Die Regierung hatte es gut mit ihm, für sie gab es demzufolge keinen Grund, ihn für unmündig zu erklären oder gar zu ermorden. Aber es gab ja seinen Onkel Luitpold, dem das bloße danebenstehen bei Thronreden nicht genug war. Nach der Entmündigung Ludwigs wurde er noch am gleichen Tag für ihn Prinzregent, nach dem Tod Ludwigs für den ebenfalls entmündigten Ludwigs Brüder Otto. Als Prinzregent hätte er gar nicht so viel Macht gehabt, aber er ließ die Verfassung bald in seinem Sinn uminterpretieren und agierte fortan wie ein König.
Ist es eigentlich so schwer zu verstehen, dass in einem halbkonstitutionellen System, wie es die deutschen Monarchien im 19. Jahrhundert waren, der Monarch nicht nur eine Person war, die irgendwie neben dem System noch existierte, sondern dass der Monarch
DIE zentrale Institution des Systems war, ohne die es nicht funktionierte?
Das Luitpold am gleichen Tag übernahm ist folgerichtig und hat nichts mit seinem persönlichen Verhältnis zum König oder seinem Charakter zu tun.
Es oblag verfassungsmäßig dem König Regierungen einzusetzen und zu entlassen, Gesetze zu billigen und in Kraft zu setzen, den Oberbefehl über die Armee zu führen etc.
Diese Funktionen müssen zwingend ausgefüllt werden. Eine längere Vakanz wäre für gesamten Staat und seine Bevölkerung extrem nachteilig bis
gefährlich gewesen.
Deswegen stellte sich in diesem Zusammenhang die Frage einer "Anstandsfrist", wenn man dass so nennen möchte, zwischen dem Abgang dem Ausschluss des Monarchen von den Regierungsgeschäften und einer Interimsregelung nicht
.
Der Gedanke wäre im damaligen System so absurd gewesen, als wenn heute ein Flugzeug mit der halben Bundesregierung an Bord irgendwo abstürzen und jemand fordern würde, dass aber in den nächsten Monaten keine Nachfolger ernannt werden dürfen und jeder der sich dazu ernennen ließe als potentiell Tatverdächtiger geächtet werden sollte.
Das die Verfassung um einem Umstand, der eigentlich nicht vorgesehen war, Rechnung zu tragen interpretiert werden musste, ist auch nicht ungewöhnlich.
Wenn man den König formal in seinen Würden belassen wollte und deswegen keinen neuen Ernennen wollte, dieser König aber nicht regierungsfähig war, musste die Rolle anders ausgführt werden.
Man hätte anstatt eines Regenten oder einen Reichsverwesers mit einer Machtfülle, die mehr oder weniger der eines Königs entsprach natürlich auch die Königlichen Kompetenzen auf andere Ämter verteilen können, aber dann hätte man die Verfassung komplett ändern und die Monarchie dauerhaft schwächen müssen.
Woran weder das Haus Wittelsbach, noch die vom König ernannte und auf königliche Protektion agewiesene Regierung besonderes Interesse haben konnte.
In Bayer war einmal die schwierige Situation gegeben, dass nicht nur der König selbst anscheinend nicht mehr fähig war die Regenschaft zu führen, sondern (und dieser fall dürfte so in der Verfassung nicht vorgesehen sein), durch Ludwigs Homosexualität und das Fehlen von Kindern und den noch schlimmeren Gesundheitszustand Ottos, fehlte es auch irgendwo an einem legitimen, präsentablen Nachfolger.
Hätte Ludwig regierungsfähige Kinder gehabt oder wäre Otto regierungsfähig gewesen, wäre der naheliegende Weg gewesen Ludwig zur Abdankung zu Gunsten eines seiner Kinder oder seines Bruders zu bewegen oder diesen und nicht Luitpold die Regentschaft anzutragen.
In diesem Fall hätten sich wohl weniger Probleme ergeben.
Wie immer bei solchen Veränderungen muss man fragen: Qui bono?
Ja, aber im angemessenen Rahmen und unter Berücksichtigung aller Umstände.
Daraus, dass X etwas erbt, ist nicht automatsich zu folgern, dass er die verstorbene Tante auf dem Gewissen hat.
Und der einzige Nutznießer von alldem war: Prinz Luitpold.
Alos ich sehe da eine Menge potentieller Nutznießer.
Dazu gehört im Prinzip jeder Wittelsbacher, weil die alle Grund zur Angst hatten, dass Ludwig dabei war ihren Status als königliche Familie und die Familienfinanzen zu verjubeln.
Bevor man allerdings mal wieder sinistre Machenschaften zu wittern versucht, sollte man vielleicht aber zunächst bei der Frage, ob es objektive Gründe für die Absetzung Ludwigs, die nichts mit persönlichen Ambitionen zu tun hatten gab, ergebnisoffen bleiben.
Zu der Frage, ob es statthaft sei, Gutachter und behandelnden Arzt in einer Person zu sein, sage ich: Nein. Gutachter hat zwingend unabhängig zu sein. Gudden behandelte zuvor, also vor dem Gutachten, jahrelang Ludwigs Brüder Otto und hatte anschließend auch bei Ludwig Schizophrenie diagnostiziert, was jedoch nur bei Otto gesichert ist, nicht aber bei Ludwig, weil die Diagnose allein auf Hörensagen über Ludwig basierte.
Merkst du eigentlich nicht, wie du dir selbst widersprichst?
Einerseits sagt du, der Gutachter dürfte nicht auch der behandelnde Arzt sein, weil dann die Objektivität fehlte, andererseits bemängelst du aber dass das Gutachten auf Höhrensagen basiert habe.
Wie, wenn der Gutachter nicht selbst der behandelnde Arzt sein darf, hätte dieser aber überhaupt zu einem differenzierten, dass entsprechenden Zugang benötigt hätte, kommen können?
Ich stelle fest, dass es nach deinen Kriterien unmöglich sein müsste ein belastbares Gutachten zu erstellen. Weil du jeden, nicht in die Behandlung involvierten Gutachter ablehnst, da dieser sich maximal auf Aussagen aus zweiter oder dritter Hand stützen könnte, gleichzeitig aber auch ablehnst, dass ein behandelnder Arzt, der den direkten Zugang und Erkenntnisse aus erster Hand hat, begutachten darf, mit der Begründung, dass dieser persönlich involviert und damit befangen sein könnte.
Es wird auch bemängelt, dass im Gutachten nur die negativen Aussagen über Ludwig niedergeschrieben wurden, nicht aber die positiven, die es auch gab, schließlich bewältigte Ludwig sein Leben ganz „normal“: Er war ein Exzentriker, keine Frage, was in den Augen seiner Umgebung, vor allem aber der Dienerschaft, möglichweise als verrückt interpretiert worden war.
Naja, es ist durchaus richtig, dass vor allem von unberufener Seite in harmlose Spleens regelmäßig zu viel hineininterpretiert und küchenpsychologisch regelmäßig sehr voreilig irgendwelche psychischen Störungen herbeifabuliert werden.
Wenn ich daran denke, wie viel Literatur es gibt, die etwa im Kostüm-Spleen von KWII und seinem teilweise etwas infantilem Benehmen, sichere Anzeichen scherwester geistiger Beeinträchtigung sehen wollten, dann ist das was, worüber ich nur den Kopf schütteln kann.
Aber deine Argumentation hier, fällt mir etwas schwer nachzuvollziehen.
Ludwig II. war König der hatte abseits seiner Funktion als Regent (die er anscheinend nicht beriedigend ausfüllte) kaum einen Alltag zu bewältigen, dafür gab es schließich Bedienstete.
Was bei Ludwig II. geifbar erscheint, sind Rauschmittelkonsum, eventuell sogar Abhängigkeit und Selbstmordphantasien, so wie den zunehmenden Hang zur Abschottung und Rückzug aus dem Sozialleben.
Das sind Dinge, bei denen die harmlosen Spleens aufhören und bei denen bei Psychologen, auch heute noch die Alarmglocken gehen.
Wenn man angesichts des bisher Gesagten diesen letzten Spaziergang betrachtet, dann erscheint das Wegschicken des Pflegers nur als letzter Akt eines Komplotts: Man wollte keine Zeugen.
Allerdings nur dann, wenn man sich von vorn herein auf das Modell Verschwörung festgelegt hat, was ja dein Hobby ist, aber das ist nunmal nicht unbedingt sinnvoll.
Für einen tatsächlichen Mord an Ludwig II. fehlt nach wie vor das Motiv um das glaubhaft erscheinen zu lassen.
Natürlich kann man sich fragen, warum sollte man einen entmündigten König noch umbringen
Sollte man vielleicht tun, bevor man mit Verdächtigungen um sich wirft, zumal angesichts des Umstands, dass nicht mal einwandfrei geklärt ist, dass das Mord war und kein Unfall.
Und, nicht ganz unwichtig, seine Cousine und österreichische Kaiserin Elisabeth weilte just zu dieser Zeit am Starnberger See im Hotel Strauch. Vielleicht fürchtete man, Ludwig würde Kontakt zu ihr aufnehmen, damit sie ihm helfe …
1. Wie genau hätte sie ihm helfen sollen? Ist ja nicht so, dass die Vorgänge in Bayern sich irgendwie geheim abgespielt hätten und man davon in Wien und Berlin nichts wusste. Kaiser Franz-Jospeh tat einen Teufel, sich deswegen in die deutschen Angelegenheiten einzumischen.
Auch Berlin tat nichts um Ludwig II. aus seiner misslichen Lage heraus zu holen, obwohl man ihm wegen seiner Kooperationsbereitschaft im Krieg, bei der Reichsgründung und dabei die rechsfeindlichen Strömungen in der bayerischen Politik von der Macht fern zu halten und seiner Korruption sicherlich aufrichtig dankbar war.
Was genau hätte also Elisabeth da tun sollen?
2. Es gab an Ludwigs Hof sicherlich genügend Vertraute, die kein Interesse daran hatten, wenn Ludwig II. aus dem Spiel war weil seine Nachfolger sie nicht im gleichen Maße schätzten.
Wenn Ludwig mit seiner Verwandtschaft Kontakt hätte aufnehmen wollen, um Hilfe zu erhalten, hätte er mutmaßilg genügend Zwischenträger gefunden, zumal er ja durchaus nicht den ganzen Tag eingesperrt war.
Es wäre sicherlich möglich gewesen eine gewöhnliche Route für Spaziergänge zu etablieren und eventuellen Vertrauten, wenn man die als Besucher nicht ohnehin vorließ, entsprechende Nachrichten zuzustecken.
Die Vorstellung, das er das selbst vor gehabt hätte zu Elisabeth zu rennen, mit der Vorstellung, die könnte irgendwie helfen (wie?), die halte ich für ziemlich abenteuerlich um ehrlich zu sein.