius liegen mindestens 200-250 Jahre.
Dass der Großteil der Christen zu Africanus' und Eusebius' Zeiten nicht mehr wusste, wie die Unterschiedlichkeiten der beiden Stammbäume zu erklären waren, ist überhaupt nicht verwunderlich.

Ich finde hier keinen "Anachronismus".
Ich teile nur nicht Deine Prämisse, dass der Großteil der Christen "nicht mehr wusste", warum die Stammbäume nicht zusammenpassen. Weil diese Prämisse sich durch nichts belegen lässt.
Es gibt keinen Hinweis darauf, dass in der Zeit zwischen den Evangelisten und Iulius Africanus irgendwer irgendwas gewusst hat. Im Gegenteil: Alle Indizien sprechen dafür, dass solche Informationen einfach nicht greifbar waren. Dafür sprechen die unveränderten Texte bei Lukas und Matthäus, dafür spricht der Rauswurf der Stammbäume bei Tatian.

Also ein generationenlang gehütetes Familiengeheimis?
Das erst Iulius Africanus gelüftet haben soll, 100 oder 150 Jahre nach Erscheinen der Evangelien?
Mir kommt das schon ein wenig abenteuerlich vor.
 
Laut Africanus stammen seine Infos zu den Stammbäumen von den Herrenverwandten.
Könntest du die Stelle noch mal zitieren? Ich habe da den Überblick verloren.
Iulius Africanus: Brief an Aristides bei Euseb.: hist. ecc. I 7, 11 (übers. v. Ph. Haeuser):
[...] Dieser Bericht ist keineswegs aus der Luft gegriffen. Die leiblichen Verwandten des Erlösers haben auch noch, sei es rühmend, sei es einfach erzählend, auf jeden Fall wahrheitsgemäß, folgendes überliefert [...]
Die Quelle sagt ja nun nicht aus, dass Africanus mit den "Herrenverwandten" selbst gesprochen hätte. Es handelt sich um eine Behauptung, dass der Bericht des Lukas nicht aus der Luft gegriffen sei. Dann folgt eine wirre Erzählung über den Krieg der Idumaier mit den Juden und über den Aufstieg des Herodes, der alle Stammtafeln vernichten ließ, damit niemand beweisen könne, dass er höher stehe als Herodes, aber die Herrenverwandten hätten zufälligerweise vorher die Abstammungslisten kopiert. Das klingt schon ein wenig, wie eine Räuberpistole...
 
Letztlich ist doch folgendes festzustellen: Iulius Africanus versucht die beiden Stammbäume, die er bei Matthäus und Lukas vorfindet zu harmonisieren. Welcher anderen Quelle bedurfte er und lässt sich noch eine dritte Quellen wirklich feststellen, also außer der Harmonisierung neue Informationen, die sich aus den kanonischen Evangelien nicht entnehmen lassen?

Die Grundmotivation des Christen Africanus ist ohne Zweifel, die beiden ntl. Stammbäume zu harmonisieren. Das ist auch mir vollkommen klar. Aber das, was er unter Berufung auf die Herrernverwandten bzw. die hebräischen Genealogen vorbringt, harmonisiert nicht lediglich und ausschließlich die beiden Stammbäume, sondern es widerspricht im Detail ja auch dem Lukas, und zwar an einem Punkt, der für die Harmonisierung völlig belanglos ist. Ich zitiere nochmal Barhebraeus: Horreum Mysteriorum:
“Africanus says that according to the tradition which he received from Hebrew genealogists, Eli, Matthat and Levi were brothers, sons of Melchi, and not, as Luke says - Eli the son of Matthat, and Matthat the son of Levi“
(zitiert nach Julius Africanus: Chronographiae. The Extant Fragments, hrsg. v. Martin Wallraff, Berlin u. a. 2007, S. 273 [F90c])

Um Matthäus und Lukas zu harmonisieren, hätte Africanus dem Lukas keinen Fehler unterstellen müssen, sondern er hätte gemäß Lukas den Matthat (u. nicht den Melchi) die Witwe des verstorbenen Matthan heiraten lassen können und denselben Matthat (u. nicht den Melchi) gemäß Lukas als Vater des Eli akzeptieren können. In seiner Argumentation, wie die beiden Stammbäume miteinander zu harmonisieren seien, hätte sich nichts geändert.
Wenn dem Africanus wirklich ausschließlich daran gelegen gewesen wäre, die beiden Stammbäume mittels kreativer Logik zu harmonisieren, um die Wahrheit der Evangelien zu verteidigen, ohne dass er dabei auf ihm zuverlässig erscheinende Überlieferungen zurückgegriffen hätte, dann hätte er jenen Zweifel an der Richtigkeit der Darstellung des Lukas überhaupt nicht äußern dürfen. Der Vorwurf an Lukas, Väter u. Söhne mit Brüdern zu verwechseln, macht in meinen Augen nur Sinn, wenn dem Africanus eine andere ihn überzeugende Überlieferung vorlag. Und jene Überliefernden, von denen ich mir vorstellen kann, dass es die Herrenverwandten waren, können diese Verwerfung der lukanischen Darstellung in jenem Punkte ebenso wenig im Rahmen einer Harmonisierungs-Bestrebung gebraucht haben.

Bevor ich die Barhebraeus-Stelle kannte, nahm ich persönlich an, Africanus habe in seinem Brief an Aristides lediglich aus Versehen, aber konsequent die Namen Melchi und Matthat verwechselt, weil ich überhaupt nicht auf den Gedanken kam, dass sich Africanus 'erdreistet', den Lukas in einem Punkte zu verbessern, der für sein Harmonisierungs-Unterfangen völlig bedeutungslos ist. Africanus handelt aber dennoch so.

Ob Du daraus schließt, dass dem Africanus genealogische Informationen von Herrenverwandten vorlagen, die er (offensichtlich ganz ohne jeden Zusammenhang mit seinen Harmonisierungs-Bestrebungen) für vertrauenswürdiger hielt als den Lukas, weiß ich nicht. Ich jedenfalls schließe es daraus. Denn dieses Detail (Levi, Matthat u. Eli seien Brüder gewesen) widerspricht offen und ausdrücklich dem Lukas, ohne dass es für die Harmonisierungs-Argumentation, welche ja eigentlich die Wahrheit der Evangelien aufzeigen soll, von Nutzen oder Wert ist.


@ Sepiola:
Danke für Deine weiteren Einwände und Überlegungen. Ich werde mir morgen die Zeit nehmen, darauf zu antworten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Dein Bar Hebraeus oder Gregor Bar 'Ivri, der noch mal gut 1000 Jahre später schreibt, gibt allerdings wiederum Iulius Africanus' Darstellungen falsch wieder.
Denn der unterstellt Lukas gar keinen Fehler, wie Bar 'Ivri behauptet:

Die beiden Berichte sind also vollständig richtig; wenn auch unter verschiedenen Verschlingungen, führen sie doch wahrheitsgemäß zu Joseph. Damit das Gesagte verständlich wird, will ich die Verkettungen der Familien erklären. Zählt man die Glieder von David über Salomon, dann ist das drittletzte Matthan; denn dieser erzeugte Jakob, den Vater Josephs. Zählt man aber wie Lukas von Davids Sohn Nathan ab, dann ist das drittletzte Melchi; denn Joseph war der Sohn des Heli, des Sohnes des Melchi. Mit Bezug auf Joseph müssen wir nun zeigen, inwiefern sowohl Jakob in der auf Salomon zurückführenden Linie wie Heli in der auf Nathan zurückgehenden Linie als Josephs Vater erklärt wird, inwiefern beide, nämlich Jakob und Heli, Brüder waren und inwiefern deren Väter, nämlich Matthan und Melchi, obwohl sie verschiedenen Geschlechtern angehören, als Großväter Josephs bezeichnet werden, Matthan und Melchi heirateten einer nach dem anderen dasselbe Weib, und ihre Söhne wurden Brüder als Kinder der gleichen Mutter; denn das Gesetz verbot einer Witwe nicht, sich wieder zu verheiraten, mochte sie geschieden leben oder mochte ihr Mann gestorben sein. Aus Estha — nach der Überlieferung sein Weib — erzeugte zuerst Matthan, der von Salomon abstammte, den Jakob; nach seinem Tode heiratete Melchi, der sein Geschlecht auf Nathan zurückführte, also wenn auch dem gleichen Stamme, so doch, wie gesagt, einem anderen Geschlechte angehörte, die Witwe und erhielt von ihr als Sohn den Heli.
In der Rechtswissenschaft nennt man eine solche Argumentation, wie sie Iulius Africanus vorführt, rabulistisch.

buschhons schrieb:
Wenn dem Africanus wirklich ausschließlich daran gelegen gewesen wäre, die beiden Stammbäume mittels kreativer Logik zu harmonisieren, um die Wahrheit der Evangelien zu verteidigen, ohne dass er dabei auf ihm zuverlässig erscheinende Überlieferungen zurückgegriffen hätte, dann hätte er jenen Zweifel an der Richtigkeit der Darstellung des Lukas überhaupt nicht äußern dürfen.

Wie gesagt, er äußert ja gar keine Zweifel. Allerdings ist es eine beliebte Methode, einen Sachverhalt (das kann auch ein Zweifel sein) zu äußern, um ihn dann zu widerlegen.

buschhons schrieb:
Ob Du daraus schließt, dass dem Africanus genealogische Informationen von Herrenverwandten vorlagen, die er (offensichtlich ganz ohne jeden Zusammenhang mit seinen Harmonisierungs-Bestrebungen) für vertrauenswürdiger hielt als den Lukas, weiß ich nicht. Ich jedenfalls schließe es daraus.

Dann schließt du aus einer falschen Inhaltswiedergabe bei Bar 'Ivri.

Außerdem übersiehst du ein Problem: Nach Iulius Africanus - so jedenfalls Bar 'Ivri - sollen Eli, Mattat und Levi Brüder sein, da - so wiederum Iulius Africanus - Eli der Sohn von Melchi ist. Lukas schrieb:
"Man hielt ihn für den Sohn Josefs. Die Vorfahren Josefs waren Eli, Mattat, Levi, Melchi,..." Wo aber steckt nun wieder Jakob, der ja laut Matthäus der Vater Josefs sein soll? Denn wenn bei Lukas alle Brüder genannt werden, die ja mit dem Zeugungsprozess nichts zu tun haben, warum taucht Jakob nicht bei Lukas als einer dieser Brüder auf, obwohl doch Iulius Africanus zeigen will, dass "beide, nämlich Jakob und Heli, Brüder waren"? Irgendwie ist das Iulius Africanus' Argumentation unstimmig.

buschhons schrieb:
Denn dieses Detail (Levi, Matthat u. Eli seien Brüder gewesen) widerspricht offen und ausdrücklich dem Lukas, ohne dass es für die Harmonisierungs-Argumentation, welche ja eigentlich die Wahrheit der Evangelien aufzeigen soll, von Nutzen oder Wert ist.
Eigentlich steht dieser offene und ausdrückliche Widerspruch erst bei dem gut 1000 Jahre später schreibenden Bar 'Ivri, nicht bei Iulius Africanus. Der nennt Levi und Matthat gar nicht.
 
Lukas schrieb:
"Man hielt ihn für den Sohn Josefs. Die Vorfahren Josefs waren Eli, Mattat, Levi, Melchi,..." Wo aber steckt nun wieder Jakob, der ja laut Matthäus der Vater Josefs sein soll? Denn wenn bei Lukas alle Brüder genannt werden, die ja mit dem Zeugungsprozess nichts zu tun haben, warum taucht Jakob nicht bei Lukas als einer dieser Brüder auf, obwohl doch Iulius Africanus zeigen will, dass "beide, nämlich Jakob und Heli, Brüder waren"? Irgendwie ist das Iulius Africanus' Argumentation unstimmig.
Verstehst Du das wirklich nicht oder tust Du nur so? Jakob ist laut dieser Überlieferung ein Halbbruder ausschließlich des Eli und zwar über die Mutter Estha. Die drei Vollbrüder Melchi, Levi und Matthat hingegen gehören einer Generation früher an. Jakob ist weder über Mutter noch Vater in irgendeiner Form ein Bruder der drei.


Eigentlich steht dieser offene und ausdrückliche Widerspruch erst bei dem gut 1000 Jahre später schreibenden Bar 'Ivri, nicht bei Iulius Africanus. Der nennt Levi und Matthat gar nicht.

Ganz genau, in dem Brief an Aristides nennt Africanus Levi und Matthat nicht, sondern sagt mehrfach, dass Melchi der Vater Elis war. Lukas hingegen sagt, dass Matthat der Vater Elis war. > WIDERSPRUCH!
Nun ergibt sich aus Eusebius Einleitung des Africanus-Zitats, dass der Brief an Aristides länger war als das Zitat des Eusebius daraus. Und da muss man annehmen, dass Africanus im Brief ursprünglich den Widerspruch zwischen Lukas und seiner eigenen Version erläutert hat. Er kann den Widerspruch unmöglich unerklärt gelassen haben; aber Eusebius enthält uns die Erklärung des Africanus durch seine auszugsweise Zitation des Briefes vor.
Dann kommt "Dein" Bar Hebraeus und sagt, Africanus habe Melchi, Levi und Matthat für Vollbrüder gehalten, anstatt wie Lukas für Großvater, Vater und Sohn. Wenn das nicht die ursprüngliche Erklärung des Africanus sein soll, die Bar Hebraeus aus Africanus geschöpft hat, wie sollte sich Africanus dann ursprünglich gerechtfertigt haben, als er den Stammbaum des Lukas abänderte? (Ich gebe nur zu bedenken, dass diese Wiedergabe des Bar Hebraeus von Africanus es in eine wissenschaftliche Sammlung der Fragmente des Africanus von 2007 geschafft hat, und dort auch als africanisches Textfragment behandelt wird und nicht etwa unter die Testimonia über Africanus eingereiht wird).
Welchen Grund sollte Africanus gehabt haben, den Stammbaum des Lukas abzuändern und sich so in einen Widerspruch zu Lukas zu begeben, wenn nicht den, dass ihm eine andere glaubwürdig erscheinende Überlieferung zum Gegenstand vorlag, der er folgte. Und da nennt Africanus eben die Herrenverwandten. Das ist rund.
 
Verstehst Du das wirklich nicht oder tust Du nur so?

Das ist ja auch schwer zu verstehen. Wenn ich es richtig kapiert habe, haben wir jetzt mit Lukas, Africanus (laut Eusebius) und Africanus (laut Barhebraeus) drei widersprüchliche Versionen:

Lukas sagt:
Melchi war Josefs Ururgroßvater. Levi, Mattat und Eli gehören drei verschiedenen Generationen an.


Africanus sagt laut Barhebraeus:
Melchi war Josefs Großvater.
Levi, Mattat und Eli waren Brüder.


Africanus sagt laut Eusebius:
Melchi war Josefs Großvater.
Mattan (=Mattat?) und Melchi gehören derselben Generation an.


Um die Verwirrung komplett zu machen, zitiert Africanus laut Eusebius Lukas auch noch falsch, denn hier fehlt Levi.
 
Zuletzt bearbeitet:
Jakob ist laut dieser Überlieferung ein Halbbruder ausschließlich des Eli und zwar über die Mutter Estha. Die drei Vollbrüder Melchi, Levi und Matthat hingegen gehören einer Generation früher an. Jakob ist weder über Mutter noch Vater in irgendeiner Form ein Bruder der drei.

Das ist es ja gerade: Melchi ist nicht Bruder von Levi und Matthat, sondern Vater von Levi, Matthat und (H)Eli, wenn man Bar 'Ivri folgt. Bei Iulius Africanus kommen Matthat und Levi gar nicht vor und bei Lukas sind sie jeweils Vater und Sohn. Jetzt ist die Frage doch die, warum Lukas zwar, wenn man den im HochMA schreibenden Bar 'Ivri folgt, die Brüder Levi und Matthat nennt, die mit der Zeugung Josefs gar nichts zu tun haben, aber nicht den Jakob? Das ergibt irgendwie alles keinen Sinn.

Ganz genau, in dem Brief an Aristides nennt Africanus Levi und Matthat nicht, sondern sagt mehrfach, dass Melchi der Vater Elis war. Lukas hingegen sagt, dass Matthat der Vater Elis war. > WIDERSPRUCH!
In soweit sind wir uns also einig.

Nun ergibt sich aus Eusebius Einleitung des Africanus-Zitats, dass der Brief an Aristides länger war als das Zitat des Eusebius daraus. Und da muss man annehmen, dass Africanus im Brief ursprünglich den Widerspruch zwischen Lukas und seiner eigenen Version erläutert hat. Er kann den Widerspruch unmöglich unerklärt gelassen haben; aber Eusebius enthält uns die Erklärung des Africanus durch seine auszugsweise Zitation des Briefes vor.
Dass Iulius Africanus diesen Widerspruch aufgehoben habe, ist allenfalls eine Hypothese. Wieso hätte Eusebius ausgerechnet diesen kardinalen Punkt auslassen sollen?


Dann kommt "Dein" Bar Hebraeus und sagt, Africanus habe Melchi, Levi und Matthat für Vollbrüder gehalten, anstatt wie Lukas für Großvater, Vater und Sohn.
Bar 'Ivri schrieb:
Eli, Matthat and Levi were brothers, sons of Melchi,

Wenn das nicht die ursprüngliche Erklärung des Africanus sein soll, die Bar Hebraeus aus Africanus geschöpft hat, wie sollte sich Africanus dann ursprünglich gerechtfertigt haben, als er den Stammbaum des Lukas abänderte? (Ich gebe nur zu bedenken, dass diese Wiedergabe des Bar Hebraeus von Africanus es in eine wissenschaftliche Sammlung der Fragmente des Africanus von 2007 geschafft hat, und dort auch als africanisches Textfragment behandelt wird und nicht etwa unter die Testimonia über Africanus eingereiht wird).
Der Satz in der Klammer ist ein argumentum ad verecundiam. Natürlich gehört der Satz in eine wissenschaftliche Sammlung der Africanus-Fragmente, d.h. aber nicht automatisch, dass Bar 'Ivri hier Iulius Africanus auch korrekt wiedergegeben hat.
Welchen Grund sollte Africanus gehabt haben, den Stammbaum des Lukas abzuändern und sich so in einen Widerspruch zu Lukas zu begeben, wenn nicht den, dass ihm eine andere glaubwürdig erscheinende Überlieferung zum Gegenstand vorlag, der er folgte.
Relativ zu Anfang des Threads haben wir folgendes gefragt/festgestellt:

Hat sich Iulius auch mit den völlig abweichenden Generationenangaben (25 vs 40) befasst?

Es ist Tatsache, dass Lukas' Stammbaum viel mehr Glieder in der 'Vorfahren-Kette' aufweist als Matthäus' Stammbaum es tut.
Sprich: Neben dem Problem der völlig abweichenden Namen bei Lukas und Matthäus ist auch noch die Anzahl der Generationen eine ganz andere.
Wenn man schon ausreichend rabulistisch argumentiert, dass man dass Problem der abweichenden Vaterangaben mit Stiefvätern erklärt (und dabei stillschweigend akzeptiert, dass quasi in jeder Generation eine Verwitwung und Wiederverheiratung der Mütter stattgefunden hat), dann kann man auch, um die Generationenangaben anzugleichen, Leute die als Väter und Söhne angegeben sind, bei Lukas mittels der Konjunktion τοῦ gegenüber der Verbalform ἐγέννησεν bei Matthäus, mal eben zu Brüdern machen, Lukas benutzt die Verbalform ja nicht...
 
Welchen Grund sollte Africanus gehabt haben, den Stammbaum des Lukas abzuändern und sich so in einen Widerspruch zu Lukas zu begeben

Fragen wir doch erst einmal, warum Africanus (laut Eusebius) den Lukas falsch zitiert.
Absicht kann es nicht gewesen sein:
Africanus laut Eusebius schrieb:
Die beiden Berichte sind also vollständig richtig

Zum Stammbaum des Lukas heißt es dann aber:
Africanus laut Eusebius schrieb:
Zählt man aber wie Lukas von Davids Sohn Nathan ab, dann ist das drittletzte Melchi; denn Joseph war der Sohn des Heli, des Sohnes des Melchi.
Das ist nicht "vollständig richtig", das ist richtig falsch.
Bei Lukas ist der "drittletzte" Mattat, nicht Melchi.
Melchi ist der fünftletzte.
Und Eli ist der Sohn des Mattat. Nicht der Sohn des Melchi.

Dass Levi fehlt, könnte man notfalls dadurch erklären, dass Eusebius den Text des Africanus gekürzt hat.
Dass aus dem "fünftletzten" der "drittletzte" wird, ist durch Kürzungen nicht zu erklären.
Da müsste Eusebius schon absichtlich sinnentstellend in den Text eingegriffen haben.

Die Hypothese, die Du nun einführst, um den Africanus zu retten, kann also nicht stimmen.

Die einfachste Erklärung wäre: Schon Africanus hat sich verheddert und am Ende nicht mehr durchgeblickt. (Geht mir ja genauso.)
 
Verstehst Du das wirklich nicht oder tust Du nur so? Jakob ist laut dieser Überlieferung ein Halbbruder ausschließlich des Eli und zwar über die Mutter Estha. Die drei Vollbrüder Melchi, Levi und Matthat hingegen gehören einer Generation früher an. Jakob ist weder über Mutter noch Vater in irgendeiner Form ein Bruder der drei.
:sorry: Entschuldigung, El Q. Du hast ganz recht, ich habe heute morgen Unfug geschrieben. Natürlich sind laut Africanus via Bar Hebraeus nicht Matthat, Levi und Melchi Brüder, sondern Eli, Matthat und Levi. Angesichts dessen war besonders die etwas unverschämte Eingangsfrage daneben.
Glücklicherweise lässt sich Deine Frage, warum es den Africanus nicht gestört hat, dass Lukas nicht auch den Jakob aufzählt, ja dennoch ziemlich ähnlich wie oben beantworten:
Nach Ansicht des Africanus war Jakob der Halbbruder des Eli über die Mutter Estha. Die Brüder Eli, Matthat und Levi waren Söhne des Melchi. Jakob hingegen hatte einen anderen Vater (näml. Matthan). In dem reinen Männerstammtisch, ehm ich meine nätürlich Männerstammbaum des Lukas spielen gemeinsame weibliche Vorfahren keine Rolle. Nur die Väter sind von Bedeutung. Jakob gehört daher nicht in diesen Stammbaum.

Dass Iulius Africanus diesen Widerspruch aufgehoben habe, ist allenfalls eine Hypothese. Wieso hätte Eusebius ausgerechnet diesen kardinalen Punkt auslassen sollen?
Diese Hypothese ist aber in meinen Augen um vieles besser als die Gegenhypothese, dass Africanus diesen Widerspruch dem Aristides nicht erläutert haben sollte. Lies mal Euseb.: hist. ecc. I 7, 11. An dieser Stelle nennt Africanus innerhalb Eusebius' Auszug aus dem Brief zum ersten mal die Herrenverwandten als seine Quelle, und zwar in einer Form, die ganz stark darauf schließen lässt, dass Africanus im ursprünglich vollständigen Brief diese Quelle bereits zuvor genannt und eingeführt hat. Und in diesem früheren Zusammenhang dürfte er dann dem Aristides auch die Überlieferung, dass Eli, Matthat und Levi (entgegen dem, was Lukas suggeriert) Brüder waren, mitgeteilt haben, sodass sich Aristides dann im fortlaufenden Text (den Eusebius dann auch zitiert) nicht mehr wundern musste, dass Africanus den Melchi und nicht den Matthat als Vater des Eli bezeichnet.
Es ist doch kaum denkbar, dass Africanus, der seinem Leser solch komplizierte genealogische Zusammenhänge ausführlich im Detail erklärt, den Aristides an jenem Punkt, mit einem riesigen Fragezeichen im Gesicht zurücklässt, und es damit gleichgültig hinnimmt, dass Aristides die Nennung des Melchi als Vater des Eli als einen gravierenden Fehler des Africanus werten muss.

Sprich: Neben dem Problem der völlig abweichenden Namen bei Lukas und Matthäus ist auch noch die Anzahl der Generationen eine ganz andere.
Wenn man schon ausreichend rabulistisch argumentiert, dass man dass Problem der abweichenden Vaterangaben mit Stiefvätern erklärt (und dabei stillschweigend akzeptiert, dass quasi in jeder Generation eine Verwitwung und Wiederverheiratung der Mütter stattgefunden hat), dann kann man auch, um die Generationenangaben anzugleichen, Leute die als Väter und Söhne angegeben sind, bei Lukas mittels der Konjunktion τοῦ gegenüber der Verbalform ἐγέννησεν bei Matthäus, mal eben zu Brüdern machen, Lukas benutzt die Verbalform ja nicht...
Durchaus klug! Theoretisch könnte Africanus auf diese Weise bei Lukas zwei Generationen eingespart haben; obwohl ich vermute, dass Africanus, dessen Chronographie-Fragmente davon zeugen, dass er als Chronologe geübt war, in Zeiten, Jahren und Generationen zu denken, weniger die Generationen-Anzahl des Lukas mit Gewalt herabsetzen wollte, als dass es ihm sinnvoll erschienen sein muss, die Generationen-Anzahl bei Matthäus heraufzusetzen. Denn das durchschnittliche Alter, in welchem laut Matthäus die Stammväter ihren erstgeborenen Sohn begrüßen durften, beträgt ca. 54 Jahre (so man nach Africanus' chronolog. Maßstäben rechnet), bei Lukas ca. 30 Jahre (bzw. 33 Jahre). Africanus nahm ja auch tatsächlich eine Auslassung von Generationen bei Matthäus an.
Serubbabel wurde im babylonischen Exil geboren (wie es zum einen schon seine Name lehrt, zum anderen aber auch Stellen wie 1. Chronik 3, 17f u. Neh. 7, 7 zu verstehen geben). Nehmen wir einfach mal die Mitte des siebzigjährigen Exils an, so wäre Serubbabel im Jahr 4907 der Weltära des Africanus geboren worden (denn nach Africanus endete das Exil im Jahr 4942/4943). Jesus ist nach Africanus im Jahr 5500 oder 5501 der Weltära geboren worden. Die Geburt des Serubbabel und die Geburt Jesu trennen also nach Africanus 593/594 Jahre (Nach heutigem Ermessen sind es eher ca. 570 Jahre von der Mitte des babylonischen Exils bis zur Geburt Jesu). Diese 'Africanische' Zeitspanne füllen laut dem Matthäusevangelium nur 11 Generationen. Somit hätten die Väter der Matthäus-Liste ihren Stammhalter im Durchschnitt erst im Alter von etwa 54 Jahren erzeugt – zum Vergleich: bei Lukas im Alter von ca. 30 Jahren (bzw. wenn man mit Africanus die Generationen Levi u. Matthat ausschließt, im Alter von 33 Jahren). Für Africanus musste also nach der Empire die aus Lukas zu ermittelnde Generationen-Anzahl näher an der historischen Wahrheit liegen als die aus Matthäus ersichtliche. Folglich hat Matthäus gemäß biblisch-jüdischer Gewohnheit nicht ausnahmslos alle Generationen aufgezählt.
Trotzdem ist der von Dir vorgebrachte Einwand nicht ganz wegzureden. Das muss ich schon zugeben.
 
Lukas sagt:
Melchi war Josefs Ururgroßvater. Levi, Mattat und Eli gehören drei verschiedenen Generationen an.
Korrekt.

Africanus sagt laut Barhebraeus:
Melchi war Josefs Großvater.
Levi, Mattat und Eli waren Brüder.
Korrekt.
(Dass Melchi Josephs Großvater war, steht bei Bar Hebraeus zwar nicht ausdrücklich, es ist allerdings eine logische Konsequenz seiner Worte).


Africanus sagt laut Eusebius:
Melchi war Josefs Großvater.
Mattan (=Mattat?) und Melchi gehören derselben Generation an.
Korrekt.
(Nur, dass Matthan bei Matthäus vorkommt, Matthat bei Lukas und dass Africanus sie im Brief an Aristides nicht gleichsetzt.)

Das ist ja auch schwer zu verstehen. Wenn ich es richtig kapiert habe, haben wir jetzt mit Lukas, Africanus (laut Eusebius) und Africanus (laut Barhebraeus) drei widersprüchliche Versionen:
Africanus (via Eusebius u. via Barhebraeus) widerspricht dem Lukas. Aber warum widerspricht der Africanus bei Eusebius dem Africanus bei Barhebraeus?
 
Fragen wir doch erst einmal, warum Africanus (laut Eusebius) den Lukas falsch zitiert.
Absicht kann es nicht gewesen sein:


Zum Stammbaum des Lukas heißt es dann aber:
Das ist nicht "vollständig richtig", das ist richtig falsch.
Bei Lukas ist der "drittletzte" Mattat, nicht Melchi.
Melchi ist der fünftletzte.
Und Eli ist der Sohn des Mattat. Nicht der Sohn des Melchi.

Dass Levi fehlt, könnte man notfalls dadurch erklären, dass Eusebius den Text des Africanus gekürzt hat.
Dass aus dem "fünftletzten" der "drittletzte" wird, ist durch Kürzungen nicht zu erklären.
Da müsste Eusebius schon absichtlich sinnentstellend in den Text eingegriffen haben.

Die Hypothese, die Du nun einführst, um den Africanus zu retten, kann also nicht stimmen.

Die einfachste Erklärung wäre: Schon Africanus hat sich verheddert und am Ende nicht mehr durchgeblickt. (Geht mir ja genauso.)

Ich weiß nicht genau, wie Du das meinst. Ich hoffe meine Antwort passt dennoch:
Hätten wir nur den Auszug des Eusebius aus dem Brief des Africanus, könnte man ohne Probleme der Ansicht sein, dass Africanus den Namen Melchi aus Versehen und unbewusst mit dem Namen Matthat verwechselt hat (wenn auch gleich mind. sechsmal?). Dass dem aber nicht so war und dass Africanus den Lukas in Euseb.: hist. ecc. I 7, 10 bewusst falsch zitiert bzw. zwei Namen auslassend zitiert, weil es sonst nicht zur Überlieferung seiner hebräischen Genealogen passt, wissen wir aber von Barhebraeus.
 
Zuletzt bearbeitet:
(Nur, dass Matthan bei Matthäus vorkommt, Matthat bei Lukas und dass Africanus sie im Brief an Aristides nicht gleichsetzt.)
Die Gleichsetzung von Mattan/Mattat ist von mir. Also mein Fehler.

Dann bleiben folgende Unstimmigkeiten:

- Africanus/Eusebius behauptet, Lukas läge "vollständig richtig".
- Africanus/Barhebraeus weist auf den Widerspruch zwischen den Genealogen und Lukas hin.

- Bei Africanus/Eusebius fehlen Levi und Mattat
- Bei Africanus/Barhebraus werden Levi und Mattat erwähnt, als Brüder von Eli.
 
Ich weiß nicht genau, wie Du das meinst.
Was ist denn noch unklar?

Hätten wir nur den Auszug des Eusebius aus dem Brief des Africanus, könnte man ohne Probleme der Ansicht sein, dass Africanus den Namen Melchi aus Versehen und unbewusst mit dem Namen Matthat verwechselt hat (wenn auch gleich mind. sechsmal?). Dass dem aber nicht so war und dass Africanus den Lukas in Euseb.: hist. ecc. I 7, 10 bewusst falsch zitiert bzw. zwei Namen auslassend zitiert, weil es sonst nicht zur Überlieferung seiner hebräischen Genealogen passt, wissen wir aber von Barhebraeus.

Barhebraeus sagt nicht, dass Africanus den Lukas bewusst falsch zitiert.
 
Barhebraeus sagt nicht, dass Africanus den Lukas bewusst falsch zitiert.

Ja, Barhebraeus sagt das nicht. Aber dennoch können wir uns dessen dank Barhebraeus ziemlich sicher sein. Oder siehst Du das wirklich anders?


Dann bleiben folgende Unstimmigkeiten:

- Africanus/Eusebius behauptet, Lukas läge "vollständig richtig".
- Africanus/Barhebraeus weist auf den Widerspruch zwischen den Genealogen und Lukas hin.
Das bin ich bereit als logische Unstimmigkeit zu akzeptieren. Allerdings ist die Frage, wie viel Gewicht man der apologetischen Formulierung beimessen kann. Ist doch klar, dass sich ein ordentlicher Christ wie Africanus so über die Evangelien äußert. Darüber hinaus gebe ich zu bedenken: Dieses *ἀκριβῶς*κατελθεῖν besagt bei Africanus, dass die beiden ntl. Stammbäume beide genau/ exakt/ richtig (auf Joseph) herabführen. Das sagt Africanus, nachdem er den Unterschied zwischen leiblicher Vaterschaft (bei Matth.) und gesetzlicher Vaterschaft (bei Lukas) erklärt hat. Wenn ich das richtig sehe, hat der Übersetzer Philipp Haeuser den Satz außerdem ein bisschen umgestellt. Im Griechischen heißt das, glaub ich, weniger: „die beiden Berichte sind vollständig richtig“, sondern eher sinngemäß: Wenn die beiden Berichte (die Generationenketten) auch unter verschiedenen Verschlingungen auf Joseph herabführen, so doch richtig. Aber vielleicht guckt sich das ein Griechisch-Kundiger noch mal an (ich will meine Hand für mein Verständnis der Stelle nicht ins Feuer legen):*ὡςἀμφοτέρας*τὰς*διηγήσεις*κυρίως*ἀληθεῖς*οὔσας*ἐπὶ*τὸν*Ἰωσὴφ*πολυπλόκως*μέν,ἀλλ̓*ἀκριβῶς*κατελθεῖν.

- Bei Africanus/Eusebius fehlen Levi und Mattat
Bei Africanus/Barhebraus werden Levi und Mattat erwähnt, als Brüder von Eli.
Ich sehe darin keine Unstimmigkeit, finde vielmehr, dass die Erwähnung Levis und Matthats als Brüder des Eli bei Africanus/Barhebraeus überhaupt erst das Fehlen der beiden bei Africanus/Eusebius erklärlich macht.
 
Ja, Barhebraeus sagt das nicht. Aber dennoch können wir uns dessen dank Barhebraeus ziemlich sicher sein.

Africanus behauptet also, Lukas sei "vollkommen richtig".
Und dann zitiert er ihn absichtlich falsch?

Da bin ich mir gar nicht sicher.

Mit Griechisch muss ich passen.
Die englische Übersetzung sagt dasselbe wie die deutsche:

a) "So that both these accounts are strictly true and"
b) "come down to Joseph with considerable intricacy indeed, yet quite accurately."
http://www.ccel.org/ccel/schaff/npnf201.iii.vi.vii.html

Ich sehe darin keine Unstimmigkeit, finde vielmehr, dass die Erwähnung Levis und Matthats als Brüder des Eli bei Africanus/Barhebraeus überhaupt erst das Fehlen der beiden bei Africanus/Eusebius erklärlich macht.
Und wie lautet jetzt die Erklärung? :confused:
 
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Und wie lautet jetzt die Erklärung? :confused:

Ich dachte, das wäre klar.

Nach der Lektüre des Africanus bei Eusebius stellt man sich die Frage: Wieso lässt Africanus den Matthat und den Levi einfach ausfallen? Aus Versehen? Komisch, wo er sich doch sonst in der Materie so bewusst und sicher bewegt.

Nach der Lektüre des Barhebraeus stellt man fest: Ach so, Africanus sieht die beiden gar nicht als 'eigene Generationen', sondern nur als Brüder des Eli, die natürlich als Onkel des Josephs nichts in der Urgroßvater-Großvater-Vater-Sohn-Reihe zu suchen haben (und ja auch sonst für seine Harmonisierungs-Vorhaben nicht von Bedeutung sind).
 
Fragen wir doch erst einmal, warum Africanus (laut Eusebius) den Lukas falsch zitiert.

... dass Africanus den Lukas in Euseb.: hist. ecc. I 7, 10 bewusst falsch zitiert bzw. zwei Namen auslassend zitiert, weil es sonst nicht zur Überlieferung seiner hebräischen Genealogen passt, wissen wir aber von Barhebraeus.


EDIT:
Mir kam gerade noch eine Überlegung zur Frage (von der ich mir allerdings selbst noch nicht sicher bin, wie sinnvoll sie ist):

Bar Hebraeus war Syrer des 13. Jhs. und sagt: „as Luke says – Eli the son of Matthat, and Matthat the son of Levi“. Ich hoffe, der aramäische(?) Text hat das „Sohn“ auch stehen, um das geht es mir gerade nämlich (u. noch nicht um die Namen). Dionysius bar Salibi war ein Syrer des 12. Jhs., der in seinem Evangelienkommentar schreibt: in exemplaribus autem syriacis Lucae quae habemus, quintum ponunt eum: 'Iosephi, filii Heli, filii Mathat, filii Levi, filii Melchi' (die Vilgata hat hingegen stehen: ... Heli qui fuit Matthat ...) In den syrischen/aramäischen Lukas-Texten scheint die Vater-Sohn-Beziehung der im Stammbaum hintereinander Genannten noch stärker herausgekommen zu sein als beim griechischen Lukas, der ja nur schreibt: Ἰωσὴφ τοῦ Ἠλὶ τοῦ Μαθθὰτ τοῦ Λευὶ τοῦ Μελχὶ. In dieser lukanischen Weise zitiert übrigens auch Africanus im Brief an Aristides den Lukas (nur dass er eben Eli u. Matthat ausfallen lässt). Ich will damit sagen: Africanus wird wahrscheinlich nicht sinngemäß gesagt haben: „Lukas sagt etwas Falsches, weil er den Eli einen Sohn des Matthat nennt und den Matthat einen Sohn des Levi“, wie es beim Syrer Barhebraeus sinngemäß rüberkommt. Sondern Africanus wird vermutlich eher gesagt haben: „Lukas sagt nichts Falsches, aber er wird falsch verstanden, wenn man annimmt Ἠλὶ τοῦ Μαθθὰτ bedeute 'Heli, Sohn des Matthat'; denn eigentlich meint Lukas in diesem Fall 'Heli (Bruder) des Matthat'.“
Meiner Meinung nach geht das zwar gegen die Aussageabsicht des Lukas, aber ich denke, dass Africanus in diese Richtung argumentiert haben könnte.
 
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