Österreich 1938 Anschluss oder Annektion?

heinz schrieb:
Liebe Schini,
wenn Du nicht so schnell mit der Antwort gewesen wärest, dann hättest Du mitbekommen, dass ich mich bezüglich von Eichmann berichtigt und festgestellt habe, dass er ab 1914 in Österreich aufgewachsen ist.:winke:
Und? Was ändert das an der Tatsache dass er ein brutaler wie feiger Massenmörder war? Dass ein verbrecheriges Regime es geschafft hat Millionen von Menschen derart zu manipulieren um die Augen vor den ungeheurlichsten Untaten der Geschichte nicht nur zu verschliessen, sondern oft Komplizendienste zu leisten?
 
;-)

... den gebe ich mal ab:

Ich sehe im Verlauf dieser "Diskussion" den Rückverweis darauf, wie eine provokant formulierte Fragestellung erntet, was sie sähte: undifferenzierte "Ansichten" und Polemiken mit einem insgesamt scheelen Blick auf die hier im Forum aktiven Österreicher, welche sich, wie abzusehen war, vorab gleich mal zur Wehr setzen mussten. (Weil wir uns ja auch heute noch -mit- um die gesamtdeutsche Verantwortung drücken, nicht?...).

Also, Seldschuk, rette mal diesen deinen Pfad ins Seriöse: du könntest dir z. B. die Mühe machen und die Vorgeschichte der 1. Republik Österreich von, sagen wir, 1914 bzw. 1918/19 bis zum denkwürdigen Einmarsch im März 1938 hier hereinstellen.
Vom März bis zur Abstimmung vergingen dann ja auch noch einige Monate und in diesen waren die, von den illegalen Fesseln befreiten Nationalsozialisten PLUS ihre neuen Organisatoren aus Deutschland ohne Pause aktiv: propagandistisch bis einschüchternd, manipulativ und Gräben aufwerfend bis in den intimsten Familienkreis. Vor allem der ungehemmte Terror gegen "rassische" und ideologische Erzfeinde rollte umgehend an.
Und dies ist auch nur eine Seite.
Die andere war Politik der Versprechungen aber auch erfüllungen, von langer Hand geplant, die Hermann-Göring Werke (VÖest-Alpine Linz-Donawitz) : Spatenstich. Westautobahn: Spatenstich. Etc. Etc. Blitzkriegserfolge sozusagen der Zufriedenstellungsnatur... oder Überzeugungsarbeit am Rest der Skeptiker...

Weiters äusserst wichtig für den Moment des "Triumphgefühls!" innerhalb jener Abstimmung, die ja vor allem darauf abzielte, dass Österreich freiwillig Teil des Großdeutschen Reiches sein will, (seriöse Statistiken sprechen von um die 80% freiwilliger Zustimmung) ist die Vorgeschichte des gesamten 19. Jhdt. und dabei die Stichworte Kleindeutsche- Großdeutsche Lösung, 1866, 1867 Ausgleich mit Ungarn... und natürlich das Zerbrechen des Vielvölkerstaates - ad rest: das verbliebene Österreich als wirtschaftlich schwächster Teil.
Den Vergleich der Parteienlandschaft Österreichs und Deutschlands der Zwischenkriegszeit steuere ich anschließend oder bei Gelegenheit gerne bei. Und ERST DAZU (abschließend und als Nachbetrachtung sozusagen) würde dann auch eine FPÖ und noch später jene des Jörg Haider passen, die viel mehr in der Tradition der aus der Revolution 1848 hervorgegangenen deutschnationalen und liberalen (ehem. großdeutschen) Bewegung ab Mitte des 19. Jhdts. steht. Sie auf einen vermeintlichen nationalsozialistischen Hintergrund vieler ihrer Mitglieder bzw. der Vorgängerpartei VdU (Verband der Unabhängigen 1949 bis 1954 oder 55) tendenziös zu vereinfachen ist z. B. hier verifiziert bzw. differenziert: http://www.flv.at/Fm031/nation3.htm

Zitat daraus: schrieb:
Der schwarz-rote Proporz führte 1948/49 zur Gründung des VdU, der sofort als Auffangbecken ehemaliger Nationalsozialisten verunglimpft wurde. Das war jedoch nur die halbe Wahrheit, da dieser Personenkreis, im Wahlkampf 1949 heftig von ÖVP und SPÖ umworben, zum Teil den Weg in das schwarze und rote Lager fand, auch den Parteigründern Kraus und Reimann keine nationalsozialistische Vergangenheit nachgesagt werden konnte.
Das VdU-Programm von 1949 war sehr zurückhaltend formuliert, Anklänge an großdeutsches Gedankengut zeigt am ehesten Ab.VI, P.48. Das Ausseer Programm (1954), in einer Zeit* zunehmender Spaltung des VdU in Nationale und Liberale verfasst, war bereits akzentuierter gehalten: In Ab.II heißt es, Österreich ist ein deutscher Staat, seine Politik muss dem gesamten deutschen Volk dienen....

Wenigstens kein Versteckspiel.

Zum ersten Teil gestattet mir noch diesen Nachtrag: nachweisliche NSDAP-Mitglieder hatten ab Kriegsende durchwegs alle Berufsverbot (und vor allem das Verbot polit. Tätigkeit!) von verschiedener Dauer, großteils aber bis Mitte der 50er-Jahre und sogar länger (Dazu: das "rote" Wien ließ Lehrer mit "NS-Bezug", egal ob nachweislich "Illegale" bis 38 oder spätere NSDAP-Mitglieder oder auch beides nicht, bis 1959 schmoren und besetzte inzwischen alle pädagog.Ämter und Lehrstellen..)
Die Mehrzahl von diesen ehem. "Nazis" trat - falls überhaupt wieder in eine Partei - allerdings nicht in die FPÖ, sondern in die SPÖ und ÖVP ein.
Und wie war das bei euch? :cool:
Die VdU oder die ab 1955 herausfolgende FPÖ als rechtsradikal zu bezeichnen, ist (lieber Heinz eigentlich eine rote Schdrafmaske wert ;)) vielleicht Unwissen, Unwillen, zuletzt wohl moderner Propaganda verfallenes Diskreditierungsdenken, da sich das Programm dieser Partei/en pluralistisch-demokratischer Grundwerte und der Verfassung verpflichtet fühlte und nie dagegen verstoßen hat.
Und da manch Blick jetzt nicht wieder scheel wird: ich bedauere es ebenso wie Rovere, dass ich hiermit den Eindruck erwecke, dass ich einen Jörg Haider oder H.C. Strache oder Friedrich Peter von aller bzw. teilweiser Naziverbundenheit freispreche. Das tue ich nicht. Aber ich klage sie dessen auch nicht generell an und schon gar nicht, wie hier geschehen, ohn jedwedes Hintergrunds- bzw. wenigstens ansatzweise gesuchtes und reflektiertes Wissen.
Für eine historische Aufarbeitung ist das nur Sand im Getriebe

Jetzt wird dem einen oder anderen noch was dazu einfallen, aber dann diskutieren wir vielleicht endlich das Jahr 1938 und nachfolgend von mir aus gerne Österreichs "Rolle(nspiel) als 1. Opfer des Nationalsozialismus".
Also, Seldschuk, ich bin neugierig auf eine seriöse, kurzweilige und prägnante Geschichtsaufarbeitung bzw. -aufbereitung! :winke: (Wozu aber keineswegs verpflichtet bist...)
 
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Mal was zur Vorgeschichte:

Der erste aussenpolitische Schlag Hitlers richtete sich gegen Österreich. Am 11. Juli 1936 wurde ein Abkommen welches die beiderseitigen Beziehungen regelt geschlossen. Und im Dezember 1937 äusserte sich Hitler auf die Österreichfrage: „er wolle keine Brachiallösung“ Hitler schwebte es vor den Nationalsozialisten in Österreich eine ähnliche Machtergreifung zu ermöglichen wie ihm in Deutschland. Das Verhältnis der beiden Staaten war aber sehr gespannt, von Pappen gelang es in dieser angespannten Atmosphäre ein Treffen zwischen Hitler und Kurt von Schuschnigg auf dem Obersalzberg zu arrangieren. Am 12. Februar 1938 fand dieses Treffen statt.
Hitler ging dabei mit rüdem Ton gegen Schuschnigg vor und oktroyierte ihm eine einseitig abgefasste Vereinbarung. Diese sah vor, die österreichischen Nationalsozialisten an der Regierung zu beteiligen, ihnen mit der Übernahme des Innenministeriums die Polizeigewalt zu übergeben und der Partei freie Betätigung zu erlauben. Um diese Machtergreifung zu verhindern, bestimmte der Bundeskanzler am 9. März 1938, dass am 12. März eine Volksabstimmung stattzufinden habe. Darin sollten sich die Österreicher für ein freies und deutsches, unabhängiges und soziales, für ein christliches und einiges Österreich abstimmen. Das Wahlalter wurde auf 24 Jahre heraufgesetzt, um so den grossen Teil von den Nationalsozialisten beeinflussten Jugend aus der Volksabstimmung herauszuhalten. Göring und Ribbentrop drängten inzwischen auf einen militärischen Einmarsch in Österreich und Mussolini erklärte Hitler er werde, anders als 1934 nicht eingreifen.
Am 11. März wich der österreichische Bundeskanzler dem Druck eines deutschen Ultimatums, das mit Einsatz von Truppen für den Fall drohte, dass er nicht zurücktreten und dem Nationalsozialisten Arthur Seyss-Inquart sein Amt übergeben werde. Schuschnigg ersuchte noch die Europäischen Mächte um Hilfe, doch dieser Appell blieb erfolglos, er musste dem Seyss-Inquart weichen. Als sich der Bundespräsident Wilhelm Miklas weigerte den Nationalsozialisten als Bundeskanzler zu ernennen, gab Hitler den Befehl zum Einmarsch in Österreich. Der Anlass war ein von Göring veranlasstes Telegramm, in dem der zur neuen österreichischen Regierung entsandte SS-Obergruppenführer Wilhelm Keppler einen unautorisierten Hilferuf der österreichischen Regierung an das Reich in Berlin abgab.

Quelle: Klaus Hildebrand, Das Dritte Reich
 
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Ich frage mich was blieb Österreich anderes übrig? Der braune Druck aus Deutschland war sehr gross, so oder so Hitler wäre einmarschiert.

Dann die Frage nach den Jubelbildern beim Einmarsch. Ich erinnere an die Jubelbilder in München oder Nürnberg, nur weiss man heute dass vieles aus der Propagandaküche der Nazis kam. So mussten Münchner SA Männer nach Nürnberg um zu Jubeln damit man mehr Menschen hatte. Wie sah das in Österreich aus? Wir kennen die Wochenschaubilder und die waren alle manipuliert von den Nazis.

Dann die Frage nach der Abstimmung mit der überzeugenden Mehrheit, nun wurde die nicht auch manipuliert? Haben wirklich alle abgestimmt? Solange solche Fragen offen sind sollte man das ganze sehr kritisch anschauen.
 
Rovere schrieb:
Und nun zurück zur Diskussion!

Wir können dabei verschiedene Wege einschlagen, vom Zeitpunkt des Einmarsches 1938 ausgehend. Ich greife also mal gerne den von Ursi gewählten der unmittelbaren Vorgeschichte auf. ;-)

Diese - böse - Anekdote macht zB. begreiflich, wie Hitler am Obersalzberg gegenüber dem österr. Kanzler Kurt (von) Schuschnigg auftrat und nicht nur einen "rüden" (in Wahrheit beleidigenden) Ton anschlug, der die zu voller Größe aufgeblasene (persönliche und historische!) Genugtuung des ehemaligen Hilfsarbeiters Hitler in Wien nicht verbergen wollte.
Dabei ist auch einzubeziehen, dass zu diesem zeitpunkt vor allem die "Sudetendeutsche Frage" einen für die großdeutsche Sache (und für die Nationalsozialisten als ihre glänzenden Vollstrecker) perfekten Verlauf zu nehmen begann.
Anekdote im Detail:
Schuschnigg musste zuerst einen Tag abseits des Hitlerrefugiums und am festgesetzten Tag im Vorzimmer noch eine volle Stunde (weiß ich nicht mehr ganz genau) warten, die Ordonnanzen waren angwiesen worden, ihn herablassend zu behandeln und ihn lange auf ein Glas Wasser o. a. warten zu lassen. Zermürbungstaktik mittels Geringschätzung. Nicht mal ein Außenminister oder geringerer Diplomat war aber derart desavouiert worden: während des mehrstündigen Staatstreffens verbot Hitler Schuschnigg sogar das Rauchen. Und Kurt Schuschnigg war Kettenraucher.

Schuschnigg war nicht der erste aber der ranghöchste österr. Politiker der die hasserfüllte Kaltschneuzigkeit der NS-Politik zu spüren bekam. Natürlich hatte er dazu direkt beigetragen, da er maßgeblich an der Abdrängung und schließlich auch Ratifizierung der Nationalsozialisten als verbotene Partei mitgearbeitet hatte. Zu dieser Gangart sah man sich allerdings nicht zuletzt deshalb gezwungen, da 1934 mit der Ermordung seines Vorgängers Engelbert Dollfuß ein NS-Putschversuch abgewehrt werden musste.

Einen kurzen Überblick über die Biographie Schuschniggs gibts (zum Beispiel hier):
http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/SchuschniggKurt/

Anmerkung: "faschistische Heimwehren", wie dort zitiert, sind als austrofaschistische Einrichtung zu verstehen. Bitte dabei auch den Gedanken mitspielen lassen, dass der größte Teil Europas in den 30er-Jahren von autoritären und nationalistischen (=fließender Übergang zu faschistischen) Regierungen geprägt war.
 
Ein für mich nicht unwesentlicher Punkt in der Vorgeschichte zum Anschluss sind die Wirtschaftssanktionen seitens des Dritten Reichs gegenüber Österreich.
Die junge erste Republik hatte ja ziemliche Probleme mit der wirtschaftlichen Ausgangslage als Reststaat der Monarchie. Der Großteil der Schwerindustrie war nun in der jungen Tschechoslowakei. Österreich, wenig mehr als ein Rumpfstaat, überwiegend agrarisch geprägt. Die Haupstadt Wien hatte mehr als 2 Millionen Einwohner, im restlichen Land lebten an die 5. Die gesamte Infrastruktur war auf die alte Monarchie ausgelegt und musste erst zwischen den Nachfolgestaaten entflochten werden.
Die Wirtschaftskrise traf Österreich dann mit voller Wucht. Die Massenarbeitslosigkeit und zunehmende Verarmung der Bevölkerung liessen die Spannungen zwischen den Massenparteien der Sozialdemokraten und Christlichsozialen bis zum Ausbruch des Bürgerkriegs eskalieren.

Kurz nach der Machtübernahme der Nazis 33 begannen bereits die Sanktionen gegen Österreich. Die 1000 Mark Sperre (jeder Deutsche musste 1000 Reichsmark Kaution deponieren falls er nach Österreich reisen wollte) traf den damals schon sehr wichtigen Wirtschaftsfaktor Tourismus ins Mark.

Während sich im restlichen Europa die Länder von der grossen Depression zu erholen begannen und die Aufrüstungspolitik der Nazis zu einem Wirtschaftsboom im Dritten Reich führte kam Österreich aus der Krise nicht heraus, ganz im Gegenteil. Arbeitslosigkeit und Verarmung weiter Teile der Bevölkerung nahmen zu, die permanente Propaganda tat das ihrige um die Massen zu korrumpieren.
 
Wie war eigentlich die Österreich-Rezeption im Dritten Reich vor dem Anschluss? Hitler hat ja Österreich und das österreichische gehasst - der Name ist sofort nach 38 verschwunden, das Land zur Ostmark degradiert (und selbst Ostmark wurde binnen kürzester Zeit verboten).

Aber gabs - abgesehen von den anti-österreichischen Tiraden in "Mein Kampf" - Propagande gegen die österreichische Regierung im Reich?

Es ist ja auch faszinieren wie schnell Wien nach dem Anschluss in der deutschen Filmszene eine wichtige Rolle spielt. Und wie die Drehbuchautoren es geschafft haben, hunderte in Alt-Wien spielende Filme zu schreiben ohne je ein einziges Mal das Wort "Österreich" zu erwähnen.....
 
:grübel:
Kaum sind wir wirklich beim Thema, folgt das große Schweigen auf bundesdeutscher Seite.... Besteht denn wirkliches Interesse an unserer Sicht bzw. Interesse an faktischer Aufarbeitung der damaligen histor. Entwicklungen und des daraus resultierenden dt.-österr. Verältnisses? ;-)

Zur Eingangsfrage: Es war beides; freiwillige und teils lange, teils auf Grund der Bürgerkriegszustände in Österreich die Jahre zuvor ersehnte Hingabe an das Sicherheitsgefühl "Großes deutsches Reich".
Beim Vollzug allerdings war es harte Annexion.
Heinz Zitatabwandlung ist das einzige, was ich bisher hier an Verständnis gelesen habe: "Halb nahm er sie, halb sank sie hin."
Auf den ersten Teil eingegangen - also wie er die (und hier noch frasierter): "halb Hinsinkende, halb willig Hingegebene" behandelte" - sah das so aus:

Ein verachtungsvoller Sieger macht was er will mit einer ängstlichen, verwirrten und nach Sicherheit sich sehnenden "leichten Beute" (siehe Roveres kurzen wirtschaftl. Abriss). Natürlich geschah dies im Einklang mit den zuvor niedergahletenen und doppelt fanatisierten österr. Nationsozialisten. Ernst Kaltenbrunner und Arthur Seyss-Inquart sehe ich auch daher als siegerseits vorab feststehende Nürnberger Todeskandidaten = als Zeichen für Österreichs NS-Mitschuld. Vielleicht ist i.d. Zusammenhang auch nicht uninteressant, dass diese beiden zur NS-Ideologie während des Prozesses rückhaltlos standen und die Verantwortung für ihre Taten übernahmen. Was man ja von Speer oder den Admirälen nicht behaupten kann.

Hitler bzw. die reichsdeutsche Organisation im Verbund mit den ehem. Illegalen österr. Nationalsozialisten kehrten am Beispiel Österreichs einen kompromisslosen diktatorischen Vollzug des Anschlusses an. Kein "behutsameres Vorgehen" mehr wie in Deutschland 1933-37/38.
Verwaltungseinrichtungen, Vereine, sogar Chöre(!) wurden gleichgeschaltet, ur-althergebrachte Ländernamen, Einrichtungen und somit österr. Identifikationssysteme ausgelöscht. Ich weiß allerdings von Soldaten, dass man an der Front nach und nach wieder als "Österreicher" bezeichnet wurde.
In der kurzfristig "neuen Ostmark" wurde also binnen weniger Monate "reiner Tisch" gemacht. Kein Wunder, dass mit dem für die Ostmärker "etwas frühen" Kriegsbeginn 1939 die Stimmung und Haltung ehemaliger überzeugter Anschlusswilliger einigermaßen skeptisch geworden ist! Und man hatte auch zu gut beobachten können, wie rigoros mit der ideologischen Gegnerschaft, also sozialistischen, kommunistischen und christlichsozial-monarchistischen Einstellungen seitens des NS-Regimes umgegangen wurde: Österreicher füllten ab 1938 in rauhen Mengen Dachau und andere KZs. Und dieser Spatenstich erfolgte auch umgehend: Mauthausen, wirtschaftl. Hintergrund: die Granitsteinbrüche von der SS um einen Peanut von den "Wiener Steinbrüchen" gekauft.

Schon 1943 kam dieses heimliche Sprücherl auf:
"Wås is då los, wås wird då gespielt - im ganzen Haus kein Hitlerbild??"
"Des is doch wurscht, mia brauchen kans, mia ham doch eh vom Stalin ans." Man darf dies gerne als Absicherungstechnik sehen, warum auch nicht: man hätte einen Diktator, der sich einer ideologie nur vordergründig bediente, nur mit einem anderen ausgetauscht.
Im Gegensatz zu Deutschland hatte Österreich eigentlich nur eine krisengeschüttelte und autoritäre Regierungszeit zw. 1919 und 1938 erleben dürfen. Und danach Diktatur und das Fanal des 2. Weltkriegs. Und da hieß es schlicht: mitgefangen, mitgehangen. Wenn auch der "opfermythos" von einigen strapziert wurde, der Großteil der Bevölkerung war sich seiner Mitschuld aber auch seiner Chancenlosigkeit auf Wiederstand bewusst. Denn die sah zb. noch 1945 so aus: der oö. (damals Oberdonau) Gauleiter Eigruber fährt extra und persönlich im März 45 nach Freistadt, um die Exekution von 15 Mühlviertler Wiederständlern zu überwachen.

Nicht unerwähnt sollte bleiben, dass auch alle "deutschnationalen" Einrichtungen seitens des NS-Regimes gleichgeschaltet und dann aufgelöst wurden. Das wurde aus ideologischer Verwandtschaft und im Sinne der "großdeutschen Sache" sicher nicht allzu unwillig hingenommen, das Auslöschen der auf napoleon. Befreiungskriege und Vormärz bzw. 1848 gegründeten Studentenbünde wurde aber auch, soweit ich nachgelesen habe, allseits als ein Stich ins Herz gewiss der republikanisch-liberalen Sache, aber auch seitens der Vorläuferbewegungen eines Teils der NS-Ideologie empfunden...

-

@beorna: 1866 "dachte" man (in entsprechenden bürgerl. Kreisen) gewiss kulturell deutsch, sofern man einen (mittelhochdeutschen ;) ) Dialekt sprach, "fühlen" tat man sich sehr wohl als Österreicher (und ganz bestimmt bei Königsgrätz, Lissa und Custozza!). Aber vor allem EMPFAND man sich als Tiroler, Steyrer, Ober-od-Niederösterreicher, Kärntner, Salzburger und Vorarlberger.

1919 musst man die "Krot von Saint Germain fressen", also sich mit der Staatsbürgerschaft eines abgeschnittenen Stumpfes eines über Jahrhunderte gewachsenen wirtschaftl. Körpers abfinden.
Deutschsprachige Grenzgebiete (die diesbezüglich einigermaßen älter waren als Posen oder Lothringen...) wurden trotz Abstimmungen für Österreich den gierigen Siegern und Nachfolgestaaten zugeschlagen. (wobei man Ungarn hier ausnehmen muss, weil es selbst 2/3 an Land verloren hatte, sich der früheren histor. Gegnerschaft zu Wien besann und sich beim ebenso geschwächten Nachbarn gütlich halten wollte.) Die zugesicherten Grenzen Kärtens und des Burgenlandes aus eigener Kraft (bis 1921) zu verteidigen hat allerdings viel mehr mit regionaler Identität zu tun, als mit einer (siegerseits zusätzlich unbewilligten) "gesamtdeutschen".
 
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Hitlers Übernahme

Hallo Leute,

Ich saß eben mit meiner Freundin und einer von ihren Freundinnen am Frühstückstisch, welche beide das Profilfach Geschichte in einem Gymnasium besuchen, und wir kamen auf das Thema Hitler. Keine Ahnung wieso :D
Jedenfalls war ich der Meinung, dass Hitler bevor der Krieg ausbrach 2 Länder, darunter Österreich, übernahm und das ohne Gewalt, und dort auch gefeiert wurde als er dort einmarschierte.
Stimmt das? Wenn ja, welches war das andere Land, dass er ebenfalls " friedlich " übernahm? Ich meine nämlich mich an sowas aus meinem alten Geschichtsunterricht zu erinnern. Die beiden meinten es sei völlig abwegig.

Gruß, Adrian
 
Hallo Leute,

Ich saß eben mit meiner Freundin und einer von ihren Freundinnen am Frühstückstisch, welche beide das Profilfach Geschichte in einem Gymnasium besuchen, und wir kamen auf das Thema Hitler. Keine Ahnung wieso :D
Jedenfalls war ich der Meinung, dass Hitler bevor der Krieg ausbrach 2 Länder, darunter Österreich, übernahm und das ohne Gewalt, und dort auch gefeiert wurde als er dort einmarschierte.
Stimmt das? Wenn ja, welches war das andere Land, dass er ebenfalls " friedlich " übernahm? Ich meine nämlich mich an sowas aus meinem alten Geschichtsunterricht zu erinnern. Die beiden meinten es sei völlig abwegig.

Gruß, Adrian

Lieber Adrian,
mit dem dem "Einmarsch" deutscher Truppen und Verwaltungskräfte in Österreich und dann zunächst in einem Teil der Tschechei, dem Sudetenland, und später in der sog. Rest-Tschechei begann die ökonomische Ausplünderung und die Verfolgung jeder politischen Opposition und rassischer und sozialer Minderheiten in diesen Staaten.
Einen nennenwerten, organisierten militärischen Widerstand gab es zwar nicht, aber nennst du das "friedlich"?
Ferner solltest du bedenken, dass bereits 1936 das deutsche Reich militärisch im spanischen Bürgerkrieg intervenierte und die Nazis (nicht nur Hitler !) spätestens damit gegannen, ihre aggressive Außenpolitik in die Tat umzusetzen.
Unter diesen Voraussetzungen kann man deinen beiden Freundinnen nur zustimmen.
 
Zumindest in Österreich muss man mWn davon ausgehen, dass die Bevölkerung mehrheitlich den "Anschluss" zumindest nicht ablehnte, und hundertausende Österreicher den Einmarsch der Nazis begeistert und mit erhobenem rechtem Arm feierten. Insofern kann ich der These des "friedlichen Anschlusses" in dem Fall eigentlich nur zustimmen, auch wenn mir dies wenig sympatisch ist.

Zum Anschluss des Sudetenlandes ist zu sagen, dass auch hier die deutsche Minderheit in ihrer Mehrheit für ein "Heim ins Reich" votierte. Dies ist recht deutlich an den Wahlergebnissen der deutschen Parteien abzulesen, ausgehend von einem gemischten Parteienspektrum anfang der 20er bis zur absoluten Mehrheit für die Nazi-Partei der Sudetendeutschen unter Henlein. Spricht deutlich dafür, dass auch der Anschluss des Sudetenlandes von den Sudetendeutschen mit großer Mehrheit gewollt war und die Nazis dort Unterstützung fanden.

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