Der französische Schriftsteller und Moralist Jean-Jacques Rousseau prangerte gern die Dekadenz und den Sittenverfall des Adels an, der in Saus und Braus lebte, während das Volk darbte – eine jener Ungerechtigkeiten, die schließlich die Französische Revolution hervorriefen. In seinen Bekenntnissen schrieb er, dass »eine große Prinzessin angab, als man ihr sagte, die Bauern hätten kein Brot … ›So mögen sie Kuchen essen‹«.
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Da Rousseau die Anekdote nicht weiter belegt, wird es für Historiker wohl für immer rätselhaft bleiben, ob sie wahr ist oder ein Ausfluss dichterischer Fantasie. Aber eines ist nachweisbar: Von Marie Antoinette stammt der Ausspruch nicht.
Stimmt's?: Revolutionskuchen | Wissen | ZEIT ONLINE
Ich halte es für nicht zutreffend, von "dem Adel" zu sprechen, die Tatsachen sagen etwas anderes:
"Da die Adligen traditionsgemäß im Heer und in der Marine dienten und einen kümmerlichen Sold bezogen, waren sie von der taille, der Steuer des Dritten Standes, befreit. Dies wurde als Ehre geschätzt, brachte aber nur geringe finanzielle Vorteile. Viele Adlige waren arm, und das Realeinkommen der meisten verringerte sich ständig, denn während die Bürgerlichen ihren Wohlstand durch Handel und Gewerbe rasch vermehren konnten, waren die Adligen davon ausgeschlossen. Dies prägt die Situation am Hof von Versailles, und so erklärt sich Talleyrands spöttische Bemerkung: "Ein Hofstaat ist eine Versammlung edler und vornehmer Bettler."" [1]
In der Summe bedeutet dies, dass die am Hofe lebenden Adligen weder Land noch sonst irgend etwas besaßen sondern einzig von der Gnade des Monarchen abhängig waren.
"René de Chateaubriand, der Vater des Schriftstellers , musste zur See gehen, weil das Gut der Chateaubriands in der Bretagne nicht genug abwarf, um die ganze Familie zu ernähren. In der Umgebung von Auch bestellten die Adligen eigenhändig ihre Felder, und Smollet schrieb, die Landedelleute in der Boulonnais hätten die Jagd aufgegeben, da ihnen das Geld für Gewehre fehlte." [2]
Es entzieht sich meiner Kenntnis, ob diese Beispiele verallgemeinert werden können aber sie zeigen, dass durchaus nicht der ganze Adel in Saus und Braus lebte, es zeigt sich vielmehr, dass der Adel seine wirtschaftliche Macht bereits verloren bzw. noch verlieren würde.
Wenn von Saus und Braus gesprochen wird, dann muss wohl genau hingeschaut werden.
Eine Zahl mag dies andeuten:
"In den Jahren zwischen 1774 und 1789 gaben Ludwig und Antoinette für ihren eigenen Haushalt 11,4 Millionen Livres aus; im selben Zeitraum genehmigte Ludwig Zahlungen aus öffentlichen Mitteln an Monsieur und Artois im Wert von 28,3 Millionen Livres. Das bedeutete, dass die Verschwendungssucht seiner Brüder sämtliche Sparmaßnahmen, die Ludwig unter großen Schwierigkeiten in Versailles durchgesetzt hatte, null und nichtig machte. [3]
Was nun Marie Antoinette angeht, denke ich, sie war zur falschen Zeit am falschen Ort und sie hätte dieses oder jenes tun können, es wäre immer falsch gewesen:
"Einige behaupeteten sogar, hinter der Vorliebe der Königin für schlichte Stoffe verberge sich ein politisches Motiv: luxuriöse Seiden wurden nämlich in Lyon hergestellt, Leinen hingegen in den früher österreichischen Niederlanden." [4]
Die vielen Pamphlete gegen die Königin, die sogar unter die sexuelle Gürtelinie gingen, Cronin hält sogar einen gewissen Brissot für verdächtig, zeigen, dass es gewichtige Interessen gab, die Königin und damit die Monarchie in Misskredit zu bringen.
Nimmt man die Ideen von Rousseau, Voltaire ... und die Pamphlete (nicht nur gegen die Königin), dann ergibt sich der ideologische Cocktail, der die notwendigen politischen Änderungen zum Ausbruch brachte.
Und deswegen darf wohl mit Recht bezweifelt werden, dass es die Not des Volkes war, was die Revolution zum Ausbruch brachte.
"Sie war nichts anderes, als die aufgegangene Saat, welche die Schriftsteller in einem nach Licht und Wahrheit ringenden Jahrhundert ausgestreut hatten, eine Saat, welche die Vorurteile und Mißbräuche der Machthaber ausrottete, die aber auch zugleich die religiösen und sozialen Grundfesten der menschlichen Gesellschaft zerstörte; erst in zweiter Reihe können dann eine schwache Regierung, unfähige Minister, schlechte Finanzverwaltung und die Unzufriedenheit des Volkes in Betracht kommen." [5]
Grüße
excideuil
[1]
Cronin, Vincent: “Ludwig XVI. und Marie-Antoinette”, Claasen, Hildesheim, 1993, Seite 16
[2] [1] Seite 125
[3] [1] Seite 149
[4] [1] Seite 178
[5]
Talleyrand: „Memoiren des Fürsten Talleyrand“, herausgegeben mit einer Vorrede und Anmerkungen von Herzog de Broglie, Original Ausgabe von Adolf Ebeling, Köln und Leipzig, 1891-1893, Bd. 1, Seite 169