Mythologie im Christentum

hyokkose schrieb:
Es ist einfach die bei weitem plausibelste Erklärung.

Natürlich könnte der Text auch auf einem Fake beruhen. Auch die Schriften eines Flavius Josephus könnten ingesamt auf einem Fake beruhen - die Originale sind schließlich verschollen. Und dasselbe gilt von nahezu allen Texten aus der Antike.

Na die Werke des Falvius Josephus sind derart umfangreich, dass es zumindest ein sehr umfangreicher Fake wäre.

In diesem Fall handelt es sich um 17 Sätze. Die Färbung des Textes ist nicht nur wegen des Schlusswortes deutlich prochristlich. Und ich weiß nichts über den prochristlichen Bearbeiter, geschweige denn über das röm. Original.

Versteh mich bitte nicht falsch, ich will nicht anzweifeln, dass der text auf einem röm. Original beruht, mich interessiert, wie man zu dem Schluss kommt.

Ist es nicht mndestens ebenso wahrscheinlich, dass jemand der dortigen Christen miterleben musste wie seine Brüder hingerichtet wurden und daraufhin den Prozess rekonstruiert hat, um die Standhaftigkeit seiner Brüder mit seinem Zeugnis zu rühmen? Dabei will ich ihm nicht unterstellen, dass er als vorsätzlicher Geschichtsfälscher agieren wollte. Er hat sich eben wirklich überlegt, was hinter den mauern bei dem Prozess vorgegangen sein muss, was schließlich zum Todesurteil führte.

Fraglos habe ich mir das jetzt so selbst zusammen gereimt. Und es gibt vielleicht gute Gründe, die GEGEN meine Hypothese sprechen.

Aber was spricht FÜR die Hypothese, dass es wirklich einen röm. Vorlage für den Text gab? Deine Antwort war mir da doch etwas zu oberflächlich "Es ist einfach die bei weitem plausibelste Erklärung." Das genügt mir nicht als Beleg.


Ich finde diese Frage allgemein sehr interessant, und nicht weil ich da irgendetwas hinter vermute. Für die zuletzt hier geführte Diskussion der außerchristlichen Quellen über Jesus ist es im Grunde unwichtig, da die Quelle ja nicht die Existenx von Jesus, sondern von ersten Märthyrern belegt.
 
alenga schrieb:
Na die Werke des Falvius Josephus sind derart umfangreich, dass es zumindest ein sehr umfangreicher Fake wäre.
Na und? Es gibt doch umfangreiche Fakes - man denke nur an die angeblichen Hitler-Tagebücher! Auszuschließen ist nichts.


alenga schrieb:
Versteh mich bitte nicht falsch, ich will nicht anzweifeln, dass der text auf einem röm. Original beruht, mich interessiert, wie man zu dem Schluss kommt.
Bis auf den Schluß handelt es sich um ein vorschriftsmäßiges Protokoll, mit Datum, Ort, Namen und Titel des Verhörenden; die Entscheidung wird schriftlich verkündet und anschließend veröffentlicht. Das Verhör ist aus römischer Sicht fair; den Beschuldigten wird sogar eine dreißigtägige Bedenkzeit eingeräumt, die allerdings von ihnen nicht genutzt wird.


alenga schrieb:
Ist es nicht mndestens ebenso wahrscheinlich, dass jemand der dortigen Christen miterleben musste wie seine Brüder hingerichtet wurden und daraufhin den Prozess rekonstruiert hat, um die Standhaftigkeit seiner Brüder mit seinem Zeugnis zu rühmen? Dabei will ich ihm nicht unterstellen, dass er als vorsätzlicher Geschichtsfälscher agieren wollte. Er hat sich eben wirklich überlegt, was hinter den mauern bei dem Prozess vorgegangen sein muss, was schließlich zum Todesurteil führte.
Deine "Hypothese" erklärt den Sachverhalt nicht, sondern wirft mehr Fragen auf, als sie beantwortet:
Warum hat er dann nicht den ganzen Prozeß rekonstruiert?
Warum hat er über die Hinrichtung selber nichts berichtet?
Warum hat er überhaupt die Form eines Protokolls gewählt, anstatt einfach den Prozeß so zu erzählen? (Vorlagen hätte er ja gehabt, man denke nur an den Prozeß Jesu, wie ihn die Evangelien schildern.)
 
hyokkose schrieb:
Na und? Es gibt doch umfangreiche Fakes - man denke nur an die angeblichen Hitler-Tagebücher! Auszuschließen ist nichts.

Bis auf den Schluß handelt es sich um ein vorschriftsmäßiges Protokoll, mit Datum, Ort, Namen und Titel des Verhörenden; die Entscheidung wird schriftlich verkündet und anschließend veröffentlicht. Das Verhör ist aus römischer Sicht fair; den Beschuldigten wird sogar eine dreißigtägige Bedenkzeit eingeräumt, die allerdings von ihnen nicht genutzt wird.

Deine "Hypothese" erklärt den Sachverhalt nicht, sondern wirft mehr Fragen auf, als sie beantwortet:
Warum hat er dann nicht den ganzen Prozeß rekonstruiert?
Warum hat er über die Hinrichtung selber nichts berichtet?
Warum hat er überhaupt die Form eines Protokolls gewählt, anstatt einfach den Prozeß so zu erzählen? (Vorlagen hätte er ja gehabt, man denke nur an den Prozeß Jesu, wie ihn die Evangelien schildern.)
Lieber Hyokkose,
ich will mich zu meiner Hypothese gerne nochmal selber zitieren, um Missverständnisse auszuräumen und erklären, warum ich gar nicht beabsichtige die Hypothese weiter zu verteidigen.
Alenga schrieb:
Fraglos habe ich mir das jetzt so selbst zusammen gereimt. Und es gibt vielleicht gute Gründe, die GEGEN meine Hypothese sprechen.

Aber was spricht FÜR die Hypothese, dass es wirklich einen röm. Vorlage für den Text gab? Deine Antwort war mir da doch etwas zu oberflächlich "Es ist einfach die bei weitem plausibelste Erklärung." Das genügt mir nicht als Beleg.
Ich verstehe dich sicher richtig, dass du den Beweis eines röm. Originals einzig darin siehst, dass der text in einem Protokollstil verfasst ist und der röm. Prokonsul darin durchaus mit Respekt mit den Angeklagten spricht und ihnen sogar eine Bedenkzeit einräumen will. letzteres finde ich auch bemerkenswert, zumal wir uns ja einig darüber sind, dass ein christlicher Autor den text überpoliert hat mit seinem Schlusssatz und durchaus die Möglichkeit gehabt hätte, etwas mehr Schärfe in die Formulierungen des Prokonsuls zu bringen, um ihn in ein schlechteres Licht zu rücken. Er hat es nicht getan und vielleicht war das ein sehr schöner rhetorischer Trick. Brutus war ja in der Grabrede des Marc Anton in Shakespears "Caesar" auch ein "ehrenhafter Mann".
 
alenga schrieb:
Ich verstehe dich sicher richtig, dass du den Beweis eines röm. Originals einzig darin siehst...

Von "Beweis" habe ich nichts geschrieben. Das eine ist plausibel, das andere nicht - oder allenfalls nach der Logik einer Verschwörungstheorie (Motto: "Da sieht man mal wieder, was für raffinierte Fälscher am Werk waren...")
 
Als Historiker muß man immer alle Möglichkeiten in Betracht ziehen. Was spricht für eine These, was spricht dagegen? Einfach Behauptungen aufstellen geht nicht. Ich versuche also einfach mal, den Fälscher genauer einzugrenzen - vielleicht ist es ja plausibel...

Hyokkose hat schon eine lange Latte von Argumenten, die eine Seite wahrscheinlicher machen aufgezählt. Ein paar möchte ich noch hinzufügen: Tertullian (160-220) berichtet, dass in Scilli zwölf Christen - genau wie im Text - hingerichtet wurden und Augustinus betitelt einen seiner Sermones mit dem himmlischen Geburtstag eben jener Märtyrer. Es gibt also mehrere Quellen, die auf eine tatsächliche Hinrichtung hinweisen - die Geschichte ist also nicht ganz erfunden. Viel wichtiger ist jedoch: Das Protokoll folgt exakt den Vorschriften des römischen Rechts.

Sollte es eine Fälschung sein, müßte der Fälscher diese also gekannt haben. Das schließt eine sehr späte Fälschung (nach 500) schon aus, da dann das Wissen in weiten Teilen Europas verloren gegangen ist (außer in Byzanz) und erst nach 1070 so langsam in einigen Codices wiederentdeckt wurde. Außerdem müßte er das Edikt Trajans (ca. 110) gekannt haben, dass in solchen Prozessen eine 30-tägige Bedenkzeit gewährt werden muss (wir kennen es aus den Plinius-Briefen). Es handelt sich also nicht um eine "sympathische Geste" des Richters, sondern um eine juristische Notwendigkeit. Deshalb wiederholt es der Prokonsul auch noch in seiner (juristisch notwendigen) abschließenden Formel. Wie wahrscheinlich ist es außerdem, dass jemand das nicht mehr gültige "tote Recht" der Christenverfolgung nach dem Edikt von Mailand (plus ein Lebensalter) kennt?

Dann müßte der Fälscher nicht nur das römische Recht und Tertullian gekannt haben, sondern auch Wissen über die römische Konsulsfolge, die Präfekten in Nordafrika und den römischen Kalender im Allgemeinen zur Datierung gehabt haben. Wo könnte dieses Wissen in der Zeit zwischen 180 und 500 (wo es noch sehr wahrscheinlich erhalten war) und der Zeit nach 1000 vorhanden gewesen sein? Außerdem muß er sich in Nordafrika ausgekannt haben, denn die genaue Lage von Scillium ist meines Wissens heute noch unbekannt. Warum hat er nicht eine bekanntere Stadt genommen? Karthago wäre naheliegener... Oder eine Stadt, die später noch im Christentum von Bedeutung war und nicht einen Ort im später islamischen Nordafrika?

Nachdem Speratur auch nur eine Sammlung von Liberi et epistulae Pauli viri iusti dabei hatte, ist außerdem eine Entstehung vor der Kodifizierung des Neuen Testaments wahrscheinlich, da man nachher nur vom Gesamtwerk oder zumindest einem Evangelium gesprochen hätte. Außerdem handelt es sich bei dem im Text verwendeten Latein noch um ein relativ "reines", sprich frühes Latein, dass keinesfalls von einem durchschnittlichen Mittellatein-Schreiber angefertig werden konnte.

Unter den oben genannten Einschränkungen kann der Fälscher nur relativ kurz nach dem Martyrium, wohl in Nordafrika die Fälschung angefertigt haben. Unter dieser Annahme ist es auch gut möglich, dass ihm auch das (tatsächlich angefertigte) Protokoll zugänglich war. Und dann bleibt immer noch die Frage, warum er dieses nicht in eine "richtige" Geschichte umgewandelt hat? Dass das Protokoll nämlich in eine vorzutragende Form leicht ergänzt wurde, hat ja bisher niemand in Frage gestellt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Schini schrieb:
Als Historiker muß man immer alle Möglichkeiten in Betracht ziehen. Was spricht für eine These, was spricht dagegen? Einfach Behauptungen aufstellen geht nicht. Ich versuche also einfach mal, den Fälscher genauer einzugrenzen - vielleicht ist es ja plausibel...
Das will ich meinen!! Wie ja schon erwähnt, willl ich NICHT (verschwörungstheoreisch) meine schnell aufgestellte Hypothese verteidigen. Sie diente nur dem Zweck zu hinterfragen, auf welchen historischen Quellen die Gegenhypothese einer existerenden röm. Originalquelle fußt.

Diese hast du durchaus eindrucksvoll offengelegt - vor allem die Hinweise auf die konkreten typisch römische Protokollarstile, die wohl nur ein römischer Beamter verwendet hätte.

Hab dank für deine lehrreiche Aufklärung! Du hast mich überzeugt, dass es recht wahrscheinlich ist, dass der Text tatsächlich auf einem röm. Gerichtsprotokoll basieren muss.

Eines noch, ich habe keine mutwillige Fälschung - womöglich erst Jahrhunderte später -unterstellt, sondern habe überlegt, wie ein christlicher Zeitgenosse die Situation erlebt haben könnte, der ganz nah am Geschehen war und schmerzvoll zusehen musste, wie seine christlichen Brüder und Schwestern durch die Römer verurteilt und hingerichtet wurden. Da er ihren tod nicht verhindern konnte, blieb ihm nur die Möglichkeit von dem Geschehenen zu protokollieren, um seinen Mitgläubigen zu zeigen, wie unerschütterlich und unsterblich der Glaube an Gott macht.
 
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