Nichtsdestotrotz gibt es jede Menge erfolgreicher arabischer oder türkischer Wissenschaftler und Ingenieure. Diese leben und arbeiten aber überwiegend außerhalb der arabischen Welt, aus den bekannten Gründen.
Schade ist dennoch dass die Türkei zu wenig als Industrienation wahrgenommen wird.
Mit dem
brain drain kann man die Situation tatsächlich sehr gut erklären.
Durch die Massenzuwanderung gut ausgebildeter Einwanderer aus Europa im 20. Jahrhundert wurde Israel als Wissenschafts- und Bildungsstandort aufgebaut.
Auch einzelne Golfstaaten konnten mit Petro-Dollars die Ausbildung der Jugend im Ausland finanzieren oder gut ausgebildete Einwanderer aus dem Auslland anlocken und so ein Bildungsystem im Inland aufbauen. Eine dauerhafte Einbindung von Akademikern in antiliberalen Gesellschaften scheint aber eigentlich nicht zu gelingen.
Andere Länder des Nahen Ostens, insbesondere der Libanon, sind hingegen seit dem Ende des Osmanischen Reiches von der Auswanderung der klügsten Köpfe geprägt. Und der Ausbau eines Bildungssystems lag in den Bürgerkriegen u.a. brach.
Zum Vergleich: in den 50er bis 60er Jahren waren Staaten wie Ägypten, Syrien, Irak, Iran, Libanon weitaus stärker Projektionsflächen für sozialistische Utopien, hatten Vorbildcharakter für viele Staaten Afrikas. Islam wird heute eher als Markenzeichen dystoper Staaten gesehen, der Nahe Osten als failed state per se.
Im Kalten Krieg konnten einige Staaten des Nahen Ostens durch oberflächliche Anlehnung an den Sozialismus sowjetische Entwicklungs- und Militärhilfe bekommen.
Die eigentliche Utopie war der panarabische Nationalismus, der vor allem das Großmachtstreben einzelner Akteure verschleierte. Ägypten war eigentlich zu klein für Nasser - besser wäre ganz Arabien oder ganz Afrika. gewesen.
Gerade die am stärksten laizistischen Staaten Irak und Syrien (beide unter Regie einer Baath-Partei bzw. den Diktaoen Hafiz al Assad und Saddam Hussein) erwiesen sich als ganz besonders dystopisch.
Ich täte sogar sagen, es liegt an der Religion.
Denn im Zentrum der nahöstlichen Welt steht immer die Religion. Egal ob Islam, Judentum oder allerlei christlichen Glaubensgemeinschaften – immer ist die Religion sehr dominant. Sie bestimmt was Recht und Ordnung ist, welche Werte gelten und wie das Zusammenleben zu sein hat. Ihr Inhalt darf nicht diskutiert werden und andere Ideen werden nicht geduldet. Zudem ist sie in der Regel sehr konservativ und/oder rückwärtsgewandt. Auf die Kultur, die Forschung und gesellschaftliche Entwicklung wirkt sich das natürlich sehr nachteilig aus.
Viele Staaten im Nahen Osten sind den Anforderungen der heutigen Zeit nicht gewachsen. Die klugen Köpfe wandern aus - und die Zurückgebliebenen schlagen sich die selbigen ein… Es bräuchte wohl dringend eine Säkularisierung.
Als Vergleichsfolie könnte das postowjetische Aserbaidschan dienen. Es liegt auch fast im Nahen Osten.
Aserbaidschan war Anfang des 20. Jahrhunderts ein Land mit mehrheitlich schiitisch-islamischer Bevölkerung, heute gehört heute zu den wenigen Ländern weltweit mit mehrheitlich atheistischer Bevölkerung. 70 Jahre besonders gründliche Säkulisierung haben aber weder Frieden noch Demokratie gebracht.
Nationalismus allein reicht völlig aus, um sich die Köpfe einzuschlagen.