Warum war nun, nmM, das Maschinenkarabiner / Sturmgewehr – Konzept revolutionär?
Dazu muß man folgende Informationen verknüpfen (manches wurde schon genannt).
a.)
„Feuerkraft und Stoßkraft
Durch den Einsatz von Maschinengewehren, die ab 1916 zum Haupträger des infanteristischen Feuerkampfes wurden, war es gelungen, die allgemeine Feuerkraft der Infanterie ganz erheblich zu steigern, nicht aber die des Einzelschützen.
Während des Krieges wurden daher bei den Infanteriekompanien verschiedene Gliederungen erprobt, um die wirkungsvollste Einsatzform der Maschinengewehre herauszufinden.
Zu Beginn des Jahres 1918 wurden in die Infanteriekompanie je 5 leMG Gruppen eingegliedert, die jeweils den Gruppenführer, einen le MG-Trupp mit vier Soldaten, ausgestattet mit einem leMG 08/15 und der G98 sowie einem Schützentrupp von gleicher Stärke, ausgetattet mit vier G98 umfaßten. Diese Gliederungsform wurde bis zum Ende des Krieges beibehalten und dann auch von der Reichswehr (und Wehrmacht) übernommen, da sie eine bessere Verteilung von Feuer- und Stoßkraft ermöglichte. Doch eine tatsächlich Steigerung der Stoßkraft des Einzelschützen brachte sie nicht, denn nur eine Hälfte der leMG-Grupe – der Schützentrupp – war in der Lage, diese anzuwenden.
Der Versuch, ein leichtes automatisches Gewehr zu entwickeln (wenn dieser auch sozusagen in letzter Minute erfolgte), kennzeichnete die Bemühungen des Generalstabes, eines der schwierigsten taktischen Probleme des 1.Weltkrieges – die Steigerung der Feuerkraft des Einzelschützen bei gleichzeitiger Erhöhung seiner Stoßkraft als dem wichtigsten Bestandteil der Feuerkraft – zu lösen.
Der Begriff „Stoßkraft“ war in den späteren Heeresvorschriften als „laufendes Feuer“ der Gewehrschützen, die unter Abgabe gezielten Einzelfeuers sprungweise vorgingen, um dann beim Einbruch ihr Bajonett und Handgranaten einzusetzen, definiert.“
und weiter:
„Bei Verfügbarkeit eines Selbstladegewehrs, eingerichtet für Einzel- und Dauerfeuer, hätte auf die leichten Maschinengewehre verzichtet werden können. Jeder Infanterist wäre in der Lage gewesen, gezieltes Einzelfeuer auf mittlere und Feuerstöße auf nahe Entfernungen abzugeben sowie das Bajonett und Handgranaten im Nahkampf zu verwenden. Dies hätte zu einer enormen Stigerung der individuellen Stoßkraft geführt.“
(beides: Handrich - „Sturmgewehr 44“ Seite 30)
b.)
Kampfentfernungen
Vor dem 1.Weltkrieg ging man von großen Schußentfernungen aus. Dazu sollte die gesamte Einheit (Kompanie und höher) gemeinsam, evtl. auch als Salve, schießen.
Die Erfahrungen im 1.Weltkrieg zeigte allerdings sehr klar das dieses Konzept selten durchgeführt werden konnte. Die große Leistung (erreichbare Schußweiten über 1.400 m) der 98-Gewehre und -karabiner auf dem Schlachtfeld konnte, aus verschiedensten Gründen (hauptsächlich - geringere Sicht durch Gefechtseinflüsse) nicht ausgenutzt werden konnten.
c.)
Munition
Die angesprochenen Gewehre und Karabiner verwendeten als Standartpatrone die 7,9x57 (Kaliber x Patronenlänge). Sie hatte sehr gute ballistische Leistungen, war allerdings für die Verwendung von kurzläufigeren Waffen nicht geeignet (gleiches gilt auch für die Infanterie-Patronen der anderen Staaten) da diese den hohen Energiegehalt nicht in ballistische Leistung umsetzen konnten. Ein größererer Anteil verpuffte dabei in verstärktem Rückstoß, in grellem Mündungsfeuer etc. . Die Erfahungen mit dem FG 42 bestätigt diese Regel. Dazu war defacto (bzw. nur mit sehr hohen Aufwand) nicht möglich mit dieser Patrone eine automatische Waffe zu entwickeln welche von der Schulter kontrollierbare Feuerstöße abgeben konnte.
Während das 98-Gewehr und -Karabiner für Kampfentfernungen bis über 1.400 m genutzt werden konnte war die Leistung der Kurzpatrone für, laut Kriegserfahrungen, für realistische Entfernungen bis 800 in idealer Weise konzipiert.
Waffe........................Gesamtlänge....Lauflänge.....Vo
Karabiner 98 b.............1250 mm.........740 mm.....785 m/s.....7,9x57, SS-Geschoß
Karabiner 98 k.............1110 mm.........600 mm.....755 m/s
G 41 (Mauser)..............1172 mm.........550 mm.....745 m/s
G 43............................1120 mm.........550 mm.....745 m/s
FG 42 /2........................975 mm.........500 mm.....685 m/s
MKb 42 / StG 44............940 mm.........420 mm.....685 m/s.....Kurzpatrone
zum Vergleich
MG 34........................1225 mm.........625 mm.....755 m/s.....7,9x57, SS-Patrone
MG 42........................1230 mm.........530 mm.....750 m/s.....7,9x57, SS-Patrone
(„SS“ bedeutet „schweres Spitzgeschoß)
d.)
Beim jedem Lade- und Nachladevorgang eines Repetiergewehres geht der Sichtkontakt mit dem Gegner verloren, das bedeutet idR taktische und zieltechnische Nachteile, da der Schütze a.) Bewegungen des Gegners beim Laden nicht erfassen kann und b.) das (oder ein anderes) Ziel wieder neu erfassen muß.
Dazu waren diese Ladevorgänge relativ langsam und auf die Dauer anstrengend. Darum kämpfte die Masse der mit Gewehr ausgerüsteten Soldaten, im 1.Weltkrieg, nicht mit ihren Gewehren sondern nutzen nur noch Handgranaten und Nahkampfmittel. In größerem Abstand befindliche Ziele überliesen sie den MG´s und anderen schweren Infanteriewaffen (Minenwerfer …)
Auch nach dem 1.Weltkrieg war der Träger des Infanteriefeuerkampfes nicht das Gewehr sondern das leichte Maschinengewehr der Infanteriegruppe. Erst wenn die Wirkung dieser Waffe nicht ausreichte sollten die Gewehrsoldaten herangezogen werden. Bei Abwehrkämpfen kam es sehr oft vor dass die MG-Besatzungen den Abwehrkampf führten während die übrigen Soldaten die MG-Gurte nachmunitionierten.
Der Ausfall von MGs stellte damit immer ein immense Schwächung der Feuerstärke dar und MGs waren grundsätzlich Ziele der Angriffe vorbereitenden Artilleriefeuer.
Zur Feuerstärke einer Gruppe ein paar Zahlen.
Man rechnete mit durchschnittlich mit folgenden praktisch[7b] erreichbaren Kadenzen.
In einer Infanteriegruppe von 10 Soldaten waren idR vorhanden:
9x Karabiner 98 - diese wurden mit einer praktischen Kadenz von je 9 Schuß Minute gerechnet
1x Mpi 38/40 …........................................................................... 50
1x le MG …................................................................................. ab 150.
für den Maschinenkarabiner / StG sind mir keine deutschen Vorschriften bekannt.
Die NVA rechnete für den AK-47 mit folgenden Werten
25 im Einzelfeuer
45 im Feuerstoß
(Theoretische Feuergeschwindigkeit bedeutet das die Waffe die angegebene Schußzahl erreichen konnte. Die „Praktische“ Feuergeschwindigkeit ist erheblich niedriger denn zb. die MG-Schützen mußten Gurt oder Lauf wechseln, Neuaufnahme von Zielen, Zielwechsel, dazu sollten deutsche MG des 2.Wk (auch BW) grundsätzlich kein Dauerfeuer sondern kurze Feuerstöße abgeben.)
Dagegen hatte der MKb 42 / StG 44 einen sehr viel geringen Rückstoß so daß auch Feuerstöße sehr gut im Ziel gehalten werden konnten. Die Ladevorgänge waren automatisiert, der Schütze konnte sich (fast) ganz auf das Zielen und die taktische Situation konzentrieren.
In der Abwehr konnte er schnell hintereinander folgende gezielte Schüße abgeben, wenn der Gegner zum Sturm antrat stand ihm mit dem Feuerstoß oder Dauerfeuer praktisch ein le MG zur Verfügung.
Im eigenen Angriff konnte er den Gegner, aus den gleichen Gründen, gut niederhalten. Durch die hohe Feuerkraft der Waffe war es auch bei Verlusten sehr viel leichter möglich Gegenstöße des Gegner abzuwehren.
Und letztlich.
Durch das geringere Gewicht konnte er eine höhere Munitionsausstattung am Mann führen.
Quellen:
Handrich - „Sturmgewehr 44“
Waffen Revue Nr. 43
PS:
* Maschinenpistolen werden, auch als Abarten von Sturmgewehren, nur für Sondereinheiten -Aufgaben benötigt.
* leichte Maschinengewehre wurden im 2.Weltkrieg nicht abgelöst da ihre Feuerkraft dringend benötigt wurde. Der ursprüngliche Gedanke – MKb als Ablösung von Mpi, Gewehr und le MG – hatte sich als nicht gangbar herausgestellt.
PPS:
Interessanterweise haben die anderen Staaten dieses Konzept lange nicht verstanden. Die UDSSR waren mit ihrer AK-47 der erste Staat welcher das Konzept, nach dem 2.Weltkrieg, verwirklichte. Die USA zog erst mit der M-16 nach. Die Bundeswehr erhielt erst mit dem G-36 ein wirkliches Sturmgewehr. Das G3 war sicherlich eine ausgezeichnete Waffe allerdings war die verwendete Patrone (7,9x51) in der gleichen Kategorie wie die Standartmunition des 3.Reichs (7,9x57).