Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

Was bleibt dann übrig? In Kalkriese jede Menge. Eine Kohorte alleine hätte das nicht hinterlasssen. Welches Geldvermögen, welcher persönlicher Besitz, der berühmte Paradehelm, der vollständig erhaltene Schienenpanzer, das Maultiergespann, die Halsgeige, die Situlae: Was für eine Funddichte, was für Funde von außerordentlicher Qualität und Quantität!
Du meinst die Gesichtsmaske, welches auch als Marke von Kalkriese dient? Das ist ja was anderes als ein Paradehelm. Das wäre einer https://encrypted-tbn0.gstatic.com/...PWFD5SPPUPxVhXOOcSzPYEgouGubQRnV9qkxxzaJLHA&s

Kalkriese bietet als häufigstes Fundgut Schnallen von Rüstungen oder andere Kleinteile. Das wurde von den Eheleuten Rost so erklärt, dass es sich dabei um abgerissene Teile handelt, welche beim wenig sorgfältigen Entkleiden der gefallenen Römer abgerissen sind. Und hier hat um 2009 herum ein süddeutscher Archäologe eingewendet, dass sich diese Teile auf etwa 500 tote Römer zurückführen lassen. Da kann man natürlich sagen, dieser Teil der toten Römer wurden von germanischen Grobianen mit Wurstfingern ausgezogen, die anderen x-tausend dagegen von zärtlichen Germaninnen mit feingliedrigen Händen. Wäre eine Erklärung.

Ich bin da gar nicht so konträr zu Dir. Aber es kann ja nicht schaden, sich auch alternative Abläufe anzuschauen.
 
Pardela_cenicienta schrieb:
Wie kommt Ihr darauf dass das in Kalkriese nur eine kleine Einheit gewesen ist?

Das dürfte auch dem Problem der vielen Trossfunde geschuldet sein. Diese sprechen eher dagegen, dass es sich um "den Ort des abschlachtens"des Hauptzuges, also DIE Endphase der mehrtägigen Schlacht handelt. Das Problem wurde hier nun mehrfach erklärt.
 
Frage: in welcher zeitlichen Phase befindet sich Germanicus?und in welcher die Scharmützel mit den Germanen?. Vielleicht wäre es nicht schlecht, den Ablauf in Phasen darzustellen....sieht aus wie Hauptschlacht , Schlacht, Ausklang?
 
Phase 1......zu den äußersten Brukterern
Phase 2..usw......die einzelnen Vorgänge in Phase teilen, was Germanicus erlebt hat.Es liest sich so, daß Germanicus nach dem Begehen des Schlachtfeldes und des Scharmützel mit den Germanen an der Ems ist.
Da wir doch wissen, daß die Schlacht in Phasen ablief: auf welchem Schlachtfeld stand Germanicus?
Erstes, Zweites, Endpunkt?
Die Prügelei war doch kein einziges singuläres Ereignis. Oder denke ich wieder falsch?
 
Phase 1: Germanicus schickt Caecina an die Ems und fährt selber mit dem Böötchen dorthin.
Phase 2: Germanicus durchstreift plündernd und Dörfer niederlegend** das Land zwischen Ems und Lippe.
Phase 3: Germanicus befindet sich "bei den äußersten Brukterern" und beschließt, das Varusschlachtfeld zu besuchen. Er schickt Caecina zum Wegbau vor.
Phase 4.1: man findet das erste Lager
Phase 4.2: man findet ein letztes Lager
Phase 4.3: man findet den Ort, wo die Legaten fielen,den Ort, wo die Adler geraubt wurden und den Ort, wo Varus Selbstmord beging
Phase 4.5: man findet die Martergruben
Phase 5: man bestattet die Legionen, baute einen Tumulus (der in Jahresfrist zerstört wird)
Phase 6: man verfolgt Arminius
Phase 7: Arminius stellt sich zur Schlacht, die beinahe ein Desaster wird, aber am Ende ein Scharmützel bleibt
Phase 8: Germanicus kehrt zur Ems zurück
Phase 9: Die Truppen werden aufgeteilt und kehren auf verschiedenen Wegen zu ihren Rheinlagern zurück

Phase 4.1 bis 4.5 sollte man nicht chronologisch genau nehmen, hier gehen Schlachtfeldbegehung und idealisierter* Schlachtverlauf durcheinander.

*Das ist eigentlich das falsche Wort
**edit: ARK hat wieder zugeschlagen
 
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Du liest die Berichte mit den Augen des heutigen Betrachters: "Wo war denn die Schlacht?"

Die Berichte der antiken Autoren haben eine ganz andere Intention: Cassius Dio erzählt eine Geschichte die er dramatisch auflädt: Regen, Blitz und Theaterdonner. Velleius Paterclus einen zeitnahen Bericht, aus dem die Detailkenntnis spricht, die er bei seinem Publikum voraussetzt. Bei Tacitus ist das Ganze in einem größeren Kontext, in dem er ein Sittenbild zeichnet und republikanische Tugenden einer unheilvollen autokratischen Entwicklung gegenüberstellt.
Für die damaligen römischen Autoren ist das nicht Stevenson's Schatzinsel mit Schatzkarte, sondern eine eigene Agenda, eine eigene politische oder gesellschaftliche Intention.
Du wirst den Berichten nicht entnehmen können, aus welcher Richtung Germanicus zuerst am Ort der Schlacht war, welches Lager er zuerst sah. Der Bericht des Tacitus ist antithetisch konzipiert, dramatische Gegenüberstellung.
Angrivariervall, Idistaviso, "haud procul Saltu Teutoburgensis" - alles Namen, die den Römern etwas sagten, oder auch nicht. Es sind keine Koordinaten die Du in Dein Navi einprogrammierst, das Dich zu dem einen Ort führt den Du suchst.
 
Pardela, natürlich, richtig, was Du schreibst. Aber ich frage mich, ob das weiterführt.
Natürlich ist es auch fraglich, ob mein Beitrag weiterführt.
Aber ich meine, er hat eine logische Grundlage.
Wie Juristen sagen: Wegnahme ist a)Bruch fremden Gewahrsams b)Begründung eigenen gewahrsams....man fächert Abfolgen auf. Aber vielleicht war der Schluß von mir, Germanicus habe nicht in Kalkriese begonnen, etwas kühn ;)
 
Phase 4.1 bis 4.5 sollte man nicht chronologisch genau nehmen, hier gehen Schlachtfeldbegehung und idealisierter* Schlachtverlauf durcheinander.

*Das ist eigentlich das falsche Wort

Du wirst den Berichten nicht entnehmen können, aus welcher Richtung Germanicus zuerst am Ort der Schlacht war, welches Lager er zuerst sah. Der Bericht des Tacitus ist antithetisch konzipiert, dramatische Gegenüberstellung.
Richtig, das ist ein Ausdruck, der genau das meint, was ich etwas unglücklich mit idealisierter Schlachtverlauf beschrieb.
 
Möglichkeit 738: Innergermanische Streitigkeiten um die Beuteverteilung führen zu großer Klopperei rund um den Kalkrieser Berg.
 
Daß die Reihenfolge der mehrtägigen Auseinandersetzung eine zeitliche Abfolge ist, halte ich für schlüssig.Wenn man so will bei meiner Absicht....ich habe eben mal versucht, die Diskussion der letzten Seiten zu verstehen, eben wohin die Trossaufgabe paßt, zum Beispiel, wohin ein detachement paßt, zeitmäßig, damit ich die Diskussion richtig einordnen kann.
Die Einlassungen von El Quijote und Pardela verstehe ich in ihrer Konsequenz .
 
Möglichkeit 738: Innergermanische Streitigkeiten um die Beuteverteilung führen zu großer Klopperei rund um den Kalkrieser Berg.
Da ist n römisches Marschlager und soweit ich weiß, sind Skelettfunde mit Untersuchungen(DNA?) auch als römisch identifziert worden.

Apropos: Das Marschlager war auf 2.000-3.000 Römer ausgelegt, was eher gegen ein Detachement spricht. Zu groß.
Das Argument sehe ich jetzt erst.

Es müsste schon das Detachement von fast einer halben Legion gewesen sein.
 
Daß die Reihenfolge der mehrtägigen Auseinandersetzung eine zeitliche Abfolge ist, halte ich für schlüssig.W
Die Schlacht wird ja an sich nicht beschrieben, sondern die Begehung des Schlachtfeldes. Da hat man dann eine Mischung aus chronologischem Ablauf (erstes Lager/letztes Lager und Schlacht/Schicksal der Kriegsgefangenen) und bedeutungsperspektivischer Steigerung: Tod der Legaten, Raub der Adler, Tod des Varus (wobei Varus sich sicher nicht am ersten Tag der Schlacht den Todesstoß gesetzt hat, sondern eher, als absehbar war, dass das kein gutes Ende für die Römer nehmen würde). Es ist aber auch gezielte Leserlenkung. Angenommen, man hätte erst das letzte Lager und dann das erste entdeckt: Das in der Richtung zu erzählen würde dem ganzen auch die Dramatik nehmen, die auch bei dem nüchternen Tacitus natürlich noch gewollt ist.
 
Einige hatten sich daran gestoßen, dass der Anteil des Trosses im Gesamtbestand der Funde am Fundort Kalkriese zu hoch sei.

Das ist für mich vollkommen plausibel: Der Tross blieb auf dem einzigen gangbaren Weg. Die kämpfenden Einheiten versuchten, an der Spitze und an den Flanken, den Gegner auf Abstand zu halten.

Als das nicht gelingt, ein Weiterkommen nicht absehbar ist, Errichtung eines zweiten oder dritten Lagers, zur Nacht, bei langsamem Zurückdrängen der kämpfenden Einheiten. Am nächsten Morgen letzter Ausbruch der verbliebenen Legionäre, nachdem in der Nacht schon kleinere Gruppen sich abgesetzt haben.

Langer Rede kurzer Sinn: Ein Verbrennen oder Aufgeben des Trosses gibt keinen Sinn, der Tross steckt fest, ist nah am Sumpf, und am weitesten entfernt von den angreifenden Germanen.

Dies jetzt nicht als Theorie, sondern nur als mögliche Antwort.
Die Topographie ist entscheidend: Falscher Ort, falsche Zeit, wie das Kamener Kreuz bei Stau.

An diesem Ort ist ein Sieg der angreifenden Germanen auch in Unterzahl möglich, eine sinnvolle Aufstellung der römischen Truppen zur Verteidigung eher nicht.
Die Angreifer haben freie Wahl und punktuelle Überlegenheit.
 
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Einige hatten sich daran gestoßen, dass der Anteil des Trosses im Gesamtbestand der Funde am Fundort Kalkriese zu hoch sei.
Ich glaube es ging mehr darum, dass
-Kalkriese als letztes Gefecht der mehrtägigen Varusschlacht gedeutet wird,
-während laut Dio die der Tross schon am zweiten Tag der Schlacht aufgeheben wurde, bevor die schwersten Gefechte überhaupt einsetzten.

Entweder war Kalkriese nicht der letzte Tag der Varusschlacht, oder Dio irrt.

21. (1) Daher schlugen sie dort ihr Lager auf, wo sie einen geeigneten Platz fanden, soweit dies in dem Waldgebirge überhaupt möglich war; nachdem sie dann zahlreiche Wagen und sonstige Gegenstände, die nicht unbedingt erforderlich waren, verbrannt oder zurückgelassen hatten, zogen sie am anderen Morgen in etwas besserer Ordnung weiter, so daß sie sogar offenes Gelände erreichen konnten; freilich erlitten sie auch bei ihrem Abzug Verluste.
Man kann die Befunde von Kalkriese(Tross + Marschlager ) in Einklang mit Dio bringen:

Dann müsste Kalkriese das von Dio genannte Marschlager mit Trossaufgabe sein.

Wilde Theorie meinerseits. Es passt in meinen Laien-Augen sehr gut zusammen.
 
Ich glaube es ging mehr darum, dass
-Kalkriese als letztes Gefecht der mehrtägigen Varusschlacht gedeutet wird,
-während laut Dio die der Tross schon am zweiten Tag der Schlacht aufgeheben wurde, bevor die schwersten Gefechte überhaupt einsetzten.

Entweder war Kalkriese nicht der letzte Tag der Varusschlacht, oder Dio irrt.

Das ist ein Irrtum, den wir hier im Thread schon mehrfach aufgeklärt haben: Der Text lautet: "Danach verbrannten sie die meisten Wagen (πλείους ἁμάξας) und ließen anderes, das sie nicht besonders benötigten, zurück". Es ist also nicht die Rede davon, dass der ganze Tross verbrannt wurde. Die Angabe ist ungenau, man könnte unterstellen, dass nur 55 % der Wagen verbrannt wurden und 45 % derselben weiter mitgeführt worden seien, dann wäre die Angabe theoretisch erfüllt. Wenn, dann müsstest du anders argumentieren, nämlich über die mitgeführten Luxusgüter.
 
Na und? Da gibt's kein großartiges Zurücklassen. Mausefalle ist Mausefalle, es gab kein Entkommen nach vorne, und auch nicht zur Seite. Die Reitereinheiten die es versuchten kamen nicht weit.

Wer überlebte, tat dies vielleicht vereinzelt durch Gnade, sonst durch reinen Zufall.

Die Überlegenheit römischer Legionäre lag im Kampf im Verband, im gegenseitigen Schutz. Trotz besserer Geschicklichkeit und körperlicher Fitness kann im Kampf ein vereinzelner Legionär mehreren Angreifern mit Lanzen oder Speeren nicht entkommen.

Aber es gab ja Überlebende, vermutlich etliche, denn die spätere Nicht-Wiederaufstellung der Legionen war nicht nur eine Damnatio memoriae, sondern zugleich eine beabsichtigte und strafende Auslöschung der Legion als Wirtschaftseinheit.
 
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