Das ist jetzt zwar ein bisschen OT, aber ich bin im Web auf die britische TV-Serie "Time commanders" gestoßen und da ist auch der Varusschlacht eine Folge gewidmet.
Sicher nicht besonders realistisch (basierend auf "Rome - Total War"), aber doch ganz interessant, wenn man sieht wie sich Stammtischstrategen anstellen, gemäß dem Motto "Was wäre wenn..."
YouTube - Time Commanders s2e1 Teutoburg Forest 1/5
Hübscher Film. Da waren Leute mit richtig viel Ahnung am Werk
@Maelo: Über die Frage der nicht vorhandenen germanischen Funde ist hier schon länger diskutiert worden. Mir ist gar nicht klar, warum. Wir wissen doch drei Dinge:
Erstens: Bei Kalkriese sind nicht nur keine germanischen sondern auch fast keine römischen Waffen gefunden worden. Waffen wurden nicht einfach liegen gelassen. Sie wurden geplündert. Bei den Ausgrabungen sind fast nur kleine Gegenstände gefunden worden, die beim Plündern abgerissen sind und übersehen wurden.
Zweitens: Legionäre hatten eine umfangreiche persönliche Schutzausrüstung, die Germanen hatten die nicht. Folglich konnten die Römer an dem Ort mehr Kleinteile verlieren als die Germanen. Und was ein gefallener Germane verlieren konnte, war überwiegend aus vergänglichem Material. Nur Fiebeln zum Beispiel hätten sich bis heute erhalten.
Drittens: Die Germanen haben den Kampf gewonnen. Folglich wurden nur römische Leichen geplündert. Die gefallenen Germanen werden "in Ehren" geborgen und bestattet worden sein.
Zu den Hiebverletzungen an den Schädeln: Richtig ist, dass die Germanen bezüglich Metallbearbeitung technologisch rückständig waren. Die keltische Kultur war das deutlich fortgeschrittener (Rennöfen etc.). Zum Zeitpunkt der Schlacht hatten die Germanen aber bereits keltische Technologien übernommen. Sie hatten wenige Metallwaffen, aber sie konnten durchaus welche herstellen. Sie waren nur nicht in der Lage, jeden Krieger mit einem Schwert auszurüsten. Glaubt man Tacitus, konnten sie nichtmal jedem Krieger einen Speer mit Eisenspitze in die Hand geben. Aber es gab Krieger, die solche Speere hatten, und es gab Krieger, die Schwerter besaßen. Die haben diese Waffen auch benutzt, und deshalb gibt es Knochen, die Spuren dieser "Benutzung" aufweisen. Was wundert Dich daran?
Zu den Schriftquellen: KEINER der Geschichtsschreiber, die über das Ereignis berichten, war Augenzeuge. ALLE haben sich auf Berichte Dritter gestützt. KEINER hatte die Absicht, eine Ausarbeitung der taktischen Situation für ein Militärhandbuch zu verfassen. Und ALLE haben für ein römisches Publikum geschrieben. Wenn man schreibt, dann achtet man zwangsläufig darauf, dass das Geschriebene für den Leserkreis verständlich und plausibel ist. Dabei unterliegt auch der Autor selbst dem Einfluss der Prägung durch die eigene Kultur. Also waren all die römischen Schriftquellen dem römischen Geschmack angepasst und haben auf den "Informationen" aufgebaut, die ALLE Römer über die Germanen hatten. Das ist in der hier laufenden Diskussion unter dem Begriff "Topos" vielfach angesprochen worden. Diesbezüglich weiß ich übrigens sehr gut, wovon ich rede, denn ich bin Journalist. Schau Dir nur mal an, wie klischeehaft heutige Berichte über die arabische Welt sind. Trotz der Geschwindigkeit, der Masse, und der Durchdringung in der Nachrichtenverbreitung.
Zu den einzelnen Autoren: Ich würde weder Tacitus noch Cassius Dio noch Florus unterstellen, dass sie bewusst gelogen haben. Bei Velleius Paterculus halte ich das für möglich, weil der sein Idol Tiberius vergöttlichen wollte. Aber selbst seine Darstellung wird im großen und ganzen dem entsprochen haben, was er für die Wahrheit hielt. Deshalb darf man die Texte dieser Leute auch nicht wie Tatsachenberichte lesen. Man muss sie "bereinigen", indem man zum Beispiel die erkannten Klischeebilder wegkürzt oder zumindest nicht so wichtig nimmt.
Danach erscheinen dann manche Autoren glaubwürdiger als andere. Meinem Eindruck nach gehört Tacitus zu den Glaubwürdigeren. Cassius Dio ist Deiner Meinung nach unglaubwürdig. Aber ist er das wirklich? Dio galt vor allem deshalb als unglaubwürdig, weil er von Stadtgründungen in Germania magna berichtet hat. Als unglaubwürdig galt dieser Bericht, bis in Waldgirmes (Hessen, zwischen Wetzlar und Gießen) eine Stadtgründung nachgewiesen wurde. Dio liefert uns die umfangreichste Beschreibung der Varusschlacht. Und man muss ihm zugute halten, dass er die römischen Klischeevorstellungen über Germanen nicht bedient, sondern geradzu bricht. Nichts vom "furor teutonicus", nichts von wildem Anstürmen übermächtig-körperkräftiger Barbaren. Er beschreibt kluge "politische" Vorbereitung, einen heimtückisch-zielgerichteten Hinterhalt und eine Gefechtstaktik, die gerade NICHT auf wildes Anstürmen setzt (ich zitiere gerade Argumente aus dem schon erwähnten Buch von Boris Dreyer). Ist Dio also vielleicht der glaubwürdigste der uns bekannten Geschichtsschreiber?
MfG