Nach Vouillé: Ostgotische Suprematie über die Westgoten

Das ist es ja gerade. Diese Inschrift ist im Prinzip dieeinzige Quelle, die ein Verständnis von einem Hinausgreifen der westgotischen Herrschaft (nicht von Plünderzügen) über das Ebrotal hinaus rechtfertigen würde.
Damit ist ja ein arges Dilemma angesprochen:
- infolge von Vouille 507 wurde das tolosanische Westgotenreich ziemlich zusammengeschoben (Gebietsverluste) und man weiß nicht, wie weit es auf die hispanische Halbinsel reichte
- ab 568 (Leovigild) ist die Situation in Spanien dann eine andere

507 waren die Westgoten die Verlierer, und runde 60 Jahre später stehen sie als Gewinner in Spanien - folglich können sie nicht auseinandergelaufen oder zerstreut worden sein (es sei denn, sie hätten sich unter Leovigil völlig neu formiert, aber das scheint mir weniger wahrscheinlich)

bzgl. der Zeit um 500: ich erinnere mich, irgendwo bei Wolfram gelesen zu haben, dass es in Spanien im Zusammenhang mit westgotischen Truppen (Ebrotal?) fürchterliche Ausschreitungen gegeben haben soll - weiß darüber jemand was?
 
Meinst du evtl. die Bagaudae?
ich komme nicht drauf - möglich, dass da eine gotische Strafexpedition gemeint war (ich kann das nicht nachschauen, weil ich nicht zuhause bin) - - gab es da Bagaudenaufstände, die von den Westgoten bekämpft wurden? und wenn ja, warum und in wessen Auftrag, oder waren das Aufstände evtl. gegen die Westgoten? oder Ausschreitungen im Zusammenhang mit der westgotischen Expansion nach Spanien?
 
Die Bagaudae waren eine Art sozialer Sammelbewegung von Steuerflüchtigen, entlaufenen Sklaven etc. Der Begriff stammt wohl aus dem Keltischen, die Bagaudae im Ebrotal wurden von den Westgoten um die Mitte des 5. Jhdts. im Auftrag des noch existierenden weströmischen Reiches bekämpft.
 
Die Bagaudae waren eine Art sozialer Sammelbewegung von Steuerflüchtigen, entlaufenen Sklaven etc. Der Begriff stammt wohl aus dem Keltischen
ja, auch in den gallischen Provinzen hatte das spät weströmische Reich Probleme mit den Bagaudae

die Bagaudae im Ebrotal wurden von den Westgoten um die Mitte des 5. Jhdts. im Auftrag des noch existierenden weströmischen Reiches bekämpft.
das wird es wohl gewesen sein - danke für die Datierung, daran hab ich mich nicht mehr erinnert; es war also eine Strafexpedition.

und natürlich gerne wieder zurück zur eigentlichen Frage: wo und wie sich die Westgoten nach Vouille reorganisierten und über welche Gebiete sie in dieser Zeit verfügten (auch ein geschlagenes, aber nicht vernichtetes Heer muss versorgt sein)
 
... dann gibt es keine Quelle, die ein Hinausgreifen der westgotischen Herrschaft über das Ebrotal hinaus anzeigt. Und selbst diese Städte waren eine Generation nach Eurich noch umkämpft.

Bist du wirklich sicher, dass du die gesamte Quellenlage im Zusammenhang der Westgoten mit dem Spanien des 5 Jh. kennst? :respekt:

Ich habe eben das verlässliche Standardwerk Handbuch der europäischen Geschichte zu Rate gezogen. Dort steht zu diesem Thema:

Mit Eurich (466-484 setzte sich bei den Westgoten wieder der Wille zur Verselbstständigung gegenüber Rom durch. Das in der Auflösung befindliche Westreich bot einem kraftvollen und aktiven, staatsmännisch begabten König wie Eurich ein ideales Feld für seinen Tatendrang ... Der Kaiser Anthemius vermochte zwar ... anfangs die römischen Provinzen in Gallien zu festigen, lenkte damit jedoch nur den westgotischen Expansionsstoß von neuem nach Spanien ... In kurzer Zeit brachte Eurich das swebische Vordringen zum Stehen ... Im Jahre 471 wurde Clermont zum erstenmal eingeschlossen ... Da Eurich gleichzeitig in Spanien Krieg führte, wo 472/73 auch die Tarraconensis nach dem Fall von Tarragona und einem Sieg über den Adel in der Provinz unter die Gewalt des Westgoten kam, konnten gegen Clermont nur geringere Kräfte eingesetzt werden ... Damit hatte das Westgotenreich seine größte Ausdehnung - von der spanisch-afrikanischen Meerenge bis zur Loire und den Alpen - erreicht.

(Reinhard Wenskus, Das tolosanische Westgotenreich, in: Handbuch der europäischen Geschichte, Band 1, Stuttgart 1976, S. 239 f.)
 
Zuletzt bearbeitet:
...Von einem drohenden Untergang der Westgoten ohne Theoderichs Eingreifen kann man kaum reden. Die angebliche Rettung der Westgoten durch diesen kann man auch dahingehend interpretieren, dass er versuchte, sich seinen Teil vom zerfallenden tolosanischen Reich zu sichern.
Natürlich wären sie nicht untergegangen ... sie wären nur dem Frankenreich einverleibt worden. Zu Deiner Interpretation, sich seinen Teil zu sichern, verweise ich auf meinen Post 103 (das Zitat).
 
Bist du wirklich sicher, dass du die gesamte Quellenlage im Zusammenhang der Westgoten mit dem Spanien des 5 Jh. kennst? :respekt:

Ich habe eben das verlässliche Standardwerk Handbuch der europäischen Geschichte zu Rate gezogen. Dort steht zu diesem Thema:

Du weißt doch, nicht die Autorität, Wenskus als unbestrittener Fachmann in einem Fachartikel im HeG, sondern die Argumentation zählt.
Die Quellen berichten nur von der Tarraconensis und den Städten des Ebrotals. Wie man daraus schließen will, dass die Cartaginensis und die Baetica erobert worden seien, erschließt sich nicht wirklich - hier wird die Inschrift aus Mérida, die, wie von Arce und Kulikowski dargelegt möglicherweise fehlinterpretiert ist - ziemlich überstrapaziert: Von Mérida bis zum Meer ist es noch ein ganzes Stück.
Also: Quellen beibringen, nicht Historikertexte.
 
Also: Quellen beibringen, nicht Historikertexte.

Da ich keinen Zugriff auf Quellenmaterial habe, muss ich mich auf das Urteil ausgewiesener Fachistoriker und Spezialisten verlassen. Und sowohl Walter Pohl als auch Wenskus oder Heather teilen nicht deine Ansicht über das Vordringen der Westgoten nach Spanien im 5. Jh.
 
Da ich keinen Zugriff auf Quellenmaterial habe, muss ich mich auf das Urteil ausgewiesener Fachistoriker und Spezialisten verlassen. Und sowohl Walter Pohl als auch Wenskus oder Heather teilen nicht deine Ansicht über das Vordringen der Westgoten nach Spanien im 5. Jh.

Und Wolfram auch nicht, wie oben zitiert.
 
Da ich keinen Zugriff auf Quellenmaterial habe, muss ich mich auf das Urteil ausgewiesener Fachistoriker und Spezialisten verlassen. Und sowohl Walter Pohl als auch Wenskus oder Heather teilen nicht deine Ansicht über das Vordringen der Westgoten nach Spanien im 5. Jh.

Und Wolfram auch nicht, wie oben zitiert.

Wenn Historikergruppe A (Pohl, Wenskus, Heather, Wolfram) eine Ansicht von der Geschichte hat, Historikergruppe B (Kulikowski, Arce) dem aber widerspricht, dann müssen wir uns wohl die Argumente und die Quellen auf die sie sich stützen anschauen. Mir jedenfalls erscheinen die Argumente von Kulikowski und Arce plausibler zu sein.
 
Wenn Historikergruppe A (Pohl, Wenskus, Heather, Wolfram) eine Ansicht von der Geschichte hat, Historikergruppe B (Kulikowski, Arce) dem aber widerspricht, dann müssen wir uns wohl die Argumente und die Quellen auf die sie sich stützen anschauen. Mir jedenfalls erscheinen die Argumente von Kulikowski und Arce plausibler zu sein.

Die Quellen geben hier nun mal nicht viel her, weder für die eine, noch die andere Seite. Aus welchem Grund soll die Erwähnung Eurichs nur eine Datierung sein? Und wenn ja, warum wird in Merida nach Eurich datiert? Und wer ist nun dieser Salla?

Andererseits gibt es auch keine Berichte über eine spätere, großangelegte Eroberung Spaniens durch die Westgoten. Irgendwann muss diese aber stattgefunden haben. Schon Theudis starb in Sevilla - wie kam er dort hin? Man sollte dabei auch nicht zwingend davon ausgehen, dass die dichter besiedelte und weiter entwickelte Tarraconensis als erste erobert wurde.

Darüber hinaus bleibt das Problem mit den Sueben. Diese hätten kaum eine gotische Oberhoheit hingenommen, wenn die gotische Präsenz nur aus kleinen Kriegertrupps von ein paar dutzend Männern bestanden hätte, die jeweils aus Frankreich anrücken mussten.
Die weitere Frage - wenn die Sueben bis nach Sevilla herrschten - warum zogen sie sich in den Nordwesten zurück? Als logischste Antwort ergibt sich eine westgotische Eroberung des Gebietes, mit der einfachen Begründung "wer sonst?".
 
Zuletzt bearbeitet:
Ergänzend zu Theudis:
Wie oben erwähnt, soll er eine Garnison in Ceuta gegen die byzantinischen Angriffe stationiert haben.
Dies ergibt doch nur dann einen Sinn, wenn die Baetica schon unter westgotischer Kontrolle stand. Ein Herrscher, der nur Septimanien und das Ebrotal beherrscht, wird kaum Garnisonen in Nordafrika ansiedeln.
 
Du machst in deiner Argumentation einen gewaltigen Sprung von der Regierungszeit des Eurich (466 - 488) bis zur zweiten Regierung des Theudis (531 - 548).
 
Du machst in deiner Argumentation einen gewaltigen Sprung von der Regierungszeit des Eurich (466 - 488) bis zur zweiten Regierung des Theudis (531 - 548).

Ich weiß, aber wer soll denn dazwischen den Süden erobert haben? Vor allem, wenn es nach Vouillé passiert sein soll? Da kämen ja nur Theudis als Verwalter bzw. Amalarich in Betracht.
 
Kann man das als sicher bezeichnen? War Vouille eine absolut totale Niederlage, eine Entscheidungsschlacht, nach welcher der Verlierer komplett unter der Fuchtel des Siegers stand?
Das im Nachhinein zu beurteilen, dürfte schwierig sein. Theoderich d. Gr. traute aber den Westgoten und ihrem König militärisch offensichtlich nicht allzu viel mehr zu, denn es heißt in einem Brief an Alarich II., dass die Seinen aus Mangel an Kriegsübung wohl nicht mehr die alten seien.

Eindeutig ist dagegen der Eroberungswillen Chlodwigs. Nach 490 n. Chr. hatten die Franken bereits einen Vorstoß gemacht und dabei Santones von den Westgoten erobert. 496 n. Chr. gewannen diese die Stadt zurück, dafür verloren sie 2 Jahre später Burdigala (Bordeaux). Nach Gregor von Tours soll Chlodwig gesagt haben:
„Es missbehagt uns, dass diese Arianer einen Großteil Galliens besitzen. Marschieren wir mit Gottes Hilfe und als Sieger wollen wir ihr Land in unsere Herrschaft bringen.“
533/534 und 542 n. Chr. griffen die Franken dann in Spanien an.

Chlodwig hatte die Alemannen unter seine Herrschaft gebracht (und seine Nachfolger später die Thüringer). Die Ostgoten hatten dabei nicht militärisch eingegriffen, sondern nur den Resten Schutz gewährt. Selbst wenn bei Vouillé nicht der Krieg, sondern nur eine Schlacht verloren gewesen wäre, die Franken hätten es in Kürze wieder versucht.
 
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