Das kommt mir etwas zu konstruiert vor. Gerade die Eliten werden doch am ehesten einigermaßen Ahnung von der Geschichte ihrer Reiche gehabt haben. Wieso sollten sie plötzlich an ein einstiges gemeinsames Reich glauben, von dem sie nie zuvor gehört haben?
Außerdem soll David dem Stamm Juda entstammt sein. Die "gemeinsame Identität" hätte sich also darauf beschränkt, dass die Vorfahren der Eliten aus dem Norden einst Untertanen des Südens waren.
Finkelstein/Silberman begründen Ihre Thesen detalliert, sorgfältig, durch Einbeziehung archäologischer Erkenntnisse, interdisziplinär. Forabel lässt sich mE höchstens ein Ergebnis zusammenfassen, nicht aber der Weg dorthin.
Die Verschriftlichung der Erzählungen von der Geschiche liegt erheblich später. Wie sieht es inzwischen mit Archäologie aus: sind irgendwelche Schriftquellen vor dem 7. Jhdt in der Region bekannt? Dazu:
"At the time of the writing of Chronicles, the northern kingdom was no more than a vague memory, having been destroyed by the Assyrians four centuries before. Yet the continuing political and religious power of Samaria was of great concern to the leaders of Yehud. Archaeological surveys in the highlands of Samaria have noted a substantial continuity of settlement from the end of the Assyrian period through the succeeding centuries. The discovery of an archive of inscribed fourth-century BCE papyri in a cave on the desert fringe of Samaria has revealed the complexity of political and social life and legal activity in the province during the later Persian period."
Wie umfangreich die "Ahnung" von Eliten des Nordreiches aus ihren Legenden tatsächlich war, wissen wir nicht. Wir kennen nur den Ansatz der Religionseinheit, sozusagen als Wurzel des Nation Building, die Legende vom Großreich mit politischer Bedeutung, Machtfaktor der Region. Offenbar war die angebotene verschriftlichte Alternative höchst attraktiv, und wird ihren tieferen Sinn und Zweck gehabt haben, jedenfalls hat sie auch überdauert.
Es dürfte sich ähnlich verhalten wie beim Beispiel Delphi: die Kontextualisierung solcher Legenden sollte aus den zeitlichen, zeitgenössischen Umfeld ihrer tatsächlichen Verwendung erfolgen, nicht aus ihren rückdatierten Inhalten.