Hallo, Cherusker!
Nochmals....es gibt keinen Fundkatalog! Die Einordnung der Funde aufgrund ihrer Lage und Art ist daher nicht abschließend möglich.
Ich verstehe ja Deinen Ärger über den fehlenden Fundkatalog. Ich kann nur nichts dafür, und ich mag nicht mit Nachdenken warten, bis mal ein Katalog vorliegt. Im übrigen argumentiere ich gar nicht mir der Lage jedes einzelnen Fundstücks, sondern mit ihrer statistischen Verteilung (nördlich/südlich des Walls) und mit der Topografie - die wir auch ohne Fundkatalog einigermaßen beurteilen können.
Und Dr.Rost gibt selber zu, daß man das auch nicht rekonstruieren kann. Die Amerikaner dagegen bewegen sich bei der Schlachtfeldarchäologie wohl nicht mehr auf "Neuland"...
Zaubern können die Amerikaner auch nicht. Das müssten sie aber können, um bei Kalkriese etwas zuverlässig rekonstruieren können. Gleichgültig ob die Kämpfe dort 9 n.Chr. oder 16 n.Chr. stattgefunden haben (DASS gekämpft wurde, betrachte ich jedenfalls als erwiesen!): Es ist knapp 2000 Jahre her und viele Spuren sind einfach unwiederbringlich verloren. Jedenfalls sind die Amerikaner auf der Basis dessen, was noch da ist, zu dem gleichen Schluss gekommen wie ich: Dort war nicht das bittere Finale der (von mir aus auch: irgendeiner) Schlacht! Da kann ich mir ja auf die Schulter klopfen. Vollkommen falsch liege ich ja dann wohl nicht.
Du hast aber nicht erwähnt, daß die Breite insgesamt 1 Kilometer betrug und davon waren ca. 100m ganzjährig zu nutzen. D.h. jetzt aber nicht, daß die anderen 900m unpassierbar waren.
Ganzjährig heißt: auch bei schlechtem Wetter. Im Hochsommer, nach langer Trockenheit, war die passierbare Zone vielleicht breiter. Alle Analysten gehen aber davon aus, dass die Varusschlacht im Herbst ausgetragen wurde. Und wenn schon Entwässerungsgräben nötig waren, um ein Unterspülen des Walls zu verhindern, dann dürfte die Fläche hangabwärts ziemlich matschig gewesen sein. Zumindest für den Tross
war dieses Schlammfeld unpassierbar. Und die Legionseinheiten mussten nahe beim Tross bleiben, denn den galt es zu schützen.
Bisher bist Du in Deinen Überlegungen vom 1.Tag ausgegangen. Und da steht bei Cassius Dio (20): "Auch führten sie viele Wagen und Lasttiere mit sich wie in Friedenszeit, überdies begleiteten sie nicht wenige Kinder und Frauen und ein zahlreicher Troß, so daß sie auch deshalb schon ohne Ordnung und zerstreut marschierten." Somit muß Dein "militärischer Marsch" noch in ziemlicher Unordnung gewesen sein...
Zweifellos. Dio schreibt hier aber lediglich, dass Trossteile und Legionseinheiten durchmischt waren. Er schreibt nicht, dass die Leute im Gänsemarsch gezogen sind. Mit meinem Hinweis, dass es ein militärischer Marsch war, meinte ich, dass die "taktischen Einheiten" der Legionen, die für die Kommandeure "ansprechbar sein" (also auf Befehle reagieren können) mussten, sicher als Kolonnen marschiert sind. Und das waren, wie erwähnt, mindestens die Manipel, wahrscheinlicher sogar die Kohorten.
Und ich meine damit nicht nur, dass diese Einheiten auf Kommando innerhalb kürzester Zeit kampfbereit sein mussten. Ansprechbar zu sein, heißt auch, dass die Einheiten auf Befehl schnell in der Lage sein mussten, zum Beispiel Hindernisse wegzuräumen. Kein hoher Offizier wäre da durch die Reihen marschiert und hätte wahllos Soldaten eingesammelt, damit die dann einen umgefallenen Baum wegräumen. In so Situationen erwarten die Kommandeure, dass sie einem Untergebenen einen entsprechenden Auftrag geben und dass der dann seine Mannschaftsdienstgrade pronto! springen lässt. Dauert das zu lange, führt dies selbst in einem demokratisch kontrollierten Militär wie der Bundeswehr regelmäßig zu "unwirschen" Reaktionen. Wie mag das erst bei Römers ausgesehen haben, wo der Sanktionskatalog von Prügel- bis Todesstrafe gereicht hat?
wie breit so eine Marschkolonne war, ist auch nicht überprüfbar.
Überprüfbar nicht. Man kann es aber "errechnen". In wie vielen Reihen muss eine Kohorte marschieren, damit sie in vertretbarer Zeit Formation einnehmen kann? Fünf? Wahrscheinlich eher zehn. Wenn zehn Leute nebeneinander gehen, laufen bei einer Kohorte schon 50 bis 60 hintereinander. Bei zwei Meter Abstand zwischen jedem, ist die Kolonne einer Kohorte schon mindestens 100 Meter lang. Im Einsatzfall brauchen die eine halbe Minute, um sich zu formieren. Das dürfte schon das Äußerste sei, was unter militärischen Gesichtpunkten zur damaligen Zeit noch tolerierbar gewesen ist.
Und vermutlich hat es nicht nur
eine solche Marschsäule gegeben, sondern mehrere. Es wäre kaum praktikabel gewesen, zum Beispiel die Reiterei in diese Kolonnen einzugliedern. Die Reiter dürften eher rechts und links des Zugs marschiert sein, auch als Flankendeckung.
Nur so war ein Marsch überhaupt durchführbar. Wären sie alle hintereinander gegangen, wäre der Varuszug tatsächlich 30 bis 50 Kilometer lang gewesen. Die waren damals aber gar nicht fähig, in dem Gelände 30 Kilometer, geschweige denn 50 Kilometer täglich zurückzulegen. Die Kolonne wäre also länger gewesen als die tägliche Marschleistung. Fazit: Unmöglich. Zumal es damals (und noch bis in die frühe Neuzeit hinein) militärisch unerlässlich war, im Gefechtsfall innerhalb möglichst kurzer Zeit möglichst viele Soldaten gleichzeitig dicht an den Feind heranzubringen. Die mussten zusammenbleiben! Das war oberster Grundsatz. Aus genau diesem Grund sind auch preußische Truppen noch in langen Linien zum Kampf angetreten: damit sie beim Sturm alle gleichzeitig beim Feind ankamen - für den Bajonetteinsatz.
Germanicus hat sich extra Zeit genommen, um an den Ort zu ziehen. Das war nicht so eine Aktion nebenbei... Und daß nicht alle Knochen gefunden wurden, das dürfte klar sein. Aber ein Legionär konnte schon Menschen- von Tierknochen unterscheiden und Germanicus hatte sehr viele Legionäre zur Verfügung.
Tacitus schreibt, dass Germanicus seine Legionen in den Kampf geschickt hat, "damit nicht die ganze Wucht des Krieges auf einmal hereinbreche". Dass er zum Beispiel Caecina durch das Brukterergebiet geschickt hat, "um den Feind zu zersplittern". Das war keine Bestattungsmission, das war ein Präventivschlag, weil er fürchten musste, dass "der Feind" nunmehr doch zum Sturm auf die Rheinlinie ansetzt (was offenbar schon unmittelbar nach der Varusniederlage zu befürchten war). Nach den Kämpfen hat er dann angefangen zu bestatten - in Reichweite eines
zersplitterten, nicht eines
besiegten Feindes.
Stell Dir das nicht so vor, dass die Legionäre plötzlich alle die Rüstung abgelegt und die Bestattungstunika angezogen hätten. Da waren Truppenteile abgestellt, die die Landungsplätze der Schiffe verteidigen, Furten und Pässe sichern, strategisch wichtige Positionen besetzen und den Weg für den Rückmarsch unter Kontrolle halten mussten. Und auch die Bestatter selbst sind noch unter Waffen gewesen und haben ständig mit Feindkontakt rechnen müssen.
Und: Sicher
konnten die (frische) Tier- und Menschenknochen unterscheiden. Aber erstens waren diese Knochen nicht mehr frisch und zweitens bezweifle ich, dass die Legionäre unter solchen Bedingungen unterscheiden
wollten. So wichtig war denen das nicht. Aus den Bürgerkriegen um die Nero-Nachfolge ist überliefert, dass die Gefallenen auf dem Schlachtfeld bei Cremona, mitten in Italien, wochenlang unbestattet liegen geblieben sind. Auch die Gefallenen der Sieger. "Pietät" war die letzte Erwägung, die da eine Rolle spielte.