Ich zweifle daran, dass dieser Roman überhaupt adäquat verfilmt werden kann.
Eine qualitativ hochwertige Verfilmung, die sich von der Literaturvorlage entfernt, entfernen muss und ihre eigene Sprache spricht, wird sich wahrscheinlich die Kritik gefallen lassen müssen, respektlos gegenüber dem Original zu sein bzw. es bis zur Unkenntlichkeit zu verändern.
Was diese Verfilmung angeht, sehe ich die Tendenz, Tolstoi ein bisschen adaptieren zu wollen, was allerdings auch recht kläglich anmutet, anmuten muss. Schöne Bilder und stimmungsvolle Landschaften, die durchfahren, durchritten und durchschritten werden, erinnern mit Wehmut daran, dass Tolstois Bildkraft eben viel mehr als nur schön ist.
Und all das, was Tolstoi indirekt erzählt, gerät zu Plattitüden, wenn es den Figuren als simple Botschaften in den Mund gelegt wird.
Ein Beispiel ist die berühmte Textstelle (all diejenigen, die „Krieg und Frieden“ gelesen haben, werden sie kennen), in der Fürst Andrej, als er seine Güter besuchen will, an einer alten Eiche anhält und sie betrachtet. (Im Film sagte er so ein paar simpel gestrickte Sätzchen wie „ich bin wie die Eiche da“ und krümelt ein bisschen an der Rinde herum). Bei Tolstoi spiegelt sich alles, was Andrej zu diesem Zeitpunkt ist und empfindet, in der Art und Weise, wie er die Eiche ansieht. Am selben Abend begegnet er Natascha wieder, verliebt sich in sie, und als er am nächsten Morgen wieder an der Eiche vorbei kommt , sieht er sie mit anderen Augen. Im Film hält er kurz beim Wegreiten inne und schaut mal zum Baum hinüber.
Darin zeigt sich eigentlich die ganze Problematik, und ich kann auch verstehen, wenn manche Leute sagen, so eine Verballhornung sehe ich mir nicht an. Diese Szene ist fast bis zur Unkenntlichkeit zusammengekürzt und entstellt worden, und etliche Zuschauer, die das Buch nicht kennen, werden sie kaum zur Kenntnis genommen haben. Ich allerdings hätte es den Filmemachern sehr, sehr übel genommen, wenn sie nicht wenigstens andeutungsweise übernommen worden wäre!
Etwas Positives habe ich allerdings zu berichten. Mein Kind, das nur abgewinkt hat, als ich erzählte, was ich gestern Abend zu sehen beabsichtigte, ist dann zu vorgerückter Stunde doch noch herein gekommen, sah einen Moment zu, blieb sitzen. Schaute hin, fragte nach, blieb bis zum Schluss. Ich denke ja nicht, dass nun eine Tolstoi-Leserin aus ihr wird, aber ein bisschen hoffe ich schon, dass sie den Titel und ein paar Eindrücke im Gedächtnis behält. Es sind ja oft solche frühen und eher flüchtigen Eindrücke, die einen dazu bewegen, doch eines Tages – und sei es nach Jahrzehnten - zum Buch zu greifen.