:grübel:
Kaum sind wir wirklich beim Thema, folgt das große Schweigen auf bundesdeutscher Seite.... Besteht denn wirkliches Interesse an unserer Sicht bzw. Interesse an faktischer Aufarbeitung der damaligen histor. Entwicklungen und des daraus resultierenden dt.-österr. Verältnisses? ;-)
Zur Eingangsfrage: Es war beides; freiwillige und teils lange, teils auf Grund der Bürgerkriegszustände in Österreich die Jahre zuvor ersehnte Hingabe an das Sicherheitsgefühl "Großes deutsches Reich".
Beim Vollzug allerdings war es harte Annexion.
Heinz Zitatabwandlung ist das einzige, was ich bisher hier an Verständnis gelesen habe: "Halb nahm er sie, halb sank sie hin."
Auf den ersten Teil eingegangen - also wie er die (und hier noch frasierter): "halb Hinsinkende, halb willig Hingegebene" behandelte" - sah das so aus:
Ein verachtungsvoller Sieger macht was er will mit einer ängstlichen, verwirrten und nach Sicherheit sich sehnenden "leichten Beute" (siehe Roveres kurzen wirtschaftl. Abriss). Natürlich geschah dies im Einklang mit den zuvor niedergahletenen und doppelt fanatisierten österr. Nationsozialisten. Ernst Kaltenbrunner und Arthur Seyss-Inquart sehe ich auch daher als siegerseits vorab feststehende Nürnberger Todeskandidaten = als Zeichen für Österreichs NS-Mitschuld. Vielleicht ist i.d. Zusammenhang auch nicht uninteressant, dass diese beiden zur NS-Ideologie während des Prozesses rückhaltlos standen und die Verantwortung für ihre Taten übernahmen. Was man ja von Speer oder den Admirälen nicht behaupten kann.
Hitler bzw. die reichsdeutsche Organisation im Verbund mit den ehem. Illegalen österr. Nationalsozialisten kehrten am Beispiel Österreichs einen kompromisslosen diktatorischen Vollzug des Anschlusses an. Kein "behutsameres Vorgehen" mehr wie in Deutschland 1933-37/38.
Verwaltungseinrichtungen, Vereine, sogar Chöre(!) wurden gleichgeschaltet, ur-althergebrachte Ländernamen, Einrichtungen und somit österr. Identifikationssysteme ausgelöscht. Ich weiß allerdings von Soldaten, dass man an der Front nach und nach wieder als "Österreicher" bezeichnet wurde.
In der kurzfristig "neuen Ostmark" wurde also binnen weniger Monate "reiner Tisch" gemacht. Kein Wunder, dass mit dem für die Ostmärker "etwas frühen" Kriegsbeginn 1939 die Stimmung und Haltung ehemaliger überzeugter Anschlusswilliger einigermaßen skeptisch geworden ist! Und man hatte auch zu gut beobachten können, wie rigoros mit der ideologischen Gegnerschaft, also sozialistischen, kommunistischen und christlichsozial-monarchistischen Einstellungen seitens des NS-Regimes umgegangen wurde: Österreicher füllten ab 1938 in rauhen Mengen Dachau und andere KZs. Und dieser Spatenstich erfolgte auch umgehend: Mauthausen, wirtschaftl. Hintergrund: die Granitsteinbrüche von der SS um einen Peanut von den "Wiener Steinbrüchen" gekauft.
Schon 1943 kam dieses heimliche Sprücherl auf:
"Wås is då los, wås wird då gespielt - im ganzen Haus kein Hitlerbild??"
"Des is doch wurscht, mia brauchen kans, mia ham doch eh vom Stalin ans." Man darf dies gerne als Absicherungstechnik sehen, warum auch nicht: man hätte einen Diktator, der sich einer ideologie nur vordergründig bediente, nur mit einem anderen ausgetauscht.
Im Gegensatz zu Deutschland hatte Österreich eigentlich nur eine krisengeschüttelte und autoritäre Regierungszeit zw. 1919 und 1938 erleben dürfen. Und danach Diktatur und das Fanal des 2. Weltkriegs. Und da hieß es schlicht: mitgefangen, mitgehangen. Wenn auch der "opfermythos" von einigen strapziert wurde, der Großteil der Bevölkerung war sich seiner Mitschuld aber auch seiner Chancenlosigkeit auf Wiederstand bewusst. Denn die sah zb. noch 1945 so aus: der oö. (damals Oberdonau) Gauleiter Eigruber fährt extra und persönlich im März 45 nach Freistadt, um die Exekution von 15 Mühlviertler Wiederständlern zu überwachen.
Nicht unerwähnt sollte bleiben, dass auch alle "deutschnationalen" Einrichtungen seitens des NS-Regimes gleichgeschaltet und dann aufgelöst wurden. Das wurde aus ideologischer Verwandtschaft und im Sinne der "großdeutschen Sache" sicher nicht allzu unwillig hingenommen, das Auslöschen der auf napoleon. Befreiungskriege und Vormärz bzw. 1848 gegründeten Studentenbünde wurde aber auch, soweit ich nachgelesen habe, allseits als ein Stich ins Herz gewiss der republikanisch-liberalen Sache, aber auch seitens der Vorläuferbewegungen eines Teils der NS-Ideologie empfunden...
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@beorna: 1866 "dachte" man (in entsprechenden bürgerl. Kreisen) gewiss kulturell deutsch, sofern man einen (mittelhochdeutschen
) Dialekt sprach, "fühlen" tat man sich sehr wohl als Österreicher (und ganz bestimmt bei Königsgrätz, Lissa und Custozza!). Aber vor allem EMPFAND man sich als Tiroler, Steyrer, Ober-od-Niederösterreicher, Kärntner, Salzburger und Vorarlberger.
1919 musst man die "Krot von Saint Germain fressen", also sich mit der Staatsbürgerschaft eines abgeschnittenen Stumpfes eines über Jahrhunderte gewachsenen wirtschaftl. Körpers abfinden.
Deutschsprachige Grenzgebiete (die diesbezüglich einigermaßen älter waren als Posen oder Lothringen...) wurden trotz Abstimmungen für Österreich den gierigen Siegern und Nachfolgestaaten zugeschlagen. (wobei man Ungarn hier ausnehmen muss, weil es selbst 2/3 an Land verloren hatte, sich der früheren histor. Gegnerschaft zu Wien besann und sich beim ebenso geschwächten Nachbarn gütlich halten wollte.) Die zugesicherten Grenzen Kärtens und des Burgenlandes aus eigener Kraft (bis 1921) zu verteidigen hat allerdings viel mehr mit regionaler Identität zu tun, als mit einer (siegerseits zusätzlich unbewilligten) "gesamtdeutschen".