Julius Streicher

Ich stimme dem Beitrag von ursi zu. Menschlich war Streicher ganz sicher einer der unsympathischsten Angeklagten. Sein wüster, vulgärer Antisemitismus stieß selbst bei Parteigenossen. Ein Prozeßbeobachter schrieb, er erinnere ihn an einen dieser schmutzigen alten Männer, die sich in Parks herumtreiben. Aber juristisch haben eigentlich Dönitz, aber auch Speer wesentlich mehr Schuld auf sich geladen. Letzterer spielte seine Rolle als ehrenwerter Nazi so brilliant, daß er selbst Joachim Fest täuschen konnte. Göring war an allem beteiligt, was Hitler anrichten ließ.
Aber er war intelligent, prunkliebend, korrupt, jovial, konnte über sich selbst lachen und ließ manchmal sogar mit sich reden, wenn es um Verfolgte ging. Leute wie Göring oder Speer erscheinen daher menschlich, allzumenschlich, während Himmler, Streicher, Bormann einfach nur abstoßend waren und verächtlich erscheinen. Hitler, Goebbels und Heydrich waren Unmenschen, sie waren entsetzlich, aber verächtlich waren sie nicht.
Ob ich ein Problem damit habe, daß Streicher hingerichtet und Rudolf Hess lebenslänglich bekam? Nein, nein und nochmals nein! Ob ich es Speer gönne, daß er den Hals aus der Schlinge ziehen konnte? Ja, natürlich!
Aber wenn man ein fanatischer Gerechtigkeitsfanatiker ist, muß man eigentlich sagen, daß Streicher und Heß, gemessen an dem, was sie politisch zu verantworten hatten, übermäßig hart bestraft wurden, eben weil sie sehr unsympathische, fanatisch-verbohrte Angeklagte waren.
 
Nochmals auf die letzen Worte zurück zu kommen.Hier aus dem Buch von Telford Taylor, dem amerikanischen Hauptankläger, Die Nürnberger Prozesse, S. 704

dieses Buch habe ich bereits gelesen. Insgesamt war Streicher einer der unsympathischten der NS-Zeit. Ich habe das o.g. Buch so verstanden, daß Streicher noch während dem Prozeß versucht hat, seine Taten bzw die Hetzreden zu verharmlosen; "er hätte ja immer auf Befehl 'von oben' gehandelt.
Insgesamt wirkte er auf mich wie ein Mensch ohne Rückgrat, aber - und das finde ich schlimm - auch ohne Reue. Todesstrafe ist das schlimmste, was man einem Menschen antun kann, doch viele der Verurteilten, auch Streicher haben sie trotzdem in meinen Augen verdient.
 
Ein Hinweis: Spiegel TV bringt eine Doku zur Person am Samstag, 13.November (bzw.14. November) auf VOX um 0.05 Uhr. Für beachtliche 4.45 Stunden angesetzt - bis 4.50 Uhr.
 
Wegen des Hinweises habe ich mal nach neueren Publikationen gesucht. Da scheint ein schweizer Politikwissenschaftler tätig zu sein. Kennt jemand eine der beiden Publikationen von Franco Ruault:

"Neuschöpfer des deutschen Volkes". Julius Streicher im Kampf gegen "Rassenschande"

Tödliche Maskeraden: Julius Streicher und die "Lösung der Judenfrage"


(beide im Fritz Lang Verlag)
 
Diese Unfähigkeit zur Menschenführung ist wohl nur eine nette Umschreibung dafür, dass Streicher dumm war.
Ich habe einmal irgendwo gelesen, dass Psychologen seinen IQ auf ca 70 schätzen (Denke nach amerikanischem Maßstab.)
Dieser Kerl war einfach dumm, hat alle antisemitischen Aussagen wie ein kleines Äffchen geschluckt und in schlechter Hitlerkopie ausgeplappert.
Sein Tod war nicht ungerecht und kein Verlust für Deutschland.
Da hätte man lieber edle gute Menschen wie einen Generaloberst Jodl verschont, der leider erst für unschuldig erklärt wurde, als es schon zu spät war.
 
Nun, den Menschen als edel und gut zu bezeichnen, der im Endeffekt als hoher Artillerieoffizier für die Gewissensbisse meines Vaters bis zu seinem Tode, der für das Vermisstseins meines damals 18 jährigen Onkels und den Verlust des Beines meines ältesten Onkels verantwortlich ist , finde ich persönlich nicht besonders amüsant
 
Jodl war an diversen Befehlen beteiligt, die Kriegsverbrechen anordneten, ua. den s. g. Kommissarbefehl ("Sie sind nach durchgeführter Absonderung zu erledigen"), weiterhin an der Organisation der Tätigkeiten der Einsatzgruppen, die binnen weniger Monate eine halbe Million Zivilisten abschlachteten. @Wilfried hat zudem die Beteiligung an Angriffskriegen angesprochen.

Sicher kann uns @vonLevinski erklären, wieso er Jodl für "lieb, edel, gut" hält. Das erscheint mir als eine etwas beschränkte Sichtweise.


Zu Streicher:
Für "dumm und IQ" hätte ich gerne einen Literaturhinweis, der über "mal irgendwo gelesen" hinausgeht [vermutlich liegt ohnehin eine Verwechselung mit den entsprechenden psychiatrischen Gutachten zu Hess vor]. Streicher hat in Vorkriegszeiten ein Lehrerseminar absolviert und war immerhin Leutnant in dem von vonLevinski geschätzten Kaiserlichen Heer.

Fanatiker/Rassisten etc. wie Streicher als unterbelichtet hinzustellen, ist vermutlich ein häufiger, oberflächlicher und bequemer Reflex, manchmal als Ansatz einer "Entschuldigung" für das Handeln derjenigen zu verstehen. Das will ich hier natürlich nicht annehmen.:pfeif:

Man kann allerdings daraus ersehen, dass keine Kenntnisse von Details zur Person vorhanden sind. Schleichers machtpolitische Manöver in der NSDAP 1923-1934, Ausschaltung seiner innerparteilichen Gegner etc., das Aufziehen diverser Kampagnen geben da beispielsweise ein anderes Bild.


Zurück zur Ausgangsfrage: die Verurteilung hat einen exponierten Vertreter des verbrecherischen NS-Regimes getroffen.
 
Ich meine mal gelesen zu haben, dass J. Streicher im Zusammenhang mit Nürnberg ein vernichtendes Urteil über seinen IQ bekam. Muss ich aber noch suchen und genau nachlesen.
 
Ich meine mal gelesen zu haben, dass J. Streicher im Zusammenhang mit Nürnberg ein vernichtendes Urteil über seinen IQ bekam. Muss ich aber noch suchen und genau nachlesen.

Uralt, aber danach 106 und durchschnittlich.
DER SPIEGEL*18/1963 - Genial oder fast genial

Es gab psychiatrische Gutachten zu Hess, wie oben geschrieben. Die mangelnde Intelligenz von Hess war schon im Dritten Reich kein Geheimnis.


Vermutlich bringt das @vonLewinski auch etwas durcheinander.
http://www.geschichtsforum.de/234407-post6.html
 
@von Levinski

Ich weiß ja nicht, was Dir nächtens so durch den Kopf geht, das hat mich auch nicht zu interessieren. Ich habe mir einige Deiner Beiträge durchgelesen. Bei manchen Deiner Beiträge ist mir Dein Sprachduktus fremd, aber das ist auch nicht weiter schlimm und eher mein Problem. Über manche Sachen kann man diskutieren, die Auflösung Preußens, die Ursachen des I. WK usw., nicht diskutieren kann man aber, wenn der Mitdiskutant Quellen/Literatur ablehnt, die er nicht kennt oder die sich seinem sofortigen Internetzugriff entziehen; damit wird jede inhaltliche Diskussion obsolet.

"Diese Unfähigkeit zur Menschenführung ist wohl nur eine nette Umschreibung dafür, dass Streicher dumm war.
Ich habe einmal irgendwo gelesen, dass Psychologen seinen IQ auf ca 70 schätzen (Denke nach amerikanischem Maßstab.)
Dieser Kerl war einfach dumm, hat alle antisemitischen Aussagen wie ein kleines Äffchen geschluckt und in schlechter Hitlerkopie ausgeplappert.
Sein Tod war nicht ungerecht und kein Verlust für Deutschland.
Da hätte man lieber edle gute Menschen wie einen Generaloberst Jodl verschont, der leider erst für unschuldig erklärt wurde, als es schon zu spät war."


Nun möchte ich auf Dein Posting #45 eingehen. Du weißt schon was Du da schreibst, der eine, sicher einer der widerwärtigsten Verbrecher, kann man hängen, weil er "dumm" war, der andere Verbrecher, weil er vielleicht nicht so dumm war, hätte man nicht hängen sollen. Versteh mich bitte richtig, ich bin insgesamt immer gegen "hängen", aber das ist die Logik der "Rampe von Auschwitz"; der eine ist ein Verlust, der andere nicht (sic!).

"Edle und gute" Menschen, die gab und gibt es bestimmt immer, Jodl aber war ein Kriegsverbrecher. Er hat Angriffskriege geplant und an verantwortlicher Stelle mit geführt. Auf den Kommissarbefehl und die Einsatzgruppen sind meine Mitdiskutanten bereits eingegangen; die Wehrmacht war verantwortlich für das Kriegsgefangenenwesen, da hatte Jodl direkte Befehlsrechte und das sind immer auch Verantwortungslinien, wurden die Kriegsgefangenen, insonderheit die sowjetischen fair behandelt? Unter Beachtung von überpositiven Recht, um das Argumentarium "Genfer Konvention" gleich anzusprechen.

Denk einfach mal über den "edlen und guten" Generaloberst nach.


M.
 
Die mangelnde Intelligenz von Hess war schon im Dritten Reich kein Geheimnis.
Immerhin hat er ein Flugzeug von Augsburg bis Schottland gesteuert und ist nicht in die Nordsee gefallen. Vielleicht wäre er auch erst auf Grönland runtergekommen, hätte er noch Sprit gehabt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zum Spiegel-TV Bericht hat sich bisher niemand geäussert. Hmm, keiner geguckt? Also ich habe ihn (dank Lilis Hilfe :friends: gesehen).

Er war ja nur ein Teil eines ganzen "Doku-Specials" mit ca. 30 Minuten, keinen 4 Stunden. Nicht viel neues dabei, aber eines hat mich beeindruckt. Walter Cronkite, ein Journalist, der bei den Nürnberger Prozessen anwesend war führte aus, daß die amerikanischen Ankläger erst nicht abgeneigt waren, milde zu urteilen, weil sie die Pressefreiheit hoch achteten. Aber im Laufe des Prozesses verspielte Streicher alle Chancen auf großzügige Auslegung seiner Propaganda-Tätigkeit.

"Bei dieser Sorte bösartiger Propaganda...Natürlich gilt es die Pressefreiheit zu verteidigen - das wird für mich immer Vorrang haben...wenn es sich aber um solche Exzesse handelt, müssen wir uns unsere Prinzipien vielleicht etwas genauer ansehen."


Das gab mir, als Erzliberalen und Verfechter freier Rede und Schrift, zu denken. Irgendwo hört die Freiheit zur Meinungsäusserung halt doch auf: Spätestens beim Aufruf zum Massenmord...
 
Immerhin hat er ein Flugzeug von Augsburg bis Schottland gesteuert und ist nicht in die Nordsee gefallen. Vielleicht wäre er auch erst auf Grönland runtergekommen, hätte er noch Sprit gehabt.
OT: Der erste, der z.B. den Weltraum für die USA in einer Mercury-Kapsel eroberte, war ein Schimpanse. Der Affe hatte in seiner Raumkapsel mehr Entscheidungsfreiheit als Juri Gagarin in seiner Wostok. Dieser Umstand war oft Spott unter den Genossen im Sternenstädtchen "Звёздный Городок".
 
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