Kolonien: Nutzen oder Belastung für das Reich?

@Shinigami zu den Kosten in Tsingtau kommt noch die moderne Festung mit mehreren Panzerkuppeln etc hinzu, meines Wissens die einzige überseeische wilhelminische Festung.
Und natürlich auch Ausbau der Hafenanlagen für dezidierte militärische Präsenz (Ostasiengeschwader).
Ich weiß nicht, inwieweit in den Rechnungen für Kiauchou/Tsingtau auch noch Kosten für die zum große Teil außerhalb des eigentliches Gebiets gelegenen Bahnkonzession in der Provinz Shandong enthalten sind. (Bahnverbindung Qingdao-Jinan).
 
Ich habe meine Daten aus Rose, Deutsche Außenpolitik in der Ära Bismarck. Der Mann ist Historiker an der Uni Bonn und weiß eigentlich wovon er spricht bzw. schreibt, während bei Wiki m.M. Vorsicht geboten ist. Dort kann Hinz und Kunz schreiben und es ist nicht immer nachvollziehbar, was dann tatsächlich dort das Licht der Welt erblickt.

Konntest du eigentlich mit den ganzen gesammelten Informationen zum Thema Zollpolitik von @Shinigami und meiner Wenigkeit, die wir das für dich zusammengetragen haben, etwas anfangen?
 
Danke. Da hast Du schon recht.
Aber eine wirklich Große Funkstation in Afrika kostete sehr viel Geld. Eine solche Station wurde ja in Abwesenheit einer notwendigen Infrastruktur errichtet. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die mit eingerechnet wurde.

Es liegt mir fern die Kompetenz des Rose in Frage zu stellen.
Aber da habens wahrscheinlich ein "Sondervermögen" gebildet. :D
Denn das war ja die Großfunkstelle, also das Funkrelais zu den anderen afrikanischen Kolonien.
 
Ich kann mir nicht vorstellen, dass die mit eingerechnet wurde.
Möglicherweise sind die Kosten dafür einfach aus einem anderen Topf bestritten worden und die Ausgaben liefen nicht über Stellen des Kolonialamts.

Für das Telegraphenwesen und damit Teile des Fernmeldewesens war damals das Reichspostamt zuständig, möglicherweise sind die Mittel über diesen Etat geflossen und deswegen nicht explizit der Kolonie selbst zugerechnet.

Oder eben über den Militäretat, wenn primär militärische Nutzung angedacht war.

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Ich kenne Roses Quelle für die Zahlen da nicht, aber wenn er sich vor allem auf die Etats und Geldflüsse im Kolonialamt konzentriert haben sollte, mag es sein, dass die Investition deswegen nicht bei ihm auftaucht.
Oder weil er selbst dass nicht als rein koloniale Infrastruktur betrachtet hat, sondern primär als investition in das globale Nachrichtenwesen, ähnlich der Telegraphenkabel, die man unabhängig von der konkreten kolonialen Wirtschaft und Politik ohnehin in Angriff genommen hätte.
 
Ich habe mit einem Kollegen gesprochen und wir sind zu der Meinung gekommen, daß für die Entscheidung, ob eine oder mehrere Kolonien für das sog. Mutterland "wirtschaftlich" waren der Netto-Abfluß (dann wäre sie unwirtschaftlich gewesen) oder der Netto-Zufluß (dann wären sie wirtschaftlich) zum BIP des "Mutterlandes" ausschlaggebend gewesen wäre. Wie seht Ihr das?
Das scheint auch mir die richtige Sicht der Dinge zu sein. Aber wie sollte man das messen? Etwa indem man die Kosten und Nutzen 1) des Staates ermittelt (fiskalische Sicht), 2) dazu mögliche Gewinne von Unternehmen addiert, die durch deren Engagement in den Kolonien entstanden (sicher schwierig zu ermitteln), und 3) dazu addiert den möglichen Vorteil niedrigerer Preise von Produkten aus den deutschen Kolonien für die Käufer in Deutschland - niedriger relativ zum Import der Güter von außerhalb, etwa von englischen Kolonien. Wobei ich nicht weiß, ob es einen solchen Preisvorteil überhaupt gab.
 
Das scheint auch mir die richtige Sicht der Dinge zu sein.
Ich denke btw. nicht, dass sich der Wert von Kolonien rein wirtschaftlich taxieren lässt.
Kolonien konnten auch dann durchaus dann einen Wert für die Kolonisatoren haben, wenn sie geostrategische Vorteile brachten, die sich außenpolitisch verwerten und in vorteilhafte Abkommen ummünzen ließen, etc.

Z.B. Russlands Annexion der Chinesischen Gebiete in der Armur- und der pazifischen Küstenregion, dürfte damals wirtschaftlich eher unitneressant gewesen sein.
Das Gebiet war kaum bewohnt, bis auf ein wenig Fischerei und ähnliches gab es da nichts interessantes und 1858, als China gezwungen war das Gebiet an Russland abzutreten, war auch verkehrstechnisch an eine Transsibierische Eisenbahn zwecks Anbindung noch nicht zu denken.

Wirtschaftlich also eher wertlos.
Dadurch, dass sich die Gegend um das heutige Wladiwostok aber für den Aufbau eines festen Marinestützpunktes im Pazifik eignete, der Russland eine Dauerpräsenz und kontinuierliche Einflusspolitik in Ostasien ermöglichte, wird man nicht bestreiten können, dass das für Russland von einigem strategischen Wert war, auch wenn es eher kostete.


Mann wird im Fall der Briten zu dem Schluss kommen können, dass Indien in der britischen Kolonialgeschichte zeitweise finanzielle Probleme verursachte.
Die East India Company jedenfalls geriet ja ab Mitte des 19. Jahrhunderts zunehmend in finanzielle Schwierigkeiten und musste 1857/1858 liquidiert werden.
Die reine britisch-indische Handelsbilanz dürfte für Großbritannien zu diesem Zeitpunkt vermutlich nicht soooo rosig ausgesehen haben, vor allem, wenn man noch die Zusätzliche Belastung wegen Militär- und Verwaltungskosten sieht, nichts desto weniger war der strategische Wert dieser Kolonie immens, weil sich Teile ihrer Produkte (vor allem das bengalische Opium) in China absetzen ließen und damit den strategischen Schlüssel zur Öffnung anderer Märkte darstellten.

Auch dass hatte mit Sicherheit seinen Wert, auch wenn es vielleicht nicht zu jeder Zeit rentabel war.
 
Für den Funkverkehr mit den Schiffen hatte Telefunken an der Hinterlandbahn eine zweite, kleinere, Funkstation gebaut; dieser Standort lag außerhalb der Reichweite der Schiffskanonen. Diese Funkstation ging am 18.Juli 1914 in das Eigentum des Reichspostamtes über, während Kamira im Besitz von Telefunken blieb.

Erst am 19.Januar 1913 wurde Togo in Loma an ein deutsches Überseekbabel angeschlossen. Nachdem ein Transatlantikkabel in die USA verlegt worden war, hatte man als nächstes Projekt ein Unterwasserkabel nach Südamerika ins Visier genommen. 1908 hatte man in Köln die Deutsch-Südamerikanische Kabelgesellschaft mit einem Kapital von sieben Millionen Mark gegründet. Das Kabel musste entlang derWestküste Afrikas verlegt werden. Die an Wirtschaftlichkeit orientierten Unternehmen schlugen der Reichsregierung eine Abzweigung nach Togo und Kamerun vor, um die dortigen hohen Monopolpreise der Briten und Franzosen zu unterbieten. Die Kabelgesellschaft nahm 1911 den Betrieb von Deutschland nach Südamerika auf.
Für die Benutzung des Kabels vereinbarte man, dass das Reichspostamt als Vertreterin des Reichs für ein Zeitraum von 40 Jahren jährlich 850.000 Mark zu zahlen hatte. Für ein Wort mussten damals 3,65 Gebühr entrichtet werden. Das war etwas die Hälfte dessen, was Franzosen und Briten verlangten, die daraufhin eiligst ihre Gebühren anpassten.
 
Z.B. Russlands Annexion der Chinesischen Gebiete in der Armur- und der pazifischen Küstenregion, dürfte damals wirtschaftlich eher unitneressant gewesen sein.
Das Gebiet war kaum bewohnt, bis auf ein wenig Fischerei und ähnliches gab es da nichts interessantes und 1858, als China gezwungen war das Gebiet an Russland abzutreten, war auch verkehrstechnisch an eine Transsibierische Eisenbahn zwecks Anbindung noch nicht zu denken.

Wirtschaftlich also eher wertlos.
Dadurch, dass sich die Gegend um das heutige Wladiwostok aber für den Aufbau eines festen Marinestützpunktes im Pazifik eignete, der Russland eine Dauerpräsenz und kontinuierliche Einflusspolitik in Ostasien ermöglichte, wird man nicht bestreiten können, dass das für Russland von einigem strategischen Wert war, auch wenn es eher kostete.
...ein nicht eben unerheblicher Kostenfaktor!
 
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