Und trotzdem sagt
@Shinigami hier unwidersprochen, die meisten Deutschen wüssten nicht, was Luther da über die Juden geschrieben.
Lieber Dion.
Zunächstmal ist es eine Unsitte, auf Einlassungen von Personen trotz Aufforderungen nicht zu reagieren und sich einem Gespräch auf diese Weise zu entziehen, sich dann aber bei anderen darüber zu beschweren, dass die diese Einlassungen so wie sie gemacht wurden nicht in der Weise angreifen, wie du das gerne hättest.
Wenn du eine Auseinandersetzung mit meinen Einlassungen wünschst, dann führe sie, wenn du sie ignorieren möchtest, weil du der Meinung bist, sie wären keiner Erwiederung wert, auch in Ordnung, aber sich dem Gespräch entziehen und dann über Aufforderungen an andere Stimmung machen um dir unliebsame Positionen in Misskredit zu bringen, über die du dich mit dem Postulanten nicht auseinandersetzen möchtest, ist nun wirklich ganz schlechter Stil.
Das sollten wir uns hier nicht zur Gwohnheit werden lassen.
Ich denke auch dass es bei den übrigen Diskutanten nicht gut ankommt, wenn du ihnen zumutest im Namen deiner Positionen deine Aufgabe diese zu vertreten zu übernehmen.
Kommen wir zum Inhaltlichen:
Die Nazis haben sich aber auf Luther bezogen: Allein „Der Stürmer“ hat seit 1924 immer wieder antijüdische Zitate aus Luthers Schriften gebracht.
1. Hat
@El Quijote bereits darauf hingewiesen, dass zu belegen wäre, inwiefern diese Zitate überhaupt als Zitate mit Ursprung Luther kenntlich gemacht wurden.
2. Wie dir ja bekannt ist, dürfte Luthers Traktat "von den Juden und ihren Lügen", alleine schon auf Grund seiner Länge, schwerlich in einen Stürmer-Artikel gepasst haben, was bedeutet, selbst wenn auf Luther Bezug genommen worden wäre, konnte über dieses Medium Luthers vollständige Ansicht überhaupt nicht vermittelt werden, sondern es konnten allenfalls aus dem Zusammenhang gerissene Versatzstücke vermittelt werden, die kaum geeignet gewesen sein dürften Luthers vollständige Ansichten zu vermitteln.
3. Mag die Weimarer Justiz zwar den Rechtsextremisten vieles durchgehen lassen haben, was aber nicht bedeutet, dass die sich alles erlauben konnten.
Ein Abdruck und öffentliches Ausstellen der Stellen bei Luther, die zu dezidierten Gewalttaten auflieriefen, werden die Nazis mindestens in der Weimarer Zeit schon deswegen unterlassen haben, um nicht mit der Justiz in Konflikt zu geraten, denn die hätte bei orchestriertem flächendeckenden Aufruf zu Mord und Brandstiftung oder öffentlichem Gutheißen von solchem nicht untätig bleiben können, selbst wenn sie noch so sehr darum bemüht war den Rechtsextremen extrem weite Spielräume zu belassen.
4. Die Auflage des "Stürmers" mag in den 1930er Jahren auf nahezu eine halbe Million gestiegen sein, nur sollte man nicht übersehen, dass dieses Blatt, sofern von Privatpersonen aboniert ohnehin nur von eingefleischten Nazis bezogen wurde, die vom Antisemitismus nicht mehr überzeugt werden mussten, sondern längst Antisemiten waren, auch ohne Luther-Zitate.
Im Übrigen in dem von dir zitierten Wiki-Artikel zum "Stürmer" steht auch, was du hier ausgelassen hast, nämlich, dass die genaue Auflagenstärke des Stürmers sich nicht ermitteln lässt, dass Blatt aber von verschiedenen sachverständigen Historikern zwischen 1927 und 1933 auf eine Auflagenstärke von zwischen 20.000 und 25.000 Exemplaren geschätzt wurde, das ganze also eine eher verschwindend geringe Reichweite gehabt haben dürfte, im Besonderen wenn man bedenkt, dass ein Großteil davon ohnehin an Personen ging, die längst Nazis und Antisemiten waren oder von NS-Parteistellen geordert wurden.
5. Stürmer-Kästen mögen dann im Laufe der 1930er Jahre bis 1945 eine öffter anzutreffende Erscheinung gewesen sein, angesichts der geringen Auflage bis 1933 dürfte es sich vor der Machtübernahme Hitlers eher um eine Seltenheit gehandelt haben.
6. Das Aufstellen von Stürmer-Kästen an
"stark frequentierten Orten" betraf vor allem die Großstädte. In denen schnitten die Nationalsozialisten allerdings bis 1933 deutlich unterdurchschnittlich ab, was jetzt nicht unbedingt dafür spricht, dass irgendwelche Lutherzitate, die angesichts des Formats und der Rechtslage ohnehin nur aus dem Zusammenhang gerissene Versatzstücke darstellen konnten und auf die schlimmsten Stellen von Luthers Einlassungen wahrscheinlich aus rechtlichen Gründen verzichten mussten, den Nazis die Menschen in Scharen in die Arme trieben.
7. Entsprechend des Umstand, dass sich diese Form der Propaganda vor allem an die städtischen Millieus richtete (anderes war bei einer so geringen Auflagenstärke nicht flächendeckend möglich), wird man davon ausgehen dürfen, dass der Großteil der NS-Wähler, die im ländlichen Osten und Norden saßen, wo es auf den Dörfern kaum "Stürmer-Kästen" gegeben haben dürfte, das eher nicht mitbekommen haben wird.
8. Selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, bedeutet das noch lange nicht, dass das großartig ernst genommen worden wäre, der Stürmer war bekannt dafür ein vulgäres Hetzblatt der NS-Bwegung zu sein, dass es mit den Tatsachen nicht immer unbedingt besonders genau nahm.
Das ausgerechnet dieses Medium mit aus dem Zusammenhang gerissenen Versatzstücken dazu geeigneet gewesen wäre die Bevölkerung auf die Ansichten der Nazis einzuschwören darf bezweifelt werden. Der Stürmer war in erster Linie ein Blatt, dass an die niederen Instinkte derer apellierte die ohnehin bereit waren die nationalsozialistische Ideologie als Wahrheit zu betrachten und sich nicht für eine Auseinandersetzung mit dem Thema interessierten sondern nur für die Bestätigung ihrer Weltanschauung.
Fazit:
Der Umstand, dass Versatzstücke von Luthers Einlassungen im Stürmer abgeedruckt wurden allein beweist nicht, dass das große Resonanz gehabt hätte (die geringe Auflage bis 1933 legt das Gegenteil nahe), beleegt nicht, dass diese Zitate überhaupt als solche erkennbar waren und belegt auch nicht, dass diese vor 1933 den Großteil der NS-Wählerschaft im ländlichen Norden und Osten überhaupt erreicht hätte.
Nach 1933 mag das intensiviert worden sein und größere Reichweite entwickelt haben, nur in diesem Fall hätte es nicht dazu beigetragen Hitler den Weg zu bereiten, allenfalls würde man dann noch argumentieren können, dass es möglicherweise die Akzeptanz des nationalsozialistischen Antisemitismus in der Bevölkerung nach erfolgter Machtübernahme erhöht habe.
Auch dies müsste allerdings unbewiesene und unbeweisbare Mutmaßung bleiben, denn durch die Gleichschaltung der Presse, die sukzessive stärker werdende Repression abweichender Meinungen und die politische Monopolisierung des öffentlichen Raums durch die NSDAP und ihre Nebenorganisationen, haben wir für die Zeit zwischen 1933/1934 und 1945 keine verlässlichen Meinungsbilder er Bevölkerung, sondern nur die Veröffentlichte Meinung der Nazis selbst und Stimmungsbilder, die Exilorganisationen wie die SoPaDe zu erstellen versuchten, die aber auf Grund der eingeschränkten Möglichkeiten offen zu agieren oft nur regional, zeitlich beegrenzt oder millieugebunden wirklich aussagekräftig sind.
Mit anderen Worten:
Einzig auf Grund, des Umstands, dass der
"Stürmer" mal Versatzstücke abgedruckt haben mag gibt es wenig Anlass meiner Kernbehauptung, dass die betreffende Schrift Luthers (zumal als Gesamtzusammenhang) einem Großteil der protestantischen Bevölkerung wahrscheinlich überhaupt nicht bekannt war, zu widersprechen.
Für den Wüterich-Smiley gibt es also keinen Grund.