Churchill ...erinnert sich, dass sich eine solche gar nicht stellte, nachdem die Möglichkeit bestand das Grauen des Krieges zu beenden.
Kurz vorher war zudem ein konventioneller Luftangriff auf Tokyo erfolgt, mit der Folge von mindestens vergleichbaren Opferzahlen zu Hiroshima und Nagasaki. Zu diesem Zeitpunkt hatte die US-Airforce ohnehin demonstriert, dass sie japanische Städte in Grund und Boden bomben konnte und auch würde.
Das verweist auf die generelle Haltung gegenüber Krieg und der Nutzung der Mittel um 1945. Am Ende des WW2 war die vorherrschende Meinung bei den west-Alliierten - verinfacht - durch folgende Vorstellungen geprägt:
- Eine machiavellistische, bei der das „gerechte“ und „gute“ Ziel den Einsatz aller Waffen rechtfertigte, zumal dadurch amerikanische bzw. britische Leben geschützt werden (es gab noch eine gemeinsame strategische Planung)
- Eine ambivalente Haltung, die in der atomaren Bombardierung einerseits keine neue moralische Qualität sahen, die den Einsatz verbietet. Und gleichzeitig der Respekt vor den Toten (Frauen und Kinder etc.) des Abwurfs der A-Waffen vorhanden war, der eine weitere Bombardierung als nicht wünschenswert erscheinen ließe. Diese ambivalente Sicht drückt sich auch in den unterschiedlichen Äußerungen von Truman aus, der entweder den Einsatz verteidigte oder vor einer Steigerung des Einsatzes von A-Waffen warnte (was auch pragmatisch war, da es keine mehr gab) (Curatola, Pos. 262)
- Der Krieg war vorüber und man wollte schnellstmöglichst Demobilisieren und die Gesellschaft auf die friedliche Produktion umstellen und mußte und wollte die Streitkräfte reduzieren und dennoch die Expansion der UdSSR eindämmen
Ausgehend von den Überlegungen von Churchill zur Dominanz der strategischen Lufkriegsführung gingen die US-Planer des A-Waffenkrieges von einem kurzen – 2 bis 3 Monate – Krieg aus, der im wesentlichen mit ca. 300 Langstreckenbombern geführt werden würde (Curatola, Pos. 361). Man ging dabei von einem „first-strike“ aus, der auf die präventive Nutzung von A-Waffen abzielte. Die Zielplanung orientierte sich dabei an den konventionellen Planungen des Bombenkriegs aus dem 2. WW und A-Waffen wurde als größe Bomben verstanden.
Dabei betonen beispielsweise Borgiasz, Borowski und neu auch Curatola, dass die politischen und militärischen Ziele mit den realen Möglichkeiten des SAC nicht übereinstimmten und lange Zeit als „Bluff“ bzw. „hollow threat“ anzusehen war, und dieses Gap zwischen Anspruch und Wirklichkeit wurde erst langsam Anfang der fünfziger Jahre ansatzweise geschlossen.
Die Situation wandelte sich in anderer Hinsicht jedoch vom Kriegsende bis zum Ende der fünfziger Jahre drastisch. Die enormen Zuwächse im BSP der industriealisierten Staaten stärkten die jeweiligen Nationalstaaten. Mit der Zunahme der Bevölkerung und dem Ausbau der industriellen Kapazität veränderte sich auch die Zielplanung, da eine glaubwürdige Abschreckung auch ein entsprechendes glaubwürdiges Vernichtungspotential in der Zielplanung berücksichtigen mußte.
Die Vorstellung eines „Killing a nation“ durch einen präventiven A-Waffenkrieg , das Ende der 40er Jahre die strategischen Ideen des SAC dominierte, mußte an diese veränderte Struktur der industriealisierten Länder, wie der UdSSR, angepaßt werden. So schrieben Kaku und Axelrod: „The number of Soviet Targets to be destroyed grew from 20 cities in December 1945 to 200 cities in 1949 and to 3261 total targets in 1957.“ (Kaku & Axelrod, S. VI)
Es gab dabei eine hohe Zustimmung in der US-Bevölkerung, wie Trachtenberg (1990) es anhand von Umfragewerten deutlich macht. Das Führen eines Krieges mit A-Waffen wurde von mehr als zwei Drittel der Bevölkerung als notwendig erachtet, um die Position der USA zu sichern und eine weitere Expansion der UdSSR einzudämmen.
Die Entwicklung der H-Waffen änderte die Einschätzung der Führbarkeit von atomaren Kriegen und Brodie, den Trachtenberg zitiert als Kronzeugen (1991, S. 261) schlußfolgert: „Strategy hits a Dead End“.
Und langsam änderte sich auch die Sicht auf die Führbarkeit der Kriege in der US-Öffentlichkeit und die Eigendynamik der Eskalationsspirale zwischen der Fähigkeit zum Erschlag und der Verhinderung des Zweitschlags und der gesicherten Zweitschlagskapazität entkoppelte sich von der Zustimmung der öffentlichen Meinung zunehmend.
In der Zwischenzeit gab es mehr als genug kritische Stimmen in den USA und in Europa, die wie Mills, den Autoren bei Lindemann oder den wichtigen Studien von C.F.v.Weizsäcker und Afheldt, die Absurdität eines Krieges mit A-Waffen und noch stärker mit H-Waffen hervorgehoben haben.
https://de.wikipedia.org/wiki/Horst_Afheldt
Das Anwachsen der Größe der Sprengköpfe, der Rüstungswettlauf im Rahmen des „Missile-Gaps“, die immer höhere Trefferpräzision der Sprengköpfe und die Diversifizierung der Struktur A-Waffenträger (Langstreckenbomber, ICBM, CM, SLBM etc.) führten im Rahmen von SALT UND Start zu ähnlichen nuklearen Streitkräften in den USA und der UdSSR (vgl. z.B. Lübkemeier) .
Diese Angleichung war unter der Perspektive des „defensiven Realisten“ eine begrüßenswerte Stabilisierung von MAD auf höher Ebene. Andererseits sorgten die Ideen der Realisierung von preemtive-Phantasien durch die Idelogie der“offensiven Realisten“ für die Destabilisierung auf den unterschiedlichen Ebenen der Rüstungsspirale, wie beispielsweise durch SDI bzw. durch die Entkoppelung von Europa im Rahmen der Einführung von Mittelstreckenraketen.
Ich wollte mit dieser Darstellung noch die Periodisierung aus einem der vorherigen Beiträge untermauern und darstellen wie die Zielplanung der USA aus der „Not“ der Demobilisierung geboren wurde und im Rahmen der Eigendynamik eines präventiven Erstschlags und der gesicherten Zweitschlagkapazität die Zahl der A-Waffen hat ansteigen lassen.
Wichtige Datenbanken zur strategischen Rüstung bzw. Institute
Institute for Defence and Disarmament Studies
Institute for Defense & Disarmament Studies
Stockholm International Peace Institute (SIPRI)
https://www.sipri.org/
Die „Kriegsplanungen“ für den atomaren Krieg bis 1955
Eine kurze Übersicht von Ross auch zum erweiterten 15. bändigen Werk
https://books.google.de/books?id=SeeNAQAAQBAJ&printsec=frontcover&hl=de&source=gbs_ge_summary_r&cad=0#v=onepage&q&f=false
US- Kriegsplanungen: 1945 bis ca 1950 /
- Pincher
- Broiler
- Halfmoon
- Offtackle
Beitrag von Gentile: „ Planning for Preventive War, 1945–1950“ 1. Plan „Pincher“)
http://www.comw.org/qdr/fulltext/00gentile.pdf
Weiterführung in „Operation dropshot“: US-Kriegsplanung gegen die UdSSR ca. 1957
https://en.wikipedia.org/wiki/Operation_Dropshot http://www.allworldwars.com/Dropshot%20-%20American%20Plan%20for%20War%20with%20the%20Soviet%20Union%201957.html#RelativeCombatPower
Pläne des Pentagon zur Kriegsführung
https://books.google.de/books?id=yOP2v_vy2GIC&printsec=frontcover&hl=de&source=gbs_ge_summary_r&cad=0#v=onepage&q&f=false
Literatur:
Borgiasz, William S. (1996): The Strategic Air Command. Evolution and consolidation of nuclear forces, 1945-1955. Westport, Conn.: Praeger.
Borowski, Harry R. (1982): A hollow threat. Strategic air power and containment before Korea. Westport, Conn.: Greenwood Press
Brodie, Bernard (1955): Stratgy hits a dead end. Harper`s Magazin, (October 1955), S. 33-37
Curatola, John M. (2016): Bigger bombs for a brighter tomorrow. The Strategic Air Command and American war plans at the dawn of the atomic age, 1945-1950. Jefferson, North Carolina: McFarland & Company, Inc., Publishers.
Jacobsen, Carl G. (Hg.) (1990): Strategic power. USA/USSR. [1st publ.]. Basingstoke, London: Macmillan.
Kaku, Michio; Axelrod, Daniel (1987): To win a nuclear war. The Pentagon's secret war plans. Montréal: Black Rose Books.
Lindemann, Helmut (Hg.) (1965): Ist der Krieg noch zu retten? Eine Anthologie militärpolitischer Meinungen. Idee und Bilanz Golo Mann. Frankfurt am Main: Fischer Bücherei.
Lübkemeier, Eckhard (2000): Nukleare Rüstung und Rüstungskontrolle. In: Wichard Woyke (Hg.): Handwörterbuch Internationale Politik. 8., aktualisierte Aufl., Lizenzausg. Bonn: Bundeszentrale für Politische Bildung, S. 347–354.
Mills, C.Wright (1963): Politik ohne Verantwortung. Eine Analyse. München: Kindler.
Ross, Steven T. (1996): American war plans, 1945-1950. London, Portland, Or.: Frank Cass.
Ross, Steven T.; Rosenberg, David Alan (1989): America's plans for war against the Soviet Union, 1945-1950. A 15-volume set, reproducing in facsimile 98 plans and studies created by the Joint Chiefs of Staff. 15 Bände. New York: Garland Publishing Inc (America's plans for war against the Soviet Union, 1945-1950).
Trachtenberg, Mark (1990): American Thinking on Nuclear War. In: Carl G. Jacobsen (Hg.): Strategic power. USA/USSR. [1st publ.]. Basingstoke, London: Macmillan, S. 355–369.
Trachtenberg, Marc (1991): History and strategy. Princeton, NJ: Princeton Univ. Press (Princeton studies in international history and politics).
Weizsäcker, Carl Friedrich von (1981): Der bedrohte Friede. Politische Aufsätze 1945-1981. München, Wien: Carl Hanser Verlag.
Siehe auch hier
http://www.geschichtsforum.de/f71/kalter-krieg-37389/#post567477