Sepiola
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Und das hat die Geologie mit ihrem Patenkind Archäologie gemeinsam. Ob eine Steinplatte mit seitlicher Ablaufrinne als Opfertisch und damit das Gebäude als Tempel – oder aber als Möblierung eines Schlachthauses gedeutet wird, ist oft der Phantasie überlassen. Gleiches gilt, wenn villae rusticae an Hauptstraßen von mansiones und mutationes unterschieden werden. Da fließen persönliche Preferenzen des Bearbeiters und andere Faktoren mit hinein.
Mit einem hast Du recht: Wo die Fakten ein lückenhaftes Bild geben, versucht die Fantasie Lücken zu füllen. Dagegen ist überhaupt nichts einzuwenden. In wissenschaftlichen Veröffentlichungen werden allerdings Fakten und Spekulationen klar getrennt.* Dem Autor steht es frei, nach Abwägung der Argumente seine persönliche Meinung kundzutun, und dem Leser steht es frei, sich anhand der Argumente sein eigenes Bild zu machen.
Nur schaffen Spekulationen keine neuen Fakten, und man kann mit Spekulationen keine Theorien erstellen, geschweige denn beweisen.
Hypothesen, die sich einer Überprüfung entziehen, sind wertlos.
Hypothesen, die mit Hilfshypothesen gestützt werden müssen, sind ebenfalls wertlos.
Das versuchen Alfirin, El Quijote (und manchmal auch ich) Dir seit langer, langer Zeit begreiflich zu machen.
Dieser Beitrag war vom 11. 2. 2015:
Ob wir hier eine statistische Häufung haben, die nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit zufällig auftreten kann, müßten wir noch klären. Dazu müßte die Datenbasis aber sauber sein, d.h. vor allem bereinigt von bislang nur angenommenen Standorten, die eben ganz und gar nicht zufällig in die Auswahl gekommen sind, sondern weil sie so wunderbar in die postulierte 9/10-Leugen-Regel passen würden.
Dass auf Römer- und sonstigen Straßen Abschnitte von 20, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 30 (oder mehr oder weniger) Kilometern zu finden sind, beweist nichts. Da nützt es auch nichts, Dutzende von Beispielen zu bringen. Völlig nutzlos sind "Abschnitte", die sich erst im Lauf der Jahrhunderte ergeben haben. Das würde eher gegen als für eine systematische Planung sprechen.
Wie viele Beispiele für gleichzeitig (oder annähernd gleichzeitig) entstandene Kastelle mit einem gesicherten Abstand von 20,0 oder 22,2 km haben wir denn bisher auf der Rheintalstraße?
Zähl doch mal auf:
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
Da gibt es mehrere mögliche Erklärungen. Mir fallen auf Anhieb vier ein:Wenn kein Mensch und kein Maultier 20 reale Kilometer in 18 km bewältigen können ohne sich in einem Science-Fiction-Roman zu befinden, dann muss es eine andere Erklärung geben.
- Die Römer hatten den 8-Leugen-Fimmel.
- Der Bildhauer wollte eine VIIII meißeln, hat sich beim dritten I böse auf den Daumen gehauen, musste erst verarztet werden und hat dann dummerweise das vierte I vergessen.
- Die Römer haben von Herberge zu Herberge gemessen, und die war in diesem Fall ein ganzes Stück außerhalb des Kastells.
- Die Römer haben es mit dem Leugensteinsetzen nicht so genau genommen (vgl. das Bernhard-Zitat im letzten Beitrag), die Reisenden haben die dazwischenliegenden Leugensteine gezählt - da kommt auf der einzelnen Etappe schon mal ein Stein zu viel oder zu wenig heraus.
Was davon stimmt? Wo sind die Fakten? Wer will das entscheiden?
* So hängt z. B. die Beantwortung der Frage "mansio oder villa rustica?" keineswegs vom Gusto des Bearbeiters ab. Es gibt eine Reihe von Kriterien, die in vielen Fällen eine eindeutige Zuweisung erlauben. Eine Straßenstation liegt idealerweise direkt an der Straße, eine Villa liegt idealerweise etwas abseits der Straße. Es gibt auch architektonische Merkmale, die typisch für eine Villa, und Merkmale, die typisch für eine Straßenstation sind. Und dann gibt es untypische oder unklare Befunde, die Rätsel aufgeben.