Mutmaßl. und tatsächl. röm. Streckenverläufe/Fundplätze n.d. 9-/10-Leugen-Hypothese

Im vorstehenden Beispiel ist klar definiert:

- die Linie, an der gesucht wird (hier ausdrücklich: Limes = Grenze. Irgendwelche Straßenverbindungen kreuz und quer bleiben außen vor)
- die Art des Bauwerks (hier ausdrücklich: Kastelle. Wachtürme und sonstige beliebige Bauwerke bleiben außen vor)
- die Zeitstellung (hier ausdrücklich: Kastelle, die um 300 erbaut wurden, also diokletianisch/konstantinische Zeit)

Es ergibt sich ein ziemlich logisches System, wobei die Tagesmarsch-Distanzen möglicherweise nur ein Nebenprodukt sind, denn vor allem wurden die "Nadelöhre" Konstanz und Bregenz gesichert, außerdem der Punkt, wo der Bodensee in den Hochrhein übergeht (Stein am Rhein).

Am Bodensee waren keine Wachtürme erforderlich, dafür hat man den Hochrhein mit einer Turmkette gesichert. Die Steintürme sind zwar wohl alle aus valentinianischer Zeit, doch gibt es Befunde, die für eine ältere konstantinische Turmkette sprechen:

[FONT=Verdana, sans-serif]"Der beim Turm Schwaderloch-Oberes Bürgli beobachtete Befund und die Funde in Rheinsulz-Sulz, Wallbach-Stelli oder Rheinfelden Pfärichgraben haben zur Vermutung Anlass gegeben, dass die valentinianische Kette steinerner Wachttürme zwischen Basel und Stein am Rhein eine konstantinische Vorgängerin aus Holz hatte"[/FONT]
[FONT=Verdana, sans-serif]http://www.academia.edu/15389617/%C3%9Cberlegungen_zur_Rekonstruktion_der_H%C3%B6he_valentinianischer_Wachtt%C3%BCrme_am_Hochrhein_anhand_von_Sichtbarkeitsanalysen[/FONT]




[FONT=Verdana, sans-serif]Und nun ein Spaß-Gegenbeispiel:[/FONT]
[FONT=Verdana, sans-serif]- Von einem Punkt aus wird in alle Richtungen gesucht, nachweisbare limites oder viae sind egal.[/FONT]
[FONT=Verdana, sans-serif]- Es zählen alle Spuren römischer Besiedlung, die Art des Bauwerks ist egal.[/FONT]
[FONT=Verdana, sans-serif]- Die Zeitstellung ist egal.[/FONT]
[FONT=Verdana, sans-serif]- Das einzige, was zählt, ist eine vorgegebene Distanz (in diesem Fall natürlich meine "8-Leugen-Theorie")[/FONT]


[FONT=Verdana, sans-serif]Das Ergebnis:[/FONT]

Basel - Vicus Sierentz: 8 Leugen
Basel - Villa rustica Bettenach: 8 Leugen (ganz "exakt"!)
Basel - Cambete: 8 Leugen (na ja, fast)
:banana:






[FONT=Verdana, sans-serif]
[/FONT]
 
Zuletzt bearbeitet:
Näheres zum vicus in Lahr-Dinglingen siehe hier:

http://www.academia.edu/7169388/Der_r%C3%B6mische_vicus_von_Lahr-Dinglingen._Vorbericht_zu_einem_geplanten_Auswertungsprojekt

Alle Beispiele belegen, dass Straßenstationen in deutlich kürzeren Abständen als 20 km angelegt wurden.

Auch zu Lahr-Dinglingen noch ein Spaßbeispiel:

Vicus Dinglingen - Villa Rustica Herbolzheim: 8 Leugen
Herbolzheim - Bottingen (Villa Rustica): 8 Leugen

:banana:
 
Entlang des Rheins standen solche Kastelle in Basel (Basilia), Kaiseraugst (Castrum Rauracense), Bad Zurzach (Tenedo) und Stein am Rhein (Tasgetium). Zur Sicherung der Verkehrsachsen wurden im Hinterland Befestigungen errichtet, so etwa in Olten, Liestal, Frick, Brugg-Altenburg, Baden, Zürich, Kloten, Oberwinterthur und Pfyn.
http://www.archaeologie.bl.ch/Pages/Flyer/muttenz_hard.pdf

Wir können uns auch noch die Hauptverkehrsachse im Hinterland ansehen.
Da sich konstantinischer und valentinianischer Zeithorizont nicht immer sicher unterscheiden lassen, gehe ich diesmal vom valentinianischen Zeithorizont aus.
Militärische Kleinfestungen/Kleinkastelle zählen mit.

Das wäre die ganze Route:

[FONT=Verdana, sans-serif]Bregenz - Arbon: ca. 28 km [/FONT]
[FONT=Verdana, sans-serif]Arbon - Pfyn: ca. 39 km [/FONT]
Pfyn - Oberwinterthur: ca. 20 km (!)
Oberwinterthur - Kloten: ca. 17,8 km (!!)
Kloten - Windisch: ca. 30 km
(Windisch - Brugg-Altenburg: ca. 2 km)
(Brugg-Altenburg - Frick: ca. 14 km)

Windisch - Frick: ca. 16 km
Frick - Mumpf: ca. 10 km
(Mumpf - Rheinfelden: ca. 12 km)
(Rheinfelden - Kaiseraugst: ca. 4 km)

Mumpf - Kaiseraugst: ca. 15 km
[FONT=Verdana, sans-serif]Kaiseraugst - Basel: ca. 11 km

Die Distanzen sind ganz variabel und ergeben beim besten Willen kein "System".


[/FONT]
 
@Sepinola

Ich glaube du kannst aufhören, die ganzen Strecken abzuschreiten!
Es wurden hier schon so viele Strecken vorgestellt, die gegen die strikte "9/10 Leugen" Theorie sprechen, dass ein ergebnisoffener Forschergeist es eigentlich begriffen haben müsste.
Falls nicht, so hilft eine Auflistung weiterer Strecken auch nicht mehr. :grübel:
 
[FONT=Verdana, sans-serif]
Die Distanzen sind ganz variabel und ergeben beim besten Willen kein "System".
[/FONT]

Klar doch. Ein System ergeben sie dann, wenn du nur die Orte berücksichtigst, die in das gewünschte System passen. Egal ob 9/10 Leugen, 8 Leugen oder 3242,3 genormte Legionärsschritte oder was auch sonst.

Ansonsten volle Zustimmung zu dem, was Xander geschrieben hat.
 
Aber der Thread hat doch auch sein Gutes: Ohne Divicos These würden wir doch niemals Quellen wie die Peutingertafel oder den Antoninusitinerar kritisch beschauen. So manche römische Fundstätte würde niemals in die Forendiskussion eingebracht werden, außer vielleicht mal von einem Lokalisten. Wir hatten Gelegenheit über die römische Legion zu diskutieren über den Tross und das Verhältnis der beiden zueinander. :winke:
 
Stimmt. Jetzt müssen wir nur noch klären warum eine römische Leuge als ein Zehntel der Distanz von 15 römischen Meilen = 22,22 km definiert wurde, dann haben wir es geschafft. Was machte die in der Größenordnung einem Tagesmarsch entsprechende Distanz von 22,22 km so besonders für die Römer?
 
Stimmt. Jetzt müssen wir nur noch klären warum eine römische Leuge als ein Zehntel der Distanz von 15 römischen Meilen = 22,22 km definiert wurde, dann haben wir es geschafft.

Falls das nicht ironisch gemeint war, nochmal die Fakten in Kurzfassung:

Man hat eine Leuge als 1.500 Schritt definiert.

2 Leugen = 3 Meilen, das lässt sich relativ einfach im Kopf umrechnen.

Was machte die in der Größenordnung einem Tagesmarsch entsprechende Distanz von 22,22 km so besonders für die Römer?

Ein Tagesmarsch (kein Eilmarsch!) betrug laut Vegetius 20 Meilen = 29,6 km.

Zelte und Schanzzeug wurden mit Maultieren transportiert, die konnten da gut mithalten.

Die Leuge hatte mit dem Militär nie etwas zu tun, sie kam in der zivilen Lokalverwaltung auf.

Es gibt bisher keinen Beleg, dass eine Distanz von 22,22 km für die Römer etwas Besonderes war.

Punkt.
 
Die Frage ist ja warum überhaupt die Leuge eingeführt wurde. Was ließ sich mit der Leuge einfacher berechnen als mit der Meile? Falls 10 Leugen ein Tagesmarsch gewesen wäre wäre die Berechnung der Dauer des gesamten Weges der Reise natürlich sehr einfach geworden, das hätte dann auch der mathematisch wenig Begabte an 2 Händen abzählen können.

Durch unsere Diskussion bin ich aber auch zu der Meinung gekommen, dass ein 9/10 Leugen System bzw. ein 13,5/15 Meilen System eher auf zivile Anforderungen abgestimmt gewesen wäre, nach dem Aufbruch zur Tagesetappe am Morgen wäre ein Reisender nach 22,22 km am (frühen) Nachmittag am Ziel / der Straßenstation gewesen und hätte dann noch mehrere Stunden Zeit gehabt, etwas zu essen aufzutreiben, bevor die Dunkelheit einbrach.
 
Ich glaube du kannst aufhören, die ganzen Strecken abzuschreiten!
Ich mache es aus Spaß. Man entdeckt ja immer wieder etwas Interessantes dabei.

Es wurden hier schon so viele Strecken vorgestellt, die gegen die strikte "9/10 Leugen" Theorie sprechen

Es gibt keine strikte "9/10 Leugen"-Theorie. Die letzte Wischi-Waschi-Fassung seiner "Theorie", die Divico zu entlocken war, besagt, dass an einer nicht definierten Anzahl von römischen Straßen nicht definierte Stationen (z. B. touristischer oder militärischer Art) in einem nicht definierten Idealfall 9 oder auch 10 Leugen voneinander entfernt sein konnten.

Da auf jeder beliebigen Straße, die länger als 20 km ist, immer irgendwelche Punkte 20 km voneinander entfernt sind, besagt diese "Theorie" erst einmal gar nichts.

Und sogar wenn sich nach Vermessung aller denkbaren Distanzen herausstellen würde, dass kein einziges Messergebnis von 20 oder 22,2 km zu erzielen ist (was eigentlich nur bei einer Straße denkbar ist, deren Gesamtlänge weniger als 20 km beträgt), wäre die "Theorie" noch lange nicht widerlegt, denn sie sagt ja nur: "im Idealfall".

Denn auch wenn keine einzige Etappe auch nur annähernd stimmt, kann man den Erbauern immer noch unterstellen, sie hätten zwar das Ideal immer angestrebt, nur halt aufgrund irgendwelcher nicht idealer Bedingungen nie erreicht.
 
Die Frage ist ja warum überhaupt die Leuge eingeführt wurde.
Das ist eine gute Frage, und damit haben sich seit über 150 Jahren (schon vor Mommsen) viele kluge Leute befasst, aber es gibt keine restlos befriedigende Antwort darauf. Siehe hier.


Was ließ sich mit der Leuge einfacher berechnen als mit der Meile?
Nichts.

Durch unsere Diskussion bin ich aber auch zu der Meinung gekommen, dass ein 9/10 Leugen System bzw. ein 13,5/15 Meilen System eher auf zivile Anforderungen abgestimmt gewesen wäre
Wozu wäre das gut gewesen?

Gern noch ein drittes Mal:

Bei Gaius (Jurist des 2. Jh.) findet sich die Bestimmung "Vicena milia passuum in singulos dies dinumerari praetor iubet" - d. h. wenn jemand vor Gericht zu erscheinen hatte, wurden die Fristen in Tagesetappen von 30 km (20 m. p.) pro Tag berechnet.

Wer vor Gericht zu erscheinen hatte und 40 Meilen (60 km) vom Gerichtsort entfernt war, bekam eine Frist von 2 Tagen. Wenn es genau alle 20 km eine Herberge gibt, muss der Reisende die zwei Tagesetappen auf 20 + 40 km aufteilen.


am Ziel / der Straßenstation gewesen und hätte dann noch mehrere Stunden Zeit gehabt, etwas zu essen aufzutreiben, bevor die Dunkelheit einbrach.
An einer ordentlicher Straßenstation/Herberge sollten irgendwo Lebensmittel gelagert sein. In der Regel sind sie so gelagert, dass ein Reisender nicht einen halben Tag braucht, um herauszufinden, wo es etwas zu essen gibt.
 
Ich mache es aus Spaß. Man entdeckt ja immer wieder etwas Interessantes dabei.



Es gibt keine strikte "9/10 Leugen"-Theorie. Die letzte Wischi-Waschi-Fassung seiner "Theorie", die Divico zu entlocken war, besagt, dass an einer nicht definierten Anzahl von römischen Straßen nicht definierte Stationen (z. B. touristischer oder militärischer Art) in einem nicht definierten Idealfall 9 oder auch 10 Leugen voneinander entfernt sein konnten.

Da auf jeder beliebigen Straße, die länger als 20 km ist, immer irgendwelche Punkte 20 km voneinander entfernt sind, besagt diese "Theorie" erst einmal gar nichts.

Und sogar wenn sich nach Vermessung aller denkbaren Distanzen herausstellen würde, dass kein einziges Messergebnis von 20 oder 22,2 km zu erzielen ist (was eigentlich nur bei einer Straße denkbar ist, deren Gesamtlänge weniger als 20 km beträgt), wäre die "Theorie" noch lange nicht widerlegt, denn sie sagt ja nur: "im Idealfall".

Denn auch wenn keine einzige Etappe auch nur annähernd stimmt, kann man den Erbauern immer noch unterstellen, sie hätten zwar das Ideal immer angestrebt, nur halt aufgrund irgendwelcher nicht idealer Bedingungen nie erreicht.

Das hieße dann doch, die Theorie ist bewiesen, wenn 2 Standorte zu finden sind, die 9 oder 10 Leugen voneinander entfernt sind. Ich bin sicher, irgendwo von so einem Fall gelesen zu haben.

Aber es hieße auch, dass die Hypothese zu keinem weiteren Erkenntnisgewinn führt. Sie besagte ja nichts weiter als Es existiert vielleicht ein Fall, in dem gilt...

Damit wird aber die Diskussion zur Zeitverschwendung.

Oder geht es noch um die Priester? Zur Not kann man denen meine geträumten Adler ernsthaft entgegenhalten. Im Gegensatz zu einer kultischen Tagesreise sind die wenigstens in römischen Quellen erwähnt.
 
Ein Tagesmarsch (kein Eilmarsch!) betrug laut Vegetius 20 Meilen = 29,6 km.
Wobei Vegetius auch kein Militär war. Er ist gewissermaßen mit dem Auftrag, sein Militärhandbuch zu schreiben wie die Jungfrau zum Kinde gekommen.

Die Frage ist ja warum überhaupt die Leuge eingeführt wurde. Was ließ sich mit der Leuge einfacher berechnen als mit der Meile?

Es gab ja mehr als nur die eine Leuge. Die literarisch überlieferte Leuge wurde offenbar "romanisiert", nämlich an das Meilensystem angepasst. Die anhand von Leugensteinen überlieferten Leugen und auch die nationalen Leugen differieren z.T. erheblich, wobei bei letzteren die Frage ist, ob das seine Wurzel im Leugengebrauch der römischen Antike hat oder eine rezentere Entwicklung ist. Was die Frage der "Einführung" der Leuge angeht, so würde ich behaupten, dass sie nicht eingeführt wurde sondern für die keltische Bevölkerung immer existent war.

Durch unsere Diskussion bin ich aber auch zu der Meinung gekommen, dass ein 9/10 Leugen System bzw. ein 13,5/15 Meilen System eher auf zivile Anforderungen abgestimmt gewesen wäre, nach dem Aufbruch zur Tagesetappe am Morgen wäre ein Reisender nach 22,22 km am (frühen) Nachmittag am Ziel / der Straßenstation gewesen und hätte dann noch mehrere Stunden Zeit gehabt, etwas zu essen aufzutreiben, bevor die Dunkelheit einbrach.
Nur hat die Diskussion ergeben, dass es weder militärisch noch zivil genormte Abstände gab, was die Mehrheit auch kaum überrascht haben dürfte.
 
Oder geht es noch um die Priester? Zur Not kann man denen meine geträumten Adler ernsthaft entgegenhalten. Im Gegensatz zu einer kultischen Tagesreise sind die wenigstens in römischen Quellen erwähnt.
Gerade wollte ich auf die Adler eingehen, da fällt mir noch etwas anderes Ernsthaftes ein:

Der Vorgang als kultische Handlung geht auf die Etrusker zurück

Da ist an den Wiki-Artikel wohl auch ein großes Fragezeichen zu setzen:

Die besondere Form der römischen Städtegründungen mit ihrer - von Fachleugen (agrimensores) vorgenommenen - rechteckigen, schachbrettartigen Aufmessung des Stadt- und Siedlungsgebietes (lat. limitatio) stammt indessen nicht, wie von der älteren Forschung vielfach angenommen, von den Etruskern, sondern wurde von den Griechen Unteritaliens und Siziliens übernommen, für die entsprechende Stadtpläne bis ins späte 8. Jh. nachgewiesen worden sind"
Jochen Bleicken, Geschichte der römischen Republik
 
Gern noch ein drittes Mal:

Bei Gaius (Jurist des 2. Jh.) findet sich die Bestimmung "Vicena milia passuum in singulos dies dinumerari praetor iubet" - d. h. wenn jemand vor Gericht zu erscheinen hatte, wurden die Fristen in Tagesetappen von 30 km (20 m. p.) pro Tag berechnet.

Wer vor Gericht zu erscheinen hatte und 40 Meilen (60 km) vom Gerichtsort entfernt war, bekam eine Frist von 2 Tagen. Wenn es genau alle 20 km eine Herberge gibt, muss der Reisende die zwei Tagesetappen auf 20 + 40 km aufteilen.

Galt das für Bauern oder für Adelige mit Pferd? Und was hat das mehr oder weniger lokale Erscheinen vor Gericht mit einer längeren Reise mit Maultieren/Warentransport zu tun? Verallgemeinerungen sind wenig zielführend.

An einer ordentlicher Straßenstation/Herberge sollten irgendwo Lebensmittel gelagert sein. In der Regel sind sie so gelagert, dass ein Reisender nicht einen halben Tag braucht, um herauszufinden, wo es etwas zu essen gibt.

Das hört sich so an als ob es auch für den nicht so betuchten Reisenden so einfach gewesen wäre wie zum Mc Burger zu gehen. Nun mussten die Maultiere ja auch noch irgendwo geweidet werden. Stelle ich mir das mal wieder alles viel zu kompliziert vor?
 
Wobei Vegetius auch kein Militär war. Er ist gewissermaßen mit dem Auftrag, sein Militärhandbuch zu schreiben wie die Jungfrau zum Kinde gekommen.
Vegetius musste als Verfasser eines Militärhandbuchs damit rechnen, dass das Buch von Leuten mit Militärerfahrung gelesen wird.
D. h. er konnte sich nicht irgendwelche Zahlen aus dem Finger saugen, sondern musste vertrauenswürdige Auskünfte einholen.

Legionäre mussten in der Lage sein, an einem Tag 30-36 km zurückzulegen. Als Durchschnitt auf Langstrecken war das nicht zu halten, da ist mit Ruhetagen zu rechnen. Und eine Zenturie setzt sich natürlich schneller in Marsch als eine komplette Legion.

Für Fußgänger ohne schweres Marschgepäck sind höhere Tagesleistungen überliefert. Laut Procopius war die Via Appia von Rom bis Capua (an die 200 km) in fünf Tagesetappen zu schaffen, also an die 40 km pro Tag:

The Project Gutenberg eBook of Procopius' History of the Wars, Books V And VI: The Gothic War, by Procopius.

Galt das für Bauern oder für Adelige mit Pferd?
Mit Pferd war man deutlich schneller. Laut Prokop bis zu zehnmal schneller als zu Fuß.

Verallgemeinerungen sind wenig zielführend.
Richtig, darum sind "Normabstände" ja auch Quatsch.

Zu differenzierten Geschwindigkeiten gern noch ein drittes Mal für Dich:
http://www.geschichtsforum.de/760178-post326.html


Nun mussten die Maultiere ja auch noch irgendwo geweidet werden.
Ja, wer sich ein Maultier leistete, musste sich auch das Futter für das Maultier leisten können.


Es hat sich übrigens eine recht originelle Inschrift aus Aesernia (Iserna), einer Ortschaft in Süditalien erhalten, die Auskunft über Preise auch für für sexuelle Dienstleistungen gibt und sich heute im Louvre befindet.

Ein Reisender namens L. Calidius Eroticus ist im Kapuzenmantel abgebildet, der ein Muli am Zügel hält und mit der Wirtin (copo) abrechnet:

"Die Rechnung, Wirtin!"
"Das macht 1 As für einen sextarius Wein und Brot; 2 Asse für die Extraportion"-- "Ist in Ordnung!"
"Die Kellnerin (puella) kostet 8 Asse"--ist auch in Ordnung."--
"Das Heu für dein Muli 2 As"--
"Dieses Maultier frißt mich noch arm."

Diese Inschrift ist so bekannt, dass sie in nahezu jedem Buch abgebildet oder zitiert ist, wo sie auch nur Ansatzweise reinpasst. Es ist eine Grabinschrift, die der Mann - mit dem netten Namen Lucius Calidus Eroticus - für sich und seine Liebste Fannia gemacht hat.
Was wohl seine Liebste gedacht haben mag angesichts des erwähnten Mädchens :grübel:
Hier noch eine Abbildung des Steins:
page7_1.jpg

Edit: Telas Link geht nicht mehr.
http://images.rapgenius.com/2bcf9d9dcf9b1dc83579efdb9e43dde9.389x568x1.jpg
 
Zuletzt bearbeitet:
Vegetius musste als Verfasser eines Militärhandbuchs damit rechnen, dass das Buch von Leuten mit Militärerfahrung gelesen wird.
D. h. er konnte sich nicht irgendwelche Zahlen aus dem Finger saugen, sondern musste vertrauenswürdige Auskünfte einholen.

Ich bin davon überzeugt, dass er es nach/mit bestem Wissen und Gewissen schrieb.

Legionäre mussten in der Lage sein, an einem Tag 30-36 km zurückzulegen. Als Durchschnitt auf Langstrecken war das nicht zu halten, da ist mit Ruhetagen zu rechnen. Und eine Zenturie setzt sich natürlich schneller in Marsch als eine komplette Legion.
Ohne Frage.

Mit Pferd war man deutlich schneller. Laut Prokop bis zu zehnmal schneller als zu Fuß.
Wobei Prokop, glaube ich, die Meldereiter meint, also diejenigen welche tatsächlich Zugriff auf die Pferde der Mutationes hatten.
 
Wobei Prokop, glaube ich, die Meldereiter meint, also diejenigen welche tatsächlich Zugriff auf die Pferde der Mutationes hatten.

Ganz klar.

Die Stelle in englischer Übersetzung:

As a day's journey for an active man, they decided on eight stages in some places, in others less, but hardly ever less than five. Forty horses were kept for each stage, and grooms in proportion to the number of horses. By frequent relays of the best mounts, couriers were thus able to ride as long a distance in one day as would ordinarily require ten, and bring with them the news required.
Internet History Sourcebooks Project

Vorausgesetzt sind also häufige Pferdewechsel und die besten Pferde.

Das war sicher ein Rekordtempo.

Ein ähnliches Rekordtempo ist vom legendären Pony-Express überliefert: Ca. 3100 km in 7 Tagen 17 Stunden, also 400 km am Tag.
 
Zuletzt bearbeitet:
Der Tagesmarsch ist eher durch die menschliche Leistungsfähigkeit begrenzt, als durch das Tageslicht. Ein trainierter Wanderer mag allein und mit leichtem Gepäck regelmäßig auf 50km kommen. Also, ein Leistungsträger, wie professionelle Pilger des Mittelalters oder die Wehrmacht, solange sie von Fahrzeugen unterstützt wird, die Gulaschkanone pünktlich funktioniert und regelmäßig Wasser gereicht wird. Aber das sind Fälle, die es wohl so im Römischen Reich nicht gab.

Rechnen wir mit 6km die Stunde. Dann sind 30 km 5 Stunden. Da bleibt genügend Tageslicht um Tiere zu versorgen, Fahrzeuge zu sichern und im Zweifel kann sogar noch selbst gekocht werden.

Sagen wir 12 Stunden Tageslicht und 5km die Stunde. Das wären sensationelle 60km. Mit den, wenn ich es richtig im Kopf habe, 6,5 km der Bundeswehr wären es 78 km. Ich denke, die meisten hören irgendwo bei 20-30km auf, weil sie erschöpft sind, nicht weil sich der Tag zu Ende neigt. Clausewitz schrieb von 3-4 Meilen (zu 7,532,5 km, also 22,5975-30,13 km), 10 Leugen wären auf einer vorbereiteten Strecke also ein recht kurzer Tagesmarsch. Es sei denn, der Legionär wäre weniger leistungsfähig gewesen als Preussische Landwehr.

Alles keine antiken Werte, aber die Regel mit Zeit mal Geschwindigkeit hat sich nicht verändert. Denn es ging mir hier darum zu zeigen, dass man für einen normalen Tagesmarsch nicht das gesamte Tageslicht benötigte. Der Rest ist Zugabe. ;)

Und beim Militär kommt hinzu, dass sich Formationen recht schwerfällig bewegen, mit Stockungen zu rechnen ist, und nicht alle gleichzeitig das Lager verlassen.

(Und wer die Strecke Rom-Capua in 4 oder 5 Tagen zu Fuß schaffte, hat sich danach ausgeruht.)
 
Zuletzt bearbeitet:
Man könnte manchmal den Eindruck haben, die römischen Legionen seien die ganze Zeit nur ziellos umhermarschiert, wenn man unsere Diskussion verfolgt. Was aber sicher ist, ist, dass die römischen Legionäre keine Couchpotatos waren und in der frühkaiserzeitlichen Berufsarmee auch entsprechend trainiert.
 
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