Kaffeehäuser für die Herren

@Traklson
Mit dem Begriff "Schoko-Häuser" wäre ich ohnehin vorsichtig. Oft wurden damit im weiteren Sinne einfach auch Schokolatiers bzw. Konfiserien gemeint, die teilweise auch Trinkschokolade vertrieben. :grübel:
 
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Hallo,

ich glaube mich zu entsinnen, dass Kaffeehäuser zusehends für beide Geschlechter offen standen.
Laut Stollberg-Rilinger sollen die Kaffeehäuser als Orte neuer Geselligkeit ebensowenig wie die Clubs, die ähnlich wie andere Moden von England auch auf dem Festland übernommen wurden, Zurtritt für die Frauen gekannt haben.*
Ich grüble nur die ganze Zeit, ob ich nicht mal irgendwo ein Gemälde eines Kaffeehauses aus dem 18.Jh. sah, worauf man auch Frauen erkennen konnte.:grübel:

* B. Stollberg-Rilinger: "Europa im Jahrhundert der Aufklärung" Reclam, Stuttgart, 2006 Kapitel "Ein Jahrhundert der Geselligkeit" S. 121
 
Da ich hier mit meiner Recherche nur "eingesprungen" bin, habe ich noch eine Frage zur Angebotspalette. Zunächst hatte ich angenommen, Kaffeehäuser und Schokoladenhäuser seien getrennt zu betrachten.
Ist es aber nicht wahrscheinlicher, dass die Trennung zu der Zeit nicht so streng war, d. h. dass in den "Cafés" sowohl Kaffee als auch Schokolade und natürlich auch alkoholische Getränke angeboten wurden?
Ich kann mir ienen Haufen Schokolade trinkender, diskutierender Torys irgendwie schwer vorstellen.
Ich habe jetzt nochmal jemand anders konsultiert, wo ich auch Interessantes zur Angebotspalette in England ausfindig machen konnte.

1739 zählte London bereits 551 Kaffeehäuser, während es nur 207 Gasthäuser (inns) und 447 Kneipen (taverns) gab. Vielleicht sind auch diese Größenordnungen ganz interessant.
"Die Kaffeehäuser offerierten neben Kaffee auch Schokolade, Wein, Brandy (Cognac) und Punsch, die von einem Tresen in der Ecke aus serviert wurden."
Die diversen Kaffeehäuser hatten oftmals ein spezielles Klientel. Neben den schon bekannten Kaffeehäusern der politischen Gruppierungen gab es auch die von Schauspielern ("Wright's" in Covent Garden) und Sängern und Tänzern ("Orange" am Haymarket), der Spekulanten, Seeversicherer usw..
Neben der Verwendung als Kunstauktionshäuser wird auch erwähnt, dass sie als Konzert- und Theaterhäuser, sowie als Ausstellungsorte und Bibliotheken fungierten.
"Von der Obrigkeit, Tories und Royalisten oft beargwöhnt, idealisierten Addison und Steele die Kaffeehäuser als Orte einer "polite conversation". Daher zogen sie sich zur höflichen Konversation in Clubs und Gesellschaften zurück, als die Kaffeehäuser für den gemeinen Mann immer populärer wurden."
*
Es scheint also durchaus ein Wandel beim Erscheinungsbild der Kaffeehäuser bzw. deren Frequentierung durch bestimmte Kreise gegeben zu haben.

* Michael North: "Genuss und Glück des Lebens - Kulturkonsum im Zeitalter der Aufklärung" Böhlau, Weimar, 2003
S. 196-197
 
Ich habe doch noch eine kleine Ergänzung zu obiger Fragestellung gefunden und zwar unter dem Begriff: Britische Teekultur in Wikipedia:

Um 1700 gab es in etwa 500 Kaffeehäusern in England auch Tee, und nach 1750 wurden die ersten Teegärten (tea gardens) eröffnet, in denen Tee im Freien getrunken wurde. Während Frauen der Zutritt zu den Kaffeehäusern verwehrt wurde, standen ihnen die Teegärten offen. Und so spielten Orchester hier auch häufig zum Tanz auf. Das war der Beginn der Tanztees

Somit wäre endlich doch noch eine Örtlichkeit gefunden an der sich auch die Damen in aller Öffentlichkeit an warmen Getränken erfreuen konnten.
 
Eher als Information am Rande zu sehen:

Zur Verbreitung des Kaffees in Preußen habe ich folgendes gefunden.

Für die harten Maßregeln gegen den unprivilegierten Kaffeegenuß und den "schelmischen Handel" mit ähnlichen Luxusgegenständen, [...], mit der Friedrich nach seiner schönen Gewohnheit, jedem Unterthan Rede zu stehen, den Beschwerdeführenden Rechenschaft von seinen guten Gründen ablegt, wenn er u.A. 1779 den hinterpommerschen Landständen, 1781 den Berliner Kaufleuten auseinandersetzt, dass vermöge der „gräulichen Consumtion“von Kaffee jährlich hundertausende von Thalern aus dem Lande gingen und daß schließlich gar nicht abzusehen sei, warum gegenwärtig jeder Bauer und jede Dienstmagd ohne Kaffe nicht glaube leben zu können? Sei doch das einheimische Bier viel gesünder und hätten doc die „zum größten unwiederbringenlichen Ruin des Adels, des Bürgers und des Landmanns abscheulich heruntergekommenen“ Bierbrauereien den Absatz sehr nöthig – übrigens sei „Se. k. M. höchstselbst in der Jugend mit Biersuppe erzogen,“ mithin könnte jeder Andere vollends den Kaffee entbehren.

Quelle: Preußische Jahrbücher 19. Band - Berlin 1867 Seite 708

Preussische Jahrbücher - Google Bücher
 
Nachtrag:
Nachdem ja nun gerade auch die Wiener Kaffeehäuser recht bekannt sind, wäre zu erwähnen, dass bis 1870 auch dort der Besuch der Kaffeehäuser reine "Männersache" war. Ab 1870 jedoch wurde es schick vor allem Sonntags mit der gesamten Familie ins "Kaffeehaus" zu gehen, wobei hier dann auch Tee und Schokolade serviert wurden.
Ergänzung zum Nachtrag:

Zufällig ist mir ein Artikel aus damals Heft7/83 wieder "unter" gekommen:

Hans Siemons: 1683 - Wien entdeckt das Kaffeehaus

Wien hatte erst "spät" sein erstes Kaffeehaus, bereits 1647 existierte am Markusplatz in Venedig ein Kaffeehaus, in Marseille waren Orientkaufleute die ersten Kaffeetrinker und in Paris ist seit 1658 der erste Kaffeesieder bekannt. Mit dem Namen Pascal verbindet sich das erste Pariser Kaffeehaus 1672 auf dem Jahrmarkt von St. Germain ... auch Oxford, London und Amsterdam lagen vor Wien.

Auf 1683 geht die erste Kaiserliche Lizenz zurück.

Bereits 1702 und 1705 gab es Versuche, den Kaffeeausschank zu monopolisieren, was der Kaiser aber nicht zuließ.

In die gleiche Zeit fällt ein Streit mit den sogenannten "Wasserbrennern". Diesen Destillatoren war es untersagt, "schwarzes Wasser" in ihren Schänken aufzugießen, wie umgekehrt die Cafetiers keine alkoholischen Getränke verkaufen durften.

"Zeitgenössische Abbildungen zeigen gepflegte Herren mit hohen Hüten nach der Mode der Zeit, bedient von einem sogenannten "Marqueur", dem Kaffeekellner von damals, der mit enganliegender roter Weste, geschlossen von zwei Reihen Messingknöpfen, bekleidet war. Dazu trug er ein weißes Halstuch, eine grüne Jacke, schwarze, enganliegende Bundhosen mit Schnallen; außerdem gestreifte Strümpfe, Schuhe mit großen Messingschnallen sowie eine grüne Schürze, die hinten einen Schnallenverschluss hatte. Sein Haar trug er mit Zopf und zwei Rollen über den Ohren."

"Ein "gemahlener" (gemalter) Türke mit einem offenen Kohlefeuerchen war das Wahrzeichen der Kaffeehäuser, aber auch Kaffee trinkende Türken oder ein Kaffee kredenzender Marqueur galten als Kennzeichen eines Wiener Kaffeehauses der Frühzeit. Über dem Eingang blitzte die blankgeputzte Messingkanne, die ein kleiner Mohr hielt. Noch gab es keine Kaffeemühlen oder gar -maschinen. Geröstet wurde der als Rohkaffee angelieferte Türkentrank über einer Pfanne glühenden Holzes, die auf einem Brett über zwei Fässern stand. Im Innern der Schankstube sah es dagegen weniger primitiv, oft sogar behaglich, wenn nicht komfortabel aus. Die Einrichtung war aus Eichenholz, die Tische glatt gebohnert, die Bänke hochgepolstert, die Sessel aus schwarzem Leder."

"Zutritt hatten freilich nr die Herren der Schöpfung. Noch bis 1820 blieb das Wiener Kaffeehaus den Damen verschlossen.
Verpönt war auch das Rauchen in den Schankräumen. Später entschloss man sich, ein eigenes Raucherzimmer einzurichten. Immerhin dauerte das Verbot bis 1780.
Anders dagegen erging es dem Billiard. Schon um 1706 wird das Spiel mit den Kugeln auf grünüberzogenen Tischen erwähnt."

Auch eher rührende medizinische Warnungen vor dem Genuss von Kaffee gab es:

"C-a-f-f-e-e,
trink nicht so viel Kaffee,
Nicht für Kinder ist der Türkentrank,
schwächt die Nerven, macht dich blass und krank.
Sei doch kein Muselmann, der das nicht lassen kann." (Ende des 18.Jahrh. von Carl Gottlieb Hering, 1766-1853, lt. Autor noch heute (1984) gesungen)

Grüße
excideuil
 
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