[FONT="]Hatte der Kaiser schon 1888 sein politisches Grab mit dieser kaiserlichen Marine geschaufelt? Nein.[/FONT]
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[FONT="]Der wesentliche Grund für die Organisationsentscheidung des Kaisers dürfte sein Staatsverständnis (das sich in der Reichsverfassung widerspiegelte) gewesen sein, dass er (und nicht der Reichstag) die zentrale Stelle des Staates ist und dass militärische Kommandobehörden nicht in parlamentarische Streitigkeiten hineingezogen werden sollen. Bei der dargestellten Verfassungswirklichkeit sollte man auch nicht vergessen, dass auch der Reichstag seine Position erst bestimmen musste. Die Parteien standen noch am Anfang. Der Wille als Volksvertretung auch die zentrale Stelle des Staates zu sein, vermag ich beim Reichstag – z.B. nach der Daily Telegraph-Affäre – nicht zu erkennen. Für die Mehrheit war eben doch der Kaiser die zentrale Figur. In einer Monarchie die Militärbehörden eng an den Monarch zu ziehen, erscheint mir nachvollziehbar. Übrigens: Auch in einem demokratischen System ändern sich im Verteidigungsfall die Zuordnungen. Ein solcher Fall - Artt. 115 a GG – führt zu einer Straffung der Führungsspitze, Bundestag und Bundesrat werden durch ein anderes oberstes Bundesorgan, dem Gemeinsamen Ausschuss, ersetzt. Das Militär ist nun mal eine Stütze jedes Staates.[/FONT]
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[FONT="]Um eine Flotte aufzubauen braucht man Geld und das musste der Reichstag bewilligen. Die Finanzverfassung des Reiches kannte nur rudimentäre Einkommensteuersätze, was eine permanente Finanznot zur Folge hatte. Zudem waren im Reichstag auch die Gruppen vertreten, die dem Kaiser nicht wohl gesonnen waren (z.B. Sozialisten, Elsässer, Polen). Der Reichstag wurde selbstbewusster und begann seine Rechte auszuschöpfen. Aus all diesen Problemen sollte die Militärspitze (Heer und Marine) herausgehalten werden. Daher meinte Wilhelm II. eine politische Einheit zu brauchen, die sich (neben technischen Fragen, es geht ja nicht nur um Schiffe, sondern Werften, Häfen, Verkehrsregulierungen, Aufbau eines Ingenieur- und Offizierskorps) auf die komplizierten politischen Dinge konzentriert. Das war alles andere als einfach. Im Frühjahr 1897 bricht Admiral Hollmann im Reichstag zusammen, weil er einen Kreuzer nicht bewilligt bekam. Die damals erzielten Ergebnisse sind von Wilhelm II. als unbefriedigend angesehen worden. Er berief Tirpitz, der hatte Erfolg, laut Chester Nimitz schuf er „die besten Überwasserstreitkräfte“. Streitfragen (z.B. Schlachtflotte oder Kreuzer) sind in aller Breite diskutiert worden. Flottengesetze und Novellen sind von verschiedenen Reichstagen (d.h. immer in anderer Zusammensetzung) jedes Mal mit großer Mehrheit angenommen worden. Und die Flotte ist von breiten Bevölkerungsschichten angenommen worden.[/FONT]
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[FONT="]Das eigentliche Problem ist daher nicht die 1888 gefundene Struktur, sondern das Fehlen einer den Verhältnissen entsprechenden Regelung für den Kriegsfall. Denn die tatsächlichen Verhältnisse entsprachen nicht den rechtlichen Regelungen. Der Admiralstab hatte (wie der Generalstab) den Krieg zu leiten. Theoretisch war der Fall kein Problem. Praktisch schon. Der Admiralstab war eine kleine Behörde, personell unterbesetzt, fachlich sehr gut, aber ohne Autorität. Er war eben nur in der Theorie wie der Generalstab (der sich seine unbestrittene Autorität durch kriegerische Erfolge unter dem älteren Moltke erarbeitete). [/FONT]
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[FONT="]Es liegt in der Natur der Sache, dass in der Aufbauzeit die Person, die den Aufbau durchführte, zur zentralen Person der Marine wird. Es wäre Sache des Kaisers gewesen, im Kriegsfall eine den tatsächlichen Verhältnissen entsprechende Struktur zu finden. Dazu gab es Vorschläge. Denkbar wäre gewesen, Admiralstab und Reichsmarineamt zusammen zu fassen, denkbar wäre ein Kaiserlicher Admiral gewesen, der allen Marinebehörden vorsteht. Die leitende Person hätte in beiden Fällen aufgrund seiner Autorität Tirpitz sein müssen. [/FONT]
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[FONT="]Die Person Tirpitz war das eigentliche Problem, denn die Vorstellungen von Tirpitz waren mit denen des damaligen Reichskanzlers Bethmann nicht vereinbar. Eine derartige Machtzusammenfassung unter Tirpitz hätte Bethmann vermutlich entmachtet. Allerdings hat der Kaiser (entgegen seinem Ruf) immer streng zwischen militärischen und politischen Fragen unterschieden (mit einem Supremat der Politik) . Und für die Politik war Bethmann, nicht Tirpitz zuständig. Das Problem löste der Kaiser so, dass er den Oberbefehl über die Marine übernahm und Tirpitz sein Berater wurde (der nach und nach entmachtet wurde). [/FONT]
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[FONT="]Beim Generalstab waren die Probleme nicht anders. Falkenhayn wurde Generalsstabschef, weil er die politische Auffassung Wilhelms und Bethmanns mittrug. Im Heer hatte wohl niemand Zweifel, dass das Gespann Hindenburg/Ludendorff die fachlich geeignetsten Personen waren. Dagegen intrigierten Hindenburg und Ludendorff schon Ende 1914. Wilhelm II. empfand das als Versuch eines Staatsstreichs. Es ist kein Zufall, dass Wilhelm II. und Bethmann immer mehr die Macht aus den Händen glitt und Deutschland Ende 1916 von der 3. OHL regiert wurde.[/FONT]
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[FONT="]Bei der Marine waren die Auswirkungen viel gravierender als beim Heer. Der Admiralstab ging in seinen letzten Manövern von einer weiten Blockade aus. Entsprechend war der Vorschlag des Admiralstabs für einen eventuellen Operationsbefehl 1913. In der Denkschrift des Admiralstabs (also auch von Pohl) „Angaben über die englische Marine vom Mai 1914“ wurde die enge Blockade ausdrücklich als unwahrscheinlich bezeichnet. Dies entsprach völlig der Auffassung von Tirpitz. Der Operationsbefehl – nämlich der Kleinkrieg – machte nur Sinn bei einer engen Blockade. Der Operationsbefehl hatte einen rein politischen Hintergrund, nämlich die Schlacht zu vermeiden (die ursprüngliche Formulierung ging sogar so weit, dass selbst unter günstigen Umständen eine Schlacht nicht geschlagen werden müsse; das war die einzige Änderung, die Tirpitz durchbrachte; bei der Formulierung war Tirpitz gerade nicht beteiligt, das war Sache des Admiralstabs, er erhielt den fertigen Operationsbefehl als Berater des Kaisers und erhob Einspruch). Bethmann meinte dadurch zwei Dinge erreichen zu können, (1) Herauslösen Englands aus dem Krieg, (2) eine unbeschädigte Schlachtflotte als Verhandlungsobjekt zu behalten.[/FONT]
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[FONT="]Pohl führte die politischen Vorgaben seemilitärisch – gegen erhebliche Widerstände - durch. Damit war der Kaiser auch zufrieden. Pohl hat genau das getan was auch heute als wünschenswert angesehen würde. Dass nämlich die Politik das Militär bestimmt und nicht umgekehrt.[/FONT]
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[FONT="]Die Verwaltungsstruktur der Marine war somit nicht das entscheidende Problem. Das war die Politik von Bethmann. Wären die politischen Ideen von Bethmann richtig und durchsetzbar gewesen, hätte sich kein Mensch mehr für die Verwaltungsstruktur der Marine interessiert. Denn dann zieht sich England in den nächsten Monaten aus dem Krieg zurück. Liegt Bethmann falsch, hat die Marine ein Problem und nicht nur die. Das wäre bei einer anderen Verwaltung nicht anders gewesen. Der Fehler bei der Marine entsprach die Ermattungsstrategie beim Heer. Das führt dazu, das ab 1916 der Kaiser und Bethmann nach und nach von den Militärs entmachtet werden. Die Marine war daran nicht beteiligt.[/FONT]
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[FONT="]Der wesentliche Grund für die Organisationsentscheidung des Kaisers dürfte sein Staatsverständnis (das sich in der Reichsverfassung widerspiegelte) gewesen sein, dass er (und nicht der Reichstag) die zentrale Stelle des Staates ist und dass militärische Kommandobehörden nicht in parlamentarische Streitigkeiten hineingezogen werden sollen. Bei der dargestellten Verfassungswirklichkeit sollte man auch nicht vergessen, dass auch der Reichstag seine Position erst bestimmen musste. Die Parteien standen noch am Anfang. Der Wille als Volksvertretung auch die zentrale Stelle des Staates zu sein, vermag ich beim Reichstag – z.B. nach der Daily Telegraph-Affäre – nicht zu erkennen. Für die Mehrheit war eben doch der Kaiser die zentrale Figur. In einer Monarchie die Militärbehörden eng an den Monarch zu ziehen, erscheint mir nachvollziehbar. Übrigens: Auch in einem demokratischen System ändern sich im Verteidigungsfall die Zuordnungen. Ein solcher Fall - Artt. 115 a GG – führt zu einer Straffung der Führungsspitze, Bundestag und Bundesrat werden durch ein anderes oberstes Bundesorgan, dem Gemeinsamen Ausschuss, ersetzt. Das Militär ist nun mal eine Stütze jedes Staates.[/FONT]
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[FONT="]Um eine Flotte aufzubauen braucht man Geld und das musste der Reichstag bewilligen. Die Finanzverfassung des Reiches kannte nur rudimentäre Einkommensteuersätze, was eine permanente Finanznot zur Folge hatte. Zudem waren im Reichstag auch die Gruppen vertreten, die dem Kaiser nicht wohl gesonnen waren (z.B. Sozialisten, Elsässer, Polen). Der Reichstag wurde selbstbewusster und begann seine Rechte auszuschöpfen. Aus all diesen Problemen sollte die Militärspitze (Heer und Marine) herausgehalten werden. Daher meinte Wilhelm II. eine politische Einheit zu brauchen, die sich (neben technischen Fragen, es geht ja nicht nur um Schiffe, sondern Werften, Häfen, Verkehrsregulierungen, Aufbau eines Ingenieur- und Offizierskorps) auf die komplizierten politischen Dinge konzentriert. Das war alles andere als einfach. Im Frühjahr 1897 bricht Admiral Hollmann im Reichstag zusammen, weil er einen Kreuzer nicht bewilligt bekam. Die damals erzielten Ergebnisse sind von Wilhelm II. als unbefriedigend angesehen worden. Er berief Tirpitz, der hatte Erfolg, laut Chester Nimitz schuf er „die besten Überwasserstreitkräfte“. Streitfragen (z.B. Schlachtflotte oder Kreuzer) sind in aller Breite diskutiert worden. Flottengesetze und Novellen sind von verschiedenen Reichstagen (d.h. immer in anderer Zusammensetzung) jedes Mal mit großer Mehrheit angenommen worden. Und die Flotte ist von breiten Bevölkerungsschichten angenommen worden.[/FONT]
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[FONT="]Das eigentliche Problem ist daher nicht die 1888 gefundene Struktur, sondern das Fehlen einer den Verhältnissen entsprechenden Regelung für den Kriegsfall. Denn die tatsächlichen Verhältnisse entsprachen nicht den rechtlichen Regelungen. Der Admiralstab hatte (wie der Generalstab) den Krieg zu leiten. Theoretisch war der Fall kein Problem. Praktisch schon. Der Admiralstab war eine kleine Behörde, personell unterbesetzt, fachlich sehr gut, aber ohne Autorität. Er war eben nur in der Theorie wie der Generalstab (der sich seine unbestrittene Autorität durch kriegerische Erfolge unter dem älteren Moltke erarbeitete). [/FONT]
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[FONT="]Es liegt in der Natur der Sache, dass in der Aufbauzeit die Person, die den Aufbau durchführte, zur zentralen Person der Marine wird. Es wäre Sache des Kaisers gewesen, im Kriegsfall eine den tatsächlichen Verhältnissen entsprechende Struktur zu finden. Dazu gab es Vorschläge. Denkbar wäre gewesen, Admiralstab und Reichsmarineamt zusammen zu fassen, denkbar wäre ein Kaiserlicher Admiral gewesen, der allen Marinebehörden vorsteht. Die leitende Person hätte in beiden Fällen aufgrund seiner Autorität Tirpitz sein müssen. [/FONT]
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[FONT="]Die Person Tirpitz war das eigentliche Problem, denn die Vorstellungen von Tirpitz waren mit denen des damaligen Reichskanzlers Bethmann nicht vereinbar. Eine derartige Machtzusammenfassung unter Tirpitz hätte Bethmann vermutlich entmachtet. Allerdings hat der Kaiser (entgegen seinem Ruf) immer streng zwischen militärischen und politischen Fragen unterschieden (mit einem Supremat der Politik) . Und für die Politik war Bethmann, nicht Tirpitz zuständig. Das Problem löste der Kaiser so, dass er den Oberbefehl über die Marine übernahm und Tirpitz sein Berater wurde (der nach und nach entmachtet wurde). [/FONT]
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[FONT="]Beim Generalstab waren die Probleme nicht anders. Falkenhayn wurde Generalsstabschef, weil er die politische Auffassung Wilhelms und Bethmanns mittrug. Im Heer hatte wohl niemand Zweifel, dass das Gespann Hindenburg/Ludendorff die fachlich geeignetsten Personen waren. Dagegen intrigierten Hindenburg und Ludendorff schon Ende 1914. Wilhelm II. empfand das als Versuch eines Staatsstreichs. Es ist kein Zufall, dass Wilhelm II. und Bethmann immer mehr die Macht aus den Händen glitt und Deutschland Ende 1916 von der 3. OHL regiert wurde.[/FONT]
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[FONT="]Bei der Marine waren die Auswirkungen viel gravierender als beim Heer. Der Admiralstab ging in seinen letzten Manövern von einer weiten Blockade aus. Entsprechend war der Vorschlag des Admiralstabs für einen eventuellen Operationsbefehl 1913. In der Denkschrift des Admiralstabs (also auch von Pohl) „Angaben über die englische Marine vom Mai 1914“ wurde die enge Blockade ausdrücklich als unwahrscheinlich bezeichnet. Dies entsprach völlig der Auffassung von Tirpitz. Der Operationsbefehl – nämlich der Kleinkrieg – machte nur Sinn bei einer engen Blockade. Der Operationsbefehl hatte einen rein politischen Hintergrund, nämlich die Schlacht zu vermeiden (die ursprüngliche Formulierung ging sogar so weit, dass selbst unter günstigen Umständen eine Schlacht nicht geschlagen werden müsse; das war die einzige Änderung, die Tirpitz durchbrachte; bei der Formulierung war Tirpitz gerade nicht beteiligt, das war Sache des Admiralstabs, er erhielt den fertigen Operationsbefehl als Berater des Kaisers und erhob Einspruch). Bethmann meinte dadurch zwei Dinge erreichen zu können, (1) Herauslösen Englands aus dem Krieg, (2) eine unbeschädigte Schlachtflotte als Verhandlungsobjekt zu behalten.[/FONT]
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[FONT="]Pohl führte die politischen Vorgaben seemilitärisch – gegen erhebliche Widerstände - durch. Damit war der Kaiser auch zufrieden. Pohl hat genau das getan was auch heute als wünschenswert angesehen würde. Dass nämlich die Politik das Militär bestimmt und nicht umgekehrt.[/FONT]
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[FONT="]Die Verwaltungsstruktur der Marine war somit nicht das entscheidende Problem. Das war die Politik von Bethmann. Wären die politischen Ideen von Bethmann richtig und durchsetzbar gewesen, hätte sich kein Mensch mehr für die Verwaltungsstruktur der Marine interessiert. Denn dann zieht sich England in den nächsten Monaten aus dem Krieg zurück. Liegt Bethmann falsch, hat die Marine ein Problem und nicht nur die. Das wäre bei einer anderen Verwaltung nicht anders gewesen. Der Fehler bei der Marine entsprach die Ermattungsstrategie beim Heer. Das führt dazu, das ab 1916 der Kaiser und Bethmann nach und nach von den Militärs entmachtet werden. Die Marine war daran nicht beteiligt.[/FONT]