Ich bin sicher, dass kein Kurator jemanden römische Ausrüstungsstücke ausprobieren lässt.
Es gibt auch nach Originalfunden hergestellte Repliken, dafür muss man keine Museumsausstellung plündern. Aber ich vermute mal, Du willst damit sagen, dass alles was nicht Original ist, für eine Beweisführung nicht zulässig ist. Dann können wir eigentlich jegliche Diskussion in diese Richtung jetzt und in Zukunft sein lassen.
Sachkritik ist ein wertvoller Beitrag zur Quellenkritik. Doch auch die Sachkritik hat Regeln einzuhalten. Jetzt bemühst Du schon Kataphrakten, die nichts mit dem Thema zu tun haben und mit denen die fraglichen Reiter wenig Ähnlichkeiten hatten. Äpfel und Birnen.
Das Thema war schon vorher abgedriftet, weg von der Frage, ob Arminius Auxiliartruppen befehligte oder nicht, hin zur Schlagkraft antiker Reiterei im Allgemeinen und römischer im Speziellen.
Und doch, du sagtest, dass die experimentelle Archäologie herausgefunden hat, dass man auf einem ganz bestimmten antiken Sattel einen guten Halt hatte, der unter Umständen einen Schock-Angriff erlaubte, um gleich darauf zuzugeben, dass es nicht an Steigbügel herankommt. Damit ist das Argument schon obsolet. Balkaneses Einwand kommt hinzu: Natürlich kann jede Reiterei als Mauer angreifen. Nur ist eines der ersten Dinge, die man beim Reiten lernt, dass man selbst für sein Gleichgewicht verantwortlich ist. Und ohne Verletzung "oben zu bleiben" ist natürlich mit einem Vierhorn-Sattel einfacher, doch eben wesentlich einfacher mit Steigbügeln.
Ich verstehe Deine Argumentation nicht. Warum soll es unmöglich sein, dass ein Vierhorn-Sattel guten Halt für einen Angriff bot, Steigbügel diesen Halt aber nochmals verbessert haben?
Das klingt bei Dir irgendwie so, als ob jemand sagen würde, der M1-Karabiner war weitgehend ineffektiv, erst mit der Entwicklung des M16 konnte man echte Sturmangriffe durchführen. Was natürlich eine unrealistische Aussage wäre.
Und dann wirst Du persönlich. Schon Schopenhauer hat darauf hingewiesen, dass, wer so argumentiert, es tut, weil er sich bewusst ist, unrecht zu haben. Ich weiß ja, dass gewisse Parteien bei ihren Klausurtagungen dennoch empfehlen, die eristische Dialektik zu nutzen, doch hier verfängt das nicht. El Quijote würde jetzt vielleicht sagen: "agro", wobei ich keine Ahnung habe, was der gegen die Landwirtschaft hat. Aber gegen persönliche Angriffe, wehre ich mich eben entsprechend. (Zu dem Versuch, das Thema anders zu begrenzen, um zu einem anderen Ergebnis zu kommen, sage ich hier nichts mehr, aber auch das verfängt nicht, wie Du siehst.)
Wie es in den Wald hineinruft. Mein Kommentar war eine Reaktion auf Deinen Auswurf bzgl. Dienstvorschrift und Rollenspiel sowie auf Deine süffisante Ausführung bzgl. Hochgebirgsflotte. Das empfand ich nämlich als "persönlich werden".
Den entscheidenden praktischen Hinweis habe ich übrigens schon gebracht: Die Quellen berichten anderes. Sogar hinsichtlich der Wirkung der Kataphrakten, worauf schon balkanese hinwies. Es funktionierte in der Praxis anders. Wenn die experimentelle Archäologie zu anderen Ergebnissen kommt, ist zu fragen, ob der Versuchsaufbau oder die Interpretation einen Fehler hat, oder die Quellen zu streichen sind. Experimentelle Archäologie ist eben keine Praxis, sondern im Grunde Theorie. Sie hat den Regeln aller wissenschaftlicher Experimente zu folgen. Die Experimente machen sie zu einer praktischen Wissenschaft, was aber keinesfalls im Gegensatz praktisches Experiment - theoretische Quellenarbeit zu verstehen ist. Die Quellenkritik ist eine beobachtende Methode. Und was ist nun theoretischer? Das Rattenexperiment oder die Beobachtung der Ratten in freier Wildbahn? Ein Sarissenexerzieren mit Berliner Turnvereinen oder die Auswertung von Schlachtberichten, um die Zuverlässigkeit der "antiken Militärtheoretiker" zu überprüfen? In letzterem Beispiel ist beides von der Realität entfernt, sowohl das Experiment als auch die Schriftquellen. Das Experiment gestaltet der Forschende immer selbst, den Bericht schreiben andere. Nur können wir nicht einfach das eine dem anderen Vorziehen: Wenn kein Anhaltspunkt existiert, warum Quellen falsch berichten, musst Du sie ganz streichen, was dann z.B. auch Caesar und Tacitus betrifft. Dort müsste man alle militärischen Berichte weglassen, wen die römischen Reiter regelmäßig germanische Infanterie hinwegfegte und letztere keine Reiter gegen Reiter einsetzen konnten.
Wenn Du darauf stößt, dass Berichte von realen Kampfhandlungen experimentellen Ergebnissen widersprechen, musst Du fragen, warum. Oft ist es dazu ratsam, einen neuen Thread aufzumachen. Hier dürfte es einfach so sein, dass ein Experiment aus Sicherheitsgründen nicht realistisch genug durchgeführt werden kann. Hinsichtlich des Einsatzes von Kavallerie ein altes Problem. Die berühmten Simulationen der Franzosen zu Kavallerieattacken des 18./19. Jahrhunderts haben da noch ein Problem gezeigt: Mangelndes Training von Reitern und Pferd.
Das ist doch das Dilemma der gesamten Geschichtsforschung, vor allem wenn es um Geschichte geht, die weit entfernt ist von modernen Dokumentationsmethoden. Wir werden nie erfahren, wie die tatsächliche Realität aussah.
Die schriftlichen Quellen, die zudem oft unvollständig und bruchstückhaft sind, wurden von Menschen geschrieben, die zumeist nicht objektiv waren, sondern ihr Wissen mit einer bestimmten Intension zu Papier/Papyrus brachten. Außerdem waren sie häufig gar nicht am Ort des Geschehens sondern verließen sich auf Hörensagen und manche von ihnen beschrieben Ereignisse mit einem großen zeitlichen Abstand.
Archäologische Funde unterliegen ebenfalls einer Interpretation, die häufig vom aktuell herrschenden Zeitgeist bestimmt wird oder die aufgrund später gemachter Funde teilweise oder gar völlig revidiert werden muss (siehe die aktuelle Fundlage in Kalkriese, die genau auf so eine Revision hinauszulaufen scheint).
Archäologische Experimente wiederum können oft nicht in der Form durchgeführt werden wie das für eine hundertprozentig sichere Beweisführung notwendig wäre.
Letztlich findet bei allen drei Problemfeldern eine Art Annäherung an die Wirklichkeit aufgrund von Plausibilitätsprüfungen statt. Wenn man dann das seltene Glück hat, dass alle drei Quellen (Überlieferung, archäologische Funde, Experiment) zu einem Geschehen ein sehr ähnliches Bild liefern, dann kann man sagen: "Ja, so war es höchstwahrscheinlich". Absolut sicher kann man sich deswegen aber trotzdem nicht sein, denn keiner von uns war dabei.
Deshalb sollte man sich nie nur auf eine dieser Informationsquellen stützen gerade bei einem Abstand von 2.000 Jahren. Idealerweise sollte man alle drei Quellen heranziehen (wenn möglich), um eine einigermaßen verlässliche Aussage treffen zu können und dann nie vergessen zu fragen: Was ist plausibel? Und wie Du bereits geschrieben hast, ergeben sich dabei Widersprüche, muss man schon vorsichtig sein und beginnen die eine oder andere Quelle zu hinterfragen. Das Problem daran ist, man weiß nie, welche der Quellen falsch liegt und kann dann nur hoffen, dass das Gesamtbild durch neue Funde oder Erkenntnisse komplettiert wird.