Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

Westlich der Ems? So klar ist das nicht. Vielmehr stellt sich die Frage, wo bereits eine Teilung der Germanicus und Caecina Legionen stattgefunden haben kann.

Tac. Ann. I., 63,1:

Dann führte er (Germanicus) das Heer an die Ems zurück und ließ die Legionen mit der FLotte, wie er sie hergebracht hatte, zurückbefördern; ein Teil der Reiterei erhielt Befehl, entlang dem Gestade des Ozeans zum Rhein zu ziehen; Caecina, der seine eigenen Leute führte, wurde angewiesen, obwohl er auf bekannten Wegen zurückmarschiere, die pontes longi möglichst rasch hinter sich zu bringen.

Aus der Quelle geht klar hervor, dass sich das gesamte Heer an der Ems befindet und dann geteilt wird. Das Ziel ist der Rhein, Caecina muss also nach Westen marschieren, ergo befinden sich die pontes longi nach Text des Tacitus westlich der Ems.

Wenn du Kalkriese ablehnst, weil du die Beschreibung des Schlachtfeldes bei Tacitus höher wertest als den archäologischen Befund, weil du der Meinung bist, weil nichts von dem von Tacitus beschriebenen in Kalkriese zu finden ist, du also willig bist Tacitus voll zu vertrauen, dann kannst du das machen.
Wenn du dann aber zwangsläufig diese Stelle ablehnen musst und da einen Irrtum des Tacitus annehmen musst, dann kannst du auch das machen.

Nur machst du dann genau das, was du anderen vorwirfst: Du biegst dir die Sachen so zurecht, wie du es gerade brauchst.
 
Ich bin ja so undiszipliniert. :red: Heute Nacht muss ich mich wieder selbst kasteien. :cry: Aber es geht nicht anders...:motz:

Als Historiker hast Du das Problem, daß die historischen Quellen keine Übereinstimmung mit Kalkriese liefern.

Lieber @maxhermann, da geht es den Menschen wie den Leuten. Schau doch nur mal Dich selbst an:
Außerdem waren doch Übelebende aus der Schlacht anwesend. Spätestens diese hätten den Wall doch entsprechend erläutern können.
Klingt ein wenig wie an den Haaren herbeigezogen...

Und genau das wird von den Kalkriese-Befürwortern angezweifelt. Hier im Forum, daß die Überlebenden keine Ahnung hatten, weil sie doch bestimmt an anderen Orten in der Schlacht waren und nicht im Führungsstab.

Große Klasse! Echt! Jetzt liefer aber bitte mal EINEN EINZIGEN Beleg dafür, dass IRGENDWER in diesem Forum IRGENDWANN behauptet hat, die Überlebenden der Varusschlacht habe es gar nicht gegeben oder die hätten nur Müll erzählt oder die hätten von nichts ne Ahnung gehabt! Komm, nur einen Beleg bitte! Wenigstens dazu müsstest Du doch fähig sein :fs:.

Eigentlich wollte ich ja erstmal die Klappe halten und mich wieder in die Materie einlesen, ehe ich mich wieder zu den Neuneuneu...auflagen der Ururuur...altdiskussionen äußere. Den Vorsatz habe ich nun gebrochen. Aber das verzeihe ich mir selbst, weil diese Bemerkungen einfach zu unterirdisch waren...

Dieser Thread hat mir großen Spaß gemacht, weil er mir eine Menge Denkanstöße gegeben hat, insbesondere von Gegnern der Varusschlachttheorie. In jüngerer Zeit melden sich hier allerdings zunehmend Leute zu Wort, denen offenkundig der notwendige Hintergrund fehlt! In dieser Diskussion sind deutlich mehr als 1500 Beiträge gepostet worden, und das intellektuelle Niveau der Debatte war schonmal beachtlich hoch. Lange Zeit sogar. Aber alles hat ein Ende. Nur die Wurst hat zwei...

Und nun schweige ich wieder, bis hier ernsthaft diskutabele Argumente kommen. Ich finde es nämlich ziemlich erbärmlich, was hier gerade läuft. Übrigens wäre ich begeistert, wenn mich jemand vom Gegenteil dessen überzeugen würde, was ich bislang annehme...

MfG
 
Und nicht nur ich bin zu Zweifeln gekommen, sondern auch Wissenschaftler wie Wolters, Kehne, ....

Achte mal darauf, dass Du nicht Wissenschaftler der Lüge bezichtigst! Wo schreibt z.B. Wolters, dass seiner Ansicht nach Kalkriese nicht der Varusschlacht zugeordnet werden kann?

Schon wieder versagt :autsch:. Jetzt aber wirklich!

MfG
 
Achte mal darauf, dass Du nicht Wissenschaftler der Lüge bezichtigst!
Soll das heißen, wenn ein Wissenschaftler Kalkriese als Ort der Varusschlacht anzweifelt, dann lügt er? :nono:

Wo schreibt z.B. Wolters, dass seiner Ansicht nach Kalkriese nicht der Varusschlacht zugeordnet werden kann?

@Maelonn
So wirklich informiert hast Du Dich nicht, oder? Ein Blick in wiki hätte genügt.

Wolters, Reinhard, Hermeneutik des Hinterhalts: die antiken Berichte zur Varuskatastrophe und der Fundplatz von Kalkriese, Klio 85 (2003) 131-170

Wolters zählt zu den prominentesten Kritikern der Annahme, die Funde bei Kalkriese stünden in Zusammenhang mit der Varusschlacht.
 
Wenn du Kalkriese ablehnst, weil du die Beschreibung des Schlachtfeldes bei Tacitus höher wertest als den archäologischen Befund, weil du der Meinung bist, weil nichts von dem von Tacitus beschriebenen in Kalkriese zu finden ist, du also willig bist Tacitus voll zu vertrauen, dann kannst du das machen.

Ich bin zwar nicht direkt angesprochen, vertrete aber die Meinung von max und nehme kurz Stellung:

Wenn du Kalkriese ablehnst,
Zunächst einmal: Niemand lehnt Kalkriese ab. Der Fundort ist wissenschaftlich sehr bedeutsam.

weil du die Beschreibung des Schlachtfeldes bei Tacitus höher wertest als den archäologischen Befund
Der archäologische Befund bestätigt in den wesentlichen Aspekten die Beschreibungen des Tacitus zur Schlacht an den PONTES LONGI. Zu den Beschreibungen zur Varusschlacht (durch Cassius Dio oder Tacitus) gibt es keine erkennbaren Übereinstimmungen.

weil nichts von dem von Tacitus beschriebenen in Kalkriese zu finden ist
Wenn Du diese Aussage auf den durch Tacitus beschriebenen Besuch des Schlachtfeldes beziehst, hast Du recht. In Kalkriese wurde nichts gefunden, das Tacitus diesbezüglich beschreibt.
Kohärenzen zur Schlacht den den Pontes longi gibt es sehr wohl, wie ich bereits ausgeführt habe.

du also willig bist Tacitus voll zu vertrauen, dann kannst du das machen.
Bezüglich der Schlacht an den Pontes longi haben wir nur die Schilderungen durch Tacitus. Wem sonst, außer Tacitus, sollte man Deiner Meinung nach vertrauen?
 
Also hat sich Tacitus netterweise dann geirrt, wenn er die pontes longi westlich der Ems lokasisiert, aber sonst ein absolut zutreffendes Bild gezeichnet. Sehr schön. Er irrt sich, wenn es dir passt und ist zuverlässigt, wenn du es brauchst. Auch eine Methode der Quellenkritik.

Verweigerst du eigentlich absichtlich eine Begründung dafür, warum die Stelle mit der Trennung des Heeres an der Ems fehlerhaft sein muss und warum nicht auch die Aufnahme der versprengten Truppen an der Weser falsch sein könnte?

Abgesehen davon glaube ich nicht, dass die Schilderung der Schlacht an den pontes longi zu den Funden von Kalkriese passt. Korrigier mich, wenn ich mich irre, aber es wäre dann ja so, dass der Wall römisch sein muss, denn die Römer haben ihn doch - unter germanischen Angriffen - errichtet, um einigermaßen in Ruhe die pontes longi wieder in Stand setzen zu können.

Welchen Sinn haben die Durchlässe im Wall?

Wenn sich südlich des Walls die Germanen, nördlich davon die Römer befunden haben, wer hat denn die Gräben an der Südseite errichtet?

Wer baut unter feindlichen Angriffen einen Wall, der einen Verlauf hat, wie der in Kalkriese? Wäre ein einigermaßen gerade verlaufender Wall nicht schneller, einfacher zu bauen gewesen?

Wenn die Germanen südlich des Walls waren und die Römer angegriffen haben (steht doch bei Tacitus, oder?), die nördlich davon waren, warum sind die archäologischen Funde am Wall so, dass man davon ausgehen muss, dass die Hauptkämpfe nördlich des Walls stattgefunden haben?

Passt das zu den pontes longi? Ist nicht das einzige, was passt, das: Tacitus berichtet von einem Wall bei den pontes longi, wir haben in Kalkriese einen Wall, also muss es pontes longi sein.
 
Zuletzt bearbeitet:
@ Maelonn

Da Du deine selbst auferlegte Abstinenz von dieser Diskussion nach kurzer Zeit wieder aufgegeben hast, möchte ich dir auf deine „vorläufig letzten Anmerkungen“ antworten.

Hallo, Gemeinde!

An der Stelle möchte ich ein paar "vorläufig letzte" grundsätzliche Anmerkungen machen, da ich die Diskussion zunehmend unerquicklich finde. Seit einiger Zeit dreht sich die Debatte im Kreis und beißt sich an immer wieder denselben Einzelaspekten fest, die jeweils zur "Gretchenfrage" erhoben werden. Es ist aber die Gesamtschau, die es aus meiner Sicht wahrscheinlich macht, dass es sich um die Varuslegionen handelte, die bei Kalkriese gekämpft haben. Aber egal, wer es war, ein paar Dinge sind durch die Ausgrabungen belegt:


- Es handelte sich um ein sehr großes Gefecht. Das Fundgebiet ist inzwischen 30 Quadratkilometer groß und die Zahl der Funde liegt über 5000.

Absolute Zustimmung

- Die Römer haben die Schlacht verloren, denn sie haben so viele Leichen zurückgelassen, dass bei Plünderungen derart viele Ausrüstungsteile verloren gehen konnten.

Aus welchem Grabungsergebnis schießt Du, dass diese Schlacht von den Römern verloren wurde. Wo sind die vielen römischen Leichen geblieben? (Bisher nur 17/eventuell 18, davon mindestens eine Frau und drei mutmaßlich gefallene Legionäre ohne Helmschutz) Bei einem großen Gefecht gehen unweigerlich viele Ausrüstungsteile verloren, egal wer gewinnt.


- In den Kampf war ein umfangreicher Tross verwickelt.

Streich das umfangreich, und du erhältst auch hier meine Zustimmung.


- Die dort besiegten Legionen müssen ihre Kriegskasse mitgeführt haben, denn es wurden ungewöhnlich viele Gold- und Silbermünzen gefunden worden, aber nur sehr wenige Kupfermünzen, die damals das hauptsächliche "Soldatengeld" darstellten.


Von den etwa 1700 gefunden Münzen in Kalkriese sind „nur“ 23 Goldmünzen und 758 Silbermünzen. Der Rest besteht aus dem sogenannten „Soldatengeld“. Kann man das als wenig bezeichnen? Sieht so eine Kriegskasse aus?

- Die Überreste von zumindest einem Teil der Gefallenen sind erst Jahre nach der Schlacht bestattet/vergraben worden.
Ein zu verschwindend geringer Teil von etwa 15000 Gefallenen Römern der Varusschlacht wurde entdeckt, um durch diesen Umstand auf die Bestattungsaktion von Germanicus sechs Jahre später hinzuweisen zu können. Auch ist äußerst zweifelhaft ob diese Gebeine sechs lange Jahre an der Oberfläche gelegen haben. Vielleicht lagen sie nur einige Monate dort.


Für mich deutet nicht einer dieser fünf Punkte auf Caecina hin.

Genauso wenig deuten die von Dir angesprochenen Punkte auf die Varusschlacht hin.

Gruß Maelo
 
noch mal @ Maelonn
Wiederum bekenne ich, dass ich unmissverständlicher hätte schreiben sollen. Aber die Beiträge werden immer so elend lang... Dazu neige ich sowieso schon :red:. Die Anmerkungen von Dir und Flavius-Sterius sind unzweifelhaft richtig. Menschen betrauern Gefallene und haben den Wunsch, Denkmäler zusetzen. Mit höchster Pietät. Da werden noch 50 Jahre nach dem Ereignis Kerzen angezündet. Um jetzt mal persönlich zu werden: Meine Oma hat bis zu ihrem Tod gehofft, dass ihr Sohn (der war zum Zeitpunkt seines Todes 14 Jahre alt, Flakhelfer) doch noch irgendwann zurückkommt. Seine Kameraden haben ihn trotzdem an dem Ort liegenlassen, an dem er getroffen wurde. Denen war ihr eigenes Überleben in dem Moment wichtiger. Ich gehe davon aus, dass es den Germanicus-Legionären nicht anders gegangen ist. Die sind in bis dahin nie gekannter Stärke nach Germanien gezogen, haben "Völkermord" begangen, sind in Schlachten geraten, die es bis dahin in dem Ausmaß nicht gab, und konnten sich trotzdem nicht durchsetzen. Auch Caecina ist trotz des Großaufgebots unter seinem Kommando an den Rand einer Niederlage geraten. Von Soldaten, die zu einer Parade antreten und Ehrensalut schießen, kann man Pietät erwarten. Von Soldaten, die ums nackte Überleben kämpfen, nicht! Die "Bestattungsmission" des Germanicus war keine Parade. Sie war ein Vernichtungsfeldzug, der trotz aller Gewalt erfolglos blieb. Die Römer sind mit einem Aufgebot nach Germanien gezogen, das alles bis dahin dagewesene überstieg, und sie konnten sich trotzdem nicht durchsetzen. Mir kann niemand erzählen, dass die römischen Legionäre während dieses Feldzugs, den sie trotz dieser gewaltigen Heeresmacht nicht gewinnen konnten, angesichts der Knochen ihrer vor Jahren gefallenen "Kameraden" (wie viele haben da "Verwandte" verloren?) in sentimentale Verzückung verfallen sind. Das waren hartgesottene Berufssoldaten, die kurz zuvor gemeutert hatten, weil sie nach den vereinbarten 16 oder gar 20 Jahren Kriegsdienst noch immer nicht entlassen wurden. Ich habe schonmal drauf hingewiesen, aber ich tue es hier nochmal: Knapp 60 Jahre später haben Legionäre im römischen Bürgerkrieg ihre eigenen gefallenen Kameraden bedenkenlos auf dem Schlachtfeld liegenlassen. Da war Beute wichtiger als Pietät.
Diese Aussagen kann ich auch nicht einfach „so“ unerwidert stehen lassen. In dem Stadium des Germanicusfeldzuges befand sich das römische Heer noch auf der Siegerstrasse. Im Jahr vorher wurden die Marser geschlagen. Im Jahr 15 zuerst die Chatten besiegt und dann die Brukterer. Dann, im Gefühl der Überlegenheit, betrat das 8 Legionenheer den Ort der Niederlage des Varus, allein mit der Absicht den unbestatteten Gebeine der verlorenen Legionen eine würdige Bestattung zukommen zu lassen. Warum das in einem pietätvollem Rahmen geschehen sein muss, haben Flavius Sterius und Tejason einleuchtend erklärt. Zu diesem Zeitpunkt gab es keinerlei Anlass, aus einer Notlage heraus eine flüchtige oder nachlässige Bestattung vorzunehmen. Erst später wandelte sich das Kriegsglück der Römer.

Übrigens waren Deine „hartgesottenen Berufssoldaten“ drauf und dran, kurze Zeit später bei den Pontes Longi in heillose und überstürzte Flucht zu geraten, hätte Caecina sie nicht mit verzweifelter Geste daran gehindert.

Gruß Maelo
 

Aus welchem Grabungsergebnis schießt Du, dass diese Schlacht von den Römern verloren wurde. Wo sind die vielen römischen Leichen geblieben?

Die Beiträge von El Quichote, in den er das erklärt, sind wahrlich nicht so kompliziert, als das man das nicht verstehen könnte.




Von den etwa 1700 gefunden Münzen in Kalkriese sind „nur“ 23 Goldmünzen und 758 Silbermünzen. Der Rest besteht aus dem sogenannten „Soldatengeld“. Kann man das als wenig bezeichnen? Sieht so eine Kriegskasse aus?

So sieht vielleicht der Rest einer Kriegskasse aus, die man 2000 Jahre später noch finden kann.


Ein zu verschwindend geringer Teil von etwa 15000 Gefallenen Römern der Varusschlacht wurde entdeckt,

Erwartest du tatsächlich, dass man heute noch 15000 Gefallene finden kann?


um durch diesen Umstand auf die Bestattungsaktion von Germanicus sechs Jahre später hinzuweisen zu können. Auch ist äußerst zweifelhaft ob diese Gebeine sechs lange Jahre an der Oberfläche gelegen haben. Vielleicht lagen sie nur einige Monate dort.

Vielleicht. Es gibt auch hier offenbar einander widersprechende Untersuchungen. So kann jeder derjenigen glauben, der er gerne glauben will.


Genauso wenig deuten die von Dir angesprochenen Punkte auf die Varusschlacht hin.

Können sie ja nicht. Du hast ja unzweifelhaft 'bewiesen', dass die Varusschlacht nur in Holland stattgefunden haben kann. Es gibt zwar keinen archäologischen Beleg und nur zweifelhafte Quellen'interpretationen' als Beweis. Aber das hat dich ja noch nie gestört.
 
@ Tela
Ich verstehe nicht warum Du andauernd gegen mich stichelst. Ich habe eine Theorie (keinen abschließenden Wahrheitsanspruch), die ich versuche mit Argumenten zu begründen. In wie weit diese Argumente schlüssig sind oder nicht bleibt jedem und seiner Beurteilung selbst überlassen.


Zitat:
maelo

Aus welchem Grabungsergebnis schießt Du, dass diese Schlacht von den Römern verloren wurde. Wo sind die vielen römischen Leichen geblieben?



Die Beiträge von El Quichote, in den er das erklärt, sind wahrlich nicht so kompliziert, als das man das nicht verstehen könnte.
Vielleicht berufst Du dich in dieser Hinsicht nicht auf die Aussagen von El Quijote, sondern gibst mir einen Grabungsbefund zur Hand, der eindeutig auf eine römische Niederlage in Kalkriese hindeutet.

Gruß Maelo
 
@ Tela
Ich verstehe nicht warum Du andauernd gegen mich stichelst. Ich habe eine Theorie (keinen abschließenden Wahrheitsanspruch), die ich versuche mit Argumenten zu begründen. In wie weit diese Argumente schlüssig sind oder nicht bleibt jedem und seiner Beurteilung selbst überlassen.

Na also, dann bleibts ja auch mir überlassen, dass ich deine 'Argumente', deinen Umgang mit Quellen nicht überzeugend finde.

sondern gibst mir einen Grabungsbefund zur Hand, der eindeutig auf eine römische Niederlage in Kalkriese hindeutet.
Wenn es denn gäbe, dann gäbe es diesen thread nicht. Das weißt du selbst.
 
Maelo schrieb:
Von den etwa 1700 gefunden Münzen in Kalkriese sind „nur“ 23 Goldmünzen und 758 Silbermünzen. Der Rest besteht aus dem sogenannten „Soldatengeld“. Kann man das als wenig bezeichnen? Sieht so eine Kriegskasse aus?

Du musst da mal die Relation sehen. Kein anderer augusteischer Fundplatz in Deutschland hat so viele Fundmünzen erbracht. Selbst über längere Zeiträume besiedelte spätere Fundplätze (wie Limeskastelle) erbrachten quantitativ nicht solche Münzreihen. Das spricht sehr dagegen, dass die Münzen mal eben so im Kampf verloren wurden. Zweitens macht es deutlich: in der Kalkrieser Senke müssen sich für den Moment sehr, sehr viele Römer aufgehalten haben, ohne dass es ein Lagerplatz war.

Die fehlenden Knochen: in vielen Böden in Deutschland können sich wegen eines gewissen Säuregehalts Knochen nicht ewig erhalten und werden mit der Zeit zersetzt. Nicht ungewöhnlich. Ich glaube, von Kalkrieser Seite hat man auch darauf hingewiesen, dass für die erhaltenen Knochen besondere Fundbedingungen (die Abdeckung durch Steine etc.) galten (erinnere mich nicht mehr so genau).
 
Also hat sich Tacitus netterweise dann geirrt, wenn er die pontes longi westlich der Ems lokasisiert,

Dazu müßte man genaue Kenntnis des Ortes haben, wo der Stützpunkt an der Ems gelegen hat. Gibt es da Erkenntnisse oder Vermutungen ? War er nördlich von Lingen/Meppen, dann kann man durchaus ein kleines Stück Weg östlich der Ems unterwegs gewesen sein.
Da man auch leider nicht die genauen (auch kleineren) Aufgaben und Planungen des Zuges kennt, kann man auch nur wage auf einen Weg schließen. Hinzu kommt, daß ein Zug östlich oder westlich der Ems in diesem Fall von den natürlichen Gegebenheiten (mögliche Landungsstellen, Moore, Niederungen - mußte man etwas umgehen ?) abhängig war. Daher ist eine westlich der Ems gelegene Positionierung der pontes longi nicht unbedingt zwingend. Wobei Kalkriese dafür schon sehr weit östlich liegt.
War der Landungspunkt weiter südlicher, ist diese Möglichkeit praktisch auszuschließen.

Im Übrigen ist es durchaus häufig vorgekommen, daß in historischen Überlieferungen nach Flußgabelungen (flussaufwärts) der falsche Flußlauf (oder soll man sagen ein anderer Flußlauf), in diesem Fall die Hase, nicht richtig weitergegeben wurde. Das hat selbst größere Flüsse als die Ems getroffen z.B. die Elbe und die Oder.
 
@ Tela
Nicht Deine Kritik missfällt mir, sondern die Art wie Du sie vorträgst geht oftmals sehr unter die Gürtellinie.

Ich habe die durchaus berechtigte Frage in den Raum gestellt, woran man feststellen kann dass es sich bei Kalkriese um eine römische Niederlage handelt. Deine Antwort dazu ist leider nur ein ausweichendes Wischiwaschi.
Vielleicht gibt es auch noch eine gescheite Antwort von Dir.

Gruß Maelo
 
Verweigerst du eigentlich absichtlich eine Begründung dafür, warum die Stelle mit der Trennung des Heeres an der Ems fehlerhaft sein muss…

Nein, natürlich nicht. Das Problem, dass Du Dir immer selbst aufbaust, ist das Wörtchen „muss“. Nun zur Quelle:

Tac. Ann. I., 63,1:

Dann führte er (Germanicus) das Heer an die Ems zurück und ließ die Legionen mit der FLotte, wie er sie hergebracht hatte, zurückbefördern; ein Teil der Reiterei erhielt Befehl, entlang dem Gestade des Ozeans zum Rhein zu ziehen; Caecina, der seine eigenen Leute führte, wurde angewiesen, obwohl er auf bekannten Wegen zurückmarschiere, die pontes longi möglichst rasch hinter sich zu bringen.


Aus der Quelle geht klar hervor, dass sich das gesamte Heer an der Ems befindet und dann geteilt wird. .


Vordergründig klingt das so, da würde ich dir recht geben. Ich habe aber wiederholt erwähnt, dass Tacitus die Ereignisse nicht immer chronologisch schilderte, sondern für seine Leserschaft dramatisierte.
Ein Beispiel für dieses Vorgehen, nämlich eine „klimakterische Komposition“, könnte die Schilderung vom Aufsuchen des Varusschlachtfeldes sein, wie El Quijote einmal festhielt:

Es ist überhaupt umstritten, dass Tacitus so gelesen werden darf. Tacitus gibt hier m.E. nicht die Chronologie des Germanicus-Marsches wieder, sondern anhand Germanicus' Betreten des Schlachtfeldes die Dramatik der Varusschlacht (….) Diese Diskussion hatten wir schon mal: Tacitus ist eben kein Protokollant sondern ein Literat mit einer Leserschaft.


Damals hast Du selbst, lieber tela, ihm recht gegeben:
Ich glaube daher auch nicht, dass wir Tacitus absolut wörtlich nehmen können und sehe es ähnlich wie El Quijote.



Es wäre schön, wenn Du zu dieser Sichtweise zurückkehren würdest.

Aus quellenkritischer Sicht könnte für Tac I, 63 deshalb gelten:

Tacitus schildert zunächst, was Germanicus bzw. die Reiterei unternehmen. Danach kommt er auf Caecina zu sprechen, um eine dramaturgische Einleitung zu finden, für die folgende sehr ausführliche Schilderung der Schlacht an den pontes longi. Die Anweisung des Germanicus (und damit die Trennung der beiden Heeresgruppen) kann also durchaus schon östlich der Ems geschehen sein.




 
Dieser Thread hat mir großen Spaß gemacht, weil er mir eine Menge Denkanstöße gegeben hat, insbesondere von Gegnern der Varusschlachttheorie. In jüngerer Zeit melden sich hier allerdings zunehmend Leute zu Wort, denen offenkundig der notwendige Hintergrund fehlt! In dieser Diskussion sind deutlich mehr als 1500 Beiträge gepostet worden, und das intellektuelle Niveau der Debatte war schonmal beachtlich hoch. Lange Zeit sogar. Aber alles hat ein Ende. Nur die Wurst hat zwei...

Es ist immer wieder erstaunlich, mit welcher Leidenschaft (?!) gerade diese Thematik diskutiert wird. Auch ich stehe der Varus-These mittlerweile eher skeptisch gegnüber, was allerdings nicht bedeutet, daß ich sie ausschließe. Und so habe ich mich durch die vergangenen Beiträge bei Abwägung der Argumente durchaus gerne überzeugen lassen, daß die Caecina-Theorie bezügl. Kalkriese eher unwahrscheinlich ist (was die Varus-These aber auch nicht erhärtet).

Und so freue ich mich auf weitere fruchtbare Diskussionsbeiträge zu diesem Thema.

Vieleicht noch kurz ein Zitat:

"Es bleibt zu hoffen, daß in Zukunft dem Umgang mit der Varusschlacht trotz aller Aufgeregtheiten eine gesunde wissenschaftliche Nüchternheit zugrunde gelegt wird."
(Peter Moosbauer: Die Varusschlacht S. 115)
 
Tacitus schildert zunächst, was Germanicus bzw. die Reiterei unternehmen. Danach kommt er auf Caecina zu sprechen, um eine dramaturgische Einleitung zu finden, für die folgende sehr ausführliche Schilderung der Schlacht an den pontes longi. Die Anweisung des Germanicus (und damit die Trennung der beiden Heeresgruppen) kann also durchaus schon östlich der Ems geschehen sein.
Wo ich El Quichote Recht gegeben habe ist, dass ich auch glaube, dass die Schilderung des Varusschlachtfeldbesuchs durch Germanicus eine literarische Schilderung ist, aus der man wenig bis keine Schlüsse auf das tatsächliche Aussehen des Schlachtfeldes ziehen sollte. Deswegen lehne ich Argumente a la: Bei Tacitus stehts so, aber in Kalkriese siehts komplett anders aus, ab.

Anders sehe ich das aber bei den reinen Sachinformationen. Da bin ich durchaus der Meinung, dass die stimmen können. Ich traue den Römern wie auch Tacitus als auch Cassius Dio durchaus einigermaßen gute Geographiekenntnisse auch in Germanien zu. Wenn Tacitus vom Treffpunkt an der Ems schreibt, dann meint er wohl die Ems. Gleiches bei der Rückkehr an die Ems nach dem Besuch des Schlachtfeldes.
Wenn er auch Caecina an die Ems zurückkehren lässt und ihn erst von dort aus die pontes longi in westlicher Richtung erreichen lässt, dann sehe ich da keinen Grund zu zweifeln.

Klar kann die Trennung schon östlich der Ems erfolgt sein, aber Tacitus berichtet so eindeutig davon, dass es mir unwahrscheinlich erscheint.

Erklärt hast du mir aber immer noch nicht, warum du die Ems-Stelle ablehnst, die Weser-Stelle aber übernimmst.

Und für maelo: Ich habe genügend Leute kennengelernt, die so ergebnis- und zielorientiert Quellen'interpretation' betreiben, dass meine Toleranz solchen Leuten gegenüber sehr gering ausgeprägt ist, was sich auch in Wortwahl äußert. Zu deinen Fragen, ließ den Beitrag von ashigaru.
Vielleicht bin ich in Zukunft konsequenter als Maelonn und antworte auf deine Phantasien nicht weiter.
 
Vordergründig klingt das so, da würde ich dir recht geben. Ich habe aber wiederholt erwähnt, dass Tacitus die Ereignisse nicht immer chronologisch schilderte, sondern für seine Leserschaft dramatisierte.
Ein Beispiel für dieses Vorgehen, nämlich eine „klimakterische Komposition“, könnte die Schilderung vom Aufsuchen des Varusschlachtfeldes sein, wie El Quijote einmal festhielt:

El Quijote schrieb:
Es ist überhaupt umstritten, dass Tacitus so gelesen werden darf. Tacitus gibt hier m.E. nicht die Chronologie des Germanicus-Marsches wieder, sondern anhand Germanicus' Betreten des Schlachtfeldes die Dramatik der Varusschlacht (….) Diese Diskussion hatten wir schon mal: Tacitus ist eben kein Protokollant sondern ein Literat mit einer Leserschaft.

Entschuldigung, das ist aber sehr sinnentstellend zitiert. Bei der klimakterischen Komposition des Tacitus vom Betreten des Varusschlachtfeldes durch Germanicus handelt es sich um einen abgeschlossenen Handlungsstrang innerhalb des Gesamtkontextes. Pontes longi wiederum ist ein eigener Handlungsstrang innerhalb des Gesamtkontextes, bei dem Tacitus' Quellenlage sehr viel besser war, als bei der Varusschlacht. Das ist ja auch klar, da bei pontes longi das Offizierskorps überlebte und die militärische Struktur erhalten blieb. Es gab offizielle Berichte, auf die sich Plinius und später Tacitus berufen konnten. Innerhalb des Gesamtkontextes liegt aber der Handlungsstrang pontes longi nach der Trennung der drei Heeressäulen an der Ems und auch nur so ergibt er einen Sinn: Westlich der Ems fühlte man sich so sicher, dass man getrennt marschieren konnte, die hier siedelnden und(!) benachbarten Stämme waren mehr oder weniger verbündet (Friesen, Chauken (östlich der Ems) oder besiegt (Brukterer), während östlich der Ems das Stammesgebiet der Cherusker zu nah war, als dass man sich eine Aufspaltung der Legionen erlaubte.
 
..., während östlich der Ems das Stammesgebiet der Cherusker zu nah war, als dass man sich eine Aufspaltung der Legionen erlaubte.

Das sehe ich anders. Während des Chattenfeldzugs 15n.Chr. befehligte Caecina 4Legionen ,5.000 Mann Hilfstruppen sowie ein Heer aus verbündeten Germanen, während Germanicus über ebenfalls so viele Legionen verfügte und die doppelte Anzahl von Bundesgenossen hatte (1.Buch 56) . Caecinas Heer hatte die Aufgabe, die Cherusker von einem Eingreifen in den Chattenfeldzug abzuhalten. Allerdings bekam Caecina es dann auch noch mit den Marsern zu tun. Das lag auch alles östlich der Ems und nah dem Cheruskergebiet.
Erst nach pontes longi hatte Germanicus erkannt, daß vier Legionen kein Hindernis für die Cherusker waren. 16 n.Chr. hielt er seine acht Legionen zusammen.

Und jetzt zu der Aufteilung des Germanicus Heers. Tacitus schrieb: "Und damit nicht die ganze Wucht des Krieges auf einmal hereinbreche, schickte er Caecina mit vierzig römischen Kohorten, um den Feind zu zersplittern durch das Gebiet der Bructerer an den Fluß Amisia, während die Reiterei der Befehlshaber Pedo durch das Gebiet der Friesen führte. Er selbst fuhr mit vier Legionen, die er auf Schiffe verladen hatte, über die Seen. Fußvolk, Reiterei und Flotte trafen gleichzeitig an dem vorbestimmten Fluß ein." (1.Buch 60) D.h. Caecina ist auf dem Hinweg schon zu Fuß an die Ems gekommen. Somit kannte er den Weg an den Rhein und hätte evtl. Gefahrenpunkte selbst erkannt. Germanicus gibt aber dem Caecina auf dem Rückweg den Befehl auf bekannten Wegen zurückzuziehen und die pontes longi schnell zu passieren. D.h. wiederum, dass es sich hier um einen anderen Weg gehandelt haben muß. Westlich der Ems wäre das Cheruskergebiet aber weit entfernt gewesen, sodaß ein Angriff der Cherusker (hier die Truppen von Arminius und Inguimero) eher unwahrscheinlich ist.
Warum sollte Caecina, der wiederum seine eigenen vier Legionen führte wieder an den Emstreffpunkt ziehen, wenn er doch an den Rhein mußte und das mit einem schwerfälligen Tross? Zu dem Zeitpunkt hatten sich die Cherusker noch nicht mit den anderen Stämmen zu einem großen Heer (wie 16 n.Chr.) verbündet. Caecina hatte mit vier Legionen ein stärkeres Heer als Varus und da mußten auch alle Germanen gemeinsam angreifen. Das Arminius den Caecina trotzdem in Bedrängnis brachte und fast vernichtete lag nach Ansicht der Römer nur an dem Sumpfgebiet und dem Hügel von pontes longi.

Somit gehe ich davon aus, daß sich das Heer des Germanicus schon vorher trennte und Germanicus sich mit seinen vier Legionen zur Ems begab, um dort mit den Schiffen die Heimreise anzutreten. Während Caecina sich mit seinen Truppen schon vorher von Germanicus trennte und nicht mehr den vormaligen Sammelpunkt an der Ems ansteuern mußte. Anscheinend hatte Germanicus auch einen sehr nördlichen Emstreffpunkt bestimmt, da Tacitus im Jahre 16 n.Chr. hier auf den Fehler hinwies, dass Germanicus nicht flußaufwärts fuhr.
 
Zuletzt bearbeitet:
Schöne Geschichte. Passt zwar nicht zur Aussage des Tacitus, aber wer stört sich schon an solchen Kleinigkeiten?
 
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