Eben. Und selbst wenn wir nicht annehmen, dass Caecina den Wasserweg gewählt hat: Entlang der Lippe gab es offenbar eine gut ausgebaute Römerstraße. Caecina hätte völlig verblödet sein müssen, wenn er die für seinen Aufmarsch nicht genutzt hätte.
Übrigens glaube ich tatsächlich, dass sein Aufmarsch landgestützt war. Mag sein, dass er Nachschubgüter wie Lebensmittel mit Booten parallel zum Marschweg seiner Truppen verlegt hat. Die Truppen selbst sind aber vermutlich auf dem Landweg marschiert.
Davon ist auszugehen, die Truppen zu Fuß, die Lebensmittel getreidelt per Prahme.
Klar Aliso, aber wo isses?
Wenn ich die archeologischen Befunde richtig verstehe kann es nicht Anreppen, Haltern oder Oberaden gewesen sein, da diese über die Niederlage hinaus nicht existierten.
Haltern existierte recht sicher über 9 n. hinaus. Es ist nur nicht sicher, dass Haltern Aliso ist, es ist aber ein ziemlich heißer Kandidat.
Wenn ich mich recht erinnere, wurde es auch meist als castellum und nicht als castra bezeichnet, was gegen ein größeres Lager spricht.
Ich wüsste nicht, dass
castellum und
castrum oder
castra Größenbezeichnungen sind. Bei Frontinus jedenfalls wird von einer
castra geredet, wobei wir nur aufgrund der Nennung des Namen Caedi<ci>us (Achtung,
Leidener Klammersystem beachten!) annehmen können, dass es sich um Aliso handelt, wo der
praefectus castrorum Caedicius laut Velleius Dienst tat oder sich hingeflüchtet hatte. Auch hier wieder ist von der
castra oder dem
castrum die Rede, das lässt sich nicht so genau entscheiden. Tacitus dagegen redet vom
castellum Lupiae und vom
castellum Alisonem.
Ich denke, daß Aliso als Ausgangspunkt für größere Operationen eher nicht in Betracht kommt. Vieles spricht auch dafür, daß Aliso in unmittelbarer Rheinnähe liegt, also unweit von Vetera.
Ansonsten hätte sich die Besatzung schwer dahin durchschlagen können, im übrigen scheint es kurz nach der Niederlage wieder in Betrieb genommen worden zu sein, was auch für eine Nähe zum Rhein spricht. Es scheint auf jeden Fall soviel strategischen Wert gehabt zu haben, daß man nicht drauf verzichten konnte oder wollte.
Das ist recht widersprüchlich. Entweder hatte es strategische Bedeutung, oder es hatte sie nicht und kam dann auch nicht für größere Operationen in Frage. Und was heißt unweit? Sind 60 km weit? Und wieso dauerte es solange bis Asprenas sich entschloss Aliso zu entsetzen bzw. wie konnten sich die Germanen trauen Aliso mehrfach (9 und 16) zu belagern, wenn es so nah am Rhein gewesen sei? Imho muss Aliso nah genug gewesen sein, um sich durchzuschlagen (dabei aber Frauen und Kinder zurücklassend!!! Scheint also doch nicht so einfach gewesen zu sein), dabei aber weit genug entfernt, dass man es belagern konnte bzw. beim Anmarsch der Römer rechtzeitig die Belagerung aufheben konnte.
Frontinus berichtet von großen Scheunen (
horrea), durch welche die Römer die gefangenen Germanen führten. Wozu die vielen großen Scheunen, in einem kleinen Lager?
Zuletzt spricht für die Größe des Lagers Aliso der Umstand, dass es
das einzige namentlich bekannte rechtsrheinische Lager war. Niemand macht sich die Mühe eine Klitsche zu nennen.
Was Tiberius nach der Niederlage für Feldzüge führte, wissen wir natürlich nicht genau. [...] Auf jeden Fall scheint er sich nicht entlang der Lippe bewegt zu haben, da die dortigen Legionslager wohl nicht mehr in Betrieb genommen wurden.
Wie gesagt: Aliso blieb in Betrieb.
Mit Caecina liegst du m. E. falsch.
Caecina marschierte vom Rhein Richtung Osten -wahrscheinlich über die pontes longi- zur Ems, um sich dort mit Germanicus zu vereinigen.
Ich kann für die Sachverhalte nichts. Aber es ist nun mal leider so, dass Caecina in Xanten stationiert war und Xanten an der Lippemündung lag. Hier gab es ausgebaute römische Marschwege (archäologisch nachgewiesen!) und bei Haltern kreuzte eine Nordsüdverbindung die Lippe. Anzunehmen, Caecina hätte die Lipperoute nicht benutzt ist aus diesem Grunde schlicht unvernünftig. An der Lippe bestand die notwenige Infrastruktur, nicht irgendwo auf der roten Erde des Münsterlandes.
Pontes longi kann auch nach dem taciteischen Zeugnis, wenn man es denn ernst nehmen wollte, nicht auf dem Anmarschweg des Caecina gewesen sein: "
Caecina dubitanti, quonam modo ruptos vetustate pontes reponeret simulque propulsaret hostem - Caecina war im Zweifel, wie er die alten Brücken (Bohlenwege) wiederherstellen und gleichzeitig den Feind zurückschlagen sollte" (Tac. ann I, 64). Ergo ist Caecina
nicht über die
pontes longi zur Ems marschiert, weil sie aufgrund ihres Alters nicht intakt waren, bzw. er hätte sie, wenn er hierher gekommen wäre schon auf dem Hinweg wiederherstellen müssen, macht das aber erst auf dem Rückweg.
Dann hätte Caecina auch wieder das Lager Haltern in Betrieb nehmen müssen, um seine Versorgung sicherzustellen.
Das Lager Haltern gilt nach aktuellem Forschungsstand bis mindestens 16 in betrieb. Solltest du als Kalkriesekritiker wissen, da damit der Halternhorizont für die Münzbestimmung von Kalkriese nach Meinung einiger Kalkriesekritiker wackele.
Gleichfalls wissen wir nicht, ob Vetera sein Ausgangspunkt war, oder ob er weiter nördlich den Rhein überquerte.
Laut Tacitus war er in Vetera stationiert. (Tac. ann. I, 45 und 48)
Was die Versorgung betrifft, so kommt es letztendlich darauf an, in welchem Umfang die Truppen autonom agieren konnten. Selbst bei einer vorsichtigen Schätzung kann man vermuten, daß Varus Truppen 15000-20000 Mann betrugen und davon eher letzteres. Wenn ein Legionär ein Pfund Nahrungsmittel am Tag verbrauchte, stellt dies einen täglichen Nachschubbedarf von 10 Tonnen dar.
Allein Weizen wurde schon mit zwei sextarii auf jeden Legionär berechnet, das sind 960 g, sind max. 5,225 t pro Legion pro Tag, alos bei Vollstärker der drei Legionen, von der wir allerdings nicht ausgehen dürfen 15,6 t am Tag. Auf ein Maultier sind 135 kg zu berechnen (alle Zahlen nach Kathrin Jaschke, basierend auf historischen Quellen). Das wären dann 115 Maultiere für den Bedarf eines Tages. Ein Feldzug von vier Monaten würde dann ca. 13.900 Maultiere benötigen. Ein Ding der Unmöglichkeit. Und damit haben
nur die Legionäre ihr Grundnahrungsmittel. Verfeinerungen (Speck, Käse), Getränke (
posca, ggf. Wein), Nahrungsmittel für die Tiere und begleitende Zivilisten wären noch gar nicht dabei. Und wer würde die 14.000 Maultiere versorgen? Dagegen eine Prahme, die kann locker 25 t transportieren.
Wie gesagt: Germanicus und Caecina standen vor diesem Problem, was auch ein weiterer Grund ist, weshalb Caecina so weit wie möglich die Lippe hochgezogen sein wird und weshalb Germanicus den, wie du sagst, gefährlichen Weg über die Nordsee in Kauf genommen hat - der war vor allem dann notwendig, wenn man auch nördlich der Ems operieren wollte!
Im Gegensatz zu Gallien gab es in Germanien keine oppida oder andere größere Siedlungen, so daß ich vermute, daß eine Versorgung aus dem Land heraus in Germanien unmöglich war.
Du solltest dich dringend mal mit den Texten des Siedlungsarchäologen Heiko Steuer befassen.
Woher ich das weiß? Germanicus und Tiberius ernährten sich offensichtlich auch nicht aus dem Land.
Caesar hat auch keine Flotte von 100 Schiffen gebraucht, um die Versorgung seiner Truppen sicherzustellen. Hätte er es, wäre er der erste, der darüber geschrieben hätte.
Das habe ich auch nicht geschrieben: Caesar hat aber die gallischen Stämme dazu gezwungen, ihn zu versorgen. Die Querelen, die er mit ihnen hatte, nehmen einen breiten Raum in seinen Kommentaren ein und waren nach seinem eigenen Zeugnis Grund für die Aufstände etwa der Belger. Ebenso wird Varus vorgeworfen, er habe Germanien ausgepresst und damit möglicherweise den Verrat des Arminius erst provoziert. Wie dem auch sei: während Varus sich im Freundesland wähnte und auf die Versorgung durch die germanischen Stämme zählen konnte, konnten Tiberius und Germanicus dies nicht mehr und waren schon deshalb viel stärker auf die Flüsse als Transportwege angewiesen, als Varus. Wer auch immer meint, Kalkriese sei für Varus mit drei nicht erreichbar gewesen, muss selbiges in noch viel stärkerem Maße für Tiberius, Germanicus und Caecina mit sechs bis acht Legionen und zusätzlich verbrannter Erde annehmen.