Mutmaßl. und tatsächl. röm. Streckenverläufe/Fundplätze n.d. 9-/10-Leugen-Hypothese

Auch ein Straßensystem hat es im Rheinland wohl erst in Claudischer Zeit gegeben:

"Ein offizielles Straßenbauprogramm scheint es im Rheinland jedoch erst seit Kaiser Claudius (41-54 n. Chr.) gegeben zu haben. [...]

In Niedergermanien wurden die Entfernungsangaben allerdings nicht nur in römischen Meilen [...], sondern -seit dem 2. Jahrhundert n. Chr.- in gallischen Leugen [..] gemacht."

(Heinz Günter Horn, Das Leben im Römischen Rheinland, in: Heinz Günter Horn (Hg.) Die Römer in Nordrhein-Westfalen, Stuttgart 1987, S.150ff.)

Als Quellen werden angegeben:

1- Meilensteine
2- Funde von Transportmitteln
3- Tabula Peutingeriana
4- Itinerarium Antonini
5- "verschiedene archäologische Befunde"
6- nur "streckenweise", und wenn es schon bewiesen ist, die heutige Straßenführung
7- der noch erkennbare "charakteristische, leicht gewölbte Straßendamm mit den ihn begleitenden Entwässerungsgräben"
8- Ausgrabung im Moers-Asberg (Limesstraße)
9- Ausgrabung im Hambacher Forst (Straße Köln-Bavai)
10- Ausgrabung in Aachen-Süsterfeld (Straße Aachen-Heerlen)

Moers-Asberg (S.559, 565, Katalog wie oben):

Ortswahl:

1- Ruhrmündung, die "als natürliches Einfallstor galt"
2- Altarm des Rheins als Hafen

Entfernung Kastell-Straße: 300m

Straße:
"Über Bauweise, Linienführung und Entstehungszeit der Straße zwischen Novaesium-Neuss und Vetera-Xanten ist bisher nur wenig bekannt."

"Nach den wenigen datierenden Fundenaus der ältesten Schicht ist die erste Straße mit fester Decke unter Claudius gebaut worden. Die Straße selbst ist älter und wurde wohl schon von Agrippa geplant (20/19 v. Chr.)."
Letzteres scheint eine Vermutung zu sein.

Inschriftlich ist für das 3. Jh. eine Benefiziarier-Station bezeugt. Die Überreste waren damals noch nicht untersucht.

Da es wichtig ist, noch ein paar Schlüsse:

1- Wenn also die Wegeführung mit den Schriftquellen rekonstruiert wurde, wird es zum einen Begründungen für Abweichungen in der Literatur geben, zum anderen sind die Schriftquellen damit höchst relevant.

2- Wenn die Lage von Asberg an einem Altarm relevant für die Ortswahl war, waren die Leugenabstände Zufall.

3- Wenn die Strecke nur punktuell feststeht, können wir nicht nachmessen, sondern sind auf die antiken Angaben der Schriftquellen sogar angewiesen. Wenn die Messung zeigt, dass eine angenommene Strecke zu kurz ist, kann es ja Abweichungen gegeben haben. (Wobei man natürlich auch erst einmal die Genauigkeit der z.B. von Vitruv erklärten antiken Messtechniken und -maschinen ermitteln kann. Stichwort Schlupf zum Beispiel.)
 
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Also, auf der vici.org Seite werden touristische Schriften als Quellen angegeben und die Worte "Roman Road from Xanten to Köln" (sic!) gelten als Französisch.

Darauf kann sich niemand ernsthaft inhaltlich berufen.

Vici.org ist keinesfalls meine einzige Quelle. In jedem Einzelfall suche ich auch nach anderen Quellen zur Verifizierung.

Dass Vici.org voller Ungenauigkeiten steckt, ist mir bewusst.

Hmmm... und in der Zeit zwischen den Römern und der Franzosenzeit wurden die Wege eingefroren und haben sich nicht verändert?

Was hätte man an den schnurgeraden Trassen verändern sollen?

Wie ich oben schon schrieb hat man sich nach dem Krieg bei Straßenarbeiten auch an alte Trassen gehalten und dennoch hat sich hier und da der Verlauf geändert, wurde den aktuellen Gegebenheiten angepasst!

Auch an der linksrheinischen Straße gibt es hier und da kurze Stellen, wo die modernen Straßen nicht auf der Römertrasse liegen. Meist lässt sich der alte Verlauf allerdings leicht rekonstruieren, wie in dem Beispiel zwischen Bonn und Wesseling im Anhang.

Vielen Dank.
Dann wären also die Rheintalstraße Bonn-Remagen und das Kastell Remagen beide in claudische Zeit zu datieren:

"Erst durch die Anlage der Limesstraße in claudischer Zeit - die Straße musste parallel zum Strom aus dem Felsen herausgeschlagen werden - wurde es möglich, dass hier Transporte durchgeführt werden konnten. Insofern wurde auch erst in claudischer Zeit das südlichste Lager des Niedergermanischen Limes im Mittelrheintal bei Remagen angelegt."


Es ist der Teil der Straße neu entstanden, der aus dem Basalt geschlagen wurde.

Drusus hat seine Legionen nicht nach Norden gebeamt, eine Straße gab es schon seit augusteischer Zeit.

Eine "22,2-km-Etappe" (wie von Dir verlinkt) hat es also nicht gegeben.

Offenbar doch. Welche Route hätte Drusus Deiner Meinung nach anlegen lassen?
 

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Aber bisher sind die Quellen Geheimwissen. Wir haben oft genug nachgefragt.

Und auch wenn ich Weissenseifen für untersuchenswert halte, heisst das noch nicht, dass es mehr wäre, als ein Zufallstreffer.
 
Auch ein Straßensystem hat es im Rheinland wohl erst in Claudischer Zeit gegeben:

"Ein offizielles Straßenbauprogramm scheint es im Rheinland jedoch erst seit Kaiser Claudius (41-54 n. Chr.) gegeben zu haben. [...]

Wir wissen aber aus Schriftquellen, dass schon Drusus Straßen bauen ließ. Irgendwie müssen seine Legionen den Rhein entlang nach Vetera marschiert sein, und die rechtsrheinische Straße ensteht offenbar erst zur Zeit der Chattenkriege.

Straße:
"Über Bauweise, Linienführung und Entstehungszeit der Straße zwischen Novaesium-Neuss und Vetera-Xanten ist bisher nur wenig bekannt."

Dann wird es Zeit, das zu ändern. ;)

"Nach den wenigen datierenden Fundenaus der ältesten Schicht ist die erste Straße mit fester Decke unter Claudius gebaut worden. Die Straße selbst ist älter und wurde wohl schon von Agrippa geplant (20/19 v. Chr.)."
Letzteres scheint eine Vermutung zu sein.

Geplant und grob angelegt wurde diese Strecke offenbar entweder schon unter Agrippa, oder kurz darauf unter Drusus und Tiberius.

Letztere sind seit langem meine Hauptverdächtigen, auch da sie aus Lyon stammten, wo schnurgerade Straßen in 9- und 10-Leugen-Etappen sehr häufig sind.

2- Wenn die Lage von Asberg an einem Altarm relevant für die Ortswahl war, waren die Leugenabstände Zufall.

Asciburgium hat mit den Leugenabständen rein gar nichts zu tun. Das hatte ich in diesem Thema schon mehrfach betont.

Ganz im Gegenteil bin ich mit dem von Dir zitierten Horst Günter Horn einer Meinung, dass für die Ortswahl Asbergs der Altrheinarm und besonders die gegenüber liegende Ruhrmündung ausschlaggebend war.
 
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Aber bisher sind die Quellen Geheimwissen. Wir haben oft genug nachgefragt.

Im Einzelfall gebe ich gern Auskunft. Es gibt aber kein Standardwerk, auf das ich mich beziehe.

Und auch wenn ich Weissenseifen für untersuchenswert halte, heisst das noch nicht, dass es mehr wäre, als ein Zufallstreffer.

So, wie der rechteckige "Steinbruch" auf der Tranchot-Karte, der an der Rheinstraße ganz zufällig exakt 9 Leugen von Kastell Bonn und 9 Leugen von Rheinkassel, resp. 18 Leugen vom Kastell Neuss entfernt liegt?
 

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...
So, wie der rechteckige "Steinbruch" auf der Tranchot-Karte, der an der Rheinstraße ganz zufällig exakt 9 Leugen von Kastell Bonn und 9 Leugen von Rheinkassel, resp. 18 Leugen vom Kastell Neuss entfernt liegt?

Und was hat der Steinbruch mir einem Lager/Kastell zu tun? Wenn der Steinbruch nicht da wäre, würdest du wohl auch auf eine Parkbank verweisen, die ja unmöglich "zufällig" nach 9 Leugen dort stehen kann! ;)
 
Und was hat der Steinbruch mir einem Lager/Kastell zu tun? Wenn der Steinbruch nicht da wäre, würdest du wohl auch auf eine Parkbank verweisen, die ja unmöglich "zufällig" nach 9 Leugen dort stehen kann! ;)

Der spöttische "Steinbruch" stammt von einem sporadischen Teilnehmer an dieser Diskussion. Wenn überhaupt, wäre es wohl eine Kiesgrube gewesen – aber die sind eher selten rechteckig.

[Edit: Fairerweise sollte ich erwähnen, dass sich die Äußerung auf die Darstellung in der Preußischen Uraufnahme bezog, die ich hiermit im Anhang noch einmal nachreiche.]

Sowohl auf der Tranchot-Karte als auch auf der Preußischen Uraufnahme findet man genau an der von mir berechneten Stelle ein rechteckiges Objekt, ganz allein auf weiter Flur, aber direkt an der Römertrasse.
 

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Der spöttische "Steinbruch" stammt von einem sporadischen Teilnehmer an dieser Diskussion. Wenn überhaupt, wäre es wohl eine Kiesgrube gewesen – aber die sind eher selten rechteckig.

Sowohl auf der Tranchot-Karte als auch auf der Preußischen Uraufnahme findet man genau an der von mir berechneten Stelle ein rechteckiges Objekt, ganz allein auf weiter Flur, aber direkt an der Römertrasse.

Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, dann war da etwas nördlich des Kartenausschnittes eine Ziegelei. Eine Tongrube wäre da also nicht unwahrscheinlich.
Welche Erklärung hast du nach deiner Theorie dafür, dass man an der Stelle eines Lagers eine Grube anlegt?
 
Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, dann war da etwas nördlich des Kartenausschnittes eine Ziegelei.

Eine Ziegelei hattest Du schon einmal erwähnt. Wo sollte denn die gelegen haben?

Eine Tongrube wäre da also nicht unwahrscheinlich.

Aber warum hat Tranchot sie dann präzise rechteckig eingezeichnet? Kennt jemand eine andere historische Tongrube, die rechteckig ist?

Welche Erklärung hast du nach deiner Theorie dafür, dass man an der Stelle eines Lagers eine Grube anlegt?

Es gibt nur die Darstellungen auf den Karten, ohne weitere Erklärung. Die "Grube" entsprang allein der Phantasie des oben erwähnten Diskutanten.

Genau so gut könnte man spekulieren, es habe sich um einen vor 200 Jahren noch erkennbaren Wall gehandelt. Wir wissen es nicht.

Sicher ist, dass dieses Rechteck eben genau 9 Leugen vom Kastell Bonn und in der Gegenrichtung 9+9 Leugen von Kastell Neuss entfernt liegt.
 
Lokalhistoriker wissen so etwas für gewöhnlich. In NRW sollte es für jeden Ort einen Ortsheimatpfleger und einen Ortschronist geben. Auch wenn die sich nicht für solche Veränderungen der Landschaft interessieren, wissen sie im Allgemeinen, wer bezüglich ihrer Orte Auskunft geben kann. Das ist im Gegensatz zur üblichen Literaturrecherche recht einfach nachzufragen.

Für 3 Straßen kann ich Angaben zu zitierbaren Karten machen. Leider kann ich darauf nicht messen, weil nach neuer Unsitte nur Abstandsbalken angezeigt sind und der Maßstab nicht genannt wird und die Strecke zwischen zwei Millimetereinteilungen enden. Den Messchieber suche ich jetzt nicht heraus.

In Thomas Otten (Hg.) Fundgeschichten - Archäologie in Nordrhein-Westfalen, Köln 2010 finden sich u.a. die Berichte:

Becker, Bödecker und Wagner, Der Niedergermanische Limes, S. 122-126. Eine Karte der 'Limesstraße' findet sich S. 123.

Andrikopoulou-Strack, Gaitzsch, Grewe, Jenter und Ulbert, Neue Forschungen zu den Römerstrassen im Rheinland, S.161-165 fasst den Forschungsstand zu 'Via Belgica' und 'Agrippa-Straße' sowie den Strecken geringerer Ordnung zusammen. S. 162 gibt es eine Karte von 'Via Belgica' und 'Agrippa-Straße'.

Auch allgemeinere Literatur wird genannt. Aber bei den 3 Strecken handelt es sich wohl um die bestuntersuchtesten.

S. 147 findet sich in Andrikopoulou-Strack, Ulbert und White, Römische Vici im Rheinland - Die Grabung im Bonner Regierungsviertel, S. 147-152, eine Karte aller drei Straßen.

Inwieweit F.W. Schmidt, Hinterlassene Forschungen über die Römerstraßen u.s.w. im Rheinlande Bonner Jahrb. 31, 1861, 1-220, noch heranzuziehen ist, kann ich nicht sagen, aber da es als Ausgangspunkt genannt wird...

J. Hagen, Römerstraßen der Rheinprovinz. Erläuterungen zum geschichtl. Atlas der Rheinprovinz 8 = Publ. Ges. Rhein. Geschichtskde. 12 (Bonn 1931) dürfte noch immer grundlegend sein.

Desweiteren sind angegeben:

H.Koschik (Hg.), Alle Wege führen nach Rom ... . Mat. zur Bodendenkmalpflege im Rheinland 16, Pulheim-Brauweiler 2004.

J. Kunow (Hg.) Erlebnisraum Römerstraße Köln Trier, und Erlebnisraum Römerstraße Via Belgica, Mat. zur Bodendenkmalpflege 18, bzw. 18/2.

Ich denke, bei 3 sehr gut untersuchten Straßen gibt das doch schon einmal genügend Grund, um zu prüfen, ob zumindest ein Abschnitt der Hypothese entspricht.
 
Eine Ziegelei hattest Du schon einmal erwähnt. Wo sollte denn die gelegen haben?

Siehe Anhang (Uraufnahme 1836-1850). Hättest du auch finden können!


Aber warum hat Tranchot sie dann präzise rechteckig eingezeichnet? Kennt jemand eine andere historische Tongrube, die rechteckig ist?

Wie du siehst, ist in der Karte unten (Uraufnahme 1836-1850) eine rechteckige Grube zu sehen (ob Kies oder Ton ist in diesem Fall wurscht!


Es gibt nur die Darstellungen auf den Karten, ohne weitere Erklärung. Die "Grube" entsprang allein der Phantasie des oben erwähnten Diskutanten.

Oh nein, die Signatur bezeichnet das Objekt ganz klar als Grube!!!
Alle anderen Erklärungen entspringen deiner Phantasie! Oder steht da in der Karte "römisches Lager"?

Noch einmal die Frage an dich, warum man an der Stelle eines ehem. Lagers eine Grube anlegen sollte! Und ob es dir passt oder nicht, da war kein Wall sondern eine Hohlform!
 

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Oh nein, die Signatur bezeichnet das Objekt ganz klar als Grube!!!
Alle anderen Erklärungen entspringen deiner Phantasie!

Nicht der Phantasie, sondern der Tatsache, dass dieses Objekt exakt 9 Leugen von einem römischen Lager entfernt sein soll. Und natürlich ist klar, dass jedes römische Objekt, dass exakt 9 Leugen von einem römischen Lager entfernt ist, auch ein römisches Lager sein muss, denn die Römer haben ihre Lager ja strikt und ohne Rücksicht auf Topographie und strategische Erwägungen im Abstand von exakt 9 Leugen errichtet.
Oder steht da in der Karte "römisches Lager"?
Wenn es ein römisches Lager wäre, dann könnte es ja auch entsprechende archäologische Funde und Untersuchungen geben, die dies erweisen. Gibt es da was?
 
Wie heißt denn der Ort, in dem sich die Tongrube/ das Schwerpunktlager Römisches Straßenbauamt "Agrippa und Drusus, Helden des Straßenbaus" ;) befindet?
 
Damit das Thema im neuen Jahr nicht einschläft... :fs:
Aber gerade dieses "hinreichend bekannt" hinterfrage ich!
Für eine näherungsweise Abschätzung der Entfernung ist das verwendete Verfahren durchaus hinreichend. Für metergenaue Berechnung der Entfernungen aber natürlich nicht, da funken zuviele Störfaktoren hinein, von denen die Genauigkeit von Trassenführung, Messpunkten etc. nur einer ist, sicherlich der schwerwiegendste.

In anderen Gegenden ginge es schon noch genauer, da besser ergraben und/oder weniger intensiv bewirtschaftete Landschaften die Trassen der Römerstraßen besser durch die Zeiten konserviert haben. Allerdings müßten wir dann auch sehr viel sauberer arbeiten als in den bisherigen Beispielen vorgestellt, um mehr als eine näherungsweise Abschätzung zu bekommen. Zudem ist die Methode, Entfernungen per Software zu ermitteln, prinzipiell nur für Näherungswerte geeignet, da alle diese Programme nur von einem idealisierten Weltbild ausgehen und in diesem rechnen, aber eben nicht messen können. Die metergenauen Werte, oft noch mit Dezimalstellen, die als Berechnungsergebnis in solchen Programmen ausgegeben werden, sind trügerisch, dessen sollte man sich immer bewußt sein.

Nehmen wir zur Verdeutlichung mal zwei Punkte, die etwa einen Kilometer voneinander entfernt liegen: Das Kastell Ardoch und die Blackhill Signal Station im Gask Ridge. Entsprechend den Gepflogenheiten hier im Thread verwenden wir die auf vici.org angegebenen Koordinaten für eine Entfernungsberechnung.

Wenn ich den Abstand zweier Geokoordinaten berechnen will, stehen mir verschiedene Methoden zur Verfügung. Bei so nahe zusammen liegenden Koordinaten wie in diesem Beispiel könnte ich mit einer sehr groben Vereinfachung nach Pythogaras vorgehen: Längengrad1 minus Längengrad2, Ergebnis quadrieren und addieren zum Quadrat von Breitengrad1 minus Breitengrad2, aus dieser Summe dann die Wurzel ziehen und fertig ist die Hypothenuse. Die multipliziere ich jetzt mit 111,3, der Kantenlänge in unserem Koordinatengitter aus Längen- und Breitengraden, und bekomme so das Ergebnis in Kilometern - in unserem Beispiel 1,42794. 56 Breitengrade weiter südlich nahe am Äquator würde das sogar ganz gut hinkommen. Da wir aber auf der Erdkugel unterwegs sind, wo die Längengrade an den Polen zusammenlaufen und Breiten-/Längengrade Trapeze aufspannen anstatt Quadrate, müssen wir die Länge der einen Kathete trigonometrisch korrigieren und kommen so auf 1,16078km.
Wieviel Unterschied macht das jetzt, die Berechnung mit Pythagoras in der Ebene durchzuführen anstatt sphärisch auf einer Kugeloberfläche? Nicht viel, 1,15969km wäre der Abstand auf einer idealen Kugeloberfläche mit einem Kugelradius von 6371km. Die Erde ist aber keine Kugel, eher ein Ellipsoid. Genau genommen ist's am ehesten eine Kartoffel, aber auf deren Oberfläche rechnet sich's ausgesprochen schlecht, weshalb man sich auf die Form eines vereinfachten Ellipsoids geeinigt hat. Seit der massenhaften Verfügbarkeit von GPS-Empfängern hat sich der WGS84-Ellipsoid als Quasi-Standard durchgesetzt mit den beiden Radien 6378,137km und 6356,752314km. Rechne ich jetzt auf diesem Ellipsoid, komme ich auf 1,1583km Distanz zwischen unseren beiden Punkten. Theoretisch müßte auch Google diesen Wert anzeigen, aber irgendwo rechnen die doch noch ein wenig anders und kommen auf 1,159779km. Das ist seltsamerweise sogar näher am ultra-vereinfachten Ansatz nach Pythagoras als an der komplexen Berechnung auf dem WGS84-Ellipsoid.

Zwoeinhalb Meter Differenz je nach verwendetem Verfahren, das klingt nach nicht viel. Wenn ich aber entlang einer Koordinatenkette bekannter römischer Wachtürme bzw. Straßenfragmente über 20 oder 30km messe, kumulieren diese Abweichungen doch langsam. Bis zum nächsten Kastell in Strageath sind es schon 21m Varianz, bis Bertha dann 70m auf eine Gesamtdistanz von rund 32km. Insgesamt wäre das immer noch vernachlässigbar, wenn es die einzige potentielle Fehlerquelle wäre. Und wenn hier nicht der Anspruch erhoben würde, auf 1% genau Entfernungen ermitteln zu wollen - bei 320m maximal zulässiger Abweichung sind 70m systemimmanente Varianz dann nämlich doch wieder signifikant.

Viel schwerwiegender, da hast Du völlig recht, ist aber natürlich die Lagegenauigkeit der verwendeten Koordinaten. Die beiden Beispielpunkte hab' ich nicht ohne Grund gewählt - beide sind auf vici.org abrufbar, die Distanz liegt mit rund 1km im Bereich dessen, wie typische Straßenverläufe auf vici.org geclustert sind, und beide sind ziemlich gut erforscht mit reichlich genauem Kartenmaterial, um den Wegverlauf wirklich nachvollziehen zu können. Der größte Teil des Straßenverlaufs kann man z.B. dieser Planskizze entnehmen. Verwende ich diesen Verlauf von Lagertor bis zum Eingang des Signalturms anstelle der Luftlinie zwischen den vici.org Koordinaten, komme ich auf 1111m (plusminus zweieinhalb Meter, wie gesagt). Fast 50m Abweichung auf gerade mal einen Kilometer Distanz also...
 

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Damit das Thema im neuen Jahr nicht einschläft... :fs:

Super Idee. :friends:
Für eine näherungsweise Abschätzung der Entfernung ist das verwendete Verfahren durchaus hinreichend. Für metergenaue Berechnung der Entfernungen aber natürlich nicht, da funken zuviele Störfaktoren hinein, von denen die Genauigkeit von Trassenführung, Messpunkten etc. nur einer ist, sicherlich der schwerwiegendste.

Alles richtig. Ab da hier eine Theorie vertreten wird, bei der es auf genaue Messungen ankommt, weil ja behauptet wird, dass die Römer ihre Lager sehr exakt entsprechend des bekannten Systems vermessen hätten, bräuchte es eben auch exakte Messmethoden, um die genauen Abstände zu ermitteln.

Und dann braucht es eben auch bei jeder Route des Nachweises, dass die per google-maps oder google-earth präsentierte Route auch die ist, die in der römischen Zeit verwendet wurde.
 
@ tela: Und wegen dieser mangelnden Genauigkeit, habe ich gestern ein wenig Literatur herausgesucht, die dies genauer angeben müsste, oder zumindest auf Literatur mit genaueren Daten verweist. Da die Hypothese ja umfassend gelten soll, ist die Beschränkung auf 3 Straßen doch nicht weiter schlimm.

Ich habe anderes zu tun, aber wer sich wirklich dafür interessiert, der wird sich nicht von analogen Medien, auch 'Bücher' oder 'Hefte', bzw. 'Karten' genannt, abschrecken lassen.
 
Eine "22,2-km-Etappe" (wie von Dir verlinkt) hat es also nicht gegeben.


Ich dachte, "Etappe" sei durch das Vorhandensein eines Kastells definiert.
Und das Kastell Remagen sei erst zu der Zeit angelegt worden, als die Straße direkt den Rhein entlang geführt wurde.
Zitiert habe ich folgendes:
"Erst durch die Anlage der Limesstraße in claudischer Zeit - die Straße musste parallel zum Strom aus dem Felsen herausgeschlagen werden - wurde es möglich, dass hier Transporte durchgeführt werden konnten. Insofern wurde auch erst in claudischer Zeit das südlichste Lager des Niedergermanischen Limes im Mittelrheintal bei Remagen angelegt."

Als die Straße über die Höhen führte, existierte das Kastell Remagen noch nicht und damit auch keine "Etappe Remagen-Bonn".

Meist lässt sich der alte Verlauf allerdings leicht rekonstruieren, wie in dem Beispiel zwischen Bonn und Wesseling im Anhang.

Wie ging die Straße dann von Wesseling aus nach Norden weiter?
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Also hätte man nach der Varusschlacht alle vorhandenen Stützpunkte schleifen und nach dem neuen Legionsstandort Köln neu anordnen sollen? Das wäre das exakte Gegenteil von Pragmatismus, zumal wenn man gerade unter akutem Personalmangel leidet.

Nein, aber wenn dein Modell stimmte, dann müsste man erwarten, dass Köln in das System eingepasst wurde. Wurde es aber nicht. Und von den drei bzw. fünf Legionen unter Varus wurde die Menge auf acht aufgestockt. Es wurden also nicht nur die gefallenen Legionäre substituiert sondern viel mehr stationiert. Insofern kann man sich da auch nicht wirklich mit Personalmangel herausreden. Im Ggt.: Wenn Köln tatsächlich jetzt erst Legionsstandort wurde - und das gleich mit zwei Legionen! - dann doch, weil die vorherigen Standorte überfüllt waren und man die Lagerkette zudem verdichten wollte.


Meine Annahme, die Römer hätten 20-km-Luftlinien nicht unter 20 km zurücklegen können, benötigt keine Hilfshypothese, da sie auf den allgemein anerkannten Gesetzen der Geometrie basiert.

:confused:

Schriftquellen sind schön und gut, jedoch mit Vorsicht zu genießen.
Kein ernstzunehmender Historiker würde etwas anderes behaupten. Nur unterscheiden Historiker auch schriftliche Quellen in Überrest- und Traditionsquellen. Ein Meilenstein oder eine Karte sind, wenn es um Entfernungsangaben geht, als Überrestquellen zu werden: Es sei denn, jemand hätte mit Absicht eine Entfernungsangabe frisiert, um die Nachwelt zu täuschen... Die Quellen zeigen uns deutlich, dass die Römer dein System nicht kannten. Du musst archäologische Zeugnisse ziemlich stapazieren oder verbiegen, um deine These von den 9 oder 10 Leugen aufrecht zu erhalten. Zeitsprünge, sehr weitreichende Interpretationen, was den als militärisch zu deuten sei (bis hin zur Villa rustica). Deshalb ist dein Quellenbashing Unsinn und hat mit seriöser Quellenkritik (Wie wurde die Q überliefert, wer hat sie erstellt, wer war der Adressat, was der Inhalt, was konnten Verfasser/Adressat wissen/nicht wissen etc.) nichts zu tun.
Wer sagt "schriftliche Quellen sind unzuverlässig" der macht es sich zu leicht. Ein Meilenstein ist kein politisches Pamphlet. Ein Itinerar ist keine Fensterrede. Eine Straßenkarte ist kein Brandbrief.

Warum arbeiten wir nicht zusammen, statt gegeneinander?
Ich arbeite gegen niemanden. Ich fordere die Einhaltung gewisser wissenschaftsübergreifender Standards ein, wie den Verzicht auf Hilfshypothesen, die Berücksichtigung von Falsifikatoren (bzw. eine überzeugende Gegenargumentation - die seit mehrere Wochen ausbleibt). Zusammenarbeit in der Wissenschaft heißt auch, dass man die Falsifizierung einer These ernst nimmt und nicht beständig versucht wegzuwischen.
 
Zusammenarbeit in der Wissenschaft heißt auch, dass man die Falsifizierung einer These ernst nimmt und nicht beständig versucht wegzuwischen.

Wenn Divico sich öfters mal selbst ernst nähme, würde die Sache ja auch schon anders aussehen:

Finde in einer beliebigen Gegend auf der Welt zwei auf mindestens 50 Meter genau nach 9/10 Leugen bemessene Routen über jeweils minimal drei sinnvolle Stationen – und ich gebe für immer Ruhe zu diesem Thema. ;)

Zwei genau nach 9/10 Leugen bemessene Routen über drei sinnvolle Stationen hatte ich ja auf der Autobahn 9 schon benannt, das ignoriert er beharrlich:

Anschlusstelle Beelitz (8,8) - Anschlusstelle Niemegk (28,8): 20,0 km
Anschlusstelle Niemegk (28,8) - Anschlusstelle Köselitz (51,0): 22,2 km
 
Das liegt vielleicht daran, dass das 2 Routen über je 2 Punkte sind. Er wollte aber 2 Routen über je drei Punkte. Wenn man die Routen zusammenfügt erhält man aber schon eine solche.

Außerdem hat er ein Schlupfloch eingebaut: Es müssen "sinnvolle Stationen" sein. Was immer das heißt.
 
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