Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

Carolus schrieb:
Ist denn der H-weg unterm Berg die Fortführung des H-weg vor dem Samtforde?

Jein.


Hellweg unter dem Berg ? Wikipedia:


Der Hellweg unter dem Berg (auch Hellweg unterm Berge) war eine, wahrscheinlich bereits zur Römerzeit benutzte, nördlich des Weserberglandes und südlich der ausgedehnten vermoorten Flachzonen Niedersachsens verlaufende Handelsstraße. Der von Minden zur Ems und nach Holland führende Hellweg wird auch als Heerweg bezeichnet. Die Existenz dieser Straße spielt bei einigen Theorien der Ortsbestimmung der Varusschlacht eine bedeutende Rolle.
In Minden schloss der Hellweg unter dem Berg an den westfälischen Hellweg und den Hellweg vor dem Santforde an, der bis in die Gegend des heutigen Hildesheim führt.

Wenn jetzt mir noch jemand eine Karte mit den diversen Hellwegen (nicht der Baumarkt!) präsentiert, dann hat er einen Preis verdient.


Hier im Forum weniger, aber in der Fachwelt, hat immer wieder das Fehlen römischer Keramik in Kalkriese Erstaunen ausgelöst. Es gibt zwar Keramik in Kalkriese, diese stammt aber aus den Abfallgruben des germanischen Gehöfts der vorrömischen Eisenzeit, welches zu Zeiten der Schlacht längst nicht mehr stand. Teilweise findet sich diese Keramik im Wallmaterial wieder. Aber terra sigillata oder terra nigra sucht man - zumindest meines Wissens - in den Magazinen der Ausgrabungen von Kalkriese vergebens.

Wie ist das nun zu erklären? Folgt man der Darstellung des Schlachtgeschehens der Varusschlacht durch Cassius Dio, verbrannten die Römer am dritten Tag der Schlacht einen Teil ihres Trosses mit dem, was sie nicht mehr benötigten bzw. ließen diese Dinge zurück.
Irdenware ist schwer aber nicht besonders wertvoll, insofern ist davon auszugehen, dass der Grund, warum man keine römische Keramik in Kalkriese findet, der ist, dass kaum noch Irdenware mitgeführt wurde.

Das ist ein interessanter Aspekt, von dem ich zwar schon gelesen habe, der aber als Beleg dafür angeführt wurde, daß bei Kalkriese kein Römerlager gelegen haben kann.

Man kann wohl auch davon ausgehen, daß römische Gebrauchskeramik für Plünderer nicht interessant sein dürfte. Zumal dann ja auch noch einige Scherben zu finden gewesen sein dürften.
 
Also jetzt mal Butter bei die Fische.

War dieser Engpass bei Kalkriese und ich meine jenen, der hier Gegenstand der Diskussion ist:

Also war dieser Engpass wirklich Teil eines bekannten Weges, also eines Weges der (wahrscheinlich) auch den Römern bekannt war?

Führte der bekannte Hellweg (Autobahn der Antike) durch diesen Engpass?

Kann das jemand hier beantworten?

Oder drehen wir uns hier im Kreis herum?
 
Hier im Forum weniger, aber in der Fachwelt, hat immer wieder das Fehlen römischer Keramik in Kalkriese Erstaunen ausgelöst.
...
Irdenware ist schwer aber nicht besonders wertvoll, insofern ist davon auszugehen, dass der Grund, warum man keine römische Keramik in Kalkriese findet, der ist, dass kaum noch Irdenware mitgeführt wurde.
Wie erwähnt, könnte es auch daran liegen, dass die Archäologen bei Kalkriese nur in kleinen Gebieten wirklich gegraben haben. Die meisten Funde abseits des Wallbereichs wurden mit Metallsonden aufgespürt.


Also jetzt mal Butter bei die Fische.

War dieser Engpass bei Kalkriese und ich meine jenen, der hier Gegenstand der Diskussion ist:

Also war dieser Engpass wirklich Teil eines bekannten Weges, also eines Weges der (wahrscheinlich) auch den Römern bekannt war?

Führte der bekannte Hellweg (Autobahn der Antike) durch diesen Engpass?

Kann das jemand hier beantworten?

Oder drehen wir uns hier im Kreis herum?
Wir drehen uns im Kreis. Niemand kann sicher sagen, ob der Hellweg dort entlang führte und ob die Römer in kannten. Vermutlich führte der Hellweg dort vorbei, da Hang- und Flugsandzonen ganzjährig begehbar waren. Man kann davon ausgehen, dass Fernwege in damaliger Zeit nicht von Menschenhand geschaffen worden sind, sondern durch natürliche Gegebenheiten entstanden. Die Menschen haben - verkürzt gesagt - Wege genutzt, von denen sie wussten, dass sie ganzjährig passierbar waren. Es liegt nahe, dass diese seit Menschengedenken genutzten Wege irgendwann zu den mittelalterlichen Hellwegen wurden, die auf Speerbreite freigehalten werden mussten. Wie viele dieser Wege den Römern bekannt waren? Da kann man wohl nur spekulieren. Man kann nichtmal als sicher voraussetzen, dass ein Weg, der von einem römischen Heer benutzt/erkundet worden ist, damit auch allen anderen römischen Befehlshabern bekannt wurde. Von häufig genutzten Wegen gab es wohl Karten. Aber haben die Römer die Passage bei Kalkriese "häufig" genutzt? Selbst unter den Germanen werden diese Wege nicht allgemein bekannt gewesen sein. Waren die Cherusker über alle "Hellwege" im Gebiet der Brukterer im Bilde? Kaum. Ein Charakteristikum von Gebieten ohne planmäßig angelegte Verkehrsverbindungen: Man braucht ortskundige Führer/Pfadfinder.

MfG
 
flavius-sterius schrieb:
Ersteres ist für mich nicht stichhaltig. Wir haben so gut wie keine Knochenfunde auf dem Schlachtfeld.

El Quijote
Welche Schlussfolgerung ziehst du daraus? Auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die menschlichen Knochen, die wir vom Schlachtfeld haben, erst nach einigen Jahren an der Oberfläche bestattet wurden?
Keine Schlussfolgerung, sondern Verblüffung. Ich beschäftige mich seit einigen Jahren mit Archäologie. Wir haben in Kalkriese einen feuchten Boden, welcher später mit Plaggen versiegelt wurde. Trotzdem sind die Erhaltungsbedingungen für Knochen deutlich schlechter als zum Beispiel im Tollensetal. Auch dort wurden die Toten nach der bronzezeitlichen Schlacht auch nicht beerdigt, sondern mit der Zeit bei Überschwemmungen vom Fluss einsedimentiert. Wir können nur vergleichen, was wir haben. Ausgegrabene Schlachtfelder in Norddeutschland, welche mehr als 2.000 Jahre alt sind, kenne ich nur diese beiden. Kalkriese liefert Knochenfunde von 17 Menschen, Tollense an die 100. Vielleicht gab es an der Tollense keine Wildtiere, welche für das geringe Knochenmaterial in Kalkriese als mitursächlich angesehen werden. Ich kenne mich mit der archäologischen Fundsituation im Osnabrücker Land nicht aus. Wurden im Bereich Bramsche germanische oder altsächsische Gräberfelder ausgegraben? Wie war dort der Zustand der Knochen der Beerdigten? Ein Vergleich würde helfen, wie plausibel die Theorie von dem vollständigen Vergehen von über 10.000 Toten ist.

flavius-sterius schrieb:
Ja, die Münzfunde sind ein starkes Argument. Wobei 2.000 Münzen für ein vermutetes Heer von 10.000 Soldaten + X nun sich schon wieder relativiert.

El Quijote
Das finde ich immer wieder witzig: Wir haben in Dtld. keinen Ort, wo dermaßen viele römische Münzen in einer derartigen Streuung und in Verbindung auch mit Militaria, einigen menschlichen und einigen equiden Knochen gefunden wurden (und das - bezogen vor allem auf die Münzen, denn nur diese wurden vor Beginn der Ausgrabungen registriert - nicht erst seit den Ausgrabungen, sondern schon seit Jahrhunderten!) und wo es direkte Kampfspuren an einem Wall gibt, und dennoch wird die Menge immer wieder relativiert.

Für Dich ist wohl die Fundmenge imposant. Ich halte jetzt eine Relation von 0,2 Münzen pro postulierten römischen Soldaten nicht für beeindruckend. Kalkriese ist immer noch singulär. Wir haben kein anderes ergrabenes Schlachtfeld - an welchem eine römische Niederlage stattfand - in Nord-/Mitteleuropa. Würden wir den Ort der Lollius-Niederlage finden, hätten wir einen Vergleich. Gäbe es dort ein Fund von 500 Münzen, dann hätten wir bei Kalkriese viel. Hätten wir bei Lollius 5.000 Münzen, dann müsste man sich über die Interpretation von Kalkriese noch mehr Gedanken machen.
Was wollten eigentlich die Germanen mit den Assen der Römer. Wollte man damit Mulsum in Oppidum Ubiorum bezahlen? Wenn der Germane für diese Münzen gar keine Verwendung gehabt hatte, waren die Dinger dann nicht gar Abfall? Wären dann 2.000 Stück nicht eher eine niedrige Zahl? Der Schrottwert von Bronzemünzen in der Eisenzeit kann ich leider auch nicht gut einschätzen. Vielleicht kann jemand den Wert einer Bronzemünze für einen germanischen Buntmetallschmied beurteilen.
 
Keine Schlussfolgerung, sondern Verblüffung. Ich beschäftige mich seit einigen Jahren mit Archäologie. Wir haben in Kalkriese einen feuchten Boden, welcher später mit Plaggen versiegelt wurde. Trotzdem sind die Erhaltungsbedingungen für Knochen deutlich schlechter als zum Beispiel im Tollensetal. Auch dort wurden die Toten nach der bronzezeitlichen Schlacht auch nicht beerdigt, sondern mit der Zeit bei Überschwemmungen vom Fluss einsedimentiert. Wir können nur vergleichen, was wir haben. Ausgegrabene Schlachtfelder in Norddeutschland, welche mehr als 2.000 Jahre alt sind, kenne ich nur diese beiden. Kalkriese liefert Knochenfunde von 17 Menschen, Tollense an die 100. Vielleicht gab es an der Tollense keine Wildtiere, welche für das geringe Knochenmaterial in Kalkriese als mitursächlich angesehen werden. Ich kenne mich mit der archäologischen Fundsituation im Osnabrücker Land nicht aus. Wurden im Bereich Bramsche germanische oder altsächsische Gräberfelder ausgegraben? Wie war dort der Zustand der Knochen der Beerdigten? Ein Vergleich würde helfen, wie plausibel die Theorie von dem vollständigen Vergehen von über 10.000 Toten ist.
In Tollense wurden die Toten offenbar unmittelbar nach der Schlacht in den Fluss geworfen. Das bedeutet ganz andere Erhaltungsbedingungen als in Kalkriese, wo Knochen gefunden wurden, die erst nach Jahren an der Erdoberfläche bestattet wurden. Ich bin kein Biochemiker, wäre ich ein solcher, könnte ich sicher bessere Angaben zu den Erhaltungsbedingungen machen.
Für Dich ist wohl die Fundmenge imposant.
Ja, ich finde die Fundmenge von Kalkriese ziemlich beeindruckend. Zumal noch kein Ende der Grabungen in Sicht ist und jetzt schon mehr als in jedem Römerlager gefunden wurde. Zumal wir davon ausgehen müssen, dass die Germanen gefundene Münzen einsammelten und dass viele Fundstücke über die Jahrhunderte von den Bauern entweder als wertvolle Metallquellen oder als Schrott bewertet, vernichtet wurden.
Mich ersetzt im Gegenteil immer wieder in Erstaunen, wenn diese Fundmenge relativiert wird:

Ich halte jetzt eine Relation von 0,2 Münzen pro postulierten römischen Soldaten nicht für beeindruckend.


Kalkriese ist immer noch singulär. Wir haben kein anderes ergrabenes Schlachtfeld - an welchem eine römische Niederlage stattfand - in Nord-/Mitteleuropa. Würden wir den Ort der Lollius-Niederlage finden, hätten wir einen Vergleich. Gäbe es dort ein Fund von 500 Münzen, dann hätten wir bei Kalkriese viel. Hätten wir bei Lollius 5.000 Münzen, dann müsste man sich über die Interpretation von Kalkriese noch mehr Gedanken machen.

Ich halte das nur bedingt für vergleichbar. Lollius befand sich, wie Germanicus/Caecina später, auf einem Kriegszug. Varus befand sich auf einer Inspektionsreise, wo es auch darum ging, germanische Fürsten von römischer Pracht zu überzeugen und davon, dass es sich lohnte römischer Untertan zu sein.


Was wollten eigentlich die Germanen mit den Assen der Römer. Wollte man damit Mulsum in Oppidum Ubiorum bezahlen?

Warum denn nicht?
 
Möglich wären:
Der gescheiterte Feldzug des Drusus gegen die Chauken.
Der anschliessend erfolgreichere Feldzug gegen die Chauken des Tiberius. ...

Moin Jchatt,

habe hier mal zwei Karten (Quelle: Wikipedia) mit der Darstellung der Feldzüge des Drusus und Tiberius angehängt. Demnach sind keine Heerzüge bei Kalkriese vorbeigezogen!

Weiß natürlich nicht, wie aussagekräftig diese Karten sind! Da ich (noch) keine andere Darstellungen gefunden habe, muß ich mich vorerst an diese Angaben "klammern".

Beste Grüße
Andreas
 

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Falsch gedacht: Die Flüsse dienten gerade der Versorgung, deshalb war die Lippelinie so wichtig. Nur über die Flüsse konnte man die notwendigen Tonnen an Versorgungsgütern mit einem halbwegs vertretbaren Aufwand transportieren.

Okay. Falsch ausgedrückt. Die Strecke(n) zwischen Ems und Weser waren Heerwege und keine Versorgungswege. Versogt wurden die Legionen an den Flüssen. Also erst an der Ems(bei Rheine?) oder Weser(z.B. Hedemünden) dann schliesslich an der Elbe. Dazwischen sind sie jedenfalls nicht durchs Gebüsch gekrochen.

Wie kommst du auf Marinesoldaten?!

Die englische Übersetzung von Gilliver spricht an dieser Stelle von "Marines".
Angehörige der Flotte wäre wahrscheinlich besser ?

Gruss
jchatt
 
Wie erwähnt, könnte es auch daran liegen, dass die Archäologen bei Kalkriese nur in kleinen Gebieten wirklich gegraben haben. Die meisten Funde abseits des Wallbereichs wurden mit Metallsonden aufgespürt.

Soviel ich weiß wurde am Wall und dem vermuteten Marschweg richtig gegraben. Unter der Prämisse, daß die Legionen hier lang marschiert sind, läßt das bisher nur den Schluss zu, daß diese römischen Legionäre ihr übliches Marschgepäck nicht dabei hatten.

Gruss
jchatt
 
... läßt das bisher nur den Schluss zu, daß diese römischen Legionäre ihr übliches Marschgepäck nicht dabei hatten.

... was zu der Schilderung passen würde, dass der Tross (vermutlich also Gepäck, Wagen) am dritten Tag, somit östlich vor dem Kalkrieser Engpass, verbrannt worden ist. Mitgeführt worden sind vermutlich dann nur das Trosspersonal und die Tiere (mit etwas Gepäck)
 
Wir drehen uns im Kreis. Niemand kann sicher sagen, ob der Hellweg dort entlang führte und ob die Römer in kannten. Vermutlich führte der Hellweg dort vorbei, da Hang- und Flugsandzonen ganzjährig begehbar waren. Man kann davon ausgehen, dass Fernwege in damaliger Zeit nicht von Menschenhand geschaffen worden sind, sondern durch natürliche Gegebenheiten entstanden. Die Menschen haben - verkürzt gesagt - Wege genutzt, von denen sie wussten, dass sie ganzjährig passierbar waren. Es liegt nahe, dass diese seit Menschengedenken genutzten Wege irgendwann zu den mittelalterlichen Hellwegen wurden, die auf Speerbreite freigehalten werden mussten. Wie viele dieser Wege den Römern bekannt waren? Da kann man wohl nur spekulieren. Man kann nichtmal als sicher voraussetzen, dass ein Weg, der von einem römischen Heer benutzt/erkundet worden ist, damit auch allen anderen römischen Befehlshabern bekannt wurde. Von häufig genutzten Wegen gab es wohl Karten. Aber haben die Römer die Passage bei Kalkriese "häufig" genutzt? Selbst unter den Germanen werden diese Wege nicht allgemein bekannt gewesen sein. Waren die Cherusker über alle "Hellwege" im Gebiet der Brukterer im Bilde? Kaum. Ein Charakteristikum von Gebieten ohne planmäßig angelegte Verkehrsverbindungen: Man braucht ortskundige Führer/Pfadfinder.

Dieser vermutete Hellweg vor dem Wiehengebirge war meines Wissens gleichzeitig auch eine archäologische nachweisbare Siedlungsgrenze. Soviel ich weiss gibt es keltische Funde nur südlich dieser Linie. Das klingt für mich einleuchtend, da wir auf beiden Seiten dieser Linie völlig unterschiedliche geographische Verhälnisse finden. Im Norden eher Sumpf im Süden bewaldete Hügel. Da Wege oft auch Grenzen waren macht das diesen Weg plausibler.

Gruss
jchatt
 
... was zu der Schilderung passen würde, dass der Tross (vermutlich also Gepäck, Wagen) am dritten Tag, somit östlich vor dem Kalkrieser Engpass, verbrannt worden ist. Mitgeführt worden sind vermutlich dann nur das Trosspersonal und die Tiere (mit etwas Gepäck)

Wenn man ergebnisoffen bleiben will heißt das für mich primär:
Das hier zwar Kampfspuren vorliegen aber nicht notwendigerweise Marschspuren.

Gruss
jchatt
 
habe hier mal zwei Karten (Quelle: Wikipedia) mit der Darstellung der Feldzüge des Drusus und Tiberius angehängt. Demnach sind keine Heerzüge bei Kalkriese vorbeigezogen!

Weiß natürlich nicht, wie aussagekräftig diese Karten sind! Da ich (noch) keine andere Darstellungen gefunden habe, muß ich mich vorerst an diese Angaben "klammern".

Moin Xander,

in der Karte der Tiberiuszüge ist der Feldzug des Jahres 4nChr. genau über besagten Hellweg geführt. Also auch über Kalkriese.
Der Verlauf dieser Feldzüge ist aber nur in den wenigsten Fällen archäologisch nachgewiesen. Man weiß halt nur, das zu dem Zeitpunkt X ein Volk Y bezwungen wurde. Die Karten stellen also nur einen Versuch dar, den Weg dorhin plausiber zu rekonstruieren.

Gruss
Jchatt
 
Wäre interessant der Tross zu finden.
Verbrannte Wagenreste, zerbrochene Keramik, zerschmolzene Metallstücke (Zeltheringe, Werkzeug) verkohlte Nahrung, persönliches Eigentum
 
Wenn man ergebnisoffen bleiben will heißt das für mich primär:

Da die Schriftquellen lediglich mit dem Fundbild abgeglichen werden (was hier passen würde), ist das durchaus ergebnisoffen. Umgekehrt werden schließlich auch Unstimmigkeiten untersucht.

Wenn man die Verbrennung von Gepäck/Gerät des Trosses für glaubwürdig hält, was im Kontext einer mehrtägigen Verfolgung und Attacken gegen den Zug nicht als unplausibel angesehen werden kann, kann ich da am Abgleich nichts Voreingenommenes erkennen.

Es ergibt sich aber eine weitere Frage: eine Vernichtung des Trossgeräts und von Gepäck erfolgt, um den Zug beweglicher und schneller zu machen. Zugleich lässt die Vernichtung nur wenige Tage Beweglichkeit bis zur Ems, wohin man sich an die Versorgungstöpfe retten wollte. Offenbar ist man aber unter dem Eindruck der Verfolgung trotzdem auf dem Weg nördlich des Wiehengebirges geblieben. Oder man hatte wegen der umgebenden Feinde schlicht keine Alternative mehr.

Die Karten stellen also nur einen Versuch dar, den Weg dorhin plausiber zu rekonstruieren.
Das hieße dann auch, dass man die "rekonstruierten" Karten der Züge nicht als Argument für die Bestätigung benutzen kann, um nicht einem Zirkelschluss aufzusitzen.

Das Pässe benutzt wurden, ist überliefert. Offenbar überquerte man die Gebirge nicht an beliebigen Stellen. Damit drängen sich bestimmte Routen, in Kombination mit der Versorgung über Flüsse und mit Handelsstraßen, einfach auf.
 
Okay. Falsch ausgedrückt. Die Strecke(n) zwischen Ems und Weser waren Heerwege und keine Versorgungswege. Versogt wurden die Legionen an den Flüssen. Also erst an der Ems(bei Rheine?) oder Weser(z.B. Hedemünden) dann schliesslich an der Elbe. Dazwischen sind sie jedenfalls nicht durchs Gebüsch gekrochen.

Hedemünden liegt sehr weit südlich, noch südlich der Lippelinie.
Die Erfahrungen der Römer mit der Nordsee waren eher schlecht. Caesar hatte hier Probleme, Drusus hätte sie fast das Leben gekostet, Germanicus hat sie zwei Mal befahren und dabei beide Male Probleme gehabt. Immer wieder sind es die Gezeiten, welche den Römern Probleme bereiteten.
(Man bedenke den katastrophalen Marsch durchs Watt unter Vitellius 15 oder die katastrophale Überquerung der Emsmündung 16).
Es ist schon daher nicht sonderlich wahrscheinlich, dass die Römer regelmäßig die Nordsee befuhren, was einer Versorgung von Lagern an Ems, Weser und Elbe voraussetzen würde.
Nur unter Tiberius gelang es, dass sich Heer und Flotte an der Elbe trafen, um das Heer zu versorgen. Nun ist zu fragen: Wie hat Tiberius seine Truppen bis zur Elbe versorgt? Ganz einfach: Indem er die frisch unterworfenen Völker dazu zwang sie zu versorgen. In späteren Feldzügen sorgen die Germanen für terra cremata.

Die englische Übersetzung von Gilliver spricht an dieser Stelle von "Marines".
Angehörige der Flotte wäre wahrscheinlich besser?

Ich sehe keinen relevanten Unterschied zwischen Marinesoldaten und Angehörige der Flotte. Offenbar übersetzt Gilliver den Begriff classici als Ableitung von classis, 'Flotte'. Ich kenne classicus allerdings als Adjektiv 'ausgewogen, ausgereift, bewährt'. :grübel:
 
Moin Xander,

in der Karte der Tiberiuszüge ist der Feldzug des Jahres 4nChr. genau über besagten Hellweg geführt. Also auch über Kalkriese.
Der Verlauf dieser Feldzüge ist aber nur in den wenigsten Fällen archäologisch nachgewiesen. Man weiß halt nur, das zu dem Zeitpunkt X ein Volk Y bezwungen wurde. Die Karten stellen also nur einen Versuch dar, den Weg dorhin plausiber zu rekonstruieren.

Gruss
Jchatt


Hast recht, hatte Kalkriese zu weit nördlich angesiedelt! :pfeif:
 
Wenn man die Verbrennung von Gepäck/Gerät des Trosses für glaubwürdig hält,

Das ist eben der Haken. Abgesehen davon, dass, wenn man die Erwähnung für historisch hält, das Ganze doch äußerst ungeschickt gewesen wäre. Statt den Tross zu verbrennen wäre ein einfaches Zurücklassen geschickter gewesen, um die Germanen zur Plünderei zu verführen und so Zeit zu gewinnen.
 
Das ist eben der Haken. Abgesehen davon, dass, wenn man die Erwähnung für historisch hält, das Ganze doch äußerst ungeschickt gewesen wäre. Statt den Tross zu verbrennen wäre ein einfaches Zurücklassen geschickter gewesen, um die Germanen zur Plünderei zu verführen und so Zeit zu gewinnen.


Geschickter wäre es wahrscheinlich gewesen, den Tross nicht zu verbrennen, doch die Einstellung "das gönne ich dem Feind nicht" wird sicher auch weit verbreitet gewesen sein!

Gruß
Andreas
 
Hedemünden liegt sehr weit südlich, noch südlich der Lippelinie.

Ist eigentlich hier etwas über den Sommer 9 bekannt, da zwischen Hedemünden und Minden über Werra-Weser evt. Schiffsverkehr stattfinden konnte?

Wenn ich das richtig aus Darstellungen hier im Forum in Erinnerung habe, hat das Lager möglicherweise in dieser Zeit noch bestanden.

...das Ganze doch äußerst ungeschickt gewesen wäre. Statt den Tross zu verbrennen wäre ein einfaches Zurücklassen geschickter gewesen,

Kern der Aussage bzw. die eigentliche Substanz ist doch die Aufgabe des Trosses. Die macht Sinn.

Ich würde grundsätzlich diese Schriftquellen nicht wie Kriegstagebücher und Aktenvermerke lesen, sondern auf den Kern reduzieren somit das Verbrennen (bei angeblichen Dauerregen wie aus Kübeln u.U. recht mühsam) einfach als dramaturgisch wertvoll und unterhaltsam für die Leserschaft abhaken (wie auch den "3."Tag, vielleicht waren es 5, vielleicht auch 2);

also: (1.) Tross weg (2.) vor der entscheidenden Schlacht.
 
Hedemünden liegt sehr weit südlich, noch südlich der Lippelinie.
Die Erfahrungen der Römer mit der Nordsee waren eher schlecht. Caesar hatte hier Probleme, Drusus hätte sie fast das Leben gekostet, Germanicus hat sie zwei Mal befahren und dabei beide Male Probleme gehabt. Immer wieder sind es die Gezeiten, welche den Römern Probleme bereiteten.
(Man bedenke den katastrophalen Marsch durchs Watt unter Vitellius 15 oder die katastrophale Überquerung der Emsmündung 16).
Es ist schon daher nicht sonderlich wahrscheinlich, dass die Römer regelmäßig die Nordsee befuhren, was einer Versorgung von Lagern an Ems, Weser und Elbe voraussetzen würde.
Nur unter Tiberius gelang es, dass sich Heer und Flotte an der Elbe trafen, um das Heer zu versorgen. Nun ist zu fragen: Wie hat Tiberius seine Truppen bis zur Elbe versorgt? Ganz einfach: Indem er die frisch unterworfenen Völker dazu zwang sie zu versorgen. In späteren Feldzügen sorgen die Germanen für terra cremata.

Dann wären die Speicher in Hedemünden also über Land gefüllt worden?

Ich finde die Abhandlungen über die Lippelogistik auch sehr spannend und sauber erarbeitet. Trotzdem wird der Erfindungsreichtum der Römer meines Erachtens unterschätzt. Ich denke sie werden einen Weg gefunden haben ihre Truppen auch über längere Strecken zu versorgen.(wie z.B. Deine Tribute der unterworfenen Völker)
In dem Bericht über die Lippelogistik von Bremer wird z.B. auch das Paradox beschrieben, daß der Carrus einerseits nur 500kg Tragfähigkeit hatte, aber die Weinfässer aus den Brunnen im Lager Oberaden, wären sie gefüllt, über eine Tonne gewogen hätten.

Über die Schwierigkeiten in der Nordsee bin ich mir noch nicht ganz im Klaren, ob sie aus generellem nautischem Unvermögen herrühren oder nur dem der Legionäre (bei Germanicus), die quasi als Landratten aufs Schiff gezwungen wurden. Jedenfalls ist es ein grosser Unterschied ob man gleichzeitig mit 1000? kleinen Schiffen Nordsee und Ems/Weser/Elbe womöglich noch in Formation befährt, oder ob man "nur" Getreide in vereinzelten Lieferungen befördern muss.

Ich sehe keinen relevanten Unterschied zwischen Marinesoldaten und Angehörige der Flotte. Offenbar übersetzt Gilliver den Begriff classici als Ableitung von classis, 'Flotte'. Ich kenne classicus allerdings als Adjektiv 'ausgewogen, ausgereift, bewährt'. :grübel:

Wahrscheinlich spielt diese Stelle noch eine Rolle?
"30. Datos itaque numeros, qui infra scripti sunt, sic computabimus: legiones III, vexillarii CI)DC, cohortes praetoriae IIII, equites praetoriani CCCC, equites singulares imperatoris CCCCL, alae miliariae IIII, quingenariae V, Mauri eqites DC, Pannonii veredarii DCCC, classici Misenates D, Ravennates DCCC, exploratores CC, cohortes equitatae miliariae II, quingenariae IIII, cohortes peditates miliariae III, quingenariae III, Palmyreni D, Gaesati DCCCC, Daci DCC, Brittones D, Cantabri DCC, centuriae statorum II."

Gruss
jchatt
 
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