Krieg der Markomannen gegen die Cherusker 17n. Chr

Dieses Thema im Forum "Völkerwanderung und Germanen" wurde erstellt von Carsten, 15. April 2014.

  1. Carsten

    Carsten Neues Mitglied

    Hallo zusammen,
    mich interessiert welche Erkenntnisse es über den Krieg der Cherusker unter Arminius mit den Markomannen unter Marbod nach der Varusschlacht gibt. Erwähnt wird häufiger eine unentschiedene Schlacht zwischen beiden. Wie ist die überliefert und gibt es Versuche die Schlacht zu lokalisieren?
     
  2. Riothamus

    Riothamus Aktives Mitglied

    Tacitus berichtet über die Schlacht in den Annalen, Buch II, Kapitel 44-46. Zur Lokalisierung fehlen Hinweise.
    Eine Englische Übersetzung gibt es hier. (Über die Pfeile oben, oder die noch weiter oben befindlichen Leisten kommt man zu den weiteren Kapiteln.)
     
  3. El Quijote

    El Quijote Moderator Mitarbeiter

    Versuche diese Schlacht zu lokalisieren sind mir nicht bekannt. Jedoch findet sich im 3. Band zur Ausstellung in Haltern-Kalkriese-Detmold zum 2000jährigen Jubiläum der Varusschlacht ein interessanter Beitrag über den Weg des Kopfes des Varus vom Varusschlachtfeld über Böhmen nach Rom. Der zweite Teil des Zitates ist dabei besonders interessant.

    Des Weiteren ist über die Schlacht noch zu sagen, dass nach Tacitus beide germanische Heere zum Zeitpunkt der Schlacht in Disziplin und Ordnung sich an den römischen Legionen orientierten: deriguntur acies, pari utrimque spe, nec, ut olim apud Germanos, vagis incursibus aut disiectas per catervas: quippe longa adversum nos militia insueverant sequi signa, subsidiis firmari, dicta imperatorum accipere.
     
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  4. Carsten

    Carsten Neues Mitglied

    Danke für den interessanten Beitrag!
    Hätte mir das finden der Armeen jetzt nicht so schwierig vorgestellt. Die Mittelgebirge wiesen vielleicht keine Infrastruktur auf, aber sicherlich zahlreiche Siedlungen zwischen denen Kontakte bestanden haben. Armeen dieser Größe hinterlassen ja Spuren so dass sie sich kurz über lange durch Informanten hätten finden müssen. Zudem gab es ja Zahlreiche Überläufer vom einem ins andere Lager.
    Interessant wäre noch zu wissen wie die Römer eigentlich von der Schlacht erfahren haben. Wahrscheinlich ist ja, das sie es eher über die Seite Marbods erfahren haben, der ja um Hilfe ersucht hat. Denn die Schilderung des Tacitus ist ja schon seltsam. Wer sich die Mühe macht solche Armeen zusammenzuziehen belässt es ja nicht bei einem kurzen Zusammenprall, nach dem beide nach Hause gehen. Arminius hatte ja im Jahr vorher gegen die Römer auch Hartnäckigkeit bewiesen und zweimal eine Schlacht geschlagen.
    Also entweder ist der Bericht stark gefälscht und Arminius hat doch klarer gewonnen, konnte aber aus anderen Gründen, bspw. internen Streitigkeiten, abfallenden Verbündeten seine Pläne nicht fortführen oder die Schlacht war viel kleiner oder evtl. ganz erfunden. Zumindestens hat Marbod im Nachklang seine Vorherrschaft verloren was auf eine Niederlage hindeutet.
     
  5. El Quijote

    El Quijote Moderator Mitarbeiter

    Genau das sagt ja der Text von Salač/Carnap-Bornheim:
    Sowohl Arminus als auch Marbod musten also ihre Heere außerhalb ihrer Gebiete führen und dies mit dem Ziel den Feind zu besiegen. Diese Entscheidung setzt aber voraus, dass beide Heere sich finden mussten! Die Ausgangspunkte beider Armeen trennten einige hundert Kilometer schwierigen Terrains und trotzdem verwirklichten beide Heerführer ihre Absicht. Dies ist wohl der beste Beleg für effektive Kommunikation sowohl im Sinne der Wege als auch der Verbindungen und Kontakte zwischen Akteuren gleich welcher Art.
    Verbindungen zwischen den Cheruskern und Rom gab es auch weiterhin, so ist eines der seltenen Lobe Tacitus' für den ihm sonst verhassten Tiberius das, dass er ein an ihn von cheruskischer Seite herangetragenes Ansinnen, Arminius vergiften zu lassen, ablehnte. Drei Jahrzehnte später setzten die Römer gar Arminius Neffen zum rex über die Cherusker ein.
     
  6. Carsten

    Carsten Neues Mitglied

    Die ganzen Rahmenbedingungen des Jahres 17 n.Chr. sind schon seltsam.
    Während Germanius angeblich Arminus 16 n. Chr zweimal geschlagen haben soll, ist dieser in der Lage eine große Schlacht gegen Marbod zu führen, an die sich die Römer auch nur mit großen Kräften herangewagt haben und schlussendlich nie umgesetzt haben. Zudem wird Germanius, obwohl ja angeblich siegreich von der Front abgezogen und in Rom mit einem Triumph geehrt.
    Daraufhin schlagen sich beide von Rom gefürchtete Heerführer gegenseitig, die Schlacht wird in der Überlieferung runter gespielt und am Ende verliert Marbod sofort seine Macht und sein leben und Arminius tritt zumindest nicht mehr gegen die Römer in Erscheinung und verliert an Einfluss. Die Römer verweigern anschließend jedes Eingreifen, sowohl den Mord an Arminius als auch die gemeinsame Sache mit Marbod. Der lachende Dritte: Tiberius.
    Das Germanen Problem gelöst, wenn auch nicht durch Eroberung, seinen "Kontrahänten" Germanicus seiner Machtbasis der Armee in Germanien und weiterer Erfolge entledigt.
    Wenn man dann noch den Verdacht der Vergiftung Germanicus im Auftrag von Tiberius hinzunimmt, hat man ein Intrigenstück zusammen, das Shakespear würdig ist.
     
  7. Ostfale

    Ostfale Aktives Mitglied

    Hallo zusammen,

    zunächst eine kleine Korrektur: Laut Tacitus war es der Chattenfürst Adgandestrius, der den Tod des Arminius versprach, so ihm denn etwas Gift dafür gesendet werde. Dieses lehnte Tiberius aber ab...
    Dann zum Finden der beiden Germanenheere: Marbod führte zu Beginn der Schlacht noch den kompletten Suebenbund, also neben Markomannen u.a. auch Hermunduren, Semnonen und Langobarden. Letztere siedelten, grob beschrieben, nördlich der Markomannen, also im heutigen Thüringen, beidseits der Saale und weiter Elbabwärts Richtung Norden. Zumindest die Langobarden siedelten also in der "Nähe" der Cherusker. Da wird es für Marbod nun nicht weiter schwer gewesen sein, seine Markomannen auf bekannten Pfaden (alte Handelswege - Bernstein) nach Norden in das Gebiet seiner Verbündeten über das heutige Erzgebirge (?) zu führen oder führen zu lassen.
    Andererseits kannte auch Arminius die Wege zu den Markomannen, ließ er doch den Varuskopf dorthin bringen, nicht zuletzt auch durch seine Verbindungsleute zu den Suebenstämmen. Letztere liefen dann ja auch während der Schlacht zu ihm über (was sein Onkel seinerseits wieder ausglich - er wechselte zumindest mit seiner Gefolgschaft zu Marbod).
    Von daher ist das "Finden" der Heere wahrlich kein erstaunliches Meisterstück, eher normale "Scoutarbeit". Möglicherweise wurde sogar ein Schlachtfeld vorher vereinbart. Aber das ist wildeste Spekulation von mir!

    Grüße
    Ostfale
     
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  8. Ostfale

    Ostfale Aktives Mitglied

    Nachtrag:
    Soweit mir bekannt ist, nahm Walter Pflug (Media in Germania) an, die Schlacht habe in der Leipziger Gegend stattgefunden.
     
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  9. El Quijote

    El Quijote Moderator Mitarbeiter

    Stimmt. Ich hab das durcheinander gebracht. Als Entschuldigung mag gelten, dass beides in Tac. ann. II, 88 steht, das Angebot des Adgandestrius wie die Ermordung durch die Verwandten.
     
  10. beorna

    beorna Neues Mitglied

    ...würde man Menschen aus der Gegenwart in diese ferne Zeit befördern, würden sie sich evtl. niemals finden. Ich denke aber die Menschen damals waren es gewohnt und die Anzahl der Marschstraßen auch begrenzt, der Buschfunk wird auch gut funktioniert haben.
     
  11. Ravenik

    Ravenik Aktives Mitglied

    Wo sollte denn da die große Schwierigkeit gewesen sein? Wenn eine Gesandtschaft Marbods bei irgendeinem römischen Stützpunkt auftaucht, einen halbverwesten Kopf vorweist und in - wenn auch noch so schlechtem - Latein behauptet, das sei der Kopf des Varus, würde man ihr kaum mitgeteilt haben, dass das niemanden interessiert. Man wird sie oder zumindest den Kopf dann schon schnellstmöglich an die zuständigen Stellen weitergeleitet haben.

    Das kann aber nur reine Spekulation sein. Dem Bericht bei Tacitus lässt sich überhaupt nichts zur Lokalität entnehmen, und ich vermute mal, dass die Römer oder zumindest Tacitus selbst gar nicht so genau gewusst haben werden, wo die Schlacht eigentlich stattfand.

    Zum einen löste sich Marbods Heer nach der Schlacht weitgehend auf und er zog sich mit dem Rest zurück, also gegen wen hätte Arminius eine erneute Schlacht liefern sollen?
    Zum anderen könnte ich mir vorstellen, dass Arminius gar nicht in der Lage gewesen sein dürfte, sein Heer längerfristig zusammenzuhalten. Da es relativ groß gewesen sein muss, um gegen Marbods - wenngleich bereits geschrumpfte - Stammesföderation anzukommen, dürfte seine Versorgung (ohne die ausgefeilte Logistik der Römer) über längere Zeit hinweg durchaus problematisch gewesen sein.
    Sein Ziel hatte Arminius vermutlich ohnehin erreicht: Marbod galt als Verlierer und war geschwächt, sein Heer und sein Reich lösten sich auf. Marbod war zumindest massiv angeschlagen. Wofür hätte Arminius also noch weiterkämpfen sollen? Eine echte Unterwerfung der ehemals Marbod unterstehenden Stämme war unrealistisch. Die Langobarden und Semnonen waren bestimmt nicht übergelaufen, weil sie einen neuen König wollten, sondern weil sie frei sein wollten.

    Welches Motiv sollten die Römer haben, die Schlacht zu erfinden?

    Dass die Römer trotz ihres zweimaligen Sieges ihre Pläne in Germanien aufgaben, zeigt doch, dass Arminius offenkundig nicht entscheidend geschlagen war. Nach dem Abzug der Römer hatte Arminius seine Kräfte frei, um mit Marbod abzurechnen.
    Marbod andererseits hatte seinen Zenit anscheinend schon überschritten; in seiner Stammesföderation rumorte es wegen seiner Herrschaft und gab es Unabhängigkeitsbestrebungen, wie der Abfall der Semnonen und Langobarden zeigt. Arminius konnte wohl hoffen, dass sein Feldzug derartige Erscheinungen noch verstärken würde.

    Inwiefern wird sie denn heruntergespielt?

    Weder noch. Gestürzt wurde er erst später, als der heimkehrende Exilant Catualda dem Marbod dessen verbliebene Häuptlinge abwendig machte und er von den Aufrührern vertrieben wurde. Sein Leben verlor er überhaupt nicht, sondern lebte noch lange Jahre im römischen Exil.

    Wie soll er denn gegen die Römer in Erscheinung treten, nachdem Germanicus abgezogen worden war?
    Dass er an Einfluss verlor, ist nicht überraschend: Solange es noch gegen die Römer zu kämpfen galt, war er als Anführer geschätzt. Es ist aber eine Sache, sich einem Anführer im Kampf gegen einen gemeinsamen Feind unterzuordnen, und eine andere, sich ihm auch im Frieden unterordnen zu wollen. Einfach gesagt: Nach dem Abzug der Römer wurde Arminius nicht mehr gebraucht. Jedes Völkchen und jeder Stammeschef konnte wieder getrost sein eigenes Süppchen kochen.

    So etwas nennt man Staatskunst ...
     
  12. Carsten

    Carsten Neues Mitglied

    Ja die Frage die sich mir stellt ist inwiefern es gewollte Staatskunst von Tiberius war oder doch nur eher glückliche Fügung.
    Das ist im Nachhinein wohl nicht mehr beweisbar und war es selbst zu Lebzeit von Tiberius nicht.
    Vieles hängt davon ab, wie Arminius Ziele eigentlich waren. War es tatsächlich nur sein Ziel, "sein Volk" gegen die Römer zu verteidigen? Oder hatte er eine größere eher aktive Zielvorstellung ein eigenes "Imperium" zu gründen. Bei letzterem hätte er entweder weiter gegen das zerfallende Reich Marbods vorgehen müssen oder aber gegen die Römer an den grenzen um auch weiterhin Erfolge vorweisen zu können.
    Eine Überschreitung seiner Möglichkeiten ist sicherlich denkbar, was den "Feldzug" gegen Marbod angeht. Auf der anderen Seite hatte er ja durchaus Kontakte zu einheimischen, wurde nicht als "völlig Fremder " empfunden. Auf der anderen Seite hat er bewiesen das er längere Feldzüge mit der Logistik gegen die Römer bei den Voraussetzungen Germaniens bewerkstelligen konnte.
    Soweit ich weiß werden die Schlachten aus dem Jahr 16 n. Chr. zum Teil angezweifelt und könnten reine Propaganda für Germanicus gewesen sein.
    Ich gehe eher davon aus, das es eine Erfindung von Seiten Marbods gewesen sein könnte. Marbod hat versucht mit den Römern zu kooperieren, wohlwissend das er nicht sicher sein konnte das nächste Opfer einen Feldzugs der Römer zu werden. Evtl. war die Drohung, das Arminius ein großes Heer hat, mit dem er ganz Germanien erobern will und dass er nur knapp aufhalten konnte ein Versuch die Römer zum Eingreifen zu bewegen, der aber misslungen ist. Insofern könnte die überlieferte Anfrage um Hilfe der Römer der Grund gewesen sein die Schlacht zu übertreiben oder zu erfinden.
     
  13. Harold 2

    Harold 2 Neues Mitglied


    Ob sie überhaupt stattfanden oder ob es römische Siege waren ??
     
  14. Ravenik

    Ravenik Aktives Mitglied

    Delbrück geht in seiner "Geschichte der Kriegskunst" davon aus, dass beide Schlachten entweder überhaupt nicht stattgefunden haben oder maximal kleine Gefechte waren.
     

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