Scorpio
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Nur so am Rande: Den Vorwurf des Nationalismus gegenüber der UdSSR kann ich nicht nachvollziehen. Während des 2. Weltkrieges hat man versucht so etwas wie ein "sowjetisches Volk" zu propagieren. So lange der Krieg währte, mag das auch mehr oder weniger funktioniert haben.
De facto war die UdSSR aber ein Vielvölkerstaat mit 15 Teilrepubliken, die jeweils nach einer Nation benannt war (Russische, Ukrainische, Lettische, Kasachische usw. usf. Sowjetrepublik). Hinzu kamen innerhalb dieser Teilrepubliken autonome Regionen wie z.B. in Dagestan, Karelien oder der jüdischen autonomen Oblast ganz im Osten in der Nähe zu China.
Wenn die UdSSR sich selbst dermaßen multinational definiert hat (und das könnte auch einer der Gründe sein, warum sie zerbrochen ist), dann erscheint mir dein Vorwurf, dass Nationalismus die Flugzeugentwicklung verhindert habe unangebracht. Vielleicht definieren wir aber "Nationalismus" auch nur unterschiedlich.
in der SU gab es. Als es bei der Nationaltätenkommission der KPdSU um die Grenzziehung der Teilrepubliken ging, war die Grenzziehung eigentlich schon entschieden. Nur sprach dann der Vorsitzende der KP von Azerbajdschan mit einem gewissen Herrn Josef Tschugaschwili, seinerzeit Volkskommissar für Nationalitätenfragen und der schlug Bergkarabach Azerbajdschan zu.
Ich bin nun wirklich nicht der große Osteuropa-Kenner, ich würde aber im Großen und Ganzen unbedingt der These von Ugh Valencia zustimmen, dass die SU ein Nationalitäten-Problem hatte, und dass dieses Nationalitäten-Problem eine Rolle spielte bei ihrem Auseinanderbrechen.
Das allererste Proseminar, dass ich in Neuer Geschichte bei dem Osteuropa-Dozenten Manfred Hagen an der Uni belegte, beschäftigte sich genau damit.
Damals überraschte mich das ein wenig, denn ich habe die SU als eine Art großrussische Föderation wahrgenommen, und von Nationalitätenkonflikten hörte man ja auch niemals oder kaum jemals etwas, bis zu dem Punkt, an dem sie dann ziemlich abrupt auseinanderbrach.
Die SU wurde im Westen als ein ziemlich homogener großrussischer Staat wahrgenommen, Ende der 1980er geriet dieses Bild ins Wanken, als im Zuge von Glasnost und Perestrojka 1987 die "singende Revolution" in den baltischen Staaten begann.
Die Nationalitäten-Konflikte hat die SU im Grunde vom Zarenreich geerbt, und sie waren immer latent vorhanden.
Literatur:
Hagen, Manfred: Das Nationalitäten-Problem Russlands in den Verhandlungen der 3. Duma 1907-1911.
Derselbe: Die Entfaltung politischer Öffentlichkeit in Russland 1906-1914.
Derselbe: Die russische Freiheit. Wege in ein paradoxes Thema: