Morgensterne, Streithämmer, Streitkolben und Kriegsflegel

Zur Beurteilung gerade waffentechnischer Aspekte und gerade in der Blankwaffenkunde ist manchmal ein Blick in die alten Klassiker hilfreich, also Boeheim und Demmin, Funken ist nicht hundertprozentig zuverlässig, aber zur ersten Orientierung geht´s. Wikipedia ist nicht immer die erste Wahl bei der Recherche, einige Artikel sind (mit allem schuldigem Respekt) reine Lyrik.
Noch ein kurioser Hinweis: im Ersten Weltkrieg "entwickelten" die Österreicher eine Waffe für den Grabenkampf, die ins Mittelalter gepasst hätte: es war ein Streitkolben, hölzerner Griff, ein Ende mit Blei umwickelt, darin eiserne Dornen.
Luis Trenker sprach in einem seiner Bücher von dieser Nahkampfwaffe (ich weiß bloß nicht mehr den Titel).
 
Allerdings wurden diese Waffen nicht standardisiert hergestellt. Ich kenne die Waffe die du vermutlich meinst als Grabenkeule. Es handelte sich um improvisierte Waffen Einzelner. Genau wie die ersten Grabendolche und improvisierte Handgranaten und sogar Schutzschilde für den Sturmangriff (relativ Ineffektiv). In der Enzyklopädie der Waffengeschichte gibt es ein Unterkapitel zu improvisierten Waffen im 20. Jahrhundert dort solltest du fündig werden.
 
Danke für den Hinweis Afkpu. Bezüglich der von mir angesprochenen Waffe, die du als grabenkeule bezeichnest, bin ich mir abernicht sicher, ob es in Österreich nicht doch eine standardisierte und in Mengen produzierte Variante gab. Ich werde mal bei einem Experten nachfragen, da ich den erwähnten Trenker-Band nicht auf die Schnelle finden kann.
Interessant ist doch, daß selbst im 20. Jahrhundert in einer (zugegeben) Notlage der Rückgriff auf eine archaisch anmutende Waffe erfolgte. Vermutlich werden kirchliche Interdikte oder obrigkeitliche Waffenverbote in früheren Zeiten keinerlei Wirkung gezeigt haben, wenn man sich vom Einsatz einer Armbrust/Morgensterns etc. Erfolg versprach, gerade in Notsituationen.
 
Da wären wir wieder beim angesprochenen Pragmatismus. Und zum Thema Keule, warum etwas bewährtes Aufgeben? Gummiknüppel werden ja auch nach dem Prinzip "Hauen verursacht Schmerzen";) benutzt, auch wenn es zum töten heute viel "tollere" Methoden gibt.
 
Die angesprochenen Waffentypen kamen auch immer mehr mit dem Auftreten der Plattenrüstungen in Mode, da sie diese besser beschädigen konnten (so beulte man z. B. dem Blechkameraden mit dem Streitkolben die Rüstung ein, damit er nicht mehr richtig atmen konnte).
Schwerter wurden im Zuge dieser Entwicklung auch immer spitzer um in die Schwachstellen der Plattenrüstung einzudringen.
 
Die angesprochenen Waffentypen kamen auch immer mehr mit dem Auftreten der Plattenrüstungen in Mode, da sie diese besser beschädigen konnten (so beulte man z. B. dem Blechkameraden mit dem Streitkolben die Rüstung ein, damit er nicht mehr richtig atmen konnte).
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...und wartete dann ab bis er erstickte? Scheint mir eher unwahrscheinlich. :nono:

Gewöhnliche Keulen gan es schon vor der Verbreitung der Plattenrüstung. Kriegshämmer, Rabenschnäbel und "Morgensterne" hatten Spitzen die einen Helm oder einen Harnisch durchschlagen sollten.
 
Sofern er meinte, dass man Waffen immer an die Gegebenheiten anpasste, hier erinnere ich mich an die Kettenbrecher die bereits sehr früh aufkamen hat er Recht. Allerdings ist seine Aussage dann etwas unglücklich formuliert.
 
Sofern er meinte, dass man Waffen immer an die Gegebenheiten anpasste, hier erinnere ich mich an die Kettenbrecher die bereits sehr früh aufkamen hat er Recht. Allerdings ist seine Aussage dann etwas unglücklich formuliert.
Das stelle ich auch nicht in Frage. Ich hatte dass auch schon selbst weiter oben irgendwo geschrieben.

Aber die Vorstellung einer Waffe, die einen Helm so verbeult, dass der Träger dann erstickt, scheint mir doch etwas weit hergeholt.

Wäre Klebeband da nicht wirksamer gewesen?
 
Allerdings, aber das eine Eindrückung eines durchaus angepassten Plattenpanzers gefährlich sein kann ist ja klar ;) nur ich denke man hatte schon eher vor den Gegner durch Verletzungen kampfunfähig zu machen als durch ersticken ;)
 
Ich denke mal das Hauptproblem dürfte die weitergehende Einschränkung der Bewegungsfähigkeit sein. Ich kann mir kaum vorstellen, dass man sich in einer schweren Rüstung noch großartig bewegen kann.
Wer mal einen Kräftigen Schlag auf den Rücken, Kopf oder Brustkorb bekommen hat weiß allerdings, dass danach an Kämpfen so schnell nicht mehr zu denken ist. Entweder bleibt einem die Luft weg, oder man verliert gleich das Bewusstsein. Der Gegner muss also nicht einmal zu tode kommen, damit er Kampfunfähig wird. Und für einen lebenden kampfunfähigen Ritter kann man im endeffekt sogar noch Lösegeld verlangen.
 
Ich denke mal das Hauptproblem dürfte die weitergehende Einschränkung der Bewegungsfähigkeit sein. Ich kann mir kaum vorstellen, dass man sich in einer schweren Rüstung noch großartig bewegen kann.
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Sofern die Rüstung total verbeult/verkeilt ist nicht. Falls du dies allerdings grundsätzlich meinst, dies mag zwar für die schweren Rüstungen welche die Franzosen teilweise im 100 Jährigen Krieg zum Schutz vor Englischen Pfeilen trugen zutreffen, hierbei handelt es sich aber um ein absolutes Ranfdphänomen. Selbst eine gotische Vollrüstung erlaubt dem Träger eine Bewegungsfreiheit die man als Laie nicht erwarten würde. Es gibt neuzeitliche Nachstellungen die Eindrucksvoll beweisen, dass selbst in vollem Plattenpanzer, rennen, ein Rad schlagen und eine Leiter hochklettern keine besondere Herausforderung war. Natürlich ermüdet man schneller und für die Gelenke war ein Leben als Ritter auch nicht gerade zuträglich aber man war kein sich langsam und scheppernd fortbewegendes Ungetüm. (ist nun überspitzt dargestellt und ich weiß auch, dass du das nicht so gemeint hast, soll aber zur Verdeutlichung dienen).

Es gibt übrigens von John Howe ein sehr gutes Buch mit dem Titel "Söldnerleben im Mittelalter". In diesem Buch ist die Problematik dieses popularisierten Rüstungsbildes kurz angesprochen.
 
Ich meinte natürlich die Beweglichkeit in der Rüstung nach heftigem Kontakt mit einem Streitkolben/-hammer mit eintsprechender Deformierung und Verkeilung. War wohl etwas missverständlich formuliert.
 
Ich denke mal das Hauptproblem dürfte die weitergehende Einschränkung der Bewegungsfähigkeit sein. Ich kann mir kaum vorstellen, dass man sich in einer schweren Rüstung noch großartig bewegen kann.
Wer mal einen Kräftigen Schlag auf den Rücken, Kopf oder Brustkorb bekommen hat weiß allerdings, dass danach an Kämpfen so schnell nicht mehr zu denken ist. Entweder bleibt einem die Luft weg, oder man verliert gleich das Bewusstsein. Der Gegner muss also nicht einmal zu tode kommen, damit er Kampfunfähig wird. Und für einen lebenden kampfunfähigen Ritter kann man im endeffekt sogar noch Lösegeld verlangen.

Der Mythos der schweren unbeweglichen Rüstung ist doch schon längst widerlegt. Diese Auffassung ist durch das Stechzeug aus den herschaftlichen Rüstkammern entstanden, die jedoch mit richtigen Feldharnischen nichts gemeinsam hatten. Letztere haben nicht wesentlich mehr gewogen als die durchschnittliche Ausrüstung eines heutigen Soldaten (ca. 25-30 kg) und waren recht beweglich.

Liess dazu die älteren Diskussionen hier im Forum durch.

Unter dem Harnisch war der Ritter zudem durch den Gambesson gepolstert, so dass ein stumpfer Schlag auf Brust oder Rücken ihn wenig anhaben konnte. Ein kräftiger Schlag auf den Kopf vielleicht schon, aber da war eine punktierende Waffe sicherer.
 
Danke für den Hinweis, mein Bild vom Mittelalter sit wohl immer noch viel zu sehr von den populärwissenschaftlichen Urteilen der Neuzeit geprägt. Ich werd mich wohl noch etwas einlesen müssen.
 
Juhu Bdaian, 2 Doofe ein Gedanke ;)

Aber im Anschluss an deine Ideen halte ich es nun für noch schwerer einen Ritter durch verbeulen der Rüstung Bewegungsunfähig zu machen. Wahrscheinlicher bei festen Hieben dürfte es dann gewesen sein bei Hieben auf die Arme Knochen zu brechen, bzw sofern ein Hieb stark genug war um den Brustpanzer schwer einzudrücken hatte man mehr mit einem gebrochenen Brustbein zu kämpfen (was das Atmen auch "leicht" erschwert), als mit dem Erstickungstot. Das Bewegungseinschränkende sollten dann aber eher die Verletzungen gewesen sein als verbogene Rüstungsgelenke, wobei diese ja meist ohnehin relativ offen waren und zusätzlich mit Kettengeflecht geschützt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zwar wurde auf dem mittelalterlichen Schlachtfeld kein "Luftwegbeulstreitkolben" getragen und standardmäßig versuchte man sicher auch die Körperteile des Gegners zu brechen, zerschlagen etc. , aber ich habe gelesen, dass der Streitkolben mitunter auch verwendet wurde um Rüstungsteile unvorteilhaft zu zerbeulen.

Hatte den Kolben da nur einseitig beleuchtet.
 
Bedeutet das, dass man im Mittelalter gar nicht vom Morgenstern als solchem sprechen kann? Wäre dann die angeblich unritterliche Verwendung dieser Waffen wie so vieles andere auch eine neuzeitliche Erfindung?
Haben wir innerhalb dieser Diskussion eigentlich schon abgeklärt, dass der Morgenstern mitnichten die Kettenwaffe ist sondern ein verlängerte, zweihändiger Streitkolben? Nur damit wir auf einem Nenner sind.
Alles was Kette hatte war "Flegel".

Und Streitkolben oder Hämmer waren sogar sehr ritterlich!^^
Tatsächlich wird in den Kampfkunstsystemen des Mittelalters der Streithammer ziemlich oft belichtet, vor allem in ritterlichen Ordalen:

http://img.kb.dk/ha/manus/th290/kamp0270.jpg

Die Illustration aus Talhoffers Fechtbuch zeigt klar, dass Ritter vor allem pragmatisch dachten. Einen derart gerüsteten Mann ist mit einem Schwert kaum beizukommen. Da brauch man das gute Zeugs. ;)
 
Haben wir innerhalb dieser Diskussion eigentlich schon abgeklärt, dass der Morgenstern mitnichten die Kettenwaffe ist sondern ein verlängerte, zweihändiger Streitkolben? Nur damit wir auf einem Nenner sind.
Alles was Kette hatte war "Flegel". ....

Das mit dem "Flegel" hat zwar seine Logik. Ich finde aber nichts, was darauf deutet dass der "Morgenstern" ein längerer zweihändiger Streitkolben war. In alten Lexika wird eine normale Keule mit Stacheln als Morgenstern bezeichnet, egal ob kurz oder lang.

Die in deinem Link dargestellten Waffen nannte man auf Französisch "Bec de Corbin" oder zu deutsch "Luzerner Hammer".
 
Eine Frage zu den Hämmern: Die meisten Kriegshämmer der Zeit waren ja Rabenschnäbel, also Hämmer mit spitzen Schlagköpfen.
In Fantasy Inhalten sieht man aber meist Hämmer mit flachen Schlagköpfen.

Reine Erfindung oder wurden auch in Wirklichkeit vereinzelt Hämmer mit flachen Schlagköpfen genutzt?
 
Viele Hämmer hatten eine Spitze und auf der anderen Seite eine abgeplattete oder mit Zähnen versehene Trefferfläche, falls du das meinst.
Ein flacher Kopf eignet sich dazu, eine Rüstung einzudellen und dem Träger die Knochen zu brechen, ohne dabei den Panzer an sich durchschlagen zu müssen, während die Spitze Seite durch die Hebelwirkung und schmale Spitze zwar recht leicht durch den Panzer drang, aber dafür auch "nur" recht "kleine" Stich-Verletzungen hinterließ (kommt auch hier natürlich auf die Wucht des Schlages an).

Und die Japaner scheinen sich einige Zeit lang auch mit Platten Köpfen an den Hämmern abgefunden zu haben, aber anscheind eher gegen Gebäude:
?tsuchi ? Wikipedia
 
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