Koloration von Filmen sinnvoll?

Xander

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Moin

Hatte gestern mal in die erste Folge von Guido Knopps "Weltenbrand" (ZDF) gesehen. In dieser 8teiligen Reihe sind alle alten Filme "aufwändig" koloriert worden.

Bin ja auch der Meinung, dass farbige Bilder geschichtliche Ereignisse lebendiger machen und zeitlich näher bringen können (wie man meinem Album entnehmen kann;))

Doch was ich gestern gesehen habe, hat mich doch arg enttäuscht. Zeitlich waren die Kolorationen sicher aufwändig, von guter Qualität sind sie jedoch nicht! Die Bilder erinnerten mich doch sehr an zeitgenössische, billig kolorierte Postkarten!

Der geplante Effekt, die Bilder realistischer wirken zu lassen, wurde, zumindest bei mir, genau ins Gegenteil umgekehrt!!!

Hat sonst noch jemand die Folge gesehen und wie wirkten die Filme auf euch?

Anbei ein Bild aus dem Film, als Beispiel schlechter Koloration.

Gruß
Andreas
 

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Ich habe das nicht gesehen, kann insofern keine Meinung beitragen.

Knopp war gestern in Zeitungs-Interviews präsent, und äußerte dabei, dass er in der Kolorierung den "Trend der nächsten 20 Jahre" sehen würde. Deshalb habe er dies in seinem Schlusswerk bereits realisieren wollen.
 
Sicher verfolgt Knopp mit den farbigen und entschleunigten Bildern, diese einem breiteren Publikum zugänglicher zu machen. Die Kost sozusagen leichter verdaulich werden zu lassen. Insofern finde ich es legitim. Er verfolgt ja eine journalistische Aufgabe.
Dieses Nachcolorieren ist aber nicht unbedingt ein Trend, der von ihm ausgeht, denn das kommt aus dem angelsächsischen Raum. Ich habe auf der bekanntesten Videoplattform schon einige solcher Filme gesehen.
Hat erst einmal einen Hinguckeffekt, aber dann empfinde ich es eher als störend. Das verfälscht die Bilder. 1916 z.B. verbinde ich persönlich mit ruckelnden Schwarzweißfilmen.
 
Hab’s auch nicht gesehen - warte auf Hitler, bis er mit der Hand in 3D ins Wohnzimmer grüßt... Im Ernst: halte auch Kolorierungen von alten Filmen für geschmacklos. Die Akzeptanz von SW ist heute wieder sehr gut (gerade im “angelsächsischen Raum”) - im Gegensatz zu den 1970-1980-ern, als S/W als altmodisch galt. Einen Aufschwung der Kolorierung von altem Filmmaterial bewirkte die Computer-Begeisterung in den 1990-ern, als Hinz und Kunz mit Grafikprogrammen zu hantieren begann, während das Bedürfnis, alte Filme in Color zu sehen, eher nur noch in den Köpfen der Produzenten herumgeistert. Wen interessiert die Farbinterpretation eines Einzelnen, wenn die Authentizität alter Aufnahmen darunter leidet? Die “ungeahnte Möglichkeiten” von CG sind bez. Kolorierung sehr beschränkt, neue Bilder aus der Vergangenheit höchstens was für die Boulevard-Presse.
 
Auf mich wirkt das Nachkolorieren von Filmen irgendwie archaisch. Früher hat man sowas gemacht, als man dann stolz war, dass es möglich war. Aber was soll das heute nutzen? In einer Doku sind die Personen für mich nicht weniger echt, wenn die Akteure in Schwarz-Weiß zu sehen sind. Deswegen werden ja originale, frühe Farbaufnahmen um so reizvoller. Außerdem kann man ja in einer Doku zum Krieg auch einfach Originaluniformen in einem Museum zeigen, um zu verdeutlichen wie deren Farbigkeit meinetwegen im 1. Weltkrieg aussah.

Vielleicht kann man mit Schwarz-Weißfilmen von originalem Filmmaterial auch sinnvoll arbeiten indem man es nachgestellten und natürlich farbigen Filmszenen mit guter Ausstattung gegenüber stellt.
 
Ich habe das gestern auch gesehen und fand es auch nicht so toll eher kitschig.
 
Es ist ja sowieso ein fragwürdiger Trend im History-Infotainment Spielszenen mit Originalaufnahmen zu verweben. Die Originalaufnahmen nachzukolorieren ist gewissermaßen die logische Folge dieses Trends. Journalistische Aufgabe hin oder her: Der Zuschauer wird immer weniger zwischen Original und Nachstellung unterscheiden können. Das kann man nun positiv oder negativ wenden.
 
gesehen habe ich es noch nicht, aber zumindest das entschleunigen finde ich sehr interessant.

mir kamen, ich bitte das nicht als respektlos aufzufassen, beim Ansehen der bewegten Bilder von 1914-18 irgendwie immer die Stan&Ollie und Charlie Chaplin filme in den Sinn, was einfach an der ruckeligen und überschnellen Kamera lag...

und gerade so einen Wahnsinn wie die Somme-Offensive fand ich im nachgespielten Farbfilm (müsste die angelsächsiche Dokumentation gewesen sein die weiter oben angesprochen wurden) weitaus bedrückender als die Originalszenen die man kennt.
 
Es ist ja sowieso ein fragwürdiger Trend im History-Infotainment Spielszenen mit Originalaufnahmen zu verweben. Die Originalaufnahmen nachzukolorieren ist gewissermaßen die logische Folge dieses Trends. Journalistische Aufgabe hin oder her: Der Zuschauer wird immer weniger zwischen Original und Nachstellung unterscheiden können.

Wenigstens waren die Spielszenen als solche gekennzeichnet. Aber gerade weil es diese Spielszenen gab, hætte man das Original-Material dann ruhig in Schwarz-Weiss zeigen kønnen.
Fuer mich persønlich wirkt das schwarz-weiss authentischer - dennoch fand ich auch die nachkolorierten Szenen durchaus interessant, weil der Eindruck ein anderer ist.
Auf Dauer wuerde ich aber s/w bevorzugen, mir geht's da genau umgekehrt wie corto, ich finde s/w bedrueckender.

Vielleicht sollten ja die Bilder vom Inhalt ablenken, den fand ich fuer einen 3-Teiler zu oberflæchig.
Andererseits sass mein Sohn mit dabei, und insofern war das o.k. --> er wollte es eigentlich nicht gucken, ist dann aber doch "hængen geblieben"

Gruss, muheijo
 
Ich besitze "Der Erste Weltkrieg in Farbe" und "14-18 Europa in Schutt und Asche". Beides sind Dokus über den 1.Weltkrieg und nachcoloriert. Ich finde die Farbe gibt den Bildern doch etwas lebendigeres, greifbareres als das eintönige S/W.
 
und gerade so einen Wahnsinn wie die Somme-Offensive fand ich im nachgespielten Farbfilm [...] weitaus bedrückender als die Originalszenen die man kennt.

Das ist eine durchaus legitime Sichtweise, legt aber mehr wert auf Emotionalisierung als auf Authentizität der Quellen. Und genau hier, bei der Authentizität, sehe ich das grundsätzliche Problem. Und was die Emotionalisierung angeht: Die verbraucht sich recht leicht.
 
Moin

Prinzipiell finde ich Kolorierungen vollkommen in Ordnung!

Wenn man so ein Projekt angeht, dann sollte man es jedoch mit einiger Sorgfalt machen. Halbwegs vernünftige Kolorierungen sind nun einmal zeitaufwändig!

Bei dem hier diskutierten Film vermisse ich die Sorgfalt. Im Anhang habe ich das oben gezeigte Bild mal unter die Lupe genommen und einige Beispiele der schlampigen Arbeitsweise aufgelistet.

Im Fließbandverfahren wurden die Einzelbilder "durchgenudelt". Das ist es, was mich ärgert! Bei den heutigen Möglichkeiten digitaler Techniken ist es doch möglich, besser Kolorationen abzuliefern als vor 100 Jahren!

Man sollte doch besser 5 Min. Qualitätsarbeit zeigen, als x Stunden Schlunzarbeit!

Gruß
Andreas
 

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genau hier, bei der Authentizität, sehe ich das grundsätzliche Problem. Und was die Emotionalisierung angeht: Die verbraucht sich recht leicht.

Da hast du recht.

Wobei ich bezüglich der Authentizität sagen muss, das (fast) alles was man als "original" aus 1914-18 kennt nur manöver oder spielszenen aus dem 20ern waren. (wurde schon mal erwähnt, aus der ersten Remarque Verfilmung)

Versteht es so, es gibt einfach Bilder bzw Filmszenen - da muss man mit niemandem mehr diskutieren. Die sind einfach grauenhaft und verstörend - wer da nicht mitfühlt und die Irrsinnigkeit des Krieges einsieht - dem ist nicht mehr zu helfen.

Solche Bilder kenne ich kaum aus dem ersten Weltkrieg, eben weil die Aufnahmen von damals so irreal wirken.

Die einzigen wirklich schrecklichen Bilder, die mir nahe gingen waren ein Blick in das Gebeinhaus in Verdun (Knochen bis obenhin) und vor allem der zugeschüttete Schützengraben aus dem noch die Gewehre ragen - immernoch auf dem Rücken der Männer, die Hand noch an der Grabenleiter.

Ob Spielszenen authentisch sind, kann natürlich niemand sagen der nicht dabei war. das geht uns ja alle zum Glück so.
Gut gemacht müssen sie aber sein, da geb ich dir Recht.

Nachcolorieren hilft insofern, als das ich dann junge Männer sehe - die aussehen wie ich und meine Freunde.
Nicht diese sterilen Gesichter die man damals auch auf passfotoos zeigte - sondern Gesichter von Menschen in die man sich emotional halbwegs reinfühlen kann.
hört sich evtl etwas blöde an, macht aber nix ;)

bevor ich aber weiter rumnöle zu etwas was ich noch nicht selbst gesehen habe - gucke ich mir heute abend einen Teil an, ich denke mal die mediathek spielt da mit.
 
Zuletzt bearbeitet:
Vorweg: Ich habe es noch nicht gesehen. Zum Hintergrund, bzw. Ansinnen der extra Färbung habe ich gelesen, daß so die Bilder "realistischer...näher" wirken sollen. Alte ruckelige schwarzweiß Aufnahmen würden bei den meisten Menschen so weit weg wirken, daß sie sich nicht damit identifizieren können. Das heißt die Distanz ist bei den alten, echten Aufnahmen quasi wie Ruinen der Antike. In Farbe wäre die "Verbindung" näher.

Die angebrachte Kritik, daß die Ausführung schlampig ist, wie mit einem dicken Pinsel, ist schon anzuerkennen. Da wurde etwas ungenau hingehuscht, Hauptsache es wird farbig...
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich merke noch an, dass man aus der Perspektive von Restauratoren eine Nachkolorierung prinzipiell ablehnen würde - u.a. aus den Gründen, die bereits von El Quijote weiter oben im Strang erwähnt wurden. Es verwischt den Unterschied zwischen Quellen und Spielszenen und nimmt einen Teil der Authentizität der Quelle.
 
Ich merke noch an, dass man aus der Perspektive von Restauratoren eine Nachkolorierung prinzipiell ablehnen würde - ...

Moin

Solange das originale Material nicht verändert wird, ist ja alles ok. Gegen digitale "Spielereien" ist meiner Meinung nach nichts einzuwenden. Wichtig ist nur, dass man bei irgendwelchen Veröffentlichungen darauf hinweist, dass das Bildmaterial nachträglich koloriert wurde.

Ich koloriere ja in meiner Freizeit auch ganz gerne alte s/w-Fotos und bin immer wieder erstaunt, wie lebendig /realer die Fotos danach wirken.

Gruß
Andreas
 
Ich habe mir heute die Wiederholung auf ZDF Info angeschaut. Bin da jetzt gleich von vornherein mit Vorbehalte rangegangen.
Ich fand, es gab tatsächlich einige Sequenzen, die durch das Nachfärben durchaus an Attraktivität gewonnen haben. Das trifft vor allem beim Zeigen von Technik zu. Mir haben es die Aufnahmen der Gotha-Bomber und die Fabrikaufnahmen angetan. Als Modellbauer ist man ohnehin immer am Rätseln welche Farbe wohl welcher Grauabstufung entsprechen mag.
Dieses Kolorieren ist wohl sehr subjektiv einzuschätzen. Es kommt immer darauf an, was man erwartet. An Menschen finde ich es eher unpassend, für Maschinen ist es durchaus interessant.
 
Ich weiß auch noch nicht so recht, was ich davon halten soll.

Als Historiker ist es mir ein Graus, wenn Quellen verfälscht wiedergegeben werden. Das gilt im Übrigen nicht nur für die Nachkolorierung, sondern auch für die "Nachvertonung", die ja auch als eines der umstrittenen Markenzeichen Knopps gilt (für die "Weltenbrand"-Reihe zeichnet übrigens Klaus Doldinger verantwortlich).

Als Didaktiker weiß ich aber auch den Vorteil einer solchen "Inszenierung" von Quellen zu schätzen, können doch auf diese Weise mögliche Rezipienten leichter erreicht werden.

Nur: Handelt es sich hierbei nicht allzu oft und allzu schnell um billige Effektheischerei, bei der hinter dem eigentlich vermittelbaren Erkenntnisgewinn zurückgeblieben wird?

Anders gewendet: Wie viel Unwissenschaftlichkeit darf in Kauf genommen werden, um Wissenschaft an den Zuschauer zu bringen?
 
Also ich bin für meinen Teil schwer begeistert. Ich empfinde es auch als viel lebendiger und kann diesen Trend nur begrüßen!
Leider habe ich diese Doku bisher nicht zum bestellen gefunden :-(.
 
Ich finde die Kolorierung nicht schlecht. Sie vermag darzustellen, dass die Vergangenheit nicht nur grau sondern ebenso farbig wie heute war. Das schwarz/weiß(auch wenn es eine eigene Ästhetik hat) stellt immer eine gewisse Distanz zu unserer Zeit her, die durch die Farbigkeit aufgehoben wird. Vorherige Epochen erscheinen uns ,durch Gemälde ja auch bunt, weshalb sollten wir uns dann ausgerechnet den Beginn des 20. Jh. als farblose Zeit vorstellen.
Die S/W-Originale werden ja dabei nicht vernichtet.
 
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